„Mein Körper. My Choice“ steht auf einem Schild
„Mein Körper. My Choice“ steht auf dem Schild eines Demonstranten / dpa

Das Bundesverfassungsgericht und die geschlechtliche Identität - Auf den Leim gegangen

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten dritten Geschlecht ist weder logisch schlüssig – noch wird erklärt, was mit „Geschlecht“ überhaupt gemeint ist. Die Richter wissen offenbar nicht, wovon sie reden. Die Geister, die es rief, kann das Gericht deshalb nur noch mit purer Willkür dämmen. Das ist illiberal und undemokratisch.

Autoreninfo

Uwe Steinhoff ist Professor am Department of Politics and Public Administration der Universität Hongkong sowie Senior Research Associate im Oxford University Programme on the Changing Character of War. Zuletzt erschien von ihm das Buch „Freedom, Culture, and the Right to Exclude – On the Permissibility and Necessity of Immigration Restrictions“.

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Wenn man, was nicht mehr überflüssig ist, in Deutschland auf den seit Jahrtausenden bekannten Sachverhalt hinweist, dass es nur zwei Geschlechter gibt und die Geschlechtszugehörigkeit von objektiven biologischen Fakten, nicht vom subjektiven Empfinden abhängig ist, wird einem von gewissen Kreisen unter anderem gern das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum sogenannten dritten Geschlecht vorgehalten. Dieses Urteil zeigt jedoch lediglich, dass das BVerfG sich hat schlecht beraten lassen und dass der kulturelle Einfluss unwissenschaftlicher Ideologien auch institutionell mächtiger ist, als liberalen Demokraten lieb sein kann. Das Urteil ist nämlich nicht so sehr „progressiv“ denn, wie im folgenden gezeigt wird, begrifflich unklar, empirisch haltlos und logisch unschlüssig.

Im Übrigen hat das BVerfG zwar einige Interessengruppen um Rat gefragt – aber keine, die gezielt die Interessen von Frauen vertreten würde. Die im Urteil ausgedrückte offizielle Sorge um Gleichberechtigung wird daher von dem angewandten Verfahren konterkariert. Auch inhaltlich sind Frauen von dem Urteil in besonders negativer Weise betroffen, da es die ominöse „Geschlechtsidentität“ über die biologische Realität stellt und es somit Männern erleichtert, in geschützte Bereiche vorzudringen, die aus guten Gründen Frauen vorbehalten werden sollten. Mehr noch, der berechtigte Versuch, solche Eindringlinge abzuwehren und beim Namen („Mann“) zu nennen, wird durch die Geschlechtsidentitätspolitik und der ihr folgenden Rechtsprechung in Diskriminierung umgedeutet.

Ähnliches widerfährt auch Ärzten und Therapeuten, welche es wagen, sich modisch „im falschen Körper“ wähnende Minderjährige zu hinterfragen und sie und ihre Eltern vor den irreversiblen Auswirkungen von Pubertätsblockern zu warnen. Während in angelsächsischen Ländern Whistleblower von „Genderkliniken“ mit schockierenden Berichten an die Öffentlichkeit treten und vor allem weibliche Autoren und Kritiker auf die katastrophalen Auswirkungen der Ideologie auf Frauen und Minderjährige hinweisen, wird sie in weiten Teilen der deutschen Medienlandschaft unkritisch als „progressiv“ gefeiert – und droht sich bei den Koalitionsverhandlungen weiter durchzusetzen.

Der Biologie zufolge gibt es zwei Geschlechter

Kann das BVerfG den Ideologievorwurf entkräften? Anlässlich eines Falls mit chromosomaler Störung fordert es einen dritten „positiven Geschlechtseintrag“. Es beruft sich dabei auf die Medizin und impliziert somit, dass es de facto und nicht nur als juristische Fiktion ein drittes Geschlecht gibt. Dafür sollte es dann eine sehr gute Begründung haben. Es hat jedoch überhaupt keine. Dies erkennt man, wenn man sich klarmacht, wie eine Begründung für die Existenz einer bestimmten Anzahl von Geschlechtern aussehen müsste. Man benötigt eine Definition des Geschlechtes, eine für die Anzahl derselben relevante empirische (also aus der Erfahrung gewonnene) These, und aus beiden muss man logisch das Ergebnis ableiten. Die Definition lautet: Das Geschlecht ist die Entwicklungsrichtung eines Organismus hin auf die Produktion einer bestimmten Art von anisogametischen Keimzellen.

Weist der Organismus auf Entwicklungsschritte hin auf die Produktion der einen Art von anisogametischen Keimzellen, gehört er dem einen Geschlecht an; weist er auf Entwicklungsschritte hin auf die Produktion einer anderen Art von anisogametischen Keimzellen, gehört er einem anderen Geschlecht an. (Sogenannte „Paarungstypen“ bei isogametischen Organismen – Menschen sind anisogametisch – werden im Folgenden nicht als „Geschlecht“ bezeichnet.) Empirische These: Es gibt nur zwei Arten von Keimzellen: große (Eizellen) und kleine (Spermien). Schlussfolgerung: Es gibt genau zwei Geschlechter (weiblich und männlich). Diese Definition von Geschlecht und die Zuschreibung der damit verbunden Zweigeschlechtlichkeit, die mit dem Phänomen der Intersexualität logisch völlig vereinbar ist, ist hier nicht neu erfunden worden, sondern findet sich in einschlägigen Lehrbüchern und Fachaufsätzen zur Genetik und Entwicklungsbiologie.

BVerfG weiß nicht, wovon es redet

Das BVerfG will es besser wissen als diese biologischen Fachtexte. Wie aber könnte es, und zwar logisch und aufgrund empirischer Fakten, zu seiner abweichenden Auffassung kommen? Zum einen könnte es, nobelpreisverdächtig, einen dritten anisogametischen Keimzellentyp entdeckt haben. Das hat niemand. Oder es könnte eine andere Definition von Geschlecht verwenden und sich auf etwas anders als Keimzellentypen stützen. Tatsächlich aber findet sich in der Urteilsbegründung überhaupt keine Definition von Geschlecht wie auch keine Angabe, welches die relevanten empirischen Prämissen sind und warum sie relevant sind, und mithin erfolgt auch keine logische Ableitung. Kurz, das BVerfG bleibt nicht nur ein logisch schlüssiges Argument für seine These vom dritten Geschlecht schuldig, sondern erklärt nicht einmal, was es mit „Geschlecht“ überhaupt meint. Es weiß offenbar buchstäblich nicht, wovon es redet. Aber überrascht das? Das BVerfG befragte keinen einzigen Biologen.

