Stephan Harbarth, Vorsitzender des Ersten Senats und Präsident des Bundesverfassungsgericht
Stephan Harbarth, Vorsitzender des Ersten Senats und Präsident des Bundesverfassungsgericht / dpa

Kritik am Bundesverfassungsgericht - „Das Gesamtbild ist erschütternd“

Der Rechtsanwalt Niko Härting hat Abgeordnete der Freien Wähler zur Bundesnotbremse vor dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts vertreten. Viele praktizierende Juristen hätten sich nie vorstellen können, dass das Verfassungsgericht die Bürger in diesen Zeiten derart im Stich lassen würde, kritisiert er im Interview.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Niko Härting ist seit 1993 als Rechtsanwalt tätig. 2012 wurde er zum Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht ernannt, an der er seit dem Jahr 1991 Lehrbeauftragter ist. Bei dem Verfahren zur Bundesnotbremse vor dem Ersten Sentat des Bundesverfassungsgerichts vertrat Härting Abgeordnete der Partei Freie Wähler.

Herr Härting, in der vergangenen Woche hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Stephan Harbarth hohe Hürden beim Zugang zum obersten deutschen Gericht eingeführt. Bei einer öffentlichen Anhörung galt laut Medienberichten eine sogenannte 2G plus plus Regelung. Zugelassen wurden also nur Personen, die nicht nur geimpft oder genesen waren, sie mussten zudem auch einen teuren PCR-Test vorweisen. Was sagt das über die derzeitige Situation in Karlsruhe aus?

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Hans Jürgen Wienroth | Sa., 18. Dezember 2021 - 16:43

Für das BVerfG gilt also der Grundsatz der Öffentlichkeit? Wo war der, als die Richter ohne „Verhandlung“ ihre Urteile (zu Klima und Corona) fällten? Müssen die Kläger alle Argumente einschl. der relevanten Gutachten mit dem Schriftsatz einreichen? Wie sieht das beim „Beklagten“ aus, sind dessen Argumente dem Kläger zugänglich? Hat hier das Gericht „eigene Expertise“ (und sei es in der Auswahl der Fachleute) eingebracht?
Was ist das für ein Rechtsstaat, der sein Recht nach dem Zeitgeist auslegt? Wenn der Zeitgeist morgen das Recht des Stärkeren als „normal“ ansieht, weil es einer „neuen Kultur“ entspricht und der Staat sein Gewaltmonopol aussetzt, ist das dann noch rechtens? Weit hergeholt, sicher. Jedoch, warum hat sich der „Zeitgeist“ geändert? Heute sind „liberale“ (linke) an der Macht und deren Anhänger vertrauen ihrem Staat, wie früher „konservative“ den Urteilen nach dem Buchstaben des Gesetzes vertrauten. Darf Rechtsprechung von der Regierung abhängen?

Hans Schäfer | Mo., 20. Dezember 2021 - 12:13

Antwort auf von Hans Jürgen Wienroth

Befragt man 3 Juristen, bekommt man 5 Meinungen.

Definiert man es im Sinne der Prinzipien, Gewaltenteilung u. Unabhängigkeit der Gerichte, müsste die Antwort „NEIN“ lauten.

Da liegt die Krux.

Bezogen auf die Richter-Besetzung des BverfG , halte ich Unabhängigkeit für nicht gegeben.

Ob jemand -neben der Befähigung zum Richteramt-, die notwendige Qualifikation besitzt, wird auf einer Auswahllisten festgehalten, auf die BReg., LReg, und Fraktionen (AfD auch?) Zugriff haben.

Hier ist parteibezogene Vetternwirtschaft nicht auszuschließen u. wie die Erfahrung in anderen Bereichen lehrt, "gang und gebe".

Sie setzt sich fort, durch das Wahlverf. selbst.

BReg. (Claudia) u, BR wählen jeweils 8 Kandidaten aus, die „IHRER“ Meinung -und dem möglichem Parteibuch- nach befähigt sind, dass Amt zu bekleiden.

Nein! Rechtsprechung darf nicht von der Regierung abhängen. Das wird die Machinhaber aber wenig interessieren. Für sie zählt eine störungsfreie Ausübung u. Erhaltung der Macht. Röhre!

