Sebastian Kurz, der ehemalige österreichische Bundeskanzler und Parteivorsitzender der ÖVP, gibt ein Interview / dpa

Die Regierung als „Pate“ der Medien - Böses Österreich, gutes Deutschland?

Sebastian Kurz musste in Österreich als Kanzler zurücktreten. Er stolperte über den Vorwurf, die öffentliche Meinung manipuliert und ungebührlichen Einfluss auf die Medien ausgeübt zu haben. Doch auch in Deutschland ist es Praxis, mit steuerfinanzierter Werbung Stimmung für die eigene Politik zu machen. Werden dadurch die Grenzen des Grundgesetzes überschritten?

Jan Schoenmakers

Autoreninfo

Jan Schoenmakers ist Gründer und Geschäftsführer der Analyse- und Beratungsfirma Hase & Igel, die sich darauf spezialisiert hat, mit Verhaltensdaten – von Google-Suchen über Social Media Gespräche bis zu Werbeausgaben – Entwicklungen in Markt und Gesellschaft zu bewerten. Nach seinem Studium der Medien- und Politikwissenschaft arbeitete der Statistikexperte lange Zeit als Kommunikationsmanager in der Energiewirtschaft.

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Ein Kanzler, der darüber zurücktreten muss, sich mit Steuergeldern gute Presse erkauft und damit seinen kometenhaften Aufstieg ermöglicht zu haben – der Skandal um Sebastian Kurz erschüttert unser Nachbarland ins Mark und sorgt hierzulande für Staunen und Unglauben. Da wird von „österreichischen Verhältnissen“ gesprochen angesichts des gutsherrenartigen Gebarens eines Polit-Impressarios, der eine Volkspartei nach sich selbst umbenannte, und da wird der Kopf geschüttelt über Vertreter einer vierten Gewalt, die sich bereitwillig kaufen ließen.

Was indes gern vergessen wird: An dem Sprichwort, dass wer mit einem Finger auf andere zeigt, mit dreien auf sich selbst weist, ist auch hier etwas dran. Wenn in den deutschen Qualitätsmedien mantraartig wiederholt wird, dass derlei hierzulande undenkbar sei, sind Zweifel angebracht, wie sauber unsere Republik in dieser Hinsicht wirklich dasteht. Denn auch in Deutschland hat die scheidende Bundesregierung ihre Praxis, mit steuerfinanzierter Werbung in den Medien Stimmung für ihre eigene Politik zu machen, in historischem Ausmaß ausgedehnt – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit über die Grenzen des Grundgesetzes hinaus.

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Walter Bühler | So., 24. Oktober 2021 - 18:50

... mir fehlt ein Hinweis auf die Aktivitäten der überreichlich aus Steuermitteln finanzierten (und parteilich dominierten) NGO's im Medienmarkt. Oder spielt diese staatlich finanzierte "Zivilgesellschaft" tatssächlich keine Rolle für die Medien?

Sabine Lehmann | So., 24. Oktober 2021 - 18:55

Die gesamte Ära Merkel zeichnet sich aus durch zahlreiche Tabubrüche. Der Tabubruch mit dem Rundfunk- und Staatsrecht ist nur einer von vielen. Dass dagegen niemand aufmuckt, ist ein extrem gefährliches Signal. Früher wurde so etwas gedeckelt und reguliert durch Opposition und Bundesverfassungsgericht. Heute gibt es keine echte Opposition mehr, da alles in einem pseudo-moralischen Einheitsbrei verschwindet. Die einzig echte Opposition ist die vermeintlich schmuddelige AfD. Dafür haben mitnichten nicht nur die eigenen Parteigenossen gesorgt, sondern vor allem die fast schon gleich geschalteten deutschen Leit-Medien. Aber das ist ein anderes Thema.
Und das Bundesverfassungsgericht? Ein Schatten seiner selbst, schaut man sich die Peinlichkeit gemeinsamer Dinner-Veranstaltungen an, bei denen sich Richter ungeniert im Kanzleramt mit Kanzlerin samt Ministerin treffen, um über Corona-Maßnahmen zu sprechen, oder besser gesagt "abzusprechen". Ein deutsches Panoptikum, das seinesgleichen sucht.

Werner Peters | So., 24. Oktober 2021 - 19:19

Gute vergleichende Darstellung des komplexen Sachverhaltes, wie man sie sonst selten liest. Die meisten Medien hier machen Kurz nieder, obwohl eben vieles hier auch nicht besser ist.

Günter Johannsen | So., 24. Oktober 2021 - 19:24

für den erhellenden Artikel. Für mich zentraler Satz: ".. entfielen mehr als 33 Prozent sämtlicher Werbeausgaben der Bundesregierung seit 2017 nicht auf die öffentliche Information zu staatstragenden Themen wie Drogenprävention, Ausbildungsförderung oder Integration, sondern auf die direkte Werbung für Gesetzesvorhaben und Gesetze der Bundesregierung – eine Praxis, die eigentlich durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts weitgehend ausgeschlossen ist." Die Merkel-Regierung hat noch viel mehr Grenzwertiges auf dem "Kerbholz". Wenn es z.B. um den millionenfachen papierlosen Grenzübertritt geht, oder die dazu passsenden Alternativlosigkeiten, schweigt sich übrigens auch des "ÖR-Sängers Höflichkeit" bis zum heutigen Tage aus. Weil es die Politik der Roten und der Grünen war? Merkels nach links modernisieren war den grün-linken schon sehr recht. Da man nun an der Macht geschnuppert hat, wendet sich das Blatt: Hauptfeind jetzt CDU/CSU, nicht mehr AfD! War doch eigentlich zu erwarten?!

