Medien für Flüchtlinge. Aber von Flüchtlingen? Im September erschienen die "BZ" und die "Bild" mit einer Zeitungsbeilage in Arabisch
Medien für Flüchtlinge. Aber von Flüchtlingen? / picture alliance

Geflüchtete Journalisten - Ein Flickenteppich an Initiativen

Die Medienkolumne: Viele Projekte, Verlage und Sender sind bemüht, auch Journalisten aus Krisengebieten zu fördern. Aber wie erfolgreich sind diese Programme? Wird die Stimme der Flüchtlinge in Deutschland gehört?

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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In diesem und im nächsten Monat jährt sich die Ankunft vieler Flüchtlinge in Deutschland. Und da muss man schon einmal nachfragen: Sind sie eigentlich auch im Mediensystem angekommen? Und welche Initiativen gibt es für Journalistinnen und Journalisten aus Krisengebieten?

Die Medienanstalt Berlin Brandenburg (mabb) hat am Freitag gleich mehrere Projekte angekündigt: Es soll ein „Willkommensportal“ geben, auf der alle digitalen Angebote für Geflüchtete, Apps, Links und beispielsweise auch die „Refugee Map“ gebündelt werden sollen. Denn bisher herrscht bei den Informationen ein ziemliches Chaos; viele Menschen wissen gar nicht, welche Angebote es überhaupt gibt.

Die mabb will auch drei Volontariate bei dem offenen Kanal „Alex Berlin“ sowie weiteren Medienpartnern schaffen und Berichterstattung über Flüchtlingsthemen in lokalen Fernseh- und Radiosendern stärken. Immerhin.

Flüchtlinge finden in Deutschland kaum Informationen

Vor zwei Monaten war bei derselben Medienanstalt der Versuch gescheitert, ein 24-stündiges Integrationsradio in arabischer und deutscher Sprache zu starten. Die Begründung: Keiner der Antragsteller habe „ein wirtschaftlich nachhaltiges und tragfähiges Konzept vorgelegt“.

Unabhängig der Frage, ob man Geflüchtete komplett an einen Nischensender verweisen oder ihre Themen nicht lieber viel stärker in den klassischen Medien repräsentieren sollte, zeichnet sich ab: Es gibt noch viel zu wenige Angebote für die Menschen, die im vergangenen Jahr aus Kriegsgebieten nach Deutschland gekommen sind.

Das ist auch das Ergebnis einer qualitativen Studie der Medienentwicklungsorganisation MiCT, die sich auch um den Betrieb des Integrationsradios beworben hatte. Darin wurden 88 syrische und irakische Flüchtlinge in Berlin nach ihrem Medienkonsum befragt. Die meisten fühlten sich vor und während ihrer Flucht erstaunlich gut informiert, wenngleich viele dieser Informationen fehlerhaft waren, etwa, was ihre Erwartungen an das Zielland betraf. Wirklich isoliert fühlten sie sich erst in Deutschland: Die Befragten gaben an, kaum Zugang zu zuverlässigen Informationen zu haben, unter anderem wegen der Sprachbarriere.

Offenbar helfen da bislang auch nicht die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender, wie der ARD-„Wegweiser für Flüchtlinge“, die Deutsche Welle Arabia, die Angebote von zahlreichen regionalen und lokalen Radios oder die preisgekrönte Reihe „Marhaba“ des n-tv.

„Diese Menschen ticken hier anders“

Die mabb will nun erstmals eine große, repräsentative Studie zur Mediennutzung von Geflüchteten in Auftrag geben. Denn die letzte derartige Erhebung von ARD und ZDF stammte von 2011 und betraf Migranten allgemein.

Statt noch mehr über sie zu berichten und zu forschen, wäre es aber auch ein sinnvoller Schritt, stärker Journalistinnen und Journalisten in den großen Medienhäusern eine Chance zu geben.

„Sie sind wichtig, um Einblicke aus ihren Regionen zu geben und sicherlich auch, um Mentalitäten und Erwartungen ihrer Landsleute zu formulieren“, sagt die Autorin Sineb El Masrar. Sie hat selbst vor Jahren ein multikulturelles Magazin gegründet, die „Gazelle“, die inzwischen online erscheint. „Diese Menschen ticken hier anders als dort zum Teil. Das macht sie für Medienhäuser interessant. Auch sprachlich.“

Die „Neuen Deutschen Medienmacher“, selbst multiethnische Journalisten, bieten Mentoringprogramme an. Der RBB moderierte im Dezember eine „Stilbruch“-Sendung mit syrischen Journalisten und Künstlern und erhielt dafür einen Preis.

Oft nur punktuelle Initiativen

Es gibt sie, die Ansätze. Aber sie beschränken sich auch nach einem Jahr oft nur auf punktuelle Initiativen. Auf ehrenamtliches Engagement hier und da.

