Viktor Orbán
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán / picture alliance

Viktor Orbán zum Ukrainekrieg - „Wir dürfen auf keinen Fall in diesen Konflikt hineinrutschen“

Im Interview spricht Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán über die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf sein Land, auf die Nato und die EU. Außerdem bewertet er das Verhältnis des Westens zu Russland und blickt auf die Regierungszeit Angela Merkels und deren Flüchtlingspolitik zurück.

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Zoltán Szalai ist Herausgeber des ungarischen Wochenmagazins Mandiner.

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Gergő Kereki ist Redakteur beim ungarischen Wochenmagazin Mandiner.

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Dieses Interview mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán erschien vor wenigen Tagen im regierungsnahen ungarischen Wochenmagazin „Mandiner“. Wir geben das Gespräch in einer leicht gekürzten Fassung wieder, um die Haltung des Regierungschefs des EU-Mitglieds Ungarn zu dokumentieren, das eine gemeinsame Grenze mit der Ukraine hat und gleichzeitig wichtige Wirtschaftsbeziehungen insbesondere im Energiesektor mit Russland unterhält.

Herr Orbán, die Ukraine steht im Krieg mit Russland. Aus dem Sessel des ungarischen Ministerpräsidenten betrachtet: Wie sind wir an diesem Punkt angelangt?

Woraus der Krieg entstanden ist? Wir befinden uns im Kreuzfeuer großer geopolitischer Akteure, die Nato hat sich kontinuierlich Richtung Osten erweitert, und dies gefiel Russland immer weniger. Die Russen sind mit zwei Forderungen aufgetreten: Die Ukraine solle ihre Neutralität deklarieren, und die Nato, dass sie die Ukraine nicht aufnehmen wird. Diese Sicherheitsgarantien haben die Russen nicht erhalten, deshalb haben sie sich dafür entschieden, diese im Krieg zu erlangen. Dies ist die geopolitische Bedeutung dieses Krieges. Die Russen formen die Sicherheitslandkarte des Kontinents um. Ihre sicherheitspolitische Vorstellung ist die, dass Russland von einer neutralen Zone umgeben sein muss, damit sie sich in Sicherheit fühlen können. Die bisher als Zwischenzone angesehene Ukraine, bei der es ihnen nicht gelungen ist, sie mit diplomatischen Mitteln zu neutralisieren, wollen sie jetzt mit militärischer Kraft dazu machen. Zugleich muss Ungarn deutlich machen, dass der Krieg im Interesse keines einzigen Zieles akzeptabel ist, und wer diesen Weg wählt, den verurteilt Ungarn eindeutig.

Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó hat Russlands Außenminister Lawrow und die ukrainische Führung nach Budapest gerufen. Das Ziel ist, dass die Friedensverhandlungen beginnen können. Ist der Friede realistisch?

Er ist es. Die Russen fordern das gleiche wie bisher. Da die Überlegenheit der militärischen Kräfte auf der Seite der Russen ist, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Verhandlungen begannen. Ungarn ist auf der Seite des Friedens, unser Interesse ist es, von dem Krieg ausgenommen zu bleiben sowie dass die Parteien möglichst schnell zu einer Übereinkunft gelangen und es Frieden gibt; wir dürfen auf keinen Fall in diesen Konflikt hineinrutschen. Wir verurteilen den russischen Angriff, da sie einen Krieg gegen die Ukraine gestartet haben. Man muss sich so schnell wie möglich wieder an den Verhandlungstisch setzen, deshalb haben wir angeboten, dass die Friedensverhandlungen in Budapest beginnen sollen. Doch das Wesentliche ist, dass sie beginnen. Jetzt müsste ganz Europa am Frieden arbeiten.

Seit Ihrer Wahl standen Sie in einem regelmäßigen Arbeitsverhältnis zu Putin. Als was für einen Menschen, als was für einen Verhandlungspartner haben Sie den russischen Präsidenten kennengelernt?

In Vorbereitung auf den Wahlsieg hatte ich bereits 2009 den Kontakt mit Präsident Putin und den führenden chinesischen Politikern aufgenommen. Ich dachte mir, wenn wir an die Regierung kommen, müssen wir jenen weltpolitischen Realitäten ins Auge blicken, die nach der Finanzkrise von 2008 eingetreten sind. Ich hatte damit gerechnet, dass die Finanzkrise die westliche Welt, am meisten die Europäische Union, erschüttern würde, die Chinesen jedoch nicht, so dass sich auf diese Weise der Prozess beschleunigt, in dessen Verlauf China die führende Rolle in der Weltwirtschaft übernimmt. Auf diese neue Weltordnung muss sich Ungarn vorbereiten. Nach dem Wahlsieg 2010 konnten wir bereits aus einer partnerschaftlichen Beziehung heraus die Verhandlungen zwischen den jeweiligen Regierungen mit den Chinesen und den Russen aufnehmen. Und was den russischen Präsidenten angeht: Worüber ich bisher mit ihm übereingekommen bin, das hat er immer eingehalten, und wir haben es ebenso getan. Die ungarisch-russischen Beziehungen waren bis in die allerletzte Zeit ein ausgewogenes, korrektes System von Beziehungen.

Die EU hat Sanktionen gegen Russland verhängt. Für diese hat auch Ungarn gestimmt. Wie werden die ungarisch-russischen bilateralen Beziehungen durch die russische Invasion beeinflusst? Werden die Ereignisse eine Auswirkung auf das Genehmigungsverfahren der Investition in das Kernkraftwerk von Paks 2 und auf den langfristig mit den Russen abgeschlossenen Gasvertrag haben?

Mit dem Auslösen des Krieges ist auch für Ungarn eine neue Situation entstanden. In dieser neuen Situation müssen die Ziele Ungarns und die ungarischen Interessen erneut festgelegt werden. Was die Sanktionen angeht, haben wir kein Veto eingelegt, wir hindern die EU nicht daran, Sanktionen gegenüber Russland anzuwenden. Jetzt ist die Einheit der EU am wichtigsten. Was die bilateralen Beziehungen nach dem Krieg angeht, so ist eines sicher, Russland wird auch nach dem Krieg existieren. Ungarn und die Europäische Union werden auch nach dem Krieg Interessen haben. Keinerlei Argument spricht dafür, dass wir unsere energiepolitische Zusammenarbeit mit den Russen einstellen sollten. Auch die führenden Politiker der EU haben klargestellt, dass die Sanktionen nicht die aus Russland kommenden Gaslieferungen berühren werden, denn dies würde die europäische Wirtschaft ruinieren. Auch mit der Investition in Paks ist dies die Situation. Wenn es kein Paks gibt, dann muss noch mehr russisches Gas und noch teurer gekauft werden. Wenn wir die Energie-Zusammenarbeit mit den Russen beenden würden, würden die Nebenkosten aller ungarischer Familien im Laufe eines einzigen Monats auf das Dreifache anwachsen. Diesen Schritt unterstütze ich aus diesem Grund nicht; nicht die ungarischen Familien sollen den Preis des Krieges zahlen.