Bernhard Marquardt | Mo., 20. Dezember 2021 - 13:17

Antwort auf von Hans Jürgen Wienroth

Dieser leider häufig anzutreffende Begriff ist ein Widerspruch in sich.
Die Zielvorgaben von Liberalismus und Sozialismus sind definitiv nicht vereinbar.
Wenn sich die (woken) Vertreter des aktuellen Zeitungeistes selbst als "Linksliberale" bezeichnen oder von den ihnen geneigten Medien so bezeichnet werden, so ist das entweder Ausdruck von gründlicher Unwissenheit oder absichtsvolle Irreführung des Publikums.

Heidemarie Heim | Sa., 18. Dezember 2021 - 16:48

Das Vertrauen in die letzte Bremse oder besser Instanz hat zumindest bei mir durch die letzten Entscheide und auch bei anderen Themen, Beispiel in Sachen EuGH erheblich gelitten. Als Laie ist man ohnehin was die Rechtsprechung dem Verständnis nach betrifft auf verlorenem Posten. Umso mehr ist man darauf angewiesen, dass es am Ende ungut verlaufender Entwicklungen, in dem Fall dem Schutz des Bürgers vor staatlichen Eingriffen, dem Gefühl nach "Übergriffen" eine letzte Instanz gibt, die unabhängig von politischer Vorgabe, Gutachten durch Dritte oder der eigenen menschlichen Ängste Recht spricht und so die gesamtgesellschaftliche Ordnung aufrecht erhält. Das Erstaunen gestandener Juristen und die hier wiedergegebenen Aussagen dazu sollten auch für jeden normalen Bürger und Demokraten Anlass zum Denken sein. Oder wie es heißt:" Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand". MfG

Sabine Lehmann | Sa., 18. Dezember 2021 - 17:06

Als Fan von Gruselgeschichten müsste ich die gruseligen Vorgänge in dieser Republik eigentlich gut finden, aber so weit geht mein Enthusiasmus dann doch nicht;-) Uns stehen furchtbare Zeiten bevor.
Furchtbar nicht wegen der Viren, des Gesundheitswesens, des Klimas oder anderer Zustände und Vorkommnisse, sondern ausschließlich wegen des Umgangs damit. Das amtierende Personal, verteilt auf allen Ebenen der drei "Gewalten", samt regierungstreuer Medien, ist gerade dabei sämtliche demokratischen Grundsätze und Freiheiten erodieren zu lassen und alles in einem großen Topf pürierter Grundrechte anzurichten. Am Ende bleibt ein Einheitsbrei, der uns im Halse stecken bleiben wird bis wir daran ersticken. Wo ist das Licht am Ende des Tunnels??

Bernd Muhlack | Sa., 18. Dezember 2021 - 17:26

Hallo Herr Hanselle!

Vorab:
Im Artikel schreiben Sie trefflich "vertreten", in der Überschrift jedoch "verteidigt".
Ich bin wahrlich kein Erbsenzähler, Korinthenkacker, jedoch fällt das einem Juristen sofort auf.
Vor dem BVerfG "verteidigt" man niemand.
Man vertritt dessen Rechte.
Ja, AbwehrR gegen den Staat!
Seit "ewigen" Monaten schreibe ich das (auch hier): es nervt!
Nein, ich bin in keinem dieser "sozialen Foren"; auch das würde nur nerven.

Die Qualität der Urteile des BVerfG hat auch nach meiner unmaßgeblichen Meinung nachgelassen - leider.
Das möge jeder für sich selbst überlegen.

Ich bin 60 - au point, al dente ...(?)
Ich habe noch etliche "ewig gestrige grauhaarige Jura-Profs" erlebt.
Wahre "Verteidiger" der Demokratie, der GRUNDRECHTE!
Dazu fällt mit itzo sehr viel ein - lassen WIR das.

Eines noch, wat janz anneret:
Keith Richards wird heute 78!
Er ist etwa halb so alt wie die Summe seiner Gesichtsfalten!
Was wohl der 1. Senat des BVerfG dazu sagen würde?
(Alles Gute!?)

