Flüchtlingszug aus Lemberg
Die Bilder der ukrainischen Flüchtlinge graben sich in das Gedächtnis ein / Gathmann

Russland und der Ukraine-Krieg - „Russland braucht eine neue Stunde Null“

Cicero-Chefreporter Moritz Gathmann war in den ersten Tagen des russischen Einmarschs in der Ukraine unterwegs, hat einen Flüchtlingszug von Lemberg Richtung Westen begleitet. Jetzt ist er wieder in Deutschland, doch die Bilder lassen ihn nicht los. Jahrelang hat er sich für Verständnis zwischen Deutschen und Russen eingesetzt, inzwischen ist er überzeugt: Nur ein Ende des Systems Putin kann Frieden bringen.

Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

So erreichen Sie Moritz Gathmann:

Wie es mir geht, fragt ihr mich? Es geht mir gut. Körperlich. Seelisch bin ich am Boden zerstört. Eigentlich kann ich kaum noch geradeaus denken, seit ich vor einer Woche aus der Ukraine zurückgekommen bin. Ich sehe den Frühling einkehren, sehe meine Kinder um mich herum spielen und lachen, und bin doch nicht hier mit ihnen, weil ich an die ukrainischen Kinder denke, die ich auf dem Flüchtlingstreck gen Westen gesehen habe, auf dem Bahnhof Lemberg, wie sie stundenlang auf den kalten Bahnsteigen mit ihren Müttern frieren, in Panik in die Züge geschubst werden, die Richtung Polen fahren, wie sie sich verabschieden von ihren Vätern, die weinend zurückbleiben.

Ich denke an meinen Freund, den Fotografen Jewgenij Maloletka, der in der Stadt Mariupol eingeschlossen ist und von dort weiter berichtet. Und jede Bildergalerie, die er von dort in die Welt hinausschickt, trifft mich aufs Neue. In diesen Straßen war ich mit ihm unterwegs, 2014, als die von Russland gestützten Separatisten dort schon einmal für kurze Zeit die Macht übernommen hatten und dann wieder zurückgeschlagen wurden. Heute hat eine russische Rakete ein Geburtshaus in Mariupol zerstört.

Ich denke an die Hunderttausenden, die in Charkow ausharren, die versuchen, am Bahnhof einen Platz in einem der wenigen Züge Richtung Westen zu bekommen. Die Temperatur soll in der Millionenstadt Charkow, der zweitgrößten ukrainischen Stadt, in den nächsten Tagen auf minus 15 Grad sinken.

„Brudervölker“ werden gegeneinander aufgehetzt

Ich denke an meinen Kiewer Kumpel Wanja, ein waschechter Hipster, der Frau und Sohn in Sicherheit gebracht hat und der jetzt in einer Kompanie in Kiew als Helfer eines Militärarztes arbeitet. „Ich will nicht sterben, ich liebe meinen Sohn sehr“, hat er mir geschrieben.

Ich muss denken an die Millionen Leben, die dieser Krieg zerstört, die 15-Jährige aus der Stadt Saporischje im Bus nach Berlin, die mir Bilder von ihrer Tanzgruppe zeigte, sie im schicken Ballkleid, zusammen mit ihrem Partner, im Trainingslager, beim Wettkampf. Alles kaputt.

 

Moritz Gathmanns Video-Interviews aus der Ukraine:

 

Die Hilfsbereitschaft hier, in Polen und anderswo ist schön anzusehen. Aber sie ist ja nur um die Ecke gedacht ein Trost. Direkt gedacht ist die Tragödie riesig. Und sie ist die Folge der Taten eines Menschen, der einen Rachefeldzug ohne Rücksicht auf Verluste begonnen hat, ohne Rücksicht auf Verluste in der Ukraine und in seinem Land.

Wladimir Putin, offenbar auf einer psychopathologischen Ebene gekränkt durch die ukrainische Revolution von 2014, sät seitdem Hass, hetzt zwei Völker kriegerisch gegeneinander auf, die millionenfach familiär verbunden waren und sind, die kulturell seit Jahrhunderten eng verknüpft sind. Putin, der gerne von den „Brudervölkern“ spricht, lässt den „kleinen Bruder“, denn so ist die Brüder-Rhetorik in Wirklichkeit gemeint, nun bombardieren und töten.