Der Ministerpräsidentschaftskandidat der ungarischen Linken hat bereits zur Sprache gebracht, er würde auch, falls nötig, ungarische Soldaten und Waffen in die Ukraine schicken. Was ist Ihre Meinung dazu?

Die internationale Politik ist ein schwieriges Genre. Ich übe dieses Metier seit mehr als 30 Jahren aus, dies ist mein dritter Krieg. Der dritte Krieg, der unter meiner Regierung in unserer Nachbarschaft geführt wird. 1999, einen Tag nach unserem Beitritt, hat die Nato in den Kosovokrieg eingegriffen. 2014 die Krimkrise, und jetzt kommt mir der zweite ukrainisch-russische Krieg entgegen. Der Vorteil von Regierungserfahrung ist, dass ich weiß, was strategische Ruhe bedeutet: wenig reden, wenn, dann aber genau, verantwortungsbewusst. In solchen Momenten ist es nicht zulässig, dass sich die Gesichtspunkte des Wahlkampfes vor die nationalen Interessen schieben. Selbst mit einem einzigen falschen Satz kann man Probleme verursachen. In einer Kriegssituation ist das Reden schon ein halbes Handeln. Die Opposition will Waffen schicken, mit denen dann auf die Russen geschossen wird, oder Soldaten, die dann gegen die Russen kämpfen werden. Dies beweist, dass sie keine Routine, kein Wissen besitzen, und es mangelt ihnen an Verantwortungsbewusstsein. Mit ihren verantwortungslosen Äußerungen gießen sie nur Öl ins Feuer, und das ist den Interessen Ungarns entgegengesetzt. Statt einer Abenteurerpolitik sind verantwortungsvolle Politik, Sicherheit und Stabilität notwendig.

Womit helfen wir der Ukraine?

Wir helfen den Ukrainern gerne bei den Verhandlungen mit den Russen. Wir bieten selbst noch einen Ort für die Friedensverhandlungen. Darüber hinaus leisten wir den Ukrainern humanitäre Hilfe: Wir transportieren Benzin, Gasöl, Lebensmittel, Artikel der Grundversorgung dahin. Und drittens nehmen wir jeden auf, der aus der Ukraine kommt.

In den 1990er Jahren schien es so, als ob die Vereinigten Staaten die einzige Weltmacht bleiben würden, die über einen tatsächlich globalen Einfluss verfügt, und es ihnen gelingen würde, Russland und China in die durch sie angeführte Weltordnung zu integrieren. Wie sehen Sie es angesichts der Entwicklungen der vergangenen zwei Jahrzehnte: Hat es noch einen Sinn, über die monopolare, durch die Amerikaner dominierte Weltordnung zu sprechen? Wie bewerten Sie die bisherige Bilanz des amerikanisch-chinesischen Wettbewerbs?

Es erfolgt ein Positionswechsel an der Spitze der Welt. Aufgrund des heutigen Standes der Dinge wird bald China die stärkste Wirtschafts- und Militärmacht der Erde sein. Amerika ist dabei, zurückgedrängt zu werden, während China immer stärker wird. Ungarn mit seinen zehn Millionen Einwohnern muss in so einem Zeitraum geschickt manövrieren. Wir sind im Bündnis mit dem Westen, doch möchten wir auch mit der im Aufstieg begriffenen neuen Großmacht ein vorteilhaftes Verhältnis etablieren. Dies ist eine komplizierte, die Grenzen der Kunst streifende Aufgabe für die Macher der Politik.

Wie wird diese Veränderung die Frage der Souveränität betreffen?

Wir wissen bereits, wie die Welt ist, wenn es die angelsächsische Dominanz gibt. Doch wissen wir noch nicht, wie die Welt sein wird, wenn es eine chinesische Dominanz geben wird. Eines ist sicher: Die Angelsachsen beanspruchen, dass die Welt ihren Standpunkt als moralisch richtig anerkenne. Für sie reicht es nicht, die Realität der Macht zu akzeptieren, sie brauchen es, dass man auch das akzeptierst, was sie für richtig halten. Die Chinesen haben keinen solchen Anspruch. Das wird auf jeden Fall eine große Veränderung in den kommenden Jahrzehnten.

Wir haben die deutschen Bundestagswahlen hinter uns, Angela Merkel verlässt die Bühne der deutschen und der europäischen Politik. Was denken Sie über die Bilanz der vergangenen 16 Jahre der Bundeskanzlerin?

Zunächst einmal sollten wir feststellen, es ist nie eine leichte Aufgabe, deutscher Bundeskanzler zu sein. Deutschland befindet sich in einem unnatürlichen Zustand, denn seine verschiedenen Körperteile entwickeln sich in einem Missverhältnis: Es besitzt einen riesigen Bizeps in der Wirtschaft, eine gut ausgebildete Muskulatur in der Kultur, aber schmale Waden in der Sicherheitspolitik, denn es verfügt über keine nennenswerte militärische Kraft, und es kann auch wegen des Zweiten Weltkriegs nicht mit der Ambition auftreten, welche haben zu wollen. Es lohnt sich also nicht, von Deutschland etwas zu erwarten, das es in seiner objektiven Lage nach dem Zweiten Weltkrieg nicht erfüllen kann. Die Beurteilung von Bundeskanzlerin Merkel wird in großem Maße dadurch beeinflusst werden, was hiernach in Deutschland folgen wird. Die Frage ist nämlich: Im Vergleich wozu war die Ära Merkel gut oder schlecht? Im Vergleich zu dem, was wir uns gewünscht hätten, war sie nicht allzu erfreulich, doch im Vergleich zu dem, was jetzt mit der neuen linken deutschen Regierung folgen könnte, kann ihre Bilanz noch recht gut sein. Doch war sie es ja, die die Migranten hereingelassen hat, sie war es, die jenen Eckpfeiler der deutschen Familienpolitik aufgegeben hat, der das traditionelle Familienmodell verteidigte, aber sie war es auch, die Deutschland auf eine energetische Bahn geleitet hat, über die man nicht wissen kann, ob sie lebensfähig sein wird. Das sind drei wichtige strategische Fragen. Es ist die historische Entwicklung, dass Deutschland nun in der Militär- und Sicherheitspolitik einen Paradigmenwechsel angekündigt hat. Sie haben sich entschieden: Deutschlands Wiederbewaffnung beginnt. Auch dies schafft eine neue Lage in Europa.

