
- Konfrontationen oder Glaubwürdigkeitsfalle
Bei ihren Besuchen in der Ukraine und Russland soll Annalena Baerbock im Auftrag der Kanzlerpartei SPD Deutschland als Brückenbauer zwischen Ost und West darstellen. Doch das entspricht nun gerade nicht der Haltung der EU, die der Ukraine Solidarität zusichert. Ob das ein Schritt in die Richtung der russischen Position ist, wird sich schon bald zeigen.
Die Reisen von Außenministerin Annalena Baerbock innerhalb von zwei Tagen nach Kiew und Moskau sind in Inhalt und Stil eine ganz besondere Herausforderung. Zum ersten, weil die Erwartungen in der Ukraine und Russland an die Entscheidungen der Bundesregierung diametral unterschiedlich sind und Frau Baerbock entweder in Konfrontationen oder in eine Glaubwürdigkeitsfalle läuft. Zum zweiten, weil sie die Reisen in beide Staaten direkt miteinander verbindet, so als gehörten sie zusammen. Und drittens ist bemerkenswert, worauf die deutsche Außenpolitik dabei Bezug nimmt. Hier deutet sich eine Änderung an, die erhebliche Wirkung entfalten könnte. Sie müsste in EU und Nato zu Besorgnis über die Ausrichtung der Ostpolitik Deutschlands führen.
So wurde Baerbock von ihrem Koalitionspartner SPD mit auf die Reise gegeben, dass Deutschland „traditionell die Rolle als Brückenbauer zwischen Ost und West“ einnehme und diese Konzeption ihre Gespräche leiten solle. Das ist historisch zwar gleich mehrfacher Unsinn – zuletzt wurde die Rolle als Brücke von Jakob Kaiser in den 1950er-Jahren propagiert, die Ostpolitik von Brandt und Bahr griff gerade nicht auf das Brückenkonzept zurück – und legt zugrunde, dass Deutschland eben nicht im Westen verankert ist, sondern da nur einen Brückenkopf von zweien hat. Es überschätzt nicht nur die Fähigkeiten Deutschlands, sondern unterschätzt auch den Argwohn der Nachbarstaaten, sollte dieses Konzept handlungsleitend werden. Doch leitet es die ostpolitischen Vorstellungen der Partei an, die derzeit den Bundeskanzler stellt. Deshalb sind auch fundamental abwegige Positionen relevant, solange sie von Bundeskanzler Scholz nicht geräumt werden.