Olaf Scholz, Hubertus Heil, Krankenpflegerin
Olaf Scholz und SPD-Sozialminister Hubertus Heil im Gespräch mit einer Pflegerin / dpa

Olaf Scholz’ leeres Versprechen - Krankenpfleger warten auf den Kanzlerbonus

Ursprünglich hatte die Ampel-Regierung eine Milliarde an Bonus-Zahlungen für Pflegekräfte angekündigt, um deren Leistung in der Corona-Krise zu würdigen. Geflossen ist bis jetzt kein einziger Euro. Für den Deutschen Pflegerat sind Boni ohnehin kein Ersatz für bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen.

Birgit Freudenberg

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Birgit Freudenberg absolviert ein Redaktionspraktikum bei Cicero.

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Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags Ende November 2021 machte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch große Versprechen: Die neue Regierung werde kurzfristig eine Milliarde Euro für Krankenhauspflegekräfte locker machen und den Steuerfreibetrag auf 3000 Euro anheben. Pflegekräfte sollten wegen der besonderen Belastungen in der Corona-Pandemie einen Bonus als Anerkennung ihrer Leistung bekommen. In seiner ersten Regierungserklärung am 15. Dezember wiederholte er dieses Versprechen. 

Doch bisher hat noch keine einzige Pflegekraft auch nur einen Cent davon gesehen. Die Ampelkoalition verschiebt den geplanten und mit großem Tamtam angekündigten Milliardenbonus für Intensivpflegekräfte. Die Koalitionäre konnten sich laut eines ZDF-Berichts von Anfang Dezember nicht einigen, welcher Personenkreis von der Sonderzahlung profitieren, nach welchen Kriterien die Geldausschüttung ablaufen und wie hoch der Bonus sein soll.

„Sorgfalt vor Schnelligkeit“

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Sabine Dittmar, die auch Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesgesundheitsminister ist, sagte dem Bericht zufolge, dass es jetzt um „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ gehe. Laut FDP-Gesundheitsexpertin Nicole Westing fehle es noch an verlässlichen Daten wie etwa Zahlen zu den Intensivpflegekräften oder den Beschäftigen in den Notaufnahmen. Das ist der Stand von vor einem Monat. Auf das von Bundeskanzler Scholz versprochene Geld warten die Klinikangestellten immer noch.

Was sich seither hinter den politischen Kulissen getan hat, war für Cicero nicht herauszufinden. Weder Dittmar und Westing noch das Bundesgesundheitsministerium beantworteten unsere Frage, wann die Prämie beschlossen werden soll und wie hoch sie ausfallen wird.

Pflegeratspräsidentin will mehr als den Bonus

Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, pocht unterdessen darauf, dass Menschen in der Pflege dauerhaft und verlässlich mehr verdienen und bessere Arbeitsbedingungen bekommen: mehr Personal, Selbstverwaltung und erweiterte Kompetenzen für Pflegende. „Der bereits eingetretene Pflegenotstand, der die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung höchstem Maße gefährdet, muss verlangsamt werden. Ihm muss mit den richtigen Maßnahmen entgegengetreten werden – bevor es für eine qualifizierte pflegerische Versorgung in unserem Land zu spät ist“, sagte sie laut einer Pressemitteilung des Pflegerats.

Der Deutsche Pflegerat lehne Bonuszahlungen ab, da er Unfrieden und Neid bringen könne. „Wir wollen eine tarifgerechte und angemessene Vergütung, die sich an der Kompetenz orientiert, und wir wollen, dass unsere Pflegekräfte grundsätzlich mehr verdienen“, ergänzte Vogler im Gespräch mit Cicero. Prämien und Bonuszahlungen würden der Pflege langfristig eher schaden. „Was kommt denn nach dem Bonus? Was ist die Folge?“, fragt die Pflegeratspräsidentin.

Forderung: Steuerfreiheit für Pflegekräfte

Man sehe mit der angepeilten Bonuszahlung den guten politischen Willen, aber man wolle eine ganz andere Wertschätzung der Pflegenden. Es gehe eher darum, wie der Beruf der Pflege in Deutschland grundsätzlich positioniert werde. Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats erhob die politische Forderung, das alle Pflegefachkräfte lohnsteuerfrei gestellt werden. „Das wäre die Konsequenz des Klatschens“, so Vogler. Und es wäre gerecht. Und einfach durchzuführen. Nur wird es nicht politisch diskutiert.