Als was für einen Menschen haben Sie Merkel kennengelernt?

Ich respektiere Sie, ich habe gerne mit ihr zusammengearbeitet. Auch dann noch, als es im Herbst 2015 zum Bruch zwischen uns kam. Dies belastet bis auf den heutigen Tag die deutsch-ungarischen Beziehungen und trägt stark dazu bei, dass wir auch in Brüssel unter Attacke stehen. Der Grund für den Bruch war unsere Migrationspolitik. Die Bundeskanzlerin hat mich eindeutig dazu aufgefordert, jene Migrationspolitik aufzugeben, die sich davor verschließt, die Migranten hereinzulassen, und ich sollte nicht die gemeinsame europäische Migrationspolitik blockieren, die die Migranten unter den Mitgliedstaaten verteilen würde. Ich habe diese Forderung zurückgewiesen, dabei erinnert man sich daran, wie es ist, einen deutschen Stiefel auf der Brust zu haben. Es ist besser, so etwas zu vermeiden. Im Zusammenhang mit der Migration konnte man nichts anderes tun, als „Nein“ zu sagen. Obwohl ich wusste, dass wir deshalb über Jahre hinweg schwerwiegenden Angriffen ausgesetzt sein würden. Da sie ganz Europa zu einem Einwanderungskontinent machen wollen und Ungarn der Stock zwischen den Speichen ist, deshalb wollen sie die gegenwärtige ungarische Regierung beseitigen. Auch bei den ungarischen Wahlen im April dieses Jahres unternehmen die Brüsseler alles für den Erfolg der ungarischen Linken. Am 3. April müssen wir auch zu diesen Brüsseler Einmischungsversuchen „Nein“ sagen.

Der Ausgang der deutschen Wahlen ist bekannt: Die Linken, die Grünen und die Liberalen haben die Regierung gebildet. Wie können die Entwicklungen die deutsch-ungarischen bilateralen Beziehungen beeinflussen?

Das Programm der neuen deutschen Regierung lesend, gibt es bei uns viele Fragezeichen. Sie haben Deutschland zu einem Einwanderungsland erklärt, sie leugnen die Einteilung der Gesellschaft in ausschließlich Männer und Frauen, sie würden die leichten Drogen legalisieren, den Begriff der Nation aushöhlen, sie wollen ein föderatives Europa. Man weiß nicht, ob sie dieses Programm tatsächlich durchführen, wie auch nicht, ob sie dieses Programm auf ganz Europa auszuweiten versuchen. Wir möchten mit ihnen ein Toleranzabkommen im Interesse dessen schließen, damit wir unseren eigenen Weg in diesen Fragen beschreiten können. Sie müssen nicht so sein, wie wir es sind, aber wir sollten nicht so werden müssen, wie sie es sind.

In der konservativen Tageszeitung Die Welt hat man bereits vor den Wahlen gewarnt: Mit dem Weggang von Angela Merkel könnten die südlichen Mitgliedsstaaten alle Schranken vor der Verschuldung der EU beseitigen. Was kann der Weggang von Merkel für Europa mit sich bringen? Besteht tatsächlich die Gefahr der Verschuldung der EU?

Die Staatsverschuldung einiger europäischer Länder übersteigt im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt bei weitem die 100 Prozent. Wir sehen keine Wirtschaftspolitik, mit deren Hilfe man so hohe Schulden verschwinden lassen oder auf der Ebene der Mitgliedstaaten langfristig ertragbar machen könnte. Eine Idee der verschuldeten Staaten ist es, ihre Staatsverschuldung auf europäischer Ebene zu vergemeinschaften. Merkel hat dies immer zurückgewiesen, den Standpunkt der neuen deutschen Regierung kennen wir vorerst nicht. Es ist kein gutes Vorzeichen, dass der Präsident der deutschen Bundesbank sein Amt niedergelegt hat, denn auch er stimmte in der Frage der Verschuldung mit Merkel überein. Aufgrund unserer historischen Erfahrungen ist die Furcht begründet, dass die europäische Linke die EU in eine Schuldenfalle führen würde. Wie es auch schon Margaret Thatcher gesagt hat: Das Problem mit den Sozialisten ist, dass ihnen früher oder später das Geld der anderen ausgeht. Doch haben wir auch ein anderes Problem: Mit dem Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges ist es eindeutig geworden, dass die europäische Militär- und Sicherheitspolitik auf eine neue Grundlage gesetzt werden muss. Europa benötigt eine eigene Armee, eine ernsthafte militärische Industrie. Wir können uns nicht ausschließlich auf die Amerikaner stützen. Diese Herausforderung bedeutet viel größere militärische Ausgaben. Das heißt, während wir versuchen, das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung zu senken, müssen wir auf dem Gebiet der Militärpolitik eine Ausnahme machen. Wir müssen viel Geld für die Rüstungsindustrie aufwenden, wir müssen die ausgebliebenen Investitionen der vergangenen Jahrzehnte nachholen. Der ungarische Standpunkt unterstützt die strenge Haushaltspolitik, wir brauchen die Maastricht-Kriterien, doch sollten wir die sicherheitspolitischen Ausgaben nicht zu dem gemeinsam beschlossenen Maß des Haushaltsdefizits hinzurechnen.

In welchem Verhältnis stünde die Armee der Europäischen Union zur Nato, zu den Heeren der Mitgliedstaaten, wer würde sie finanzieren, und wer würde sie leiten?

