Huthi-Kämpfer im Jemen
Huthi-Kämpfer nehmen an einem Trauerzug für Rebellen teil, die bei Kämpfen mit Kräften der international anerkannten jemenitischen Regierung getötet wurden / picture alliance

Der Nahe Osten kommt nicht zur Ruhe - Im Teufelskreis gefangen

Vom Iran über die Türkei bis zu den Ländern Nordafrikas: Die gesamte Region kommt nicht zur Ruhe, überall schwelen alte Konflikte und brechen neue aus. Es ist ein permanenter Niedergang, gespeist aus Autoritarismus und festgefahrener wirtschaftlicher Entwicklung. Und ein Ende dieser Misere ist nicht in Sicht.

Autoreninfo

Hilal Khashan ist Professor für Politische Wissenschaften an der American University in Beirut und Autor bei Geopolitical Futures.

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Der Nahe Osten und Nordafrika werden permanent von ihrer Vergangenheit heimgesucht. Wie viele andere Gegenden auf der Welt waren sie imperialer Herrschaft unter aufeinanderfolgenden Regimen und dynastischen Staaten unterworfen und erlebten mehr Konflikte als Frieden. Doch im Gegensatz zu anderen Regionen warten sie noch immer auf ihre Renaissance.

Jahrhundertelang waren Aufruhr, Meuterei und Armut an der Tagesordnung, während Industrialisierung und Modernisierung nur schwer zu erreichen waren. Als arabische und muslimische Intellektuelle im 19. Jahrhundert nach Reformen strebten, blockierte der europäische Kolonialismus jegliche Bemühungen um Veränderungen. Er brachte sie dazu, sich zurückzuziehen und eine unverfälschte Form des Islam anzunehmen, um die europäische Einmischung in ihr Leben zu verhindern. Der Islam wurde so unvereinbar mit den Anforderungen der Moderne. Die folgende Analyse befasst sich mit den Ursprüngen der seit langem bestehenden Unordnung in der Region und mit den Fehlern, die zu ihrem heutigen Zustand geführt haben.

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Karl-Heinz Weiß | So., 30. Januar 2022 - 10:41

Danke für diesen sehr informativen Beitrag. Durch die Dekarbonisierung der Wirtschaft wird das Konfliktpotenzial in dieser Weltregion nicht geringer werden. Die Blauäugigkeit der westlichen Staaten zeigt exemplarisch die Vergabe der Fußball-WM an Katar, ein Staat, der der Finanzierung von Terrororganisationen verdächtigt wird. Herr Beckenbauer gab dazu einen ähnlich kompetenten Kommentar ab wie der Hauptunterstützer von NS2 zu Putin.

Christa Wallau | So., 30. Januar 2022 - 11:32

Hat das alles nicht vielleicht d o c h etwas mit der Geisteshaltung bzw. der Religion der Menschen in diesen Ländern bzw. ihrer Machthaber zu tun?

Und warum lassen wir Deutschen dann Leute mit einer derartigen Einstellung aus den im Artikel genannten Ländern (Türkei, Irak, Libyen, Marokko, Tunesien, Ägypten, Algerien usw. ) massenhaft in unser Land?

Wozu soll das gut sein?

Zu Ihrer Frage, sehr geehrte Frau Wallau im Westen der Republik, warum wir diese Leute in unser Land lassen, hier der Versuch einer Antwort.
Ich stütze mich auf die Feststellung von Dr. Alice Weidel vom 16.05.2018. im Bundestag. Frau Weidel konstatierte dort u.a.: "Dieses Land wird von Idioten regiert". Ich glaube, das ist nicht ganz falsch.
Nichts für ungut.
Grüße von der "Oder-Neiße-Friedensgrenze" (DDR-Jargon)

unter vorgehaltener Hand, dass Berlin auf dem besten Weg zum Europas Beirut zu werden. Was damit beginnt, dass praktisch die ganze Verwaltung lahmgelegt ist. Auf einen Totenschein nach Ableben eines Verwandten, wartet man aktuell 6 - 8 Wochen. Und soweit mir bekannt ist, auf dem hiesigen Außenamtportal gibt's Warnungen vor Reisen nach Beirut/Libanon.

Willkommen in der Hauptstadt der Klima- und Weltretter. ?

Kurt Walther | So., 30. Januar 2022 - 13:34

Immer wieder interessant, die Analyse eines Insiders zur sozialen und politischen Lage im Nahen Osten und Nordafrika zu lesen. Prof. Hilal Khashan aus Beirut macht das sehr gut.

Vorangestellt wird, dass arabische und muslimische Intellektuelle im 19. Jh. nach Reformen strebten, die von den europäischen Kolonialisten blockiert wurden, und sich infolgedessen der unverfälschte Islam als Gegenkraft durchsetzte. Damit wird sogleich klargestellt, wer an der Rückständigkeit, Armut und Gewalt im muslimischen Raum schuld ist: Wie immer und überall sind es die "alten weißen Männer". Wer's glaubt wird selig.