So bietet die Hamburg Media School als erste ein gebührenfreies, halbjähriges Weiterbildungsprogramm speziell für Medienschaffende mit Fluchtgeschichte an. Im April starteten die ersten 13 Studenten, darunter auch Journalisten, die in ihren Heimatländern drangsaliert und inhaftiert wurden. Ein vielversprechender Ansatz: Die Kollegen lernen von hochkarätigen Dozenten, absolvieren anschließend ein Praktikum und bekommen hinterher ein Teilnehmerzertifikat. Mehrere große Medienmarken unterstützen das. Aber auch hier ist die Lehre ehrenamtlich.

Dabei war die Nachfrage riesig, sagt Stefanie Kirschbaum, eine der Programmverantwortlichen: „Wir hatten 100 Anfragen.“ Sie betont, dass die Auswahl mit den Sprachkenntnissen der Bewerber „steht und fällt“ und dass ein hohes mediales Engagement erwartet werde. Nach der Ausbildung dienen die Studenten idealerweise als Mittler zwischen der deutschen Kultur und ihrer jeweiligen Fluchtgruppe.

Beispielhaft macht das die arabische Zeitung „Abwab“, gegründet von dem Syrer Ramy al Asheq. Seit Februar erscheint sie gedruckt und online und richtet sich an Neuankömmlinge, die noch nicht so gut Deutsch sprechen. Die Seite versteht sich als „erste europäische Webseite, von Flüchtlingen und für Flüchtlinge“.

Zu hohe Hürden an Hochschulen

Ein vergleichbares Programm wie das an der Hamburg Media School gibt es an öffentlichen Hochschulen aber noch nicht. Die gebührenfreie „Refugee Class“ der Universität der Künste Berlin, wo das reguläre Journalistikprogramm ebenfalls Geld kostet, hat eher Workshop-Charakter und ist auf wenige Tage beschränkt.

Der Hamburger Journalistikprofessor Stephan Weichert sagt, dass es vielen öffentlichen Hochschulen „an Kreativität mangele“. Die Aufnahmeverfahren seien viel zu streng: „Dabei haben die wenigsten Menschen, die aus Kriegsgebieten fliehen, lückenlos all ihre Zeugnisse dabei.“ Weichert findet diese Bürokratie „schräg“. Er plädiert dafür, einen „Erleichterungsparagrafen“ einzuführen, um Geflüchteten die Einschreibung für Medienstudiengänge zu erleichtern.

Erhard Brunn von der Interkulturellen Kooperation in Frankfurt gibt aber noch etwas zu bedenken: Er hat zahlreiche Medienschaffende mit Fluchtgeschichte interviewt und ist in der Szene eng vernetzt. Viele seien enttäuscht gewesen, dass sie keine Jobs erhielten und die Perspektiven ungünstig seien. „Die wirtschaftlichen Bedingungen in der ganzen Branche sind schlecht. Das ist offenbar noch nicht durchgedrungen.“

Ein Problem ist auch, dass es kaum institutionelle Förderprogramme in dem Bereich gibt. Journalismus ist auch nicht als gemeinnützig anerkannt: Das hemmt viele Start-up-Projekte, Stipendiengeber und Mäzene müssen ihre Initiativen daher als Bildungsprogramme etikettieren.

Etwas Gutes kann Brunn aber trotzdem berichten: Er sieht, was das Thema Diversität betrifft, einen „unglaublichen Lernerfolg in den Medien“. Syrische Flüchtlinge seien viel schneller ins System gekommen als die Nachfahren der Arbeitsmigranten vergangener Jahrzehnte.

Der Weg ist also noch immer sehr lang.

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Frederick Rössler | Fr., 1. Juli 2016 - 16:48

Und er muss nicht über den Staat führen.

Deutschland hat 2.000.000.000.000. € Schulden und befindet sich mitten in einer nicht ausgestandenen (Welt-)Wirtschaftskrise.

Es ist also kein Geld da, um Zuwanderungsjournalismus zu fördern.

Muss aber gottseidank auch nicht.

Der richtige Ansatz ist offensichtlich, die Hürden in den Arbeitsmarkt abzubauen und zu dezentralisieren.

"Gemeinnutz" von Journalismus erzwingt nicht, dass dieser vom Staat finanziert werden muss. Schließlich sind nicht "wir" der Staat. Der Staat ist eine Minderheit von mir unbekannten Menschen, deren Politik stets versagt und die sich anschließend erdreisten, das als Grund anzuführen, künftig noch mehr Geld zu benötigen. Sollte man sich fernhalten.

Start-up-Projekte brauchen keine Subvention. Im Gegenteil: Der Staat würde sich hier nur Kontrolle verschaffen und Korruption fördern.