Putin hat den Gedanken der Völkerverständigung verraten

Über die Hälfte meines bisherigen Lebens war ich ein Brückenbauer zwischen Russen und Deutschen, fast fünf Jahre habe ich in Russland gelebt, kenne auch die Nachbarländer gut, habe Freunde von Jerewan über St. Petersburg bis Minsk.

Ich habe immer für Verständnis geworben, habe in Deutschland die besonderen Erfahrungen der Russen und Gemütslagen erklärt, und wurde dafür immer wieder als „Russlandversteher“ abgewatscht. Ich habe es ertragen, sah es als meine Mission, trotz aller politischer Konflikte für Verständigung zu sorgen. Vielleicht ist es meinem sozialdemokratischen Elternhaus geschuldet, den Worten meiner Großmutter, deren Mann an der Ostfront gekämpft hat, meiner Generation, die mit Gorbatschow großgeworden ist, ganz bestimmt auch meinen Russischlehrern, ein Ehepaar, die sich nach 1990 mit großer Verve der Mission der Völkerverständigung zuwandten – und Menschen wie mich mitrissen.

Putin hat diesen Gedanken der Völkerverständigung aufs Widerlichste verraten, er hat Menschen wie mich verraten. Mit seiner revanchistischen Propaganda hat er die Köpfe der Russen, besonders der Älteren, vergiftet. Wie in vielen Familien ist auch in meiner mit aller Macht der Krieg eingekehrt, in Form einer großen Sprachlosigkeit zwischen den Jüngeren und der Elterngeneration. Ich könnte kotzen, wenn ich meiner russischen Schwiegermutter zum Frauentag gratuliere, während die russischen Soldaten die Ukraine zerbomben. Ich weiß nicht, wie wir aus dieser Sprachlosigkeit jemals wieder herausfinden sollen, wenn dieser Krieg irgendwann vorbei ist.

Die Zeit der „Inseln der Freiheit“ ist vorbei

Freunde schicken mir Videos aus Russland, aus der Stadt Kaluga, in der ich drei Jahre lang gelebt und viele Freundschaften geschlossen habe. In diesen Videos werden „Feinde des Volkes“ vorgeführt, mit Adressen und Telefonnummern, die angeblich an „ukrainische Faschisten“ gespendet haben und Fake-Informationen über die russische Spezialoperation verbreiten sollen. Dahinter, da besteht kein Zweifel, steckt der Staat und seine Geheimdienstler. Ich kenne die Leute, die nun als Volksfeinde markiert werden. Und bin fassungslos.

Wie oft habe ich mich über russische Radikaloppositionelle mokiert, die in den letzten Jahren sagten: „Jetzt sind wir wieder im Jahr 1937 angekommen“, wenn der Kreml sich wieder ein neues repressives Gesetz ausgedacht hatte. Der Vergleich zum brutalsten Jahr des Stalinismus erschien mir immer völlig überzogen. Denn die Freiheiten, die es im autoritären russischen System gab, waren immer noch groß: unabhängige Medien, die neben der staatlichen Propagandamaschinerie ihren Job voller Leidenschaft machten – und jedem, der die Wahrheit sehen wollte, die Möglichkeit dazu gaben. Die traurige, ja schockierende Erkenntnis der letzten Tage ist: Das System hat die Psyche vieler Menschen in Russland so deformiert, dass sie fähig sind, die Wahrheit auszublenden, selbst wenn sie in Form explodierender ukrainischer Wohnhäuser vor ihnen steht.

Die Zeit der „Inseln der Freiheit“ ist vorbei. Das System entwickelt sich über die letzte Woche mit großer Geschwindigkeit in Richtung einer finsteren, brutalen Diktatur. Der Hass, der von staatlicher Seite gegen Andersdenkende gesät wird, dringt über den Fernseher und die sozialen Netzwerke in jede Wohnung. Zu Zehntausenden fliehen die Menschen, die Angst vor Verfolgung haben oder nicht in den Krieg ziehen wollen, ins Baltikum, nach Georgien und Armenien, ja sogar nach Kirgisien und Kasachstan. Nur raus aus Russland, solange es noch möglich ist. Die bleiben, fürchten inzwischen, schon mit einem falschen „Like“ in den sozialen Netzwerken in den Fokus der Geheimdienste zu geraten und als Volksfeinde gebrandmarkt zu werden. Diese Menschen haben für mich Gesichter und Namen, sie sind nicht nur Zahlen, nicht nur eine Nachricht in der Zeitung.