Den weiteren Ausführungen ist kaum zu widersprechen. Insgesamt eine schlüssige Zustandsbeschreibung, in welcher auch unsere türkischen Freunde nicht gut wegkommen.
Immer wieder erstaunlich, wie der primitive Islam auf Menschenmassen wirkt. Einer anderen, komplizierten Religion laufen dagegen wegen sexueller Verfehlungen ihres männlichen Personals zur Zeit die Schäfchen hinweg. ​

Nicht der europäische Kolonialismus ist Ursache der Rückständigkeit dieses - im übrigen bereits seit dem 13./14. Jahrhundert von muslimischen Turk-Völkern kolonialisierten - Elendsgürtels sondern nur weil sie in jeder Hinsicht so rückständig und ihre Führungseliten so uneins waren, konnten sie von den paar Hanseln aus Europa koloninisiert werden. Und es glaube doch keiner, die paar westlich orientierten Intellektuellen hätten im 19. Jahrhundert einen Aufbruch der ja noch bis heute felsenfest in Stammes und- Blutsverwandschaft wurzelnden Gesellschaften bewerkstelligen können. Das hat in Europa auch Jahrhunderte gedauert und war nur aufgrund von Faktoren möglich, die halt nicht einfach auf andere Weltregionen übertragbar sind. Nach inzwischen
zudem gehabter Bevölkerungsexplosion gilt erst recht: "Denn die Armut, die kommt von der Poverté ".

In ihrer Analyse gebe ich Ihnen voll Recht, würde aber gerne noch konkretisieren bzw. zu unserer Kirche was sagen.

Das sexuelle Vergehen ist nur ein Fakt, der dieser, unserer christlichen Kirche eben in einen anderen Licht erblicken lässt. Viel schlimmer ist der Fakt & Frevel, dass die Kirche ihren wahren Grund & Berufung vergessen hat,
die Verkündung der Bergpredigt in wahrer Liebe, Demut & Barmherzigkeit.

Und hier sehe ich die Krux vieler Religionen,
Ihre Vereinnahmung (aller Lehrer-Religionen) durch die Macht & Zentralisation, um Menschen vom rechten Weg abzubringen, zu Illusionieren & zu verführen, statt Kompaß & Gehhilfe zu sein.

Enka Hein | So., 30. Januar 2022 - 13:55

..darf in heutiger Zeit nie fehlen. Aber er ist nur Bruchteil des Ganzen.
Man sehe sich dieses Clandenken an. Man ist seit Jahrhunderten nicht rausgekommen aus dieser eigenen Falle. Und das schützende dieser Fälle ist die Religion.
Und ob arabische und muslimische Gelehrte (Querdenker!) damals die Wende gebracht hätten? No nay never.
Bei uns in Europa brachte der 30ig jährige Krieg einen Anfang. Hier stritten auch Katholiken gegen Protestanten. Herrscher von Reichen gegen Andere. Auch unter wechselnden Konstellationen. Gerade wie passt. Wie im hier und heute im arabischen Raum und Afrika.
Die befinden sich für mich seit mehr als 400 Jahre im 30ig jährigem Krieg.
Und mit dieser Religion bzw. den verschieden islamischen Glaubenrichtung, gepaart mit fehlender Bildung wird das noch weitere 100 Jahre gehen.
Einfach machen lassen. Meine Aufnahme dieser Bevölkerung in unsere Dunstkreis. Er bedeutet gleichfalls Krieg und Untergang.
Denen fehlt als nächster Schritt ein Luther.

Christoph Kuhlmann | So., 30. Januar 2022 - 14:04

das Mittelalter hindurch bis in das zwanzigste Jahrhundert. So etwas war mal ganz normal. Der Unterschied ist nur, das mittlerweile große Teile Asiens ökonomisch und teils auch politisch zum freien Westen aufschließen. Insofern stellt sich die Frage, warum die ehemaligen Hochkulturen des Nahen- und Mittleren Ostens weiterhin in Armut und Unterdrückung verharren. Es hat viel mit Korruption und der Tatsache zu tun, dass sich politische Konflikte in einem religiös-ideologischen Rahmen abspielen, der Toleranz, Gewaltenteilung und friedliche Machtübergaben erschwert. Das bringt der Monotheismus mit seinem absolutem Geltungs- und Wahrheitsanspruch mit sich, auch wenn er es nicht ausschließt, wie Israel, Europa und die viele amerikanische Staaten beweisen. Vielleicht liegt in der Dekarbonisierung eine Chance. Einerseits entzieht dieser Prozess der Region Geld schafft, aber auch neue Vorteile durch Sonnenenergie in Form großer Projekte, die stabile politische Rahmenbedingungen erfordern.