Rob Schuberth | Sa., 18. Dezember 2021 - 18:25

...aber nicht (nur) wegen der strengen Coronazugangsregln 2G+, sondern wegen seiner Richter.
Insbesondere des (m. E. politisch besetzten) Vors. Harbarth.

Ein seinerzeit kluger Schachzug Merkels, was sie u. auch die Union nat. auf ewig abstreiten werden.
Genutzt hat es ihnen dennoch. Auch wenn sie mit dem Korrektur-Urteil i. S. Klimaschutzgesetz wohl nicht gerechnet hatten.
Aber dafür zeichnen m. E. FFF u. die linksgrünen MSM hauptverantwortlich.

Tatsache ist wir haben z. Z. einen Vors. Richter der, nach den bisherigen Maßstäben, ungeeignet ist und dazu noch eine Richterin (am gleichen Senat) die sich ganz offensichtlich durch ihre grünen Ehemann beeinflussen lässt.
Wie sonst kann sie dessen Textbausteine verwenden.

Unparteiisch ist dieses Gericht damit nicht mehr.

Es scheint sich, mehr u. mehr auf den Weg der MSM zu begeben...näher heran an die Regierungsmeinung.
Ein beklagenswerter Zustand.
Aber sich lauthals über PL u. HU beschweren wg. deren geringer R-Staatlichkeit.

...aber ein Fall für das Bundesverfassungsgericht".

In einer seiner letzten Interviews mißbilligte Werner Sinn die enge politische Verbundenheit Harbarths mit Merkel.

Hinzu kamen die Vorwürfe seiner Verstöße gegen das Abgeordnetengesetz in die Öffentlichkeit Das war der Kanzlerin bekannt. Er wurde ihr Lakei. Die Kritik an Harbarth war die Nichtnachvollziehbarkeit, wie ein Bundestagsabgeordneter nebenher so viel Geld mit seiner Anwaltstätigkeit verdienen konnte. Wofür bekam er eine so hohe Vergütung fragte das Handelsblatt.
Die Anklage wegen Interessenkonflikts verwarf das Bundesverfassungsgericht als unzulässig und entschied nicht zur Sache.

Von großer Pikanterie ist, daß die Cum-Ex-Geschäfte in Harbarth´ ehemaliger Kanzlei Shearman & Sterling "zur juristischen Reife" gebracht wurde. 2000 stieg er bei der Großkanzlei Shearman & Sterling LLP ein. Seine Zeit fällt in die Jahre, als dort die Cum-Ex-Modelle ausgetüffelt wurden, um den Staat zu plündern. Schließt sich ein Kreis? Ja!

Urban Will | So., 19. Dezember 2021 - 05:36

schleichender Prozess war, man die jüngsten Urteile des obersten Gerichtes quasi „erwartete“, erschüttert es einen doch, wenn man das hier ließt.
Der Staat als „oberster Schutzherr“, der sich die Grundrechte zu Diensten macht, dem Bürger gerade diese immer wieder und immer stärker einzuschränken.
Und dies im Sinne des „Zeitgeistes“, also allgemein akzeptiert und begrüßt.
Das hat diktatorische Züge, die kaschiert werden vom Narrativ, dass dies doch quasi „unmöglich“ sei, es zu benennen „Querdenken“, also „Hetze“

Dass ein zunehmend links – grün mutierender Staat sich dessen bedient, war abzusehen, das fing mit Merkels Vergrünung der einst Bürgerlichen an.

Aber dass sich die „Hüter der Verfassung“ haben so vereinnahmen lassen, hätte ich nicht im Traum erwartet. Man kann erwarten, dass sie alles durchwinken werden, was da noch kommt, sei es in Sachen Corona oder Klima und Art 16 a wurde bereits still beerdigt.
Das Fundament unserer Demokratie bröckelt.