Russland braucht eine neue Stunde Null

Ich hätte nach all den Jahren nie gedacht, dass ich einmal so etwas sagen oder schreiben würde. Aber ich bin über die vergangenen Tage zu dem Schluss gekommen: Russland braucht eine neue Stunde Null, ähnlich wie Deutschland im Mai 1945. Mit friedlichen Demonstrationen der Großstadtjugend ist dem System Putin nicht beizukommen, zu loyal – durch Gehirnwäsche und Geld – sind die Schlägertrupps, in die Putin die Polizei des Landes verwandelt hat. Der Oppositionsführer Alexej Nawalny sitzt im Gefängnis, und er wird dort so lange bleiben, wie Putin das will. Das System muss zusammenbrechen, damit auf den Ruinen etwas Neues entstehen kann.

Der Zusammenbruch wird Schockwellen erzeugen: Ich will gar nicht an die ethnischen Konflikte denken, an separatistische Tendenzen in den „nationalen Republiken“ von Tschetschenien bis Baschkirien. Der politische und wirtschaftliche Niedergang Russlands wird auch Zentralasien und den Südkaukasus destabilisieren, wo viele Menschen von den Überweisungen ihrer Verwandten in Russland leben. Und auch Syrien dürfen wir nicht vergessen, wo Russland Schutzmacht des Diktators Baschar Assad ist. Was, wenn es nicht mehr da ist?

Gut möglich, dass den Russen dann eine Rückkehr in die 90er-Jahre bevorsteht, in eine Zeit des Chaos und ökonomischen und gesellschaftlichen Niedergangs. Diese Aussicht ist absurd angesichts der Möglichkeiten, die Russland hatte, angesichts der ausgestreckten Hände in Form von „Modernisierungspartnerschaften“ und „strategischen Partnerschaften“. Wenn es schließlich zu Zusammenbruch und Chaos kommen sollte, gibt es dafür einen Schuldigen. Er heißt Wladimir Putin. 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Ernst-Günther Konrad | Do., 10. März 2022 - 11:33

So sehr ich mich in Ihre Gedankenwelt hinein versetzen kann Herr Gathmann, übrigens schön, das Sie wieder da sind, so frage ich mich, wäre Putin weg, was dann? Wäre es eine Garantie dafür, dass der Krieg sofort aufhören würde und jemand die Führung übernimmt, der einen anderen Weg gehen würde, könnte ich Ihnen sofort zusprechen. Doch würde es wirklich an den Grundausrichtung, an den Sicherheitsansprüchen Russlands etwas ändern? Ich bin da sehr skeptisch. Würde ein anderer sich tatsächlich glaubhaft dem Westen nähern und würde dadurch "plötzlich" ein Verständnis für russ. Bedürfnisse entstehen, wo sie doch vorher mit Füßen getreten wurden?
Die Verhandlungen in der Türkei las ich gerade, haben nichts gebracht, obwohl die Msm lautstark einen möglichen "Waffenstillstand" und eine Aufweichungen der Positionen beider Seiten herbeischreiben wollten. Die Fronten sind maximal verhärtet und Putin wird nicht klein beigeben, wenn sich die Ukraine nicht bewegt. Was wäre so schlimm an Neutralität?

was ist das für eine Frage?

Vielleicht ein Politiker, der nicht dem Wahn verfallen ist, Russland auf die Größe der ehemaligen Sowjetunion auzudehnen? Der nicht einfach Nachbarstaaten überfällt? Der nicht automatisch die Mitgliedschaft eines Nachbarn in EU oder NATO dem Angriff auf Russland gleichsetzt?
Kurz: Jemand, der nicht wie Putin vom Wahnsinn befallen ist?

Natürlich gibt es dafür keine Garantie. Man wusste auch nicht, wer auf Hitler folgen würde. Auf Stalin usw.

Wir wissen nicht, wer nach Putin kommt, deswegen sollte man an ihm festhalten?

Ist das jetzt ein besonders raffinierter Trick de Pro-Putin-Brigade?

Weiter: Was, in den "Mainstreammedien" wurde die Hoffnung auf einen "Waffenstillstand" geäußert? Unverzeihlich.