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Yvonne Stange | Do., 6. Januar 2022 - 15:00

viel Gerede und Gezeter, alle Darsteller spielen sich in den Vordergrund. Passieren wird gar nichts, die Gelder gehen dann nach paar Jahren - wie die Hochwassergelder - geschlossen in die "Flüchtlingshilfe". ;-)
Lauterbach sprach sogar davon, daß nur und ausschließlich Coronapflegekräfte den Bonus bekommen sollen. Ahja, gute Idee, jetzt auch noch Apartheit und Spaltung unter den Pflegekräften.... und wenn wir schon mal dabei sind: wieviel bekommen denn die pflegenden Angehörigen mehr??? ;-)

Joachim Kopic | Do., 6. Januar 2022 - 15:17

... wahrscheinlich hat er es (...es geht ja um Geld ;) einfach vergessen :)

Christa Wallau | Do., 6. Januar 2022 - 16:22

wird sich hinsichtlich der finanziellen Besserstellung der Pflegekräfte bzw. der Aufwertung ihrer Arbeit n i c h t s verbessern.

So lange es in einer Gesellschaft ohne öffentlichen Aufschrei (z. B. Generalstreiks) möglich ist, daß lebensschützende/-rettende Berufe mit hohem physischen u. psychischen Einsatz (z. B. Sanitäter u. Pflegekräfte in Krankenhäusern) nur einen Bruchteil dessen verdienen, was diejenigen monatlich einkassieren, welche deren Arbeit verwalten oder als Aktionäre an den Pflege-Unternehmen (ohne jegliche Arbeit) verdienen, wird g a r nichts passieren!
Die Menschen lassen sich einerseits viel zu viel gefallen, und sie haben andererseits kaum Interesse, für mehr Gerechtigkeit in ihrem Umfeld Sorge zu tragen. Wenn es ihnen selbst gut geht, sind sie damit zufrieden, was man ihnen an vielfältigen Ablenkungs- und Aufregungsmöglichkeiten auf lauter total unwichtigen Feldern anbietet.
Die schlechte Schuldbildung der vergangenen
Jahrzehnte hat dafür den Boden bereitet.

Heidemarie Heim | Do., 6. Januar 2022 - 16:41

Bevor die Politik sich auf was einigen kann, sind die meisten der an der Pflegefront stehenden entweder endgültig fertig mit ihrem Beruf und haben aus Selbstschutz die Flucht ergriffen oder sind, was selten zutrifft, in die reguläre Rente gegangen und machen angesichts deren Üppigkeit einen Minijob. Das wirklich Übelste an der schon seit zig Jahren währenden Debatte rund um den Pflegenotstand wird aber nie und von niemand beim Namen genannt. Nämlich die Tatsache, Gewerkschaft oder Pflegerat hin oder her, das sich die Politik, die Gesundheitsökonomen und Aktionäre, Pflegeheimbetreiber und Sonstige sich darauf verlassen, dass die Menschen die in der Pflege arbeiten, egal wie fertig sie selbst sind, nie auf den Gedanken kämen zu streiken und ihre Patienten oder Bewohner von jetzt auf nachher unversorgt in ihrem Dreck liegen zu lassen. Das Ausnutzen dieser Berufsethik plus die mangelnde Leistungsanerkennung ist so schamlos wie unterirdisch in einer Gesellschaft wie der unsrigen! MfG

Christa Wallau | Do., 6. Januar 2022 - 19:11

Antwort auf von Heidemarie Heim

Man nutzt in unserer Gesellschaft alle aus, die für a l l e täglich den Rücken krumm machen und auch nachts und an Sonn- u. Feiertagen Dienst tun, während man anderen in den Hintern kriecht und sie bei ihren Geld-raff-Geschäften noch unterstützt.
An die Großzügigkeit, mit der Scholz der Warburg-Bank i l l e g a l mit 43 Millionen Euro "unter die Arme gegriffen hat", muß man dabei nicht einmal denken.
Warum geht nicht ein Pfleger endlich mal zu Scholz und fordert ihn ultimativ auf, sofort sein Versprechen der Besserstellung der Pfleger (z. B. keine Versteuerung von Einkommen unter 3000 Euro im Monat) in die Tat umzusetzen, anderenfalls
blieben ab nächster Woche alle zu Pflegenden u. zu Betreuenden unversorgt?
Soll er doch Beamte aus der Verwaltung dorthin schicken, um die Arbeit zu leisten, die sonst die Pfleger tun. Immerhin hat der Staat ihnen ja Unkündbarkeit
gewährt, also können sie doch im Ernstfall wohl umgekehrt mal vom Staat
rekrutiert werden, wenn die Hütte brennt, oder?