Die Nato ist ein großer Wert, man muss sie beibehalten, außerhalb von ihr hat es keinen Sinn, eine Armee aufzubauen. Zugleich sind der europäische und der amerikanische Flügel des Bündnisses nicht im Gleichgewicht miteinander. Die Amerikaner legen viel mehr hinein als wir. Dies muss geändert werden, man muss erreichen, dass wir in der Lage sind, das amerikanische Bündnis aufrechterhaltend die Sicherheit Europas auch aus eigener Kraft zu garantieren. Heute besteht unter den führenden europäischen Politikern hierzu kein politischer Wille, sie wollen nicht einen Teil ihrer Wirtschaftskraft für militärische Ausgaben aufwenden. Sehen wir es ein, es war in den vergangenen drei, vier Jahrzehnten eine bequeme Sache, im Vergleich zu den Amerikanern viel weniger für die Sicherheit auszugeben, denn so blieb ja für andere Ziele mehr Geld. Das war die europäische Strategie. Und die amerikanische Strategie baute darauf auf, dass, wenn man seine Militärpolitik gut organisiert, die militärischen Investitionen und Entwicklungen eine wirtschaftliche Entwicklung zum Ergebnis haben; sie können in die zivile Wirtschaft hinübergelangen, wenn ein Kreislauf zwischen der Rüstungsindustrie und anderen Segmenten der Wirtschaft entsteht. Das bedeutet dann letztendlich einen wirtschaftlichen und technischen Fortschritt für alle. In Amerika funktioniert das gut, dort werden längerfristig auch aus den militärischen Ausgaben eher wirtschaftliche Ausgaben und nicht bloß militärpolitische. Bedenken Sie nur, das Handy, das GPS und das Internet sind auch militärische Entwicklungen und bringen auch in der Zivilwirtschaft einen ernsthaften Nutzen. Europa ist ein technologisch entwickelter Kontinent; wenn es eine gemeinsame europäische Konzeption der Verteidigungsindustrie gäbe, könnten auch wir diesen Kreislaufeffekt hervorbringen. Ungarn würde gerne an so einer Initiative teilnehmen. Ich habe mit Frankreichs Präsident Macron und anderen führenden mitteleuropäischen Politikern bereits über die Frage Unterredungen geführt; soweit ich das sehe, könnte eine französisch-mitteleuropäische militärpolitische Kooperation entstehen. Der russisch-ukrainische Krieg könnte die Betroffenen noch mehr in diese Richtung drängen.

Welche Auswirkungen kann der russisch-ukrainische Krieg auf die Zusammenarbeit der vier Visegrád-Länder haben? Treibt die Russlandfrage die Visegráder auseinander?

Die Zusammenarbeit der V4 haben wir bisher von den militärpolitischen Themen getrennt, da wir wussten, es gibt Meinungsunterschiede zwischen uns. Jetzt, da die Russen die Ukraine angegriffen haben, können wir dieses Thema nicht mehr fernhalten, denn dies ist die wichtigste Frage. Wir wollen die Russen von uns fernhalten, doch gibt es bedeutende taktische Unterschiede zwischen uns. Die Polen wollen die Grenze der westlichen Welt bis an die Grenze der russischen Welt hochschieben. Sie fühlen sich dann in Sicherheit, wenn dies umgesetzt wird, und die Nato – auch Polen mit inbegriffen – in der Lage ist, eine entsprechende Streitmacht auf der westlichen Seite dieser Grenzlinie aufmarschieren zu lassen. Auch deshalb unterstützen sie vehement die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Das Wesentliche des ungarischen taktischen Denkens ist aber, dass es zwischen den Russen und den Ungarn ein ausreichend breites und tiefes Gebiet geben soll. Heute heißt dieses Gebiet Ukraine. Dieser geopolitische Unterschied ist dann nicht wichtig, wenn man sich mit Brüssel in der Angelegenheit der Nebenkosten auseinandersetzen oder in der Genderfrage kämpfen oder sich gerade gegen die Migration schützen muss, jetzt aber hat die Bedeutung dessen zugenommen, denn es gibt Krieg. Das Wesentliche ist, dass auch die Polen wissen, sie können auf die Ungarn zählen, und wir wissen, dass wir auf die Polen zählen können.

Sie sprechen oft über den Aufstieg der V4. Worin sehen Sie die Spuren der Stärkung?

In den Tatsachen. Als wir zu Beginn begannen, die Zusammenarbeit der V4 zu intensivieren, war unser Handelsverkehr mit Deutschland durchschnittlich. Dann kam der Moment, in dem der Handelsverkehr der V4 mit den Deutschen das deutsch-französische Niveau erreichte, später sind wir an den Punkt angekommen, dass der Handelsumfang zwischen den V4 und den Deutschen bereits doppelt so groß wurde wie der deutsch-französische, und jetzt befinden wir uns schon darüber. Ich sehe, wie sich die Wirtschaftskraft der V4 aufbaut. Heute geht es nicht mehr nur darum, dass die mitteleuropäischen Wirtschaften nicht ohne die deutsche Wirtschaft funktionieren können, sondern auch darum, dass die deutsche Wirtschaft nicht ohne Mitteleuropa funktioniert. Das hat ein vollkommen neues Verhältnis zum Ergebnis: Es ermöglicht ausgeglichenere Beziehungen.

Ungarn ist ein großer Unterstützer der euroatlantischen Integration des Balkan. Was ist die Realität dieser Politik?

In Westeuropa ist der Gedanke stark, der am liebsten die bisherigen Erweiterungen ungeschehen machen würde. Sie deuten gerne die Schwächung der westeuropäischen Mittelklasse, die Verschuldung, die Tatsache der wirtschaftlichen Wettbewerbsunfähigkeit als etwas, das wir, Mitteleuropäer, über sie gebracht hätten, indem sie die EU erweitert haben. So ziehen sich viele vor jeder weiteren Erweiterung instinktiv zurück, denn sie sind der Ansicht, diese würde ihre Lage weiter erschweren. Dies nennen sie natürlich elegant nur „fatigue“, „Erweiterungsmüdigkeit“, so muss man nicht zugeben, dass ihre Position moralisch nur schwer aufrechtzuerhalten ist und sie auf der falschen Seite der Geschichte stehen.

Warum ist für unser Land die EU-Mitgliedschaft von Serbien und Mazedonien so wichtig?

