Hochrechnung Bundestagswahl / ARD

Hochrechnungen Bundestagswahl - SPD vor Union - Laschet und Scholz wollen regieren

Nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel stürzt die Union mit Armin Laschet auf ein Rekordtief, die SPD mit Olaf Scholz legt zu. Doch noch ist nicht klar, wer von beiden stärkste Kraft wird – und wer aus dem Ergebnis einen Regierungsauftrag ableitet.

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Starke Zugewinne für die Sozialdemokraten, historisches Debakel für die Union  aber noch keine klaren Verhältnisse: Die CDU/CSU von Armin Laschet und die SPD von Olaf Scholz haben sich bei der Bundestagswahl ein enges Rennen geliefert. Die Union stürzt nach 16 Jahren Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel auf ein Rekordtief, liegt nach ersten Hochrechnungen aber nur knapp hinter der SPD, die in Umfragen zuletzt deutlich vorne war.

Die Grünen erobern mit einem Rekordergebnis den dritten Platz vor FDP, AfD und Linken. Laschet und Scholz beanspruchten beide am Abend, eine Regierung unter ihrer Führung zu bilden.

Hochrechnung Bundestagswahl / ZDF
Hochrechnung Bundestagswahl 2021

Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF verbessert sich die SPD auf 24,9 bis 25,6 Prozent (2017: 20,5 Prozent). Die CDU/CSU fällt auf 24,4 bis 24,7 Prozent (32,9). Die Grünen fahren mit Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin 14,6 bis 14,7 Prozent ein (8,9). Die FDP verbessert sich auf 11,6 bis 11,7 Prozent (10,7). Die AfD, bisher drittstärkste Kraft, kommt auf 10,3 bis 11,1 Prozent (12,6). Die Linke rutscht auf 5,0 Prozent ab (9,2). Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), als Partei nationaler Minderheiten von der Fünf-Prozent-Hürde befreit, kann laut ARD-Prognose einen Abgeordneten in den Bundestag schicken.

Mehrheitsverhältnisse ändern sich deutlich

Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ändern sich damit deutlich, die konkrete Sitzverteilung hängt unter anderem davon ab, ob es die Linke ins Parlament schafft. Nach den ersten Hochrechnungen beider Sender ergibt sich folgende Sitzverteilung: Die SPD holt 197 bis 211 Mandate, die Union 198 bis 202. Die Grünen kommen auf 115 bis 121 Sitze. Die FDP zieht mit 92 bis 96 Abgeordneten in den Bundestag ein, die AfD mit 85 bis 88 und die Linke mit 39 bis 41 Abgeordneten.

Damit zeichnet sich eine komplizierte Regierungsbildung ab. Einzig denkbares Zweierbündnis wäre eine neue große Koalition, die aber weder SPD noch Union wollen. Deshalb dürfte es voraussichtlich zum ersten Mal ein Dreierbündnis im Bund geben. Rechnerisch sind mehrere Konstellationen möglich.

Scholz sieht dabei einen klaren Wählerauftrag für die SPD. Viele Wählerinnen und Wähler hätten deutlich gemacht, dass sie einen „Wechsel in der Regierung“ wollten und dass der nächste Kanzler Olaf Scholz heißen solle. Es gilt als wahrscheinlich, dass Scholz ein Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP anstrebt, wie es in Rheinland-Pfalz seit 2016 regiert.

FDP-Chef Christian Lindner hat bisher aber starke Vorbehalte gegen eine solche Koalition im Bund angemeldet, er zieht die Union als Partner vor. Am Wahlabend jedoch betonte Gemeinsamkeiten mit den Grünen. „Und deshalb kann es in Deutschland kein Weiter so geben. Jetzt ist die Zeit für einen neuen Aufbruch“, sagte er.

Armin Laschet will regieren

Aber auch Laschet will trotz der massiven Verluste versuchen, eine Regierung zu schmieden. „Eine Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung. Und deshalb werden wir alles daran setzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden“, sagte er. „Deutschland braucht jetzt eine Zukunftskoalition, die unser Land modernisiert.“ CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach von einer „Zukunftskoalition“ aus Union, Grünen und FDP. Auch CSU-Chef Markus Söder sprach sich für ein „Bündnis der Vernunft“ unter Führung Laschets aus: „Wir glauben fest an die Idee eines Jamaika-Bündnisses.“

Ein solches Jamaika-Bündnis, wie es in Schleswig-Holstein regiert, war 2017 im Bund an der FDP gescheitert. Diesmal dürften eher die Grünen bremsen. Vor allem in der Finanz- und der Klimapolitik sind die Differenzen zwischen Grünen und FDP groß.