Bundesärztekammer weiß nicht, wovon sie redet

Stattdessen beruft es sich für die Feststellung, dass aus „medizinischer Sicht […] an einer allein binären Geschlechtskonzeption nicht festgehalten werde“ auf eine Stellungnahme der Bundesärztekammer und zitiert diese mit der Erklärung, dass das Geschlecht einer Person mit „Varianten der Geschlechtsentwicklung … nicht mehr eindeutig den biologischen Kategorien ‚männlich’ oder ‚weiblich’ entspreche“. Die Bundesärztekammer führt hierzu aus, dass unter „Varianten/Störungen der Geschlechtsentwicklung […] angeborene Variationen der genetischen, hormonalen, gonadalen und genitalen Anlagen eines Menschen mit der Folge verstanden [werden], dass das Geschlecht einer Person nicht mehr eindeutig den biologischen Kategorien ‚männlich’ oder ‚weiblich’ entspricht“.

Da die Bundesärztekammer jedoch auf eine Definition der Begriffe „Geschlecht“, „männlich“ oder „weiblich“ verzichtet, ist die zuerst gemachte Aussage eine bloße Behauptung. Im Lichte der oben angeführten biologischen Definitionen ist diese Behauptung zudem falsch. Verschiedene genetische und hormonale Einflüsse sind lediglich ein Mechanismus, welcher in Organismen die Entwicklung in Richtung der Produktion von kleinen oder großen Keimzellen verursacht, aber es ist diese gerichtete Entwicklung selbst, welche das biologische Geschlecht definiert, nicht der sie verursachende Mechanismus (der zwischen verschiedene Arten erheblich differieren kann und innerartlich nicht in jedem individuellen Fall denselben Effekt zeitigt). Dies bedeutet auch, dass Individuen mit biologischen Störungen der sexuellen Entwicklung mitnichten die Binarität des Geschlechts in Frage stellen. Sie lassen sich meist eindeutig dem einen oder dem anderen Geschlecht oder vielleicht sogar beiden zuordnen, aber immer eindeutig keinem dritten, da es keinen dritten Keimzellentyp gibt.

Gesellschaft für Psychologie weiß nicht, wovon sie redet

Des Weiteren zitiert das BVerfG die Deutsche Gesellschaft für Psychologie mit der Erklärung, das Geschlecht sei „ein mehrdimensionales Konstrukt, dessen Entwicklung durch das komplexe Zusammenspiel verschiedener körperlicher, psychosozialer und psychosexueller Einflussfaktoren bedingt” sei. Auch dies ist jedoch keine Definition, sondern klingt wie eine Entschuldigung für die eigene Unfähigkeit, eine zu geben. Zur Veranschaulichung: Auch ein Swingerclub ist ein mehrdimensionales Konstrukt, dessen Entwicklung durch das komplexe Zusammenspiel verschiedener körperlicher, psychosozialer und psychosexueller Einflussfaktoren bedingt ist. Aber ein Swingerclub ist kein Geschlecht. Jedoch ist er in der Tat ein Konstrukt, sogar ein soziales, etwas von Menschen Geschaffenes. Vom Geschlecht kann man das nicht sagen. Das existierte schon bei Algen lange vor der Menschheit.

Ethikrat kann nicht Worte von Dingen unterscheiden

Auch der Deutsche Ethikrat, eine andere Institution, auf die das BVerfG sich beruft, weiß anscheinend nicht, zwischen biologischen Phänomen und sozialen Konstrukten zu unterscheiden – ein typischer Fehler der Philosophie des sozialen Konstruktivismus, der Hausphilosophie der Genderideologen. So erklärt der Ethikrat in seiner ausführlichen Stellungnahme zur Intersexualität, es handele sich beim Geschlecht „um eine komplexe Kennzeichnung, die sich aus der Kombination mehrerer, ganz unterschiedlicher Eigenschaften ergibt. Diese treten auf der genetischen, hormonellen und anatomischen Ebene in Erscheinung. Hinzu kommt die Selbstwahrnehmung der betreffenden Menschen, die sich einem Geschlecht, beiden Geschlechtern oder keinem Geschlecht als zugehörig empfinden, sowie ihre soziale Zuordnung zu einem Geschlecht, das heißt die Einordnung durch andere.“

Das Geschlecht als „Kennzeichnung“ zu bezeichnen ist ein Kategorienfehler. Klassifikationen sind Begriffe, Kennzeichnungen sind Worte, und dann gibt es die Dinge, die bezeichnet und kategorisiert werden. Spanier und Deutsche etwa klassifizieren bestimmte Dinge in derselben Weise, zum Beispiel Wespen. Sie begreifen sie als derselben Klasse zugehörig; sie haben somit einen Begriff von Wespen. Diesen Begriff drücken sie jedoch mit zwei unterschiedlichen Worten aus, nämlich „avispa“ und „Wespe“. Offenbar sind aber Begriffe sowie Worte wie „avispa“ und „Wespe“ selbst keine Wespen, was man daran erkennt, dass Wespen manchmal fliegen und stechen, Worte und Begriffe hingegen nicht. Und Wespen sind für ihre Existenz nicht von der Existenz menschlicher Worte und Begriffe abhängig. Menschliche Worte und Begriffe von den Dingen schon. Klassifizierungen und Worte sind also sozial konstruiert, das gilt auch für das Wort „Geschlecht“. Wespen sind es nicht. Das Geschlecht auch nicht. Es ist, was es ist.

Ethikrat verwirrt den Begriff

Also was ist es, das Geschlecht? Darauf gibt der Ethikrat keine Antwort. Er unterscheidet zwar, wie wir gerade sahen, zwischen biologischem, psychischem und sozialem Geschlecht. Er liefert aber für keins dieser sogenannten Geschlechter eine Definition, das heißt, die Angabe notwendiger und hinreichender Bedingungen dafür, eins dieser Geschlechter zu sein. Zwar finden sich im Glossar des Textes Angaben, die offenbar als Begriffsklärungen dieser drei vermeintlichen Geschlechtsbegriffe gemeint sind. Sie klären aber tatsächlich nichts und sind keine Definitionen, sondern zirkulär. So steht im Glossar unter „Geschlecht, biologisch“: „Körperliches Geschlecht (auch als sex bezeichnet), das das chromosomale, gonadale und hormonale Geschlecht umfasst.“ Dass dies nichts klärt, sieht man, wenn man das Wort „Geschlecht“ mit dem Word „Bruzni“ ersetzt: „Bruzni, biologisch: Körperliches Bruzni (auch als schnarz bezeichnet), das das chromosomale, gonadale und hormonale Bruzni umfasst.“ Wissen Sie jetzt, was ein biologisches Bruzni ist? Offenbar nicht. Dafür müsste man Ihnen zunächst erklären, was ein Bruzni (oder schnarz) ist. Ebenso müsste der Ethikrat zunächst erklären, was ein Geschlecht (oder sex) ist. Zu diesem Begriff findet sich im Glossar jedoch bemerkenswerterweise kein Eintrag.