Aber in den entsprechenden, vom Foristen so gerne als beispielhaft gepriesenen "Alternativ-Hetz-Medien" gab es sicher genug Stimmen, die sich über Putins "Endsieg" sicher waren.

Ganz nach Geschmack, vermute ich.

Urban Will | Do., 10. März 2022 - 11:42

in Bez auf Russland verstehe ich voll und ganz. Und all das Erlebte gibt Ihnen sicher auch das Recht, all dies zu schreiben. Vom heimischen Schreibtisch aus ist eine Bewertung all dessen letztendlich ein Gang durchs Labyrinth an Fakten oder Fakes, niemand weiß genaues.
Trotzdem sind Sie ein Profi auf Ihrem Gebiet, dem Journalismus und was immer Sie fordern, angesichts der Gräuel durchaus verständlich, Sie müssen die Sache zu Ende denken.
Die Stunde Null in D: zerbombte Städte, Millionen Tote, kaputte Industrie, zerstörte Seelen.
So etwas kann man keinem Land wünschen und es ist auch in Bez. auf R undenkbar.
Putin ist Fakt, man kann ihm den Tod oder Untergang wünschen, aber man kann ihn nicht wegwischen. Und er ist kein Hitler.
Putin ist bald 70, er wird nicht ewig regieren.
Vergessen wir die Hoffnung auf sein jetziges Ende, bauen wir auf Verhandlungen mit ihm und eine andere Zukunft, denn ihn wird all das nicht treffen, was dieser Welt bei einer Ausweitung all diesen Irrsinns droht.

Ohne Verhandlungen mit Putin mit einem für ihn gesichtswahrenden Kompromiss wird es keinen Ausweg geben. Der ukrainische Präsident ist hier trotz aller Rhetorik realistischer als mancher Kommentator. Eine Stunde Null wird es in Russland nicht geben. Gorbatschow war ein für Deutschland segensreicher Betriebsunfall der russischen Geschichte. Aber genau dieser Betriebsunfall spülte Putin nach oben.

Urban Will | Do., 10. März 2022 - 18:11

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

meinem Kommentar galt?
Ich bin doch exakt Ihrer Meinung und habe das sowohl hier als auch (was Sie evtl. ja nicht wissen können) anderswo immer wieder geschrieben.
Sogar wörtlich, nämlich dass sowohl Selenskyj als auch Putin längst weiter denken als der Westen.
Und eine Stunde Null für Russland sehe ich ebenso wenig wie Sie.
Natürlich braucht Putin einen gesichtswahrenden Kompromiss, aber der Westen besteht offensichtlich noch immer darauf, ihn „bestrafen“ zu müssen. Dass er damit das russische Volk und noch mehr sein eigenes, vor allem die Geringverdiener, bestraft, ist ihm egal.
Es geht um's Prinzip. Punkt aus.
Der kleine Mann darf es bezahlen.

Martin Falter | Do., 10. März 2022 - 11:49

ich sehe es ganz genau so.

Seit der Kriegsrede des Puters, war mir klar, dass es nur ohne den Puter ( am Besten lebenslang im Knast ) wieder Frieden geben kann.

Seit seiner Machtergreifung entwickelt sich Russland zu nehmen zu einem Staatsterroristen der andere Länder destabilisieren will oder wie jetzt überfällt.

Die Welt hat jetzt die Arbeit, den Abfall zu beseitigen.

Russland wird dann zerfallen und zwischen China und dem Westen maginalisiert werden.

Walter Bühler | Do., 10. März 2022 - 11:50

ich kann gut verstehen, dass Sie sich vor dem Hintergrund ihrer Biographie, die auf das Zusammenleben der beiden großen slawischen Brudervölker ausgerichtet war, so vollkommen mit der Sache der Ukraine identifizieren. Es ist nachvollziehbar, dass Sie sich in Ihrer Erbitterung eine Stunde Null, einen Mai 1945 für Russland wünschen.

Aber vielleicht sollten Sie, wenn es möglich ist, diesen Gedanken doch noch einmal ruhig überlegen. Erinnern Sie sich, wie viele Menschen 1944/45 in Europa sterben mussten, um zur Stunde Null zu gelangen? Würden heute bei den Russen und bei den anderen Völkern weniger Menschen sterben müssen, wenn man die heutigen Atomwaffen bedenkt?

Wie grausam darf die Rache an dem Brudervolk sein, dessen Diktator dem anderen Brudervolk das angetan hat, was Sie beschreiben?