Nicht ausgeschlossen ist, dass Laschet oder Scholz auch als Zweitplatzierte versuchen könnten, ein Bündnis mit Grünen und FDP zu schmieden. Das wäre kein Novum. Willy Brandt wurde 1969 Kanzler einer sozialliberalen Koalition, obwohl die SPD nur auf Platz zwei gelandet war. Genauso war es bei Helmut Schmidt 1976 und 1980.

Reicht es für Rot-Rot-Grün?

Falls die Ergebnisse ausreichen, wäre auch eine rot-grüne-rote Koalition denkbar. Die sehen große Teile von SPD und Grünen aber skeptisch, auch wegen großer Differenzen mit der Linken in der Außen- und Sicherheitspolitik. Die Linke muss nach den Prognosen zwar fürchten, dass sie die Fünf-Prozent-Hürde verpasst, dürfte aber voraussichtlich trotzdem in den Bundestag zurückkehren. Sollte sie mindestens drei ihrer zuletzt fünf Direktmandate verteidigen, darf sie laut Grundmandatsklausel entsprechend ihres Zweitstimmenergebnisses wieder ins Parlament einziehen.

Für die Union ist das Ergebnis zum Ende der Ära Merkel in jedem Fall ein schwerer Schlag  nicht nur für die CDU, sondern auch für die CSU, deren Parteichef Markus Söder sich im Frühjahr in einem Machtkampf mit Laschet um die Kanzlerkandidatur geschlagen geben musste. Nach den ersten Zahlen von Infratest dimap stürzte die CSU in Bayern auf 33 Prozent ab (2017: 38,8). CSU-Generalsekretär Markus Blume räumte im Bayerischen Fernsehen ein, das CSU-Ergebnis sei „nicht zufriedenstellend“.

Über weite Strecken hatte die Union in Umfragen klar geführt. Wegen des Höhenflugs der Grünen galt lange ein schwarz-grünes Bündnis als wahrscheinlich. Im Wahlkampf leistete sich Laschet aber Patzer, darunter sein Lachen im NRW-Katastrophengebiet, während Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über die Flutopfer sprach.

Annalena Baerbock ist enttäuscht

Ähnlich erging es Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock. Nachdem ihre Partei noch im Frühjahr in Umfragen zeitweise vorn gelegen hatte, verlor sie im Sommer deutlich, als Baerbock unter anderem Fehler im Lebenslauf und zu spät gemeldete Nebeneinkünfte einräumen musste. Auch Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit ihrem Buch machten ihr zu schaffen.

Am Wahlabend zeigte sich Baerbock enttäuscht. „Wir wollten mehr“, räumte sie ein. Das habe nicht geklappt, auch aufgrund eigener Fehler. „Dieses Land braucht eine Klimaregierung“, betonte Baerbock. „Dafür kämpfen wir jetzt weiter mit euch allen.“ Ihr Co-Vorsitzender, Robert Habeck, hielt seiner Partei alle Optionen bei möglichen Koalitionsverhandlungen offen. Die Grünen hätten „gute Chancen, stark in die nächste Regierung zu gehen“, sagte Habeck. „Wir wollen regieren.“

Vorerst gestoppt scheint der Höhenflug der AfD, die 2017 erstmals in den Bundestag einzog und damals aus dem Stand drittstärkste Partei wurde. Die Co-Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alice Weidel, nannte das Abschneiden ihrer Partei „sehr solide“.

Der neue Bundestag dürfte so groß werden wie nie zuvor. Schon in der abgelaufenen Wahlperiode war er auf die Rekordgröße von 709 Abgeordneten angewachsen, das Soll liegt bei 598 Sitzen. Union und SPD hatten 2020 nur eine kleine Wahlrechtsreform beschlossen. Eine größere Reform ist erst für die Wahl 2025 geplant. Dafür soll eine Kommission bis Mitte 2023 Vorschläge machen.

dpa

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Urban Will | So., 26. September 2021 - 18:31

klar: es wird nicht reichen für RGR.
Das ist die beste Nachricht des Abends.
Im RGR – Berlin war man sogar zu blöde, eine Wahl zu organisieren. Es fehlten teils Stimmzettel, man stand sich die Füße in den Bauch, wer auf einen Teil der Wahlen „verzichtete“, durfte an der Schlange vorbei...
Selbst in Entwicklungsländern laufen Wahlen in Teilen besser...

Und eine Hoffnung bleibt – jetzt, wenige Minuten nach 18 h – auch noch bestehen: Vielleicht fliegen die Dunkelroten endlich aus dem Parlament heraus.

Ansonsten: Viel Spaß beim Mehrheiten – Finden...
Jamaika oder Ampel...
Pest oder Cholera?
Ich ahnte es: es wird Lindner sein, auf den es ankommt. Er wird der "Kanzler - Macher".