Zudem redet der Ethikrat vom männlichen oder weiblichen Geschlecht. Es ist aber offensichtlich, dass das Wort „Geschlecht“ in „männliches Geschlecht“ nicht dasselbe meinen kann wie das Wort „Geschlecht“ in „psychisches Geschlecht“. Dies erkennt man am verunglückten folgenden Dialog: „War der Verdächtige männlichen Geschlechts?“ „Nein, Herr Kommissar, psychischen Geschlechts.“ Und natürlich verweigert der Ethikrat dem Leser wiederum jedwede Definition, was er mit Geschlecht im ersten und was mit Geschlecht im zweiten Sinne meint. Klar aber ist, dass der Ethikrat offenbar glaubt, das Geschlecht im ersten Sinne sei irgendwie durch die „Kombination“ der drei anderen (biologischen, psychischen und sozialen) sogenannten Geschlechter konstituiert. Wie genau? Auch dies erklärt der Ethikrat nicht. Voraussehbar also führt der inflationäre Gebrauch des Wortes „Geschlecht“ nicht zu analytischer Klarheit, sondern zu konzeptueller Konfusion.

Ethikrat identifiziert sich mit Unbekanntem

Das Ausmaß der Konfusion zeigt sich auch darin, dass der Ethikrat die „Geschlechtsidentität“, also das „psychische Geschlecht“, mal als „Sammelbezeichnung“ und mal als „inneres Gefühl“ bezeichnet. Mindestens eins von beiden ist falsch, denn Bezeichnungen sind keine Gefühle. Bleiben wir bei der weniger unplausiblen zweiten Version. Der Ethikrat meint: „Unter Geschlechtsidentität ist dabei das innere Gefühl eines Menschen zu verstehen, sich einem Geschlecht zugehörig zu fühlen, wobei sich dies darauf beziehen kann, weiblich, männlich oder auch anders zu sein.“ Nun hat der Ethikrat aber nicht definiert, was ein Geschlecht ist, auch nicht, was ein weibliches, männliches oder anderes Geschlecht ist. Wie, fragt man sich, bringen Mitglieder des Ethikrates ein Zugehörigkeitsgefühl zu etwas auf, von dem sie nicht wissen, was es ist? Wie kann man sich als Bruzni fühlen, wenn man nicht weiß, was ein Bruzni ist?

Woher kommt das „Spannungsverhältnis“?

Der Ethikrat erklärt zudem, die „sexuelle Identität“ (gemeint ist die Geschlechtsidentität) müsse „dem Körpergeschlecht nicht entsprechen und kann in einem Spannungsverhältnis dazu stehen“. Da der Ethikrat weder das eine noch das andere definiert, gibt es tatsächlich keine Grundlage für die Unterstellung, das „Körpergeschlecht“ sei etwas anderes als die „Geschlechtsidentität“. Aber nehmen wir an, es ist etwas anderes. Woher kommt dann das „Spannungsverhältnis“? Wenn eine „weibliche Geschlechtsidentität“ meint, sagen wir stereotyp, dass man rosa Kleidung mag und gern Liebesfilme schaut und sich in diesem Sinne eher „feminin“ fühlt, dann gibt es ein „Spannungsverhältnis“ zum männlichen Körpergeschlecht allenfalls in den Köpfen von Menschen mit einem starren Verständnis von Geschlechterrollen. Definiert man hingegen das „Körpergeschlecht“ als Entwicklungsrichtung hin auf die Produktion einer der beiden anisogametischen Keimzellen und die „Geschlechtsidentität“ als das „Gefühl“, körperlich einem bestimmten dieser beiden biologischen Geschlechter anzugehören, dann kann es sehr wohl ein Spannungsverhältnis geben – jedoch nur in Form eines Irrtums. Irrtümer darüber aber, welchem von zwei Geschlechtern man angehört, schaffen kein drittes.

BVerfG irrt über Biologie wie über Diskriminierung

Somit fehlen dem BVerfG sowohl die analytischen als auch die empirischen Grundlagen für sein Urteil. Es ist schlicht unmöglich, ein nicht-existentes drittes Geschlecht dadurch zu diskriminieren, dass man Passkennzeichnungen nur für die beiden existierenden Geschlechter zulässt. Die Beschwerdeführende selbst etwa weist nach Aussagen des BVerfG einen atypischen Chromosomensatz auf, der als Turner-Syndrom bezeichnet wird. Es gibt verschiedene Ausprägungen des Turner-Syndroms, aber in diesem Falle wies die Beschwerdeführende die sogenannte klassische Variante auf (Fehlen eines X-Chromosoms), nicht eine mosaische Variante, bei denen Körperzellen auch ein Y-Chromosom enthalten können. Das BVerfG erklärt, die Einordnung dieser Person als Frau sei „fehlerhaft“. Tatsächlich aber sind Menschen mit klassischem Turner-Syndrom im Sinne der oben angegebenen biologischen Definition – und nochmals: eine alternative Definition hat das BVerfG nicht zu bieten – immer weiblich, und die Ärzte hatten das weibliche Geschlecht bei der Geburt auch ganz richtig festgestellt. Dem Duden zufolge wiederum sind erwachsene Personen weiblichen Geschlechts Frauen. Also handelt es sich bei der beschwerdeführenden Person um eine Frau.

