
- Der heimliche Herrscher
Als Chef der Schiitenmiliz Hisbollah vertritt Hassan Nasrallah die Interessen Teherans im Libanon – und verhindert damit dauerhaft den Wiederaufbau des gescheiterten Staates.
Im Oktober 2021 kam es in Beirut zu Feuergefechten zwischen Anhängern und Gegnern der Hisbollah. Zwar endeten die Kämpfe rasch, doch der Libanon befindet sich weiter in einer existenziellen Krise. Die Währung hat seit 2019 mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren, die Wirtschaft ist zusammengebrochen – und mehr als 60 Prozent der Bevölkerung leben in Armut. Schon vor zwei Jahren gab es Proteste gegen die politische Elite des Landes, die mit Korruption und Misswirtschaft die Misere zu verantworten hat. Neu war, dass die Demonstranten nicht nur die gewählten Politiker und ihre Parteien ins Visier nahmen, sondern auch den Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und seine Schiitenmiliz.
Nasrallah ist seit dem Krieg gegen Israel 2006 der starke Mann des Libanon, ohne den keine wichtige Entscheidung gefällt werden kann. Dabei war sein Aufstieg nie vorgezeichnet, denn als er 1960 in Beirut als Sohn eines südlibanesischen Gemüsehändlers geboren wurde, spielten Schiiten in der Politik des Landes noch gar keine Rolle. Ende der siebziger Jahre studierte der junge Nasrallah zwei Jahre lang Religionswissenschaft im irakischen Nadschaf und schloss sich später der neu gegründeten Hisbollah an. Im Laufe der achtziger Jahre machte er sich einen Namen als Militärführer und treuer Gefolgsmann Irans, der rasch in der Hierarchie der Organisation aufstieg. Als der Hisbollah-Generalsekretär Abbas al Musawi im Jahr 1992 einem israelischen Luftangriff zum Opfer fiel, wurde Nasrallah im Alter von nur 32 Jahren dessen Nachfolger.