Und vielleicht sollten Sie auch über die Gleichung "Putin=Hitler" nachdenken. Sind die Gleichungen "Putin=Pllsudski", "Putin=Mannerheim" oder "Putin=Atatürk" nicht doch ein wenig treffender?

Romuald Veselic | Do., 10. März 2022 - 11:58

war vorauszusehen. Genauso, wie der Einmarsch der sowjetischen Soldateska in die CSSR am 21Aug1968, unter dem Vorwand, in dem Land findet Konterrevolution statt. Eine fiese Lüge sondergleichen! ?

Nur am Margo: Der oberste Hetzer, der dies dem KP-Gen-Sekretär Breschnew ins Ohr flüsterte, war Ziegenbart Ulbricht, weil er fürchtete, dass das auf sein SED "Lego" Land überspringt u.
ihn wegfegt.
5J in einem Land zu leben, reichen nicht, um landbezogene Tiefpsychologie zu erkennen.

Die D-Politiker sollten sich immer die gleichen Warnungen der Polen, Balten, gegeben falls der Finnen anhören. Dann wäre ihnen der Fall aus allen Wölken am 24Feb - erspart.
Für mich steht klar, dass geopolitisch o. in mentalen Besonderheiten, sind die westlichen Politiker in Allgemeinem, sowie die D-Politiker in Besonderem, die dümmsten in ihrem Metier.

Gerhard Fiedler | Do., 10. März 2022 - 13:25

"Wenn es schließlich zu Zusammenbruch und Chaos kommen sollte, gibt es dafür einen Schuldigen. Er heißt Wladimir Putin."
Nein Herr Gathmann, es gibt dafür mehrere. Der Schuldige Nr. 1 ist für mich der Westen, insbesondere Deutschland. Die ausgestreckte Hand Putins zur Völkerverständigung wurde nach seiner Rede im Deutschen Bundestag sträflich ausgeschlagen. Beifall war zu wenig und Konsequenzen folgten nicht. Der Schuldige Nr. 2 waren die USA mit ihrem steten eifersüchtigen Nein zu guten Beziehungen zwischen Deutschland und Russland, zu einer Großregion, die von Wladiwostok bis nach Lisabonn reichen sollte. Der dritte Schuldige war die Nato, die auf Geheiß der USA den Einflussbereich Russlands mehr und mehr einschränken soll. Putin war nicht von Anfang an auf Krieg gebürstet. Es ist das Ergebnis seiner Kränkung und unseres Versagens. Und wo war eigentlich unsere Empörung zum dreckigen Irakkrieg, wo unsere Forderung, Präsident Busch dafür vor ein Kriegsgericht zu stellen?

...wie man eine zu enge Bindung Russlands an Rest-Europa verhindern kann und versetzte dem Land einen Seitenstich nach dem anderen ... ach nö, war ja die NATO.
Langsam frag ich mich, warum es Putin nicht genauso gemacht hat: Kuba, Venezuela, ... alle in ein "Militärbündnis gegen den Kapitalismus" - vielleicht, weil man dann dem III. Weltkrieg noch näher gestanden wäre als es jetzt ist?

gabriele bondzio | Do., 10. März 2022 - 14:09

etwas Neues entstehen kann.

Haben das die Menschen, wie sie, ich, u. a. ...nicht schon immer gehofft. Leider sind in den letzten Jahren viele Kriege ausgebrochen, viele Opfer zu beklagen, meist unter der Bevölkerung. Die sich das nicht aussuchen konnte.

Dieser ist nun ganz besonders nahe. Und wenn jemand (wie sie) noch dazu mittendrin war, ist die Emotionalität des Artikels zu verstehen, zumindest von mir.

Was ich allerdings nicht glaube, dass mit dem Fall von Putin, auch das „System Putin“ aus der Welt wäre.