Das BVerfG meint aber zudem, ein solcher Eintrag entspreche nicht ihrer „Geschlechtsidentität“. Es erklärt: „Verlangt das Personenstandsrecht einen Geschlechtseintrag, verwehrt es einer Person aber zugleich die personenstandsrechtliche Anerkennung ihrer geschlechtlichen Identität, ist die selbstbestimmte Entwicklung und Wahrung der Persönlichkeit dieser Person spezifisch gefährdet.“ Erstens gibt es keine validen empirischen Studien dazu, wie sich Einträge des Geschlechts im Personenstandsregister auf die Persönlichkeit von Personen auswirken. Zweitens müsste man nach derselben Logik dann auch Reichsbürgern ihren Eintrag als solche bewilligen, sofern die simple Notierung „deutsch“ ihrer „nationalen Identität“ widerspricht und somit die Wahrung ihrer Persönlichkeit „spezifisch gefährdet“. Drittens notiert der Pass das Geschlecht, nicht die „Geschlechtsidentität“, so wie er ja auch tatsächliche Nationalität, Größe und Augenfarbe notiert, nicht „Augenfarbenidentität“. Viertens gäbe es eine tatsachenkonforme Lösung des vermeintlichen Anerkennungsproblems: Man trägt sowohl das Geschlecht als auch die „Geschlechtsidentität“ ein, etwa „männlich“, „betrachtet sich als weiblich“. Natürlich wird das Frauen, die sich einem „dritten Geschlecht“ zugehörig fühlen und Männer, die sich für Frauen halten, nicht in jedem Fall zufriedenstellen, denn zwar längst nicht alle, aber doch viele solcher Personen wollen nicht nur „anerkannt“ sehen, dass sie entsprechende Gefühle haben, sondern vor allem, dass diese der Realität entsprechen.

Jedoch ist es nicht Aufgabe des Staates, die Gefühlsregungen oder Selbsteinschätzungen seiner Bürger in deren Pässe einzutragen und als realistisch „anzuerkennen.“ Wenn er dies bei niemandem tut, ob sie sich nun mit ihrem Geschlecht oder ihrer Größe „identifizieren“ oder nicht, behandelt er alle gleich. Von Diskriminierung kann daher von vornherein keine Rede sein. Umgekehrt ist es aber sehr wohl Pflicht des Staates, seine Bürger nicht dazu zu zwingen, Personen wider besseren Wissens und Gewissens als etwas „anzuerkennen“, was sie nicht sind. Solcher Zwang widerspräche dem Persönlichkeitsrecht sowie der Gewissens- und Meinungsfreiheit.

Angebliches Diskriminierungsproblem ungelöst

Im Übrigen löst die Einführung eines imaginierten „dritten Geschlechts“ das angebliche Problem nicht einmal. Die Beschwerdeführende erklärt, ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht werde verletzt, wenn sie sich in ein „binäres System“ einordnen müsse, das ihrem eigenen „Identitätsempfinden“ nicht entspreche. Das BVerfG gibt ihr recht und proklamiert das dritte Geschlecht. Unglücklicherweise gibt es jedoch auch zahllose Menschen, denen selbst ein triadisches System zu eng ist. Ein Blick auf die kindisch, wenn nicht närrisch anmutende immer länger werdende Liste von vermeintlichen Geschlechtern auf Facebook genügt. Warum aber sollten dann nicht auch all die anderen „Geschlechtsidentitäten” im Pass ihre „Anerkennung“ finden?

Man kann nur hoffen, dass das BVerfG dem Kaninchen der Genderideologie nicht bereits so weit in den Bau gefolgt ist, dass es bereit ist, eine solche schrankenlose Geschlechterinflation mitzutragen. Doch die Geister, die es rief, kann es vor dem Hintergrund seines eigenen Urteils nur noch mit purer Willkür dämmen, nicht mehr mit rationaler Argumentation. So mag es vielleicht sagen, dass Notierungen wie „drittes Geschlecht“ oder „divers“ Sammelbezeichnungen für all die anderen Geschlechter seien. Aber dies hilft nicht, denn ist es nicht „diskriminierend“, wenn „männlich“ und „weiblich“ einen eigenen Eintrag bekommen, aber all die vermeintlichen anderen Geschlechter oder „Geschlechtsidentitäten“ de facto unter „ferner liefen“ verbucht sind?

Oder aber das BVerfG behauptet, es sei eine objektive Tatsache, dass es genau drei „positive“ Geschlechter gebe. Dafür hat es jedoch kein Argument angeführt, ja, es mangelt an jedweder Grundlage für ein Argument. Umgekehrt wurde für die Existenz von genau zwei Geschlechtern das auf empirischen Fakten und einer klaren Definition beruhende logisch schlüssige Argument oben bereits gegeben. In einer liberalen, der Aufklärung verpflichteten Demokratie aber ist ein binäres System, für das es schlüssige Argumente gibt, einem triadischen, für das es keins gibt, sicher vorzuziehen.

Geschäftsinteressen vermeintlich objektiver Ratgeber

Die Haltlosigkeit des Urteils des BVerfG ist bedauerlich genug, aber ihrerseits Ausdruck sowohl tiefer liegender als auch allgemeinerer Probleme. Zum einen ist das BVerfG nicht gut beraten, wenn es Organisationen wie die Bundesärztekammer und die Deutsche Gesellschaft für Psychologie quasi als Quellen objektiven wissenschaftlichen Rats in Anspruch nimmt. Bei der ersten handelt es sich erklärtermaßen um einen Interessenverband, und derweil die zweite angeblich nur gemeinnützige Zwecke verfolgt, arbeitet sie mit den psychologischen Berufsverbänden zusammen. In jedem Falle werden einige Mitglieder beider Organisationen durchaus Interessen haben, welche mit jenen der Genderideologie übereinstimmen.

„Therapien“ für die seit Kurzem erschreckend steigende Zahl von Kindern und Jugendlichen, die sich von der Genderideologie animiert „im falschen Körper“ wähnen (siehe Abigail Shriers Buch Irreversible Damage), sind eine gute Einnahmequelle; vor allem, wenn sie, wie die Genderideologie fordert, „affirmativ“, das heißt, den Patienten in seinem Glauben bestärkend, verlaufen. Diese „Affirmation“ führt den Patienten auf einen langen und letztlich in der Tat irreversiblen Weg, den der Therapeut und Arzt über Jahre lukrativ begleiten kann. Dies soll weder heißen, dass Hormongaben und operative Eingriffe an den Geschlechtsmerkmalen (die Rede von „Geschlechtsumwandlung“ ist irreführend) immer und grundsätzlich falsch sind noch dass es nicht zahlreiche Ärzte und Psychologen gäbe, die der Genderideologie und der Forderung unkritischer Affirmation mit Skepsis oder offener Ablehnung gegenüberstehen.