Ernst-Günther Konrad | So., 19. Dezember 2021 - 11:39

Ihre Kritik teile ich voll umfänglich. Lediglich das Ende bezüglich einer möglichen verfassungsgemäßen Impfpflicht teile ich nicht. Aber gut. Das kann und darf man unterschiedlich sehen. Nur, wie will man bei 22 Millionen ungeimpften Mitmenschen dies praktisch umsetzten? Geldbuße oder Geldstrafe und dann? Beugehaft? Zwangsimpfung mittels Festhalten und dann den Piecks? Bei 22 Millionen Menschen? Inzwischen täglich immer mehr Demonstrationen gegen eine Impfpflicht, gegen das Impfen der Kinder. Selbst zunächst überzeugte oder "zwangsweise" Geimpfte haben die Schn.... voll. Sie wollen sich nicht zum Impfjunkie machen lassen. Inzwischen liegt ein Entschließungsantrag zur Einrichtung eines europäischen Fonds zur Entschädigung der Opfer des "Covid-19-Impfstoffe" vor.
https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/B-9-2021-0475_DE.html
Man weiß um die Auswirkungen und diskutiert trotzdem einseitig Impfzwang? Nimmt das denn außer Lisa Fitz in ihrer Sendung niemand zur Kenntnis?

helmut armbruster | Mo., 20. Dezember 2021 - 13:30

Missachtung der bestehenden Rechtsordnung.
Und es sind nicht die Bürger, welche mit der Missachtung beginnen, sondern es ist die Regierung und ihre Organe.
Begriffe und Worte, welche bisher eine klare und eindeutige Bedeutung hatten, werden uminterpretiert, bekommen einen neuen Inhalt, der nichts mehr mit dem früheren gemeinsam hat.
Ein solches Szenario spielt sich jetzt auch bei uns ab und deshalb konnte es so weit kommen, dass ein ehemals sehr geachtetes Gericht seinen guten Ruf verliert und sich lächerlich macht ohne es selbst zu merken.

Bernhard Marquardt | Mo., 20. Dezember 2021 - 13:51

Wenn sich Exekutive und Legislative gleichsam die Rechtsaufsicht selbst auswählen, wirft das tiefgreifende Fragen hinsichtlich der Gewaltenteilung auf. Die es hierzulande faktisch nie gab.
Seit Gründung der BRD besteht ein Parteiengeschachere um die Leitung der obersten Gerichte. Das betrifft nicht nur das BVerfG, sondern auch alle anderen obersten Gerichte in diesem Land. Ebenso die Posten der ohnehin weisungsgebundenen Generalstaatsanwälte und neuerdings sogar den Leiter des Verfassungsschutzes. Das ging angesichts der Souveränität der Kandidaten viele Jahre gut. Der wunschgemäße Wechsel des saarländischen MP Peter Müller ans BVerfG war ein Bruch. Dem folgte die eine oder andere Ernennung zweifelhafter Persönlichkeiten. Am Fall Harbarth wurde die massive politische Einflussnahme auf die Besetzung des BVerfG endgültig offensichtlich.
Das Dilemma bedarf dringend einer Lösung, wenn der Rechtsstaat erhalten werden soll.
Mir schwebt ein qualifiziertes Losverfahren vor.
Bessere Vorschläge?

H. Stellbruch | Di., 21. Dezember 2021 - 00:55

Wer sich die Mühe macht, die Namensliste des BVerfG und die politische Verortung bzw. Parteizugehörigkeit der Richter zu analysieren, wird schnell erkennen, dass die Parteien auch das Gericht vereinnahmt haben, das für die Bürger das letzte Bollwerk gegen einen u.U. übergriffigen Staat darstellt. Am deutlichsten wird es am Vorsitzenden des 1. Senats.
Angesichts der (z.B. im Falle der Klimapolitik) skandalösen Urteile des BVerfG kann man davon ausgehen, dass die Vereinnahmung des Staates durch die Parteien vollzogen ist. Die Gewaltenteilung besteht nur noch formal. Die Bürger müssen die Hoffnung fahren lassen, dass ihnen das BVerfG gegen die Übergriffe der Politik und die anmaßenden Kompetenzüberschreitungen der EU noch beistehen wird. Auch die Medien als "vierte Gewalt" (insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen) sind voll auf Linie, sodass auch sie als Anwalt der Bürger ausfallen. So werden die Gralshüter des Rechtsstaats zu dessen Totengräbern.