Durch das Internet erfährt der Journalismus gerade eine Reformation. Ich schlage vor, die Syrer schließen sich dem an.

Barbara Kröger | Fr., 1. Juli 2016 - 17:25

Es ist schon wirklich überraschend, wenn Medienleute aus dem Nahen Osten nach Europa kommen und hier doch tatsächlich erstaunt feststellen, dass die Menschen hier bei uns anders ticken als in ihren Heimatländern. Welche Erkenntnis! Wow!
Es ist an diesen Flüchtlingen und Migranten, diese unsere Gesellschaft kennen zu lernen und sich auf sie einzulassen, wenn sie bleiben wollen.

Siegfried Stein | Fr., 1. Juli 2016 - 19:41

kwt

Marga Graf | Fr., 1. Juli 2016 - 20:26

frage ich mich nach einem Sorge-Artikel, was wollte Sie jetzt damit eigentlich sagen.
Vielleicht, dass es doch bedauerlich ist, dass Jounalismus nicht als gemeinnützig anerkannt ist.
LOL!

Julian | Fr., 1. Juli 2016 - 21:52

Diese Menschen sind, wenn man es genau nimmt, Gäste und Deutschland ist der Gastgeber. Dennoch verhalten sich viele so, als würden sie für immer bleiben. Wenn man Gäste einlädt, dann baut man doch auch nicht das Haus um, damit es ihnen gefällt, oder? Daher verstehe ich nicht, warum sich nun so viele so emsig daran machen, das halbe Land auf die Bedürfnisse von Menschen auszurichten, welche rechtlich gesehen das Land wieder verlassen müssen, wenn die Gefahrensituation in ihren Heimatländern vorbei ist.

Bezüglich der Zugänge zu den Hochschulen: Gleiche Pflichten für alle. Wer kein Zeugnis vorweisen kann, hat Pech gehabt. Sorry, ist leider so. Ich kann als Deutscher auch nicht ohne Zeugnis einfach studieren, auch wenn ich versichere, dass ich das Abitur bestimmt mit 1,2 abgeschlossen habe. Sollte man Migranten dennoch durchwinken, dann wäre das eine Diskriminierung der nicht-Migranten, welche den normalen Weg nehmen müssen und evtl. keinen Platz bekommen.

peter hauser | Sa., 2. Juli 2016 - 18:42

Ansichten und Wünsche sind nun leider nur futuristisch motiviert und haben wenig mit der Gegenwart zu tun.

Träumen dürfen wir alle, doch was ist ,grade auch historisch, Realität...????

Petra Wilhelmi | So., 3. Juli 2016 - 14:11

Verdammt noch mal, welch Offenbarung: Alles kostet Geld und wie dumm, dass jeder Euro anderswo erst erarbeitet werden muss. Übrigens, wir werden tagtäglich zugeschüttet mit den Flüchtlingserzählungen, so oft, dass man es nicht mehr hören kann und man den Eindruck gewinnen muss, dass das die besseren Menschen sind. Apropos strenge Auswahlverfahren: Richtig so! Schließlich müssen wir jeden Studienplatz und jede Lehrerstelle an den Unis auch bezahlen und können dabei wohl verlangen, dass nur die Besten dorthin gelangen.

Walter Wust | Di., 5. Juli 2016 - 16:17

Es gibt in Deutschland tatsächlich noch etwas, das ohne staatliche Subvention auskommen muss? Frau Sorge empfiehlt in der ihr eigenen Art, den Migranten ihren auf sie persönlich zuredaktionierten Migranten-Sender, der auch die persönlichen Nöte und explizite Auswahl an Migranten-Nachrichten relevant berücksichtigt. Wer eine Marktlücke sucht, der findet.

Joachim Reck | Di., 12. Juli 2016 - 13:10

Was ich vermisse, sind klare Aussagen von den Zugewanderten, in Mikrofone gesprochen, in Zeitungsartikeln geschrieben, im Fernsehen gezeigte Äußerungen, wie sie, die Muslime, zu den Fundamenten dieses Rechtsstaates, zu seinem Grundgesetz, zu Demokratie, Pluralismus und Menschenrechten stehen. Nicht von muslimischen Würdenträgern, Intellektuellen oder Politikern möchte ich eine Meinung. Die ist merkeltreu.
Wir als Bürger haben ein Anrecht darauf, das zu erfahren. Ich will die Wahrheit nicht nur in den online Lesermeinungen lesen müssen. Warum wird die Wahrheit nicht von den Journalisten widergegeben.

Wenn wir uns nicht schnell entscheiden, wer hierbleiben kann und diese nicht umgehend integrieren, schaffen wir uns ein großes gesellschaftliches Problem.
Aber ein Muslim lässt sich nicht integrieren. Sein Weg wird vom Islam bestimmt.