Menschenschlange
Die Schweizer standen Schlange, um über 3G-Regelungen abzustimmen. / dpa

Covid-19-Abstimmung in der Schweiz - Lieber Wilhelm Tell als Donald Trump

Nirgendwo sind die Corona-Maßnahmen demokratisch so gut abgestützt wie in der Schweiz. Trotzdem reden selbsternannte Freiheitskämpfer von Diktatur und gestohlenen Abstimmungen und setzen damit die demokratischen Traditionen der Schweiz aufs Spiel.

Autoreninfo

Servan Grüninger hat sein Studium mit Politikwissenschaften und Recht begonnen und mit Biologie und Statistik abgeschlossen. Er schreibt regelmäßig über wissenschafts- und gesellschaftspolitischen Themen unter anderem für die NZZ.

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Am 28. November 2021 hat die Schweizer Bevölkerung bereits zum dritten Mal darüber abgestimmt, welche Kompetenzen der Staat zur Bekämpfung der Pandemie haben soll. Den Anfang machte 2013 die Volksabstimmung über das Epidemiegesetz, bei dem 60% ein „Ja“ in die Urne legten. Sieben Jahre später dann der erste Prüfstein für das Gesetz: 2020 bricht die Covid-19 -Pandemie aus und trifft die Schweiz mit voller Wucht. Die Regierung ruft die „besondere Lage“ aus, nur um schon kurz darauf zur „außerordentlichen Lage“ überzugehen. Damit erhält sie weitreichende Kompetenzen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, und darf dabei auch Maßnahmen ergreifen, die normalerweise in der Hoheit der Kantone liegen oder einer Zustimmung des Parlaments bedürfen würden. So werden in kurzer Zeit Läden, Restaurants und Clubs geschlossen, Kontaktbeschränkungen ausgesprochen, aber auch weitreichende wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen aufgegleist.

Die außerordentliche Lage währt nur kurz: Nach drei Monaten erklärt die Regierung sie für beendet, geht zur „besonderen Lage“ zurück und gibt viel Verantwortung wieder an Parlament und Kantone ab. In der Folge werden verschiedene Pandemie-Maßnahmen, für die das Epidemiegesetz keine ausreichende gesetzliche Grundlage bietet, in das sogenannte „Covid-19-Gesetz“ überführt. Das geschieht freilich nicht ohne politischen Streit: Parteien und politische Interessenvertreter mischen sich genauso ein wie wissenschaftliche Expertengruppen, Wirtschaftsführer oder kantonale Regierungen. Auch die Schweizer Bevölkerung kommt zu Wort und kann gleich zweimal über unterschiedliche Aspekte des Gesetzes befinden. Im Juni 2021 stimmen knapp 60% zu, diesen November sind es 62%. Das Schweizer Pandemiemanagement mag weder das schnellste noch das effektivste sein, dafür ist es wohl das demokratischste auf der Welt.

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Bettina Jung | Mo., 29. November 2021 - 14:17

Ihre Freude über die Abstimmung in Ehren. Sie sollten jedoch auch erwähnen, dass in dieser Abstimmung zwei Abstimmungsthemen zusammengefasst wurden. Es ging um die Einschränkung/Entzug der Freiheitsrechte UND um finanzielle Entschädigungen. Ein politischer Trick, den wir vor wenigen Wochen kennenlernen durften (Stiftungsgesetz und Entschädigung der Flutopfer). Warum erwähnt der Autor dies nicht??

Ich vermute mal Frau Jung, weil er es kann, aber nicht wollte. Wer sein Studium mit Politik und Recht beginnt und mit Biologie und Statistik abschließt, scheint sehr unentschlossen in seinem Leben zu sein oder aber er verschafft sich Grundlagen für ein breites Meinungsspektrum und verliert dann den Blick für wesentliche Dinge. Das erkennt man auch daran, dass er zwischen der Abstimmung freier Schweizer und Donald Trump herum fabuliert, ohne das dem Leser erkennbar wird, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Aber gut. Das kann man, muss man nicht verstehen.

Brigitte Miller | Mo., 29. November 2021 - 14:19

Herr Grüninger: zu den "selbsternannten Freiheitskämpfern", muss da sein? Sie sind Freiheitskämpfer und wer sonst als sie selbst hätte sie dazu ernennen sollen? Das ist doch wieder der gleiche Nonsens wie die Etiketten "umstritten" und "schillernd", die man Leuten anklebt, die einem nicht passen. Wo bleibt die Demokratie, wenn sich die Regierung über Gesetze hinwegsetzt und monatelang alles unternimmt, um die Abstimmung in seinem Sinn zu beeinflussen, samt den sie unterstützenden Qualitätsmedien? Manipulative Stimmzettel inklusive.
Und nein, das Virus ist nicht der Feind.