Weil wir beide doch wissen liebe Frau Wallau, dass für die wahren Gründe dieser Dauermisere im Pflege-und Gesundheitsbereich wie hier 1000 Zeichen nicht ausreichen. Den meisten der verzweifelten oder schon innerlich gekündigten Pflegenden geht es nicht um Geld und Gute Worte, sondern um Unterstützung durch mehr Personal sowie im Allgemeinen um ihre Arbeitsbedingungen. Ich hatte schon vor Jahren und bei anderer Gelegenheit die radikale Idee, dass bevor unsere Abgeordneten oder andere Entscheidungsträger über Dinge abstimmen/Gesetze verabschieden zulasten Anderer, diese ein in jeder Hinsicht lebensnahes, längeres Praktikum absolvieren oder wie im Fall der Pflege mal für ein paar Tage den Platz als ausgelieferter, bettlägeriger Patienten im gesetzlich versicherten 3-Bettzimmer in Klinik oder 08/15-Altersheim einnehmen müssten. Was glauben Sie wie schnell sich da einiges ändern würde. Aber ehrlich auch wir selbst verschließen oft genug davor lieber die Augen und verdrängen Wahrheiten. LG

Bernd Muhlack | Do., 6. Januar 2022 - 17:42

... das sind doch Peanuts!
ABER:
WIR brauchen UNSER Geld ja für europäische Rettungsschirme, Neubürger, Transformation etc.

Es wird doch niemand gezwungen Pflegekraft zu werden - selbst schuld!
Im Bundestag ist noch Platz!

Auf Grund meiner zahlreichen KH-Aufenthalte ist mir die Situation bestens bekannt!
Drei-Schicht-Betrieb - Stress.
Etliche nervige Patienten = Dauerklingler.
Schreier, Querulanten = Me first!

Dass das vermehrt zu Kündigungen führt ist kein Wunder.
Wenn es das ausländische Personal nicht gäbe, könnten wir "den Laden" dicht machen.
Übrigens würde dann niemand mehr putzen!
100 % Ausländer/Migranten mit Mindestlohn.

Mehrere ehemalige Mitschüler sind Mediziner;
sie sind fast alle ins Ausland.
Mein damals bester Kumpel war Oberarzt in einer Klinik im Ruhrgebiet. Er ist wieder hier, betreibt zusammen mit seiner Schwester eine Praxis. Es sei nicht mehr auszuhalten gewesen.

Dazu der Moloch der Verwaltung, Dokumentation!
Ja, in der Tat: WIR schaffen UNS selbst ab!

Ernst-Günther Konrad | Fr., 7. Januar 2022 - 14:11

Das diese Ankündigung Augenwischerei war dürfte wohl unschwer zu erkennen gewesen sein. Es ging um Wählerstimmen und um emotionale Beruhigung in der Pflegebranche. Die Paramater der Regierung haben mit der Alltagswirklichkeit nichts zu tun und ja, der Pflegerat hat schon richtig erkannt, dass da ein Keil in die Pflegebranche insgesamt getrieben werden soll, und ich halte deren Vorschlag deshalb für den am einfachsten und gerechteren Weg, egal ob jemand einen Corona Patienten wendet oder einen Krebskranken.
Nur, die Verzögerung könnte einen ganz pragmatischen Grund haben. Könnte es sein, dass man "Sonderzahlungen" von Impfungen abhängig machen will? Dadurch weitere Impfungen "erzwingen" will? Wartet man auf die Pflegeaussteiger, die dann "natürlich" nichts mehr rückwirkend bekommen? Sucht man nach einer "Bonus Art", die man anschließend mit Steuern vermengt halbiert bis drittelt? Ist es nicht einfach nur politisches Kalkül, um die Schuld auf andere schieben zu können? Fragen über Fragen