Nichtsdestoweniger wäre es blauäugig anzunehmen, dass es nicht auch jene gäbe, bei denen ideologische Ausrichtung und finanzielle Interessen unheilvoll konvergieren. Sich ihrer selbst unsichere Jugendliche, die ohne hormonelle und chirurgische Eingriffe besser dastehen würden, sind Leidtragende dieser Konstellation. Die Enthüllungen um die britische Tavistock „Genderklinik“ bestätigen dieses Bild und dürften nur die Spitze des Eisbergs sein.

Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit

Das noch grundsätzlichere Problem freilich ist der kulturelle Einfluss der Genderideologie selbst, welche ihrerseits auf der philosophischen Irrlehre des sozialen Konstruktivismus aufbaut. Diese Lehre sucht den Unterschied zwischen Worten oder „Diskursen“ einerseits und Dingen andererseits einzuebnen. Frauen (interessanterweise wird in diesem Zusammenhang weniger von Männern geredet) sind demnach „sozial konstruiert“, nicht biologisch gegeben. Dass solche Irrlehren zu hanebüchenen Verwirrungen führen, steht zu erwarten.

Exemplarisch sei hier auf einen das Urteil kommentierenden Artikel in der Zeit verwiesen, in dem die Autorin Antje Schrupp erklärt, die Bedeutung von Wörtern sei „immer ein Ergebnis langfristiger gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse“. Wenn man „Aushandlungsprozesse“ metaphorisch versteht, ist dies richtig, aber dennoch kann man zum Beispiel transsexuelle Männer nicht zu Frauen oder Äpfeln machen, indem man sich darauf verständigt, die Worte „Frau“ oder „Apfel“ auf transsexuelle Männer anzuwenden. Dann würden zwar in Zukunft transsexuelle Männer als „Frauen“ oder „Äpfel“ bezeichnet werden, aber da in der regulären deutschen Sprache dieses Artikels die Worte „Frau“ und „Apfel“ weder auf gegenwärtige noch zukünftige transsexuelle Männer angewendet werden, bliebe und bleibt die Feststellung richtig, dass transsexuelle Männer keine Frauen sind und auch nie sein werden.

Auch gegenwärtige sektiererische Privatbedeutungen ändern dies nicht. So erkennt Schrupp zwar die „reproduktive Differenz“ an, doch will sie diese genderideologisch sogleich „von der Geschlechterdifferenz […] lösen“, nämlich mit der Erklärung „Männer gebären Kinder“. Zum Beweis verlinkt sie zu einem englischen Artikel, der davon berichtet, dass ein „Transgendermann ein Kind geboren“ habe.

Hier offenbart sich abermals die Konfusion zwischen Worten und Dingen. Man muss nämlich unterscheiden zwischen der normalsprachlich verfasste Nachricht über eine wissenschaftliche Sensation und der in sensationsheischend idiosynkratrischer Sprache verfassten Nachricht über eine Banalität. Wenn eine Sekte das Wort „Transauto“ erfindet und definiert, dass etwas ein „Transauto“ genau dann ist, wenn es eine Elefantenkuh ist, die einmal an einem Auto vorbeigegangen ist, dann lehrt uns die von dieser Sekte verkündete Botschaft „Ein Transauto hat Nachwuchs geboren“ nichts Neues über Schwangerschaften oder Autos. Da analog „Transgendermann“ lediglich die idiosynkratrische Bezeichnung für transsexuelle Frauen ist, sagt der verlinkte Bericht gleichermaßen nur, dass eine transsexuelle Frau, keineswegs ein Mann, ein Kind geboren hat. Dies unterminiert nicht, sondern bestätigt die Validität der Unterscheidung von Männern und Frauen.

Beunruhigend konstruktivistisch klingt auch die von der Bundesärztekammer getätigte Aussage, die „Diskussion um die Nomenklatur“ verdeutliche, „dass die Medizin nicht eine rein naturwissenschaftlich geprägte Disziplin darstellt, sondern in Inhalt und Ausdruck auch kulturell geprägt wird und damit aktuellen gesellschaftlichen Strömungen unterliegt“. In einem trivialen Sinne ist dies richtig, nämlich in dem Sinne, in dem Franzosen ihre Resultate eher in einer französischen statt deutschen Nomenklatur zum Ausdruck bringen und puritanische Zeitalter allzu explizite Nomenklaturen vermeiden. Aber erstens wird die Bundesärztekammer diese Aussage nicht getätigt haben, um lediglich Triviales zum Ausdruck zu bringen, und zweitens gilt die triviale Aussage auch für rein naturwissenschaftlich geprägte Disziplinen. Es ist also zu befürchten, dass die Bundesärztekammer durchaus mehr aussagen will, nämlich dass auch die Wahrheit der in einer bestimmten Nomenklatur aufgestellten medizinischen Behauptung von kulturellen Einflüssen abhängt statt lediglich von den mit der Behauptung konstatierten Fakten. Doch diese Aussage ist für die Medizin ebenso falsch wie für die Naturwissenschaften.

Im Übrigen ist die Rede von „Aushandlungsprozessen“ und „gesellschaftlichen Einflüssen“ im Kontext der Genderideologie verharmlosend. Genderideologen versuchen ihren Sprachgebrauch mit massivem sozialen Druck, Diffamierungskampagnen und Cancel Culture durchzusetzen. Das kürzlich gegründete Netzwerk Wissenschaftsfreiheit hat sich nicht zufällig auch im Widerstand gegen den genderideologischen Druck formiert. Und in der Tat ist die Wissenschaft entschieden zu verteidigen gegen ideologischen und moralistischen Aktivismus, der ihre Ergebnisse im Sinne einer vermeintlich a priori erkannten Wahrheit zensieren und ihre Terminologie zugunsten eines ideologischen Neusprechs säubern und verzerren will. Sonst fällt sie als objektiver Ratgeber nicht nur für Politik und Juristen, sondern auch für den Normalbürger mit fatalen Folgen aus.

BVerfG-Urteil gefährdet Liberalismus und Demokratie

Die vermeintlich objektiven Ratgeber, einschließlich des Ethikrates, haben als Transmissionsriemen für eine Ideologie gedient, der sich das BVerfG offenbar nicht zu entziehen wusste – oder auch wollte. Vielleicht liegt dies daran, dass es selbst Schwierigkeiten hat, zwischen neuen Erkenntnissen in der Sache und lediglich neuen Verwendungen von Worten zu unterscheiden. So erklärt es: „Dass dem Verfassungsgeber 1949 bei der Formulierung von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG kaum Menschen weiteren Geschlechts vor Augen gestanden haben dürften, hindert die Verfassungsinterpretation nicht daran, diese Menschen angesichts des heutigen Wissens um weitere geschlechtliche Identitäten in den Diskriminierungsschutz einzubeziehen.“ Das BVerfG suggeriert, dass es hier neues Wissen gebe und dies für die Auslegung der Verfassung relevant sei. Da irrt es sich.