Hans Huber | Do., 10. März 2022 - 14:33

War da nicht 2011 etwas? Bundestag? 2014? Nuland? Odessa?
Nichts rechtfertigt Putins brutalen Krieg, aber den Westen als die Guten in dieser mehr als zehnjährigen Geschichte zu betrachten ist verlogene Doppelmoral vom Feinsten…

Tonicek Schwamberger | Do., 10. März 2022 - 15:20

. . . für und wider zum Artikel Herrn Gathmanns durchgelesen und muß sagen: Es mag sein, daß der Westen, die NATO, die USA einiges falsch gemacht haben, ABER: All das ist und wäre kein Grund für mich, ein kleineres, wesentlich schwächeres Land zu zerstören, Krankenhäuser zu bombardieren, Menschen umzubringen - und das alles ohne Ende.
Ich kannte nie kenne immer noch keine Argumente oder "gute Gründe", einen Krieg vom Zaune zu brechen und Unmengen Menschenleben zu zerstören.
Das mal in aller Deutlichkeit hier an die Foristen, die Putin's Macht- & Tötungsmaschinerie gutheißen . . .!
@ Moritz Gathmann: Haben Sie vielen Dank für Ihre aufwühlenden Worte - ich kann völlig mitfühlen und wäre eigentlich sehr froh, wenn solche Artikel nicht geschrieben werden müssen.

Ihr Kommentar, werter Herr Schwamberger, findet meine volle Zustimmung. Der sehr gefühlvolle und aufschlussreiche Artikel von Herrn Gathmann führt leider nicht dazu, dass die ewigen Putin Versteher in diesem Forum (ich mag keine Namen mehr nennen. Es hat keinen Sinn.) auch nur einen Millimeter von ihrer verbohrten Meinung abrücken! Sie haben Recht. Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt diesen Krieg, der tausende Menschenleben kostet, ein Land verwüstet. Und der nicht zuletzt auch unser Land, ja den ganzen Westen, unser aller Leben negativ beeinflussen wird. Denn keiner weiß, wie lange der „arme“ Putin noch Krieg spielen will. Vielleicht sollten die Herren Putin Versteher hier im Forum (leider doch recht viele) darüber nachdenken, ob wir vielleicht im nächsten Winter alle ein bisschen frieren (müssen). Herrn Putin fällt dazu sicherlich noch einiges ein! Noch braucht er unser Geld…
Herrn Gathmann herzlichen Dank für diesen tollen Bericht, der ihm wohl einiges abverlangt hat!

Sie, und Frau Hachenberg, unterstellen Foristen, den Krieg gutzuheißen.
Dass ist eine Verleumdung. Vielmehr weisen einige daraufhin, dass jede Medaille „zwei“ Seiten & einer „alleine“ keine Schuld hat. Wer eine einseitige Schuldzuweisung betreibt, verschließt die Augen vor eigenen Fehlern. Man hat einen Schuldigen. Wer dieses aufzeigt, heißt den Krieg nicht automatisch gut, dies zu unterstellen ist ehrabschneidend. Ich verurteile Bombardierungen jeder Art. Weltweites Verbot von Produzieren von Waffen dieser Art! Keine B, keine Bombad. Ein frommer Wunsch, der leider unrealistisch ist. Die unterschiedlichsten Interessen der Menschen im N, O, S, W, verhindern ein friedl. zusammenleben. Je nachdem auf welcher Seite des Zaunes man steht, der Schuldige steht immer auf der anderen.
Schande! Bilder, von Kindern ansehen zu müssen, wie G. es beschreibt, dazu bedarf es keines Krieges. Tagtäglich „kann“ man die sehen. Ich spende seit Jahren, mtl., ohne Krieg.

Bernhard Kaiser | Fr., 11. März 2022 - 01:46

Ich sehe es nach wie vor so, dass der Westen, insbesondere die USA und die NATO durch ihre aggressive Osterweiterung seit den 90er Jahren unter Clinton und dann unter Bush eine erhebliche Mitschuld trägt an diesem Konflikt! Ebenso durch den Umgang mit der Krise 2014! Damals hatte Putin der hochverschuldeten Ukraine einen Kredit in Höhe von 15 Milliarden € angeboten unter der Voraussetzung, dass die Ukraine weder der NATO noch der EU breitritt sondern als neutraler Pufferstaat zwischen Russland und der NATO fungiert, aus meiner Sicht damals ein vernünftiger Vorschlag! Statt dessen hat die damalige Regierung abgelehnt, da ihr von unserer Seite das Blaue vom Himmel versprochen wurde, wovon nichts eingehalten wurde! Ebenso darf man nicht vergessen, dass die Ostukraine seit 2014 unter massiver Belagerung durch die ukrainische Armee und durch paramilitärische rechtsradikale Einheiten zu leiden hatte und den Einmarsch Putins eher als Befreiung sieht denn als Angriff!