Sie ist sowohl aus sicherheitspolitischen Gründen als auch aus jenen des Handels wichtig. Der russisch-ukrainische Krieg macht es evident, dass kein Schwarzes Loch in der Sicherheit, kein Vakuum auf dem Balkan bleiben darf. Wir argumentieren bereits seit langem damit, dass es zwischen Griechenland und Ungarn kein Gebiet geben darf, das im geopolitischen Sinn verwahrlost, außerhalb der Europäischen Union, und Spielplatz der amerikanischen, europäischen, russischen und türkischen Interessen ist. Der jetzige Krieg bestärkt diese Argumentation nur. Hinzu kommt noch, dass es bereits Nato-Mitgliedstaaten in der Balkanregion gibt. Es ist an der Zeit, dass die Europäische Union zur Nato aufschließt, wir müssen diese gesamte Region in die westliche Welt integrieren, sowohl im militärpolitischen als auch im wirtschaftlichen Sinn. Der Beitritt des Balkans ist auch unser Handelsinteresse, die Region könnte für uns ein wirtschaftliches Hinterland sein, wir könnten miteinander finanziell auch Vorteile haben.

Das Gespräch führten Zoltán Szalai und Gergő Kereki.

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Romuald Veselic | Mo., 7. März 2022 - 19:04

Ich bin sehr froh, dass es in Europa solche Politiker gibt, wie Viktor Orbán. Orban & Co. wollen Europa bewahren, Merkel & Co, haben die Absicht, Deutschland u. Europa auf den Kopf zu stellen u. damit enteuropäisieren.

Meine persönliche Anmerkung: In keinem Moment meines Lebens betrachtete ich meine zivilisatorisch-kulturelle Fähigkeit u. Reichtum, als bereicherungserforderlich. Ich bin damit zufrieden, was ich immer gegessen o. gelesen habe. Ich brauche exotische Gerichte, wie gegrillte Heuschrecken nicht, um glücklich zu sein.

Und zwar an der Stelle, wo Orban ohne zu zögern mit dem größten & gefährlichsten Staat - der Kommunistischen Diktatur China - kooperieren will.
Na, ob das nicht in die Hose geht - Karnivoren sind die süßesten Fallen!
Und das als ein Land - Ungarn - welches schon immer aus kommunistischer Hand fliehen wollte (ich sage nur 1956 - ach die so liebenswerte, kommunistisch russische Macht, die mit Panzern die Freiheit zerschoss)

Man sollte aber eben nicht den Fehler begehen, von der Bevölkerung auf einen Staat/ Präsidenten zu schließen. Zumal Wodka uns D. alles in rosaroter Brille sehen lässt. Dies geht nach hinten los.
Selbst ich muss zugeben, dass ich zwar Putin als kommunistischen, skrupellosen Diktator gesehen habe, aber einen, der auf sein Land viel hält.
Wer aber auf seine eigenen Brüder schießt, ohne Worte - hier hatte ich mich sehr in ihm getäuscht. Ich hatte angenommen, ihm ginge es nur um die Krim - Sorry

Möge Gott wenigstens die kleinen Ungarn schützen, damit Sie nicht ......

Das Vorschulalter-Spiel "Meins ist besser als deins!" wird auf "Erwachsenenebene" weitespielt! Die Isten wollen die Weltherrschaft: NationalsozialISTEN; KommunISTEN; IslamISTEN; RechtsfaschISTEN; LinksfaschISTEN!
Die MerkelISTEN in der CDU wollten das solange nicht wahrhaben, wie sie "Dank" ihr immer wieder die Wahlen gewinnen und in den hochbezahlten Parlaments- bzw. Regierungssesseln Platz nehmen konnten! Leider haben die Wenigsten gesehen, dass dies (mit Fleiß?) in den Abgrund führt. Nun, wo es deutlicher wird, was uns die Destabilisierungspolitik der Nämlichen gebracht hat, werden die kritischen Stimmen lauter. Man kann nur hoffen, dass es nicht zu spät ist. Das Schweigen der Nämlichen ist sehr beredt ... !
Es bleibt ein Kampf der Systeme, wobei das eine System - das der ISTEN - skrupellos und menschenverachtend zur Sache geht, wie jetzt zu sehen ist!
Und dennoch Dietrich Bonhoeffer: "Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will."

Christoph Kuhlmann | Mo., 7. März 2022 - 19:05

Die demokratischen Institutionen sind nicht verhandelbar, Also eine freie Presse (auch wenn mir ihre linksliberale, pseudomoralische Positionen zuwider sind) und eine unabhängige Justiz. Natürlich habe ich Verständnis dafür, das man mit Juristen, die ihre Karriere im real existierendem Sozialismus haben ernsthafte Probleme hat. Nit Leuten, die immer auf der richtigen Seite stehen geht es politisch nicht. Die Heuchler verachten wir alle. Doch die Institutionen der Demokratie sind sakrosankt. Freie Presse, unabhängige Justiz und das Recht auf Meinungsfreiheit! Über alles andere lässt sich reden. Auch wenn Wladimir Putin und damit leider auch Russland streng bestraft werden muss und die Helden der Freiheit in der Ukraine das Herz jedes wahren Demokraten die "Realpolitik" verachten lässt.

ursula keuck | Mo., 7. März 2022 - 19:52

Unsere Flinten Uschi in Brüssel, unser Verlegenheitskanzler, unsere Koboldin Annalena, der zerfahrene Boris Johnson, der hochbetagte Biden - NEIN!
Es könnten die Weltmächte Indien und China mit Staatschef Ram Nath Kovind oder der Staatschef Xi Jinping sein, das Drama in der Ukraine zu stoppen.
Welcher westliche Staatschef war bei den Olympischen Spielen in China?
Alle haben boykottiert!
Bei der Eröffnung war nur Putin anwesend. Warum sollte deshalb Xi Jinping jetzt Putin kritisieren?
Erinnern möchte ich noch von den Berichterstattung der Olympischen Spiele von unserem Staatsfernsehen.
Es wurde mehr über die bedauernswerte Lage in China berichtet, als über die Spiele - grün-ideologischer Fixierung wie gewohnt in der ARD/ZDF -.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 7. März 2022 - 20:01

"nicht hineinziehen lassen"?
Wir stecken mittendrin, noch friedlich, als aber evtl. Herr Selenskyi schon die Weichen stellte, vollends, seit Russland Krieg führt.
Mir ist nicht bekannt, was genau Russlands Ziele sind, wie weit Putin glaubt gehen zu können und auch nicht, wie weit er überhaupt kommen kann.
Viele werden versuchen, sich irgendwie durch diese gewaltige Krise zu "mogeln".
Nein, eigentlich gefällt mir das Wort nicht.
Nur weil man bei Krieg nicht gleich vorneweg marschiert, könnte man doch zu denen zählen, die ihn abkürzen.
Die geopolitische Karte, die Herr Orban zeichnet, verstehe ich nicht ganz, andererseits dürfte sie variieren, je nach dem, wo man beginnt und dadurch jede Menge Unwägbarkeiten bereithalten.
Ich beginne mit Europa und dessen neuerlichem Aufstieg, jetzt zu einer vereinten Weltmacht.
Das bedingt wahrscheinlich Russlands schärfere Gangart.
Der Wiederaufstieg der Türkei bedingt ebenfalls eine erhöhte Wachsamkeit.
Die USA steigen nicht ab, andere schliessen auf.