Thorwald Franke | So., 30. Januar 2022 - 16:34

Genau dieselbe Analyse hatte George W. Bush. Sein Lösungsvorschlag ist bekannt: Einmarschieren, Demokratie aufbauen, mit nicht zu viel Illusionen (kein Gendern ...), und dann: Drinbleiben! Dableiben! Nicht weggehen! Und dann auch noch dies: Der höchste schiitische Geistliche sitzt gar nicht im Iran, sondern im Irak! Und der will gar keinen Gottesstaat! Was für ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt.

Bekanntlich zog Obama die Truppen aus dem Irak dennoch ab, und der IS kam aus Syrien in den Irak herüber, wo die Sunniten ohne Amerikaner plötzlich ohne Schutzmacht waren. Fast hätte der Plan von George W. Bush funktioniert.

Dennoch: Es gibt die irakische Demokratie immer noch, trotz allem. Es gibt auch die autonomen Kurdengebiete im Norden des Irak. Beide sind verlässliche Partner. Die Kurden haben sehr im Kampf gegen den IS geholfen. Es ist ein Stück Erbe von Bush geblieben, das trotz allem nicht kaputt gegangen ist.

Warum machen wir es in Syrien und Libyen nicht auch so?

Urban Will | So., 30. Januar 2022 - 19:18

europäischen Kolonialismus hier heranzuziehen als Ursache für den während der letzten Jahrzehnte sich immer weiter zurück entwickelnden Nahen Osten, halte ich für sehr fragwürdig.

Man schaue sich Bilder aus Kabul aus den 60ern und 70ern an. Nur als Beispiel.
Oder aus Teheran, vor der Revolution... Alles Jahrzehnte nach d Kolonialismus.

Mit Verlaub, mir fällt nur eine wirklich stichhaltige Begründung für all den Wahnsinn ein, der diese Region im Bann hält.

Der Islam.

Punkt aus. So einfach, so richtig. Und ich rede nicht von aufgeklärten Moslems, ich selbst wuchs mit einigen davon auf.
Ich rede vom komplexbeladenen, frauenfeindlichen, chauvinistischen Islam, all dem Irrsinn, den irrlichternde Gutmenschen gerade jährlich in Armeestärke zu uns ins Land holen.

Ändern wird sich dort erst etwas, wenn die Menschen dies wollen. Und sie müssen ihren Weg ihre "Aufklärung", selbst finden. Und wenn sie dies nicht wollen, dann sollen sie so weiter machen.
Aber dort, nicht bei uns!

Ernst-Günther Konrad | Mo., 31. Januar 2022 - 10:01

Eine gute Analyse, der ich im Wesentlichen zustimmen kann. Nach meiner Überzeugung ist es nicht die Aufgabe fremder, kulturell und religiös völlig anders getakteter Staaten und Systeme, diesen Staaten westliches Denken mittels militärischer Intervention zu vermitteln. Das ist mannigfaltig gescheitert und wird immer wieder scheitern. Zum einen sind es wirtschaftliche und geopolitische Interessen dieser "Fremdstaaten", die in erster Linie ihr Handeln und Denken bestimmen und zum anderen ist es der Islam in all seinen Facetten, der es verhindert, dass die Staaten dort die "Freiheit" erhalten, die die westliche Welt für so erstrebenswert hält. Nur die Völker dort können es selbst irgendwie hinbekommen, das Ausland hat dort nichts zu suchen. Es hat schon immer mehr geschadet als genutzt. Einmischen und moralische Diktion sind schon immer gescheitert und zu glauben, wenn man aus den Kriegsgebieten Menschen zu uns holt, man ändere daran etwas wird von der Realität schnell widerlegt.

Romuald Veselic | Mo., 31. Januar 2022 - 10:48

Meuterei und Armut an der Tagesordnung, während Industrialisierung und Modernisierung nur schwer zu erreichen waren. Als arabische und muslimische Intellektuelle im 19. Jahrhundert nach Reformen strebten, blockierte der europäische Kolonialismus jegliche Bemühungen um Veränderungen."
Dem kann ich nicht zustimmen.
Die meisten arabischen Gebiete, waren von den Osmanen beherrscht - 1918, was sich auch in der Rückständigkeit des Balkans widerspiegelte, bis man dortige, überwiegend slawische Bevölkerung, vom osmanischen/türkischen Joch befreite. Man sollte in den Archiven von Serbien o. Bulgarien nachschlagen, um zu wissen, wer rückständig u. brutal war.

Abgesehen davon, dass alle Sklavenmärkte in arabischen Händen waren, bis nach Sansibar im Afrikas Süden, wo sie weiter, m. Gewinn an die Sklavenhändler weiter verkauft wurden.
Dank der Europäer wurde die Säugling/Kindersterblichkeit bei den Einheimischen entscheidend gemindert. Was man heute an realer Fertilität als Beweis erkennen kann.

Kairo, Bagdad und Damaskus wurden bekanntlich schon im Mongolensturm (1254) geplättet. Einem Ereignis, das auch für viele andere- von Christen besiedelte- Regionen verheerend war. Die haben sich aber im Gegensatz zum anschließend vom Osmanischen Imperium kolonisierten Elendsgürtel wieder berappelt.