Ein Beispiel mag helfen: Nehmen wir an, das BVerfG fällt das Urteil, dass die absichtliche Tötung aus niedrigen Beweggründen von Rothaarigen kein Mord sein kann, da Rothaarige, wie angeblich neue Erkenntnisse beweisen, keine Menschen sind. Dieses Urteil wäre völlig verfassungskonform, wenn man tatsächlich herausgefunden hätte, dass Rothaarige keine Menschen sind. Wie hätte man dies herausfinden können? Nun, in einem Science-Fiction-Szenario zum Beispiel, indem man mithilfe neuer Verfahren und empirischer Untersuchungen entdeckt, dass Rothaarige nur nanotechnologisch unglaublich avancierte Roboter sind, Infiltratoren einer vermutlich außerirdischen Macht. In diesem Fall wäre das Urteil verfassungsgemäß, weil es das in der Verfassung implizit vorausgesetzte biologische Verständnis von „Mensch“ akzeptiert und eben ganz richtig feststellt, dass Rothaarige keine Menschen im Sinne der Verfassung sind.

Betrachten wir nun ein zweites Szenario. Hier kommt das BVerfG zu seinem Urteil, weil es ratgebenden Organisationen glaubt, dass erstens Rothaarige sich im Gegensatz zu anderen nicht mit ihrem Menschsein „identifizieren“ und dass zudem „Speziesidentität“ in Form der Identifikation mit der menschlichen Spezies Teil der Bedeutung von „Mensch“ sei. Selbst jedoch, wenn es in diesem Szenario wahr wäre, dass Rothaarige sich im Gegensatz zu anderen nicht als Menschen identifizieren, so wäre dies verfassungsrechtlich dennoch irrelevant, da der in der Verfassung vorausgesetzte Begriff des Menschseins die Zugehörigkeit zur Spezies Mensch keineswegs von der Selbstidentifikation, sondern allein von den biologischen Fakten abhängig macht. Anders gesagt, das BVerfG hätte in diesem zweiten Szenario, anders als im ersten, den Boden der Verfassung verlassen, weil es die Bedeutung, die deren Worte haben, bei der Rechtsprechung ignoriert oder verdreht.

Analoges gilt für „Geschlecht“ und „Geschlechtsidentität“. Es ist eine Sache, ein drittes Geschlecht tatsächlich zu entdecken, nämlich indem man einen dritten Keimzellentyp entdeckt. Es ist eine völlig andere Sache, die in der Verfassung vorhandenen Begriffe von Mann, Frau und Geschlecht umzudefinieren oder zu verdunkeln, indem man der in der Verfassung überhaupt nicht vorkommenden „Geschlechtsidentität“ immense Wichtigkeit zuschreibt und behauptet, das Geschlecht sei von der „Geschlechtsidentität“ irgendwie mitbestimmt. Den in der Verfassung verwendeten Geschlechtsbegriff hat man damit hinter sich gelassen, und zwar mit einiger Willkür.

Man kann ein solches Vorgehen getrost illiberal nennen. Zudem ist es auch undemokratisch. Wenn von einer demokratischen Mehrheit verabschiedete Gesetzestexte, die Frauen besonderen Schutz durch Frauenhäuser, Frauengefängnisse oder Frauensport oder auch besondere Vorteile durch Frauenquoten zugestehen, durch die ideologische Umdeutung des Wortes „Frau“ ausgehebelt werden, so ist dies ein Affront gegen die demokratische Selbstbestimmung – und gegen Frauen. Solche Probleme lassen sich vermeiden, wenn man an dem tatsächlich in der Verfassung und der deutschen Sprache vorausgesetzten Geschlechtsbegriff festhält. Dieser ist biologisch und objektiv und impliziert in Konjunktion mit empirischen Fakten die Zweigeschlechtlichkeit.

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Rob Schuberth | Fr., 29. Oktober 2021 - 18:44

Danke Cicero für diesen Artikel.

Dazu passend war bei TE zu lesen, dass es in der SPD starke Kräfte gibt, also keine Hinterbänkler, die wollen erreichen, dass jeder Mensch (ab 14 J.) 1 x p. a. kpl. sein Geschlecht neu bestimmen darf (inkl. der dann fälligen OPs).
Nat. alles auf unsere Kosten...also für diejenigen, die sich unfähig fühlen ihr Geschlecht zu bestimmen (m. E. die Bekloppten) for free.
Lest selbst...unfaßbar:
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/transphobie-die-sexuelle-revolu…

Dieser ganze Gender- Trans uvm. Mist gehört auf den Müllhaufen.

Es wird aber bestimmt noch schlimmer werden.
Jetzt sollen (so wollen es die Grünen) Pflanzen, Bäume, Blumen, Hecken etc. auch noch Persönlichkeitsrechte wie wir Menschen erhalten.

Mit dem Hintergrund diese dann höchstgerichtlich einklagen zu können.

Was rauchen die bloß alle für Zeugs?

Ronald Lehmann | Mo., 1. November 2021 - 01:00

Antwort auf von Klaus-Peter Götze

Ich bin gerade in der Wandlungsphase. Könnte ich mir in dieser ein ganz eigenes Geschlecht amtlich beglaubigen lassen & wenn ja, bei wem ;-) ?

Maximilian Müller | Fr., 29. Oktober 2021 - 19:38

..aber es ist sehr schade, dass sie im Eingangsstatement den (transsexuellen) Mann als Bedrohungsszenario für Frauenrückzugsräume bezeichnen.

Nicht nur ist dieses Szenario (ein Mann identifiziert sich als Frau, um dann Frauen in Frauen vorbehaltenen Bereichen anzugehen) praktisch nicht existent und damit gesellschaftlich nicht relevant. Die Idee der männlichen Gefahr fußt zudem auf einer ebenso einseitigen Ideologie wie die Idee der zusätzlichen Geschlechter, nur das sie in diesem Fall aus der Feminismusecke kommt. Den Teufel mit dem Belzebub austreiben. Der heutige Feminismus steht der Gender-Ideologie in nichts nach, nur die Opfergruppe ist eine andere. Das System ist ansonsten exakt das Gleiche.