Dr.Andreas Oltmann | Mo., 7. März 2022 - 20:13

Ein bemerkenswertes Interview, klare Fragen, klare Antworten. Stelle ich mir Scholz oder Baerbock daneben vor, dann würde er nur unverbindlich schwafeln, und sie von Moral reden, kein Vergleich. Orbans Äußerungen sind frei von Polemik, frei von persönlichen Angriffen, bedacht und überlegt. Er bezieht klare Postion und hat ein eigene Meinung. Er benennt Differenzen, ohne in Vorwürfe auszuufern. Er stellt seinen Standpunkt dar, kritisiert andere, aber nie abfällig. Wer kann ihm vorwerfen, dass die Ungarn nicht gezwungen werden dürfen, so wie die Deutschen sein zu müssen? Er hat eine klare Vorstellung von Europa in der Zukunft, und er wirkt auf mich überaus realistisch. Und unabhängig. Gratulation.

gabriele bondzio | Di., 8. März 2022 - 08:36

Antwort auf von Dr.Andreas Oltmann

Man(n)/Frau muss nicht voll hinter allem stehen, zu was Herr Orban steht.
In der Aussagekraft ist es jedoch klar das Beste was ich, in diesen schwierigen Tagen von einem Politiker vernommen habe.

Und dazu noch, wie sie bereits sagten Herr Oltmann...ohne Schaum vor dem Mund, Beleidigungen/Ausfällen gegen politische Gegner (wie er sie in der Vergangenheit selbst erfahren musste) u.a.

Drücke ihm ganz fest die Daumen, bei seinen Bemühungen um den Frieden in Europa.

"Einer muss den Frieden beginnen, wie den Krieg."
Stefan Zweig

Kurt Walther | Mo., 7. März 2022 - 21:55

Ein umfangreicher Text, obwohl schon gekürztes  Interview.  Es wurden so ziemlich alle Themen  angesprochen. Als "alter weißer Mann" aus dem tiefen Osten, also   diktaturgeschädigt,   kann ich Viktor Orbáns Einlassungen nur zustimmen. Völlig richtig, dass Ungarn  sich in der Vergangenheit  mit  der  V4-Gruppe  dem westeuropäisch dominierten EU-Mainstream immer wieder widersetzte - vor allem aber der Merkelschen Migrationspolitik.
Die innenpolitischen Verhältnisse Ungarns und der anderen V4-STaaten kann ich hier nicht beurteilen.
Orbáns  Bestrebungen zur raschen Aufnahme weiterer Länder des Balkan in die EU sind strategisch langfristig wohlbegründet: Europa als starken wirtschaftlichen und militärischen Block in der Welt etablieren.  Eben deshalb muss die  EU rasch  zur NATO aufschließen. Das wird allerdings den Alt-EU-Ländern auch eine Menge kosten - zusätzlich zur aktuell angesagten  und geforderten Nach-  und Aufrüstung angesichts des russischen  Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Tomas Poth | Mo., 7. März 2022 - 22:24

... und ... Sicherheit Europas auch aus eigener Kraft ... sowie ... (Deutschland) es kann auch wegen des Zweiten Weltkriegs nicht mit der Ambition auftreten, welche haben zu wollen ...

Die europäischen Klein-Staaten müssen ihre Scheuklappen ablegen!
Deutschland muß sich schlagkräftig aufrüsten, dazu gehören auch eigene, seegestützte Atomwaffen und zusammen mit Frankreich (? + England + Italien ?) die Schutzfunktion für alle europäischen Kleinstaaten übernehmen.
Die Amis werden nie ihre Atomwaffen zum Schutz der europäischen Kleinstaaten einsetzen. Damit würden sie sich den Atomkrieg in ihr Land holen, das werden sie garantiert nicht tun!
Eine gemeinsame europäische Verteidigungs-Allianz, das braucht natürlich Zeit, ist aber machbar.

vlt. auch noch die USA, aber diese Dominanz dort wird schwächer werden.
Dennoch ist es nicht ausgemacht, dass Europa sich als Weltmacht etablieren kann, wenn, dann aber nur, indem es in der Tat die angelsächsische Dominanz einebnet, nicht klein macht, eher zu allen Machtpolen in Europa zuordnet.
Vielleicht wäre eine neuerliche Hanse neben der EU überlebensfähig, aber warum nicht das Große wagen und also Europa?
Der Brexit war ein Fehler, weil auch der/das Commonwealth als Entscheidungsraum "schwindet".
Orban ist also gut beraten, seine Drohkulissen in diese Richtung abzubauen.
Die Bereitschaft im Osten, ukrainische Kriegsflüchtlinge aufzunehmen zeigt mir jedenfalls, dass dieses Europa nicht starrsinnig organisiert sein sollte.
Jeder Staat hat andere Nachbarn/Nächste.
Zusammen berühren wir die Welt, wie die anderen hoffentlich auch.
FRIEDEN

Eine europäische Verteidigungs-Allianz wird nicht von heute auf morgen entstehen. Sie muß auch nicht dominant sein im Sinne von "we rule the world". Sie braucht nur abschreckend genug sein, um jeden Dominator von vornherein auszubremsen.
Unter dem eigenen Abschreckungsschirm ist man der Souverän und nicht der abhängige Sklave.
Ob der Brexit ein Fehler war??
Die Zusammenarbeit der europäischen Kleinstaaten, dazu zähle ich auch alle EU-Mitglieder, ist grundsätzlich positiv zu sehen. Der Fehler liegt in der Dauersubventionierung der falschen Strukturen, gerade in den EU-"Südstaaten".
Dies war sicherlich auch ein Grund für den Brexit und insofern aus meiner Sicht konsequent und richtig. Die Eigenverantwortung der Staaten muß in den Vordergrund gerückt werden, temporäre Hilfe zur Selbsthilfe ja, aber kein Daueranschluß an den Infusionstropf, das führt zur Zerstörung der eigentlich guten Idee.