Gerhard Lenz | Mo., 29. November 2021 - 14:25

In einer Volksabstimmung zur Einführung einer Impfpflicht entscheidet sich eine Mehrheit dafür. Postwendend akzeptieren die Verlierer ihre Niederlage, packen Ihre albernen Pappschildchen ein (Schluss mit "Abwehrkampf", wie es hier eine Foristin nannte), und bemühen sich umgehend um einen Impftermin. So funktioniert Demokratie?

Wer es glaubt, wird selig.

Selbstverständlich werden die meisten Impfgegner einen Teufel tun, und sich eher flugs um die Teilnahme an der nächsten Demo bemühen. Ob diese legal oder verboten ist, spielt keine Rolle. Die sich selbst zu "Abwehrkämpfern" erhobenen Querdenker und Rechtsextremisten glauben sich ja im Besitz höheren Wissens, sie pfeifen auf Gesetz und Ordnung. Logisch: die Volksabstimmung wurde nur durch "Manipulation" verloren, sie zählt nicht.

So schlicht wie verlogen ist nun mal die Wirklichkeit des "Widerstandes".

Würden die Querdenker stattdessen in der Volksabstimmung obsiegen, wäre das ein Zeichen demokratischer Reife des Volkes...

Herr Lenz, in den sozialistischen "Volksdemokratien" wurde großer Wert darauf gelegt, nach außen hin eine 99%-101%ige Geschlossenheit des Staatsvolkes demonstrieren zu können. Wer zeigte, dass er mit dem eisernen Volkswillen nicht einverstanden war, musste mit üblen Repressalien rechnen.

Echte Demokratien waren und sind hingegen eindeutig daran zu erkennen, dass sie auch dann funktionieren, wenn eine solche Geschlossenheit und solche himmlischen Mehrheiten nie erreichbar sind.

In der echten Demokratie erwarten die Längsdenker der demokratische Mehrheit gar nicht, dass die Querdenker der unterlegenen Minderheit ihre Überzeugung aufgeben müssen. Sie darf nur erwarten, dass sich die Minderheit dem Ausgang der Abstimmung oder der Wahl beugt, auch wenn es unter Knurren und Murren geschieht. Auch die Längsdenker halten es deshalb nicht für unnormal, wenn die Querdenker der unterlegene Partei sofort die nächste Abstimmung planen.

Eigentlich ganz simpel und demokratisch.

Heidemarie Heim | Mo., 29. November 2021 - 15:00

Und zugleich Vorbild nicht nur in Sachen Demokratie, sondern wie sich Eingriffe in die individuelle Eigenständigkeit oder Einschränkungen vonseiten des Staates besser ertragen lassen. Ein wichtiger Aspekt ist m.E. das Vertrauen der Mehrheit der Bürger, dass diese Beschränkungen ausreichend kommuniziert wurden und z.B. zeitliche Befristungen eingehalten oder wenn nötig die Maßnahmen durch eine weitere Abstimmung
modifiziert werden. Auch der einzelne Bürger ist dadurch natürlich in der Pflicht sich bestmöglich zu informieren und sich daraufhin eigene Meinung zu bilden anstatt am Rand des Spielfelds zu stehen und keine wahre Eingriffsmöglichkeit zu haben und sich ins innere Exil zu begeben. Unsere "sozialen" digitalen Medien sind ebenfalls keine Orte von Gemeinsamkeiten oder eines gesunden Miteinanders, eher das Gegenteil davon. Jedenfalls würde ich mich viel lieber in der oben abgebildeten Schlange sehen, als in den sich hierzulande bildenden beim Run auf die Spritze oder Test;)! MfG

Martin Falter | Mo., 29. November 2021 - 15:11

es gab mal eine Zeit, da sind Politiker und innen
zurück getreten wenn sie in Skandale verwickelt waren. Auf der anderen Seite haben die Bürger Mehrheitsentscheidungen akzeptiert. Beides wird nicht mehr gemacht und jeder dreht sich die Fakten wie er es braucht. Es sieht nicht gut aus für unser Wertesystem.

Rob Schuberth | Mo., 29. November 2021 - 16:20

...Prinzipien, wuie z. B. bei einer Abstimmung die unterlegene Seite zu sein.

Da werden dann flugs, ähnlich wie es VT-Anhänger auch machen, alle möglichen (nat. vom Gegner absichtlich und in unfairer Weise) Gründe ins Feld geführt.

M. E. zeugt das nur von schlechten Verlierern. Also Menschen die eh nicht den besten Charakter haben.

M. E. wird es Zeit Impfverweigerer (nat. mit Ausnahme derer die Krankheitsbedingt auf eine Impfung verzichten müssen) härter u. konsequenter anzufassen.