Christa Wallau | So., 24. Oktober 2021 - 19:44

wenn mir eine der Hochglanzbroschüren der Bundesregierung als Beilage einer Zeitschrift in die Hände fiel, weil mir bewußt war, daß dafür auch mein Steuergeld ausgegeben worden war.
Dann habe ich die Werbebätter gleich in den Papierkorb geworfen.
Verar...en kann ich mich selbst!

Diese Art von Eigenwerbung hat es früher niemals gegeben.
Wer hat die Merkel-Regierungen eigentlich dazu ermächtigt, derartig dreist auf Kosten der Bürger
für sich Stimmung zu machen?
Unglaublich!

Danke, daß dieses Thema hier im Cicero in aller Klarheit angesprochen wird.

liebe Frau Wallau. Die SED-Bonzen kamen damals gar nicht auf die Idee, für die Finanzierung ihren ideologischen Irrsinn das Volk zu fragen. <Denn sie waren ja das Volk. Da hat es wohl Frau Merkel abgeschaut. "Den Sozialismus in seinen Lauf hält weder Ochs noch Esel auf" ... wär´ ja auch widersinnig, wenn ein Ochs den anderen Ochsen aufhalten würde!
Eine Krähe hackt doch der anderen Krähe kein linkes Auge aus ... das tut selbst der Genosse Bundespräsident nicht!

Maria Arenz | So., 24. Oktober 2021 - 21:55

der deutschen Regierungsmaschine mit ARD/ZDF nach dem Motto: "Halt Du sie dumm, ich halt Dich reich" ist Sebastian Kurz doch nur ein dummer kleiner Stümper. Unser System ist angesichts der Reichweite der mittels Zwangsgebühren und Rundfunkratsposten gekauften Sendeanstalten wirklich Demokratie-zersetzend. Wen interessiert dagagen schon das Käseblatt, das die ÖVP geschmiert hat.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 25. Oktober 2021 - 08:30

Ein durchaus marktwirtschaftlicher Grundsatz. Wenn ich zum Friseur gehe, bestimme ich auch, wie meine Haare geschnitten werden. So, so. Die unionsgeführten Ministerien haben 75% in Eigenwerbung gesteckt. Das muss man doch verstehen. Die SPD hat ihr RND und andere Medienbereiche über "unverdächtige" Drittunternehmen schon seit Jahrzehnten für Eigenwerbung genutzt und die mickrigen 12,5% der GRÜNEN sind doch nur für die Galerie. Die haben doch als Werbeträger den ÖRR und die Msm, da muss man nicht eigene Mittel aufwenden. Dafür kommen doch die woken Politiker gerne in Talkshows und werben für sich und ihre Partei. Wie in Österreich auch, ist das doch schon lange Jahre bekannt. Das Kurz nichts wusste glaube ich persönlich nicht, dass pfiffen doch die Austria Spatzen von allen Dächern. Jeder weiß und wusste es und bei uns moralinsaure Empörung, wie immer. Natürlich regt man sich nicht über die Medien auf, die die Hand aufhielten und mal bestellt und mal von sich aus lieferten. Heuchler.

Immer besser verstehe ich, was Jesus meinte, wenn er diese Leute
mit scharfen Worten geißelte.

Im Gegensatz zu den Sündern, die ihre Schuld einsehen und bereuen, kennt
der Heiland kein Verständnis und keine befreienden Worte für diejenigen, die - von Moralismus und Gesetzeskenntnissen aufgebläht - herumstolzieren und große Reden schwingen, sich aber heimlich schamlos an gar nichts halten.

Wasser predigen und Wein saufen.
Die Kleinen streng verfolgen und die Großen laufen lassen.
Wie ein Lamm reden und wie ein Wolf handeln.
D a s sind Kennzeichen der Heuchler.

Sie sind Egoisten und Menschenverächter, denen es gelingt, sich über lange Zeit das Kleid eines gesetzestreuen und mitfühlenden Menschen überzuziehen, bis man ihre Perfidie durchschaut - wenn sie denn überhaupt jemals wirklich öffentlich enttarnt werden.

Wer nicht an Gottes Gerechtigkeit glaubt, muß an dieser Art von widerlichen Leuten und ihrem immer wieder erstaunlichen Erfolg verzweifeln.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 25. Oktober 2021 - 08:36

Liebe Redaktion. Bitte hinterlegt wieder zu jedem Artikel den Kommentarlink bei. Aktuell schwarz von mir aus, geschlossen rot und zeigt die Anzahl der Kommentare. Es ist äußerst zeitaufwendig ständig alles anzuklicken, um zu sehen, ob und wer geantwortet hat. So ist eine flüssige Diskussion unnötig erschwert.
Das ihr inzwischen wieder mehrere Antworten und Kommentare zulasst habe ich bemerkt und bedanke mich dafür ausdrücklich. Mit dem neuen Layout kann ich leben, aber keine Kommentar Verlinkung ist misslich. Danke.