Juliana Keppelen | Di., 8. März 2022 - 17:51

Antwort auf von Tomas Poth

aber die Dauersubventionen sind doch gerade die Triebfeder vieler Staaten in die EU (und in die Nato) zu drängen. Es wird zwar gerne erzählt es geht um Werte und Freiheit aber es doch eher der Euroregen und die Reisefreiheit (die verschiedenen Mafiaclans haben da ihre Chancen schnell erkannt). Mit dem Brexit ist ein Nettozahler von Bord gegangen dafür träumt Uschi von der Ukraine und Georgien (also auch Natowunschkandidaten). Ansonsten stimme ich ihnen zu.

Günter Johannsen | Mi., 9. März 2022 - 12:12

Antwort auf von Juliana Keppelen

Träumen Sie weiter ihren Traum vom Guten im Kommunismus. Dieser Traum führt in die Irre und ganz praktisch in die Sklaverei (siehe China & Nordkorea)!
Man kann es auch klarer formulieren: hinten herum treffen sich da die Links- und die Rechtsextremisten. Insofern erinnert mich das immer mehr an Kurt Schumacher, der so treffend formulierte: "Kommunisten sind nur rotlackierte Nazis. Denen ist gemeinsam der Hass auf die Demokratie und der Hang zur Gewalt!"

Ernst-Günther Konrad | Di., 8. März 2022 - 09:08

"Der Vorteil von Regierungserfahrung ist, dass ich weiß, was strategische Ruhe bedeutet: wenig reden, wenn, dann aber genau, verantwortungsbewusst." Ein Kernsatz für mich in diesem hervorragenden sachlich geführten und aussagekräftigen Interview. Orban tut was für den Frieden, in dem er Budapest als "neutrale" Ecke für Gespräche anbietet. Er unterscheidet zwischen Interessen für sein eigenes Land und seinem Volk und den Ansprüchen, die sich aus einer EU/NATO ergeben. Ich stimme ihm vollends zu, habe aber bezüglich seiner letzten Aussage zur Aufnahme weiterer Staaten in die EU/NATO meine Bedenken, wenngleich ich seinen Argumenten hierfür offen gegenüber stehe. Es wird sehr auf den Ausgang dieses Krieges ankommen, wie sich Europa neu aufstellen werden muss. Ohne Vorwurf, aber klar in der Aussage reklamiert er für sich und sein Volk eine eigenständige Kultur und Identität und achtet dennoch, dass in anderen Staaten darüber derzeit anders gedacht wird. Ein gutes erhellendes Interview.

Urban Will | Di., 8. März 2022 - 09:33

Zum Krieg und dessen Beendigung ebenso wie im weiteren Verlauf des Interviews zu Deutschland und dessen Politik.
Erstaunlich gelassen und treffend seine Antwort auf die Kriegshetzerei des linken MP – Kandidaten.
Sein Rezept: wenig reden, aber wenn, dann genau und verantwortungsbewusst, sollten sich auch unsere Helden in Regierungsverantwortung, aber auch die Opposition hinter die Ohren schreiben.
Seine Verachtung für Deutschland und dessen Politik kann er kaum verhehlen, aber wer könnte es ihm verdenken? Migration, Familienmodell,... das sind Themen, die ihn berühren, das merkt man.
Der Linken Weltbild steht auf tönernen Füßen, es ist ein Weltbild aus Geschwafel und Gesinnungspflicht, es wird scheitern. Das sieht er so und daher hält er dagegen, auch wenn man allenthalben gegen ihn hetzt und Ungarn in die Ecke schieben möchte.

Die Geschichte wird einst urteilen, wer Recht hatte. Aber dann wird es für eine Seite zu spät sein, zu korrigieren.

Gerhard Fiedler | Di., 8. März 2022 - 09:40

Ach wenn doch ein Orban deutscher Bundeskanzler wäre! Deutschland wäre wieder mein Land. „Sie haben Deutschland zu einem Einwanderungsland erklärt, sie leugnen die Einteilung der Gesellschaft in ausschließlich Männer und Frauen, sie würden die leichten Drogen legalisieren, den Begriff der Nation aushöhlen, sie wollen ein föderatives Europa.“ Da spricht einer das aus, was auch mir so stinkt. Es gäbe noch mehr dergleichen. Die Rettung des Planeten z. B., die man hier verwöhnten Kindern überlässt, die wir ohnehin vergessen können, wenn es nicht gelingt, die Welt atomwaffenfrei zu machen. Auch die Ursachen des Ukrainekrieges nennt Orban beim Namen: Sicherheitsgarantien (eine neutrale Ukraine und eine Nato, die diese nicht aufnimmt), die nicht gegeben wurden, sorgten für Russlands Kriegsentscheid. Orbans Begeisterung zur Nato kann ich leider nicht teilen. Zu sehr wird sie von den USA für eigene geopolitische Interessen missbraucht. Auch der Ukraine-Krieg hat dort seine Wurzeln.

Gerhard Lenz | Di., 8. März 2022 - 13:40

Antwort auf von Gerhard Fiedler

an der Spitze der deutschen Demokratie! Das würde im Umfeld der AfD wohl gut ankommen - besonders jetzt, wo Putin nach seinem Überfall auf die Ukraine den Menschen nicht mehr als leuchtendes Beispiel zu vermitteln ist.

Mit Orban wäre das Leben einfach. Ausländer raus, und sicher nicht mehr rein.
Eine Justiz, die ständig in seinem Sinne entscheidet.
Medien, die fast vollständig von Parteifreunden kontrolliert werden.
Härte gegen Schwule und Minderheiten.
Sogar Antisemitismus wäre hier und da wieder salonfähig.
Und die Opposition, fast jedem Zugang zur Öffentlichkeit beraubt, würde dem "großen Führer" nicht ständig in die Quere funken.
Selbst die Demonstrationen derer, die heute den Verlust der Freiheit bejammern, würden aufhören.
Denn unter einem Orban hätten sie endlich die Art und Freiheit, die ihnen wohl vorschwebt.

Eine, wie Orban es selbst ausdrückte, illiberale - in Putins Worten auch "gelenkte" Demokratie.