Z. B. indem sie einen gr. Teil ihrer möglichen Behandlungskosten selbst tragen müssen.
Verweigern sie auch das werden Arbeitsdienste (Schnee schieben, Laub harken u. ä.) als Kompensation geleistet.

Da sind sie dann an der frischen Luft u. in Bewegung u. bekommen auch wieder klare Gedanken...weg v. der VT.

Ich weiß ja, die Mehrheit hier sieht das ja leider ganz anders. Also erspart mir bitte eure Belehrungen...geht lieber zum Impfen!

es jetzt trotzdem: Es ist in der Schweiz Konsens, dass. man Abstimmungsresultate akzeptiert, auch wenn sie einem persönlich weh tun. Wenn das nicht passiert, werden die Resultate-Kritiker, Verwedler und Ausreden-Sucher meist harsch zurecht gewiesen. Wenn aber im Vorfeld passiert, was hier passiert ist, darf, ja muss man sich äussern können. Das Verpacken von zwei Inhalten in den Abstimmungstext, die bei einzelner Befragung ganz andere Resultate zeitigen würde, wurde lange vor Corona bemängelt. Das Verhalten der Regierung/Medien in Sachen Kritker darf war ebenfalls einmalig.

Jens Böhme | Mo., 29. November 2021 - 16:48

Wenn ich in eine Halle von 5000 Menschen bin und die sind - wie ich auch - alle von der eindrucksvollen Rede fasziniert, gehe ich raus und glaube, das wird jetzt jeden auch so faszinieren und weghauen, wenn diese sich nur das Video anschauen. Erstens interessiert das Video kaum wen, geschweige anschauenswert oder dann auch noch geflasht zu sein. Umgekehrt ist es nicht anders. Mich reissen keine Weltuntergangspropheterien mit, dass ich sofort auf meinem Grundstück Photovoltaik und Windstrom installiere. So helfen denn inflationär abgehaltene Volksabstimmungen zu ein und demselben Thema nicht weiter.

Menzel Matthias | Mo., 29. November 2021 - 16:57

Wenn man sich etwas tiefgründiger mit dieser Volksabstimmung befasst, merkt man welche Gesamtpakete da zur Abstimmung gestellt wurden. Da sehe ich zwischen den Medienmeldungen und dem Inhalt schon Differenzen. Wer will schon gebeutelten Opfern der Pandemie die Hilfe versagen. Also auch in der Schweiz kommt es auf die Verpackung an.
Deutlich interessanter finde ich aber die gleichzeitig Abstimmung zu Änderungen bei der Wahl zum obersten Gericht der Schweiz. Hier stand ein Losverfahren zur Diskussion. Und jetzt das Besondere: Man stelle sich vor die Richter des Bundesverfassungsgerichtes in D würden einen Teil ihrer Einkünfte an ihre Parteien des Bundestages zahlen. Wir stehen schon bei einem Essen mit der Regierung Kopf,
Ich finde trotzdem diese direkten Demokratieelemente gut, insbesondere in dieser Zeit des Internets. Eine Akzeptanz politischer Entscheidungen ist mit Volksabstimmungen besser erreichbar.

Die da lautet, die Schweizer wurden durch Tricks zur (falschen) Abstimmung verleitet.

Denn selbstverständlich vertreten Querdenker das Volk. Und das Volk denkt mehrheitlich wie die Querdenker.

Glaubt man zumindest. Und liegt völlig falsch. In der Schweiz mag der Einfluss der Querdenker grösser sein, als in Deutschland. Gleichwohl vertreten sie auch hier nicht die Mehrheit.

Zur Erinnerung: in Deutschland wollte der Querdenkerguru (und Hauptkassierer) Ballweg OB in Stuttgart werden. Und erhielt magere 2,6%.

Die Covidiotenpartei "Die Basis" erreichte 1,6%.

Macht alles nichts. Querdenker akzeptieren keine demokratischen Mehrheiten. Schliesslich halten Sie sich für besonders aufgeklärt. Andersdenkende sind selbstverständlich manipuliert oder gar böswillig.

Die Destruktiven holen sich Ihr Wissen dort, wo es weitestgehend mit ihrer subjektiven Meinung übereinstimmt.

Fakten stören da nur. Also müssen sie gefälscht sein.

Wer das nicht kapiert, muss einfach doof sein.

Bernd Windisch | Mo., 29. November 2021 - 19:13

und nicht jedem durchgeknallten Aktivisten eine Bühne bieten. Auch Deutschland lässt sich von nur in den Medien lauten Minderheiten treiben. Extinction Rebellion (Wir fahren mit Vollgas in die Katastrophe) oder Fridays for Future (Warum auf eine Zukunft bauen, die bald nicht mehr lebenswert sein wird?). Beide Aktivistentruppen wähnen sich im permanenten Gewissensnotstand. Auch alles kleine Trumps?