Um die Gender-Ideologie zu entzaubern, braucht es solche anti maskulinen Szenarien nicht. Wer vernünftig ist versteht das Irrationale dahinter auch so.

Was das System bzw. die Umsetzung eines radikalen Feminismus betrifft, ich glaube wir hatten dazu auch schon einen Beitrag, gebe ich Ihnen recht werter Herr Müller! Ich muss zugeben, die wissenschaftlichen Ausführungen von Herr Prof. Steinhoff sind dazu angetan, mich an meine intellektuelle Aufnahmefähigkeit zu bringen;). Schwerer Stoff, aber wir sind hier ja auch nicht bei der Zeitung mit den 4 Buchstaben;). Umso besser verstand ich hoffentlich Ihre Einlassung zum Thema Transsexualität und inwiefern diese zu Differenzen zwischen den Geschlechtern und Identitäten führt oder nicht. An anderer Stelle schrieb ich schon zu eventuellen Problemen, z.B. im Frauen-Strafvollzug. Just erinnerte ich mich, selbst einst Sportlerin im Leistungsbereich, wie sehr mich das bisher noch stark tabuisierte sowie ungelöste Problem in Wettkämpfen bei Olympia aufregte, wo ich in letzter Zeit als Beobachterin was Fairness betrifft doch stark ins Grübeln kam, was z.B. manch weibliche Laufwettbewerbe anging. MfG

Dominik Roth | Fr., 29. Oktober 2021 - 21:27

Bin gespannt ob auch hier bald neu kreierte Personalpronomen verwendet werden müssen, ggf. wie in Kanada unter theoretischer Strafbarkeit der Nichtanwendung.

Manfred Westphal | Fr., 29. Oktober 2021 - 22:23

...diese deutsche Dekadenz führt das Volk mehr und mehr in die Verblödung und in den Abgrund.
für Abhilfe würden die fehlenden 18.000 Fachkräfte, die Sozialpädagoden, sorgen, denn Probleme löst man in sog. Stuhlkreisen.

M. Bernstein | Sa., 30. Oktober 2021 - 00:05

Interessanter Weise spricht das BVG ja gerade nicht vom 3. Geschlecht sondern von Personen, die weder weiblich noch männlich zuordenbar sind und dies dauerhaft. Es gibt sehr wohl Chromosomenanomalien als auch andere Varianten, die manchmal von den Betroffenen trotzdem als männlich oder weiblich und manchmal als weder noch angesehen werden. Für diese letzte Gruppe wurde eine weitere Möglichkeit geschaffen damit sich diese Menschen nicht zwanghaft entscheiden müssen. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Identitätspolitik zu tun, also Feststellungen, dass das Geschlecht als fluid wäre (beliebig änderbar) oder über 60 Geschlechter haben zu wollen oder Menschen, die behaupten im falschen Körper zu leben.

Stefan Bauer | Sa., 30. Oktober 2021 - 09:51

Antwort auf von M. Bernstein

Ihnen ist schon bewusst, dass es diese Menschen mit schweren chromosomalen Störungen schon immer gab, diese aber im geringen Promille-Bereich liegen?
Niemand sagt (bis auf AfDioten), dass solchen Menschen nicht bestens psychologisch geholfen werden muss.
Das gilt sogar auch für solche, die wirklich (!) ein psychologisches Problem mit ihrem Geschlecht haben. Ebenfalls ist Hilfe und Anerkennung eine Selbstverständlichkeit.
Das DARF aber nicht dazu führen, dass 1 Promille eine ganze Gesellschaft von 999 Promille formt!

Stefan Bauer | Sa., 30. Oktober 2021 - 02:45

Dem kann ich als Biochemiker letztlich fachkundig nichts hinzufügen.
Es ist ein Witz, wie das von mir mal hochgeachtete BVG sich derart zum Spielball der Mainstream-Meinungen machen lässt, sei es in Sachen Gendern + Geschlechter, Klima oder Migranten.
Das sind alles wichtige Themen, die mit Bedacht und Sensibilität beurteilt gehören, nicht aber simpel durch Beugen vor dem, was gerade eine intellektuelle, nur von der Lautstärke her "Mehrheit" (die allerdings zu 80% kopfschüttelnd abgelehnt wird, man weiß nur kaum, wie) so als Absolutum verkündet.

Ernst-Günther Konrad | Sa., 30. Oktober 2021 - 09:18

Biologisch ist doch eigentlich alles klar. Zwei Geschlechter, die gepaart miteinander Nachwuchs zeugen können und somit die Menschheit am Leben erhalten. Diese Fortpflanzungsfähigkeit ist vom Schöpfer so gewollt und er hat es deshalb auch genau so angelegt. Ich bezweifele nicht, dass sich Menschen im falschen Körper geboren fühlen. Diesen Menschen sollte auch dergestalt geholfen werden, dass man ihr Problem ernst nimmt, ihnen psychologisch hilft und ggfls. auch auf ihren Wunsch hin, wenn sie alt genug sind (nicht ab 14 J.), das selbst zu entscheiden und mit allen med. Vor- und Nachteilen informiert wurden. Das sind nur wenige Sonderfälle, Launen der Natur, aber eben nicht ein Beleg dafür, dass es mehrere Geschlechter gibt. Das ein Gericht sich jetzt auch dazu berufen fühlt, die biologischen Naturgesetze in Frage zu stellen, ohne auch nur den Ansatz eines wissenschaftlichen Beweises für ein drittes Geschlecht zeigt mir, das der Querwahnsinn selbst beim BVerG nicht Halt macht.

Thomas Hechinger | Sa., 30. Oktober 2021 - 10:44

Ein interessanter Artikel, aber nichts zum schnellen Lesen, da die Argumentation recht anspruchsvoll ist. Ich werde ihn mir daher bei späterer Gelegenheit genauer zu Gemüte führen. Eine Sache ist mir aber gleich aufgestoßen: "gebärt hat". Anfangs ist das als Zitat gekennzeichnet, beim dritten Mal jedoch nicht. Könnte man das korrigieren? Das tut in meinen Ohren weh.

"Das Röslein, das ich meine,
davon Jesaja sagt,
ist Maria, die Reine,
die uns das Blümlein bracht.
Aus Gottes ewgem Rat
hat sie ein Kind geboren
und blieb doch reine Magd."