Es immer gut, daran erinnert zu werden, was uns von der AfD droht.

Hans Schäfer | Di., 8. März 2022 - 09:51

Kann Europa Allianzen? Weitere Kosten und Streitigkeiten, z.B. wegen Erfüllung der Frauenquote, wären vorprogrammiert.
D., war Tonangeber in der EU wegen seiner wirtschaftlichen. Stärke. Im Hinblick auf Qualität des Führungs-Personals Mittelmaß. Das hat sich auf die ganze EU -Beispiel Migration- negativ ausgewirkt.
Eine europäische Sicherheitspolitik ist nur -da sind sich führende Experten einig- unter Einbindung Russlands von Dauer. Alles andere wäre erneut „nur“ Stückwerk.

Walter Bühler | Di., 8. März 2022 - 10:36

... muss sich ändern, weil sie sich auf ihren hohen moralischen Stöckelschuhen und in der zugehörigen wohlfeilen politischen Rhetorik allzu gemütlich und bequem eingerichtet hat. Es ist kaum erfolgversprechend, allen Ländern der EU oder in Europa das uniforme Gesellschaftsmodell aufzwingen zu wollen, von dem die deutsche politische Klasse und ihre Medien-Entourage gerade nachts geträumt hat.

Europa ist polychrom und nicht politisch-ideologisch homogen. Das müssen auch deutsche Parteien endlich anerkennen, wenn sie denn überhaupt dem weiteren Zerfall der Union entgegenwirken wollen. Insbesondere ist es absolut dumm, den inneren Zustand der EU oder gar der Welt ausschließlich an den tagesaktuellen LQBTIA+-Interessen zu messen.

Bezogen auf den Balkan hat Orban ebenfalls Recht: Politische Lösungen für die offenen Wunden auf dem Balkan dürfen nicht weiter auf den Sankt Nimmerleinstag aufgeschoben werden.

Ihr wackeren deutschen Europa-Politiker, an die Arbeit! Europa wartet auf Euch!

Norbert Heyer | Di., 8. März 2022 - 10:45

Wenn man Aussagen und Meinungen von Orban mit denen von Scholz, Habeck, Baerbock und Lindner vergleicht, erkennt man die Fallgrösse der unfähigen deutschen Politiker. Einzig seine gewünschte Nähe zu China ist wohl eher der Tatsache geschuldet, das sich ein Machtwechsel anbahnt. Ansonsten sind seine Äußerungen, Meinungen und Ansichten mit meinen weitgehend konform. Politiker mit realistischem Weitblick, so kann man es beschreiben, das ist genau das große Manko unserer Politiker. Wenn jetzt die EU darüber berät, ob die Ukraine Mitglied werden kann, gießt man nur Öl in ein großes Feuer. Wenn dann noch deutsche Maulhelden unangebrachte „Haltung“ zeigen, dann ist das nichts anderes als das Pfeifen im dunklen Wald. Wir müssen humane Hilfe leisten, Friedensverhandlungen fordern, aber niemals wieder aus Dummheit und Überheblichkeit in einen Krieg hineinstolpern, der uns vernichten würde. Aber Orban wird von unserer politischen Elite nur belächelt oder gar verachtet, wir gehen unbeirrt weiter.

Es sei daran erinnert, dass Ungarn 1989 seine Grenzen nach Österreich für DDR-Flüchtlinge geöffnet und damit einen historischen Beitrag zum Ende des Unrechtsstaates DDR geleistet hat. Und erinnert sei auch an die Arroganz der EU-Institutionen gegenüber ungarischen Interessen, die mit der Begrüssungsohrfeige JC Junckers „Da kommt ja der Diktator“ für Orban einen nachhaltigen Eindruck hinterließ.
Ein sehr gutes Interview, wobei ich dem 2. Teil der Sichtweisen Orbans nicht zustimmen kann. Aber er hat wenigstens eine Meinung.

Martin Falter | Di., 8. März 2022 - 11:46

ist das man in einer Gemeinschaft ( EU ) sich nicht nur die Rosinen picken kann.

Er und sein Land wollen zwar die EU Gelder aber dennoch ihre Interessenpolitik für sich selbst regeln.

Beides geht nicht.

Alexander Brand | Di., 8. März 2022 - 12:10

zu dem man nicht viel schreiben muß und wenn man es täte, so würden die 1.000 Zeichen die einem gestattet sind, nicht ausreichen, um den ganzen Schwachsinn dieser immer weiter ins Linksextreme abdriftenden Gesellschaft darzustellen.

Eines kann ich mir aber nicht verkneifen. Kinder haben und sie zu erziehen soll nicht „modern“ sein. Ich stelle mir die Frage, wer denn bitte die nicht verdiente Rente dieser „Linksfeministinnen“ verdienen und wer sie denn im dementen Alter Pflegen soll, wenn alle modern sind und keine Kinder mehr haben?!?!

Sicher ist, die "Goldgäste" werden es nicht sein und die Ersatzkinder in Form von Hunden auch nicht!

Allerdings vermute ich, daß die ganzen geistigen Extremtiefflieger dieser linksextremen „Szene“ wohl nicht in der Lage sind, solch hochkomplexe Zusammenhänge zu begreifen…..

M. Bernstein | Di., 8. März 2022 - 17:43

Es gibt viele, die sehen worum es beim Rußland-Ukraine-Konflikt geht und es eben gerade nicht um ein auf Rußland und die Ukraine beschränktes Problem geht. Zelensky ist praktisch entmachtet und hat im Konflikt eigentlich gar nichts zu sagen. Der Westen wiederum sieht die Ukraine nur als Spielball seiner Interessen und ist deshalb an einer Lösung und damit der Erstellung von Garantien für Rußland nicht interessiert. Folglich redet man auch nicht wirklich miteinander, wie es eine normale diplomatische Reaktion wäre. Die Aufgabe der Diplomaten wäre es "diplomatische" Lösungen zu finden. Das passiert aber nicht, deshalb ist es ja das Ende der Diplomatie.

Joachim Kopic | Di., 8. März 2022 - 21:10

...nicht begriffen - wie gerade zu lesen ist, übergibt Polen seine Jagdflugzeuge über das deutsche Ramstein indirekt an die Ukraine.
Dabei hat auch unsere Regierung geschworen, Unheil vom eigenen Volke fernzuhalten ... und das mit der "grünen Friedenspartei". Nur schrecklich!!!