Heidemarie Heim | Fr., 11. März 2022 - 10:54

Ich muss sagen lieber Herr Gathmann, dass mich Ihre Schilderungen, Erlebnisse vor Ort sowie Ihre persönliche, auch familiäre Betroffenheit von traurig zu inzwischen trostlos katapultierten. Dazwischen Anfälle von ohnmächtiger Wut angesichts von mir langsam aber sicher völlig unverständlichen
Meinungen, Diskussionen bezüglich dieses Verbrechens an der ukrainischen wie russischen Gesellschaft. Ich könnte in den Fernseher springen wenn wie gestern gesehen das infame Lügenmaul Lawrow davon spricht, dass die bombardierten Geburtshäuser schon lange nicht mehr existierten und in Wahrheit zweckentfremdete Terroristenquartiere sind, während in der nächsten Einblendung eine hochschwangere Ukrainerin in den Wehen auf einer Trage aus den Trümmern nach draußen in die Kälte getragen wird. Ein Jeder, und da ist es mir momentan sch...egal wie emotional das jetzt ankommt, sollte sich nur einmal in eine solche oder auch in die von Ihnen geschilderten Tragödien hineinversetzen. Alles Gute für Sie! LG

Christoph Kuhlmann | Fr., 11. März 2022 - 13:38

Deutschland hat mit seiner Naivität und Russlandbegeisterung viel zur russischen Aufrüstung beigetragen. Das russische Gas war so schön billig und Russland liefert seit dem kalten Krieg zuverlässig. Wenn Moral und Profit Hand in Hand gehen, dann werden die Scheuklappen gewaltig. Die Kritiker wurden von den Russophilen als kalte Krieger diffamiert und nun werden sie Putinversteher genannt. Jeder, der Putin verstanden hat, fordert seit zwanzig Jahren eine deutliche Verstärkung der Bundeswehr. Die anderen haben geträumt. Dieses ganze Mitleid und Selbstmitleid nützt keinem was. Es sei denn man lernt daraus deutlicher als bisher zwischen den einzelnen Menschen eines Volkes und seiner Regierung zu unterscheiden. Ich traue Putin übrigens zu bei den nächsten Wahlen 60% zu. Man muss nur einseitig genug Bericht erstatten.

Wohl wahr werter Herr Kuhlmann! Zumal was die unvermindert zumeist noch älteren Russen, geprägt und aufgewachsen zu Sowjetzeiten nach wie vor Anhänger Wladimir d. Großen betrifft. Eine Bekannte zeigte mir letztens ein deutsches Video mit feinster prorussischer Propaganda und meinte, das Gorbatschow die Sowjetrepubliken ruiniert hat und Putin doch so viel Gutes getan hat für die Russen. "Das haben viele Deutsche nach 45 über AH auch gesagt. Er beseitigte die Arbeitslosigkeit und baute nicht zu vergessen die Autobahnen," gab ich ihr als Antwort. Und ob sie meine, dass diese Leistungen zu der Vernichtung von Abermillionen Menschenleben berechtige? "Aber die Ukrainer sind doch alles Nazis" meinte sie. Da gab ich endgültig das HB-Männchen und erklärte ihr mal aus 1. Hand was einen echten Nationalsozialisten mit Führerkult so ausmacht. Besonders deshalb, weil sich in meinem Stammbaum gleich mehrere Arier inkl. Runenträger & Heldentod finden. Keine Ahnung von nix! Genau wie unsere "Woken"! FG

Hans Süßenguth-Großmann | Di., 12. April 2022 - 10:39

Ein Zerfall Russland würde noch fehlen im Schreckensszenario für die nahe Zukunft. Der Krieg in der Ukraine wird sich an einer Front irgendwo im Donbass festfahren und dann wird es einen Waffenstillstand geben. Dann ist Putin aber immer noch da. Die Störungen in der Wirtschaft und im Handel durch das Ausscheiden Russlands und der Ukraine werden deutlich zu merken sein., so dass man wieder ins ´Geschäft kommen muss.
Die Hoffnung, dass die Ukraine als unser "Gladiator" den bösen Putin besiegt und die Russen sozusagen "erlöst" halte ich für gefährlich. Denn dann könnte es sein, dass der Krieg auf die NATO ausgeweitet wird und wir dann die Erfahrung der "Stunde Null" haben.