Hans-Jürgen Stellbrink | Sa., 30. Oktober 2021 - 11:20

Wer das gelesen und verstanden hat, wird sich der Absurdität dieses von kleinen aggressiven und intoleranten Pressure Groups erzwungenen Neusprech bewusst. Es ist ein Zeichen von Dekadenz, Probleme zu erfinden, um anschließend zu versuchen, sie zu lösen. Besorgniserregend ist die Eilfertigkeit, mit der sich die gesellschaftlichen Institutionen dem beugen. Das lässt für die Zukunft unserer Demokratie schlimmes befürchten.

Tomas Poth | Sa., 30. Oktober 2021 - 12:21

Man kann entweder Sperma oder Eizellen zur Fortpflanzung der Gattung Mensch haben, beides in einem Körper geht nicht.
Jene Menschen mit einer Chromosomen Anomalie die sich weder Fisch noch Fleisch fühlen, sind dennoch biologisch entweder Mann oder Frau. Als Personenstand mögen sie sich als etwas anderes fühlen, das dürfen sie gerne. Deshalb wohl divers.
Aber das ist ihre Angelegenheit und nicht unser Problem!
Ab auf eure Spielwiese, nervt nicht und laßt euch nicht zur Geschäftemacherei benutzen.

Werter Herr Poth!

Falls Sie jemals das zweifelhafte Vergnügen hatten, in einer Kantine, Mensa oder im Krankenhaus ihr Mahl zu sich zu nehmen dann wissen Sie sehr genau was dieser Spruch bedeutet: - weder Fisch noch Fleisch.
Das ist IRGENDWAS!

Und dann dieser penetrante Gestank!
Es hätte schon immer Masken- und auch Windelpflicht geben müssen!
"Jetzt noch saugstärker und geruchsabsorbierender!"
"Du, heut ist Absorber-DAY-XXL!" - "Echt ey?"

Es war hier trefflich zu lesen, dass es nicht sein kann, dass etwa ein Promille der Bevölkerung mit ihrer "nebulösen Selbstfindung" zu einem der größten Probleme dieses Landes gepusht werden - und zwar von gar nicht selbst betroffenen Allesverstehern!

Ich war ja einige Tage absent im KH, ich lese mir das nochmal durch.
Das Thema ist zwar ausgelutscht jedoch eine interessante Argumentation von Prof. Steinhoff.

Schönen Sonn- und Feiertag!

Fisch oder Fleisch?
Ne Nudelsuppe mit Ei verkleppert sollte heute reichen!

Markus Michaelis | Sa., 30. Oktober 2021 - 14:01

das hat einen starken Punkt, Geschlecht ist nicht in einem absoluten Sinne scharf definiert. Die Biologie ist nicht eindeutig, wie eng der Begriff an der Biologie hängt, ist nicht eindeutig, der Mensch ist ohnehin frei seine die Welt ordnenden Begriffe frei zu wählen.

Nur gilt das für alle unsere Begriffe und eine Wahl unter vielen Möglichkeiten trifft jeder. Manche diese Möglichkeiten korrespondieren besser oder schlechter mit gewissen Realitäten (etwa dem biologischen Geschlecht, Hormonlagen und Handlungsantrieben dadurch etc.).

Bevor man progressiv die Alternativen zu Mann und Frau zu alternativlos sieht, sollte man bedenken, dass etwa auch der Begrif des Menschen ein menschliches Konstrukt mit viel Willkür ist. Biologisch gibt es alle übergänge zwischen einem Zellhaufen und einem Menschen und etwa in der Demenz oder anderem Verfall alle Übergänge.

Was würde das definierbare Geschlecht analog für die Menschenrechte aussagen? Die Konsequenzen sind komplexer als zurzeit "woke".

Gisela Fimiani | Sa., 30. Oktober 2021 - 17:13

Herr Steinhoff verteidigt noch den gesunden Menschenverstand und eine auf Erkenntnisgewinn angelegte Wissenschaft. Der neue Zeitgeist aber ist auf allumfassende Dekonstruktion angelegt. Überall sind „Experten“ am Werk, deren Pseudowissenschaftlichkeit mittels Selbstimmunisierung und Undurchschaubarkeit so wissenschaftlich ist, dass sie niemand widerlegen kann, nicht einmal die Wissenschaft selbst. „Während so die totale Herrschaft einerseits alle Sinnzusammenhänge zerstört, (……..) errichtet sie andererseits eine Art Suprasinn, durch den in absoluter und von uns niemals erwarteter Stimmigkeit jede, auch die absurdeste Handlung und Institution ihren >Sinn< empfängt. Über der Sinnlosigkeit der totalitären Gesellschaft thront der Suprasinn der Ideologen, die behaupten, den Schlüssel zur Geschichte oder die Lösung aller Rätsel gefunden zu haben.“ (H. Arendt) Die Demokratie ist längst durch Präventivdiktatur, Überwachungsstaat, Eliminierung des freien Willens ausgehebelt. Bemerken wir es?

helmut armbruster | So., 31. Oktober 2021 - 16:06

findet immer mehr Anhänger und Mitläufer (beinahe hätte ich geschrieben "Mitsäufer"). Und wieder einmal bewahrtet sich der Satz "Intelligenz schützt vor Dummheit nicht".
Und rote Roben anscheinend auch nicht.

Werner Zillig | So., 31. Oktober 2021 - 21:30

... als das Offensichtliche! Die Frage ist halt nur, ob sich nach weiteren 10 Jahren des Streitens um der Kaiserin Bart die deutsche Sprache wieder zurechtruckelt, egal, wo sie dann steht.

Es gibt halt einfach in der ohnehin nicht einfachen deutschen Sprache ein paar Seltsamkeiten, wenn konsequent gegendert werden soll. Erst heute sah sich jemand gezwungen zu schreiben: "'Aktivist*innen' ist eine der schrägsten Berufsbezeichnungen, die ich mir denken kann. Präziser wäre doch: 'Radaubrüder und -schwestern des Internets'."

Und wenn dann manchmal gefordert wird, nach Jahrhunderten des generischen Maskulinums sollte halt mal das generische Femininum im Deutschen zum Zuge kommen? Ja, wäre denn mit dem Satz gedient:

"'Aktivistinnen' ist eine der schrägsten Berufsbezeichnungen, die ich mir denken kann. Präziser wäre doch: 'Radauschwestern des Internets'" ? Das wäre doch vielen Radauschwestern auch wieder nicht recht, oder?