Und das, egal wer mit wem. Habe mir gerade das Video mit Reitschuster & Maaßen 2x auf YouTube angeschaut. Ich hätte gerne Herrn Maaßen gefragt, warum die CDU als Einheit in den sagen wir mal wenigstens´ letzten 6Jahren zugelassen haben, dass diese ehemals CHRISTLICH-KONSERVATIVE Partei zu ein Links-Grünen Propaganda-Partei mutiert & alle, aber absolut ALLE ehemaligen Werte, die einst uns heilig waren, über Bord geworfen wurden. Und nicht EINER ist in Widerspruch gegangen. Aber wiederum, wenn ein ABER von der AFD kam, dann war plötzlich Widerstand angesagt! Und dies bei ALLEN Themen. Und jetzt wollt ihr mir weiß machen, dass ihr von der CDU/CSU gegen eine LINKS-GRÜNE Politik seit??????
Wenn es auch f.m.p. viele Baustellen bei den Blauen gibt, die CDU/CSU ist für mich der Antichrist im handeln. Tut mir Leid, aber ich bleibe bei meiner Aussage.

Eph. 6,12 erstarket im Herrn & in der Macht SEINER Stärke. Zieht die Waffenrüstung Gottes an, damit ihr dem Teufel standzuhalten vermöget; Amen

Klaus Funke | So., 26. September 2021 - 22:11

Die CDU möge den Kanzler stellen und dann meinetwegen mit Grün und Gelb regieren. Kriegen wir den Scholz - dann Gute Nacht Deutschland! Da hatte doch der Scholz die Stirn zum Abschluss des Wahlkampfes zu sagen. Die SPD solle übernehmen, Deutschland brauche eine neue Regierung! Ja, was hat denn die SPD die letzten 4 Jahre gemacht??? Hat sie denn nicht mitregiert und die ganze Sch... zu verantworten??? Eine größere Dreistigkeit als diese Scholz-Worte sind wohl kaum möglich. Mit Scholz kriegen wir die Fortsetzung der Merkel-Politik mit anderen Mitteln. Einen schlimmeren Lügner gibt es nicht. Scholz ist ein Trickbetrüger! Und die dummen Deutschen fallen drauf rein. Wer hat uns verraten? Na, wer?

Ronald Lehmann | Mo., 27. September 2021 - 22:53

Antwort auf von Klaus Funke

Und Betrüger! CDU/CSU+SPD=Lüge - "Multi-Kulti" ist gescheitert - So - So
So was wie 2015 darf sich nicht wiederholen - Lach - Lach

Und nur sind erst einmal Söder & Laschet gescheitert!

Diese feinen Pinkel sollte man mal vor einen Eselskarren spannen,damit Sie auch mal ihre neue Sichtweise ihrer Handlungen erfahren dürfen!

Und unsere "treue" FDP, vor allem der Herr Lindner. Ich würde ja behaupten, er hat damals AM abblitzen lassen, weil er genau gewusst hat, dass AM bei passender Gelegenheit ihn abblitzen lassen würde. Da ist Herr Kubicki klarer & berechenbarer.

Und Herr Maaßen, f.m.p. nicht besser wie die anderen. Mit der AFD nicht Reden, aber im Maschinengewehrtakt die AFD denunzieren & gesellschaftlich ächten & an die Wand stellen wie unsere Medien & der BfV - So - So - ENTZAUBERUNG hieß damals das Wort. Und trotz Saurons Armeen & sicherlich auch taktischen Verhalten von einigen Konservativen hat die AFD über 10% reingeholt.
Ja, die Titanic ist mehr wie linkslastig geworden.

Carsten Paetsch | So., 26. September 2021 - 22:21

Weil es – hoffentlich – für RGR nicht reichen wird.
Weil Baerbock keine Kanzlerin wird.
Weil die Union die Früchte ihrer Arroganz dem Wähler gegenüber erntet (also die verfaulten Früchte)
Und weil – egal welcher Tuschkasten uns glaubt, regieren zu können – keine Wunder vollbringen wird und die volle Breitseite aller Realitäten zu spüren bekommen wird, die in den letzten Jahren den Luftschlössern weichen mussten, und sich genau daran messen lassen muss.
In 4 Jahren werden die Wähler ganz furchtbar enttäuscht sein. Außer jene natürlich, die auch diesmal Real-Politik statt Real-Satire gewählt haben, was ihnen wiederum nichts nützt.

Die Frage ist daher: Was ist in 4 Jahren von unserem geschundenen Land noch übrig?

Gerhard Lenz | So., 26. September 2021 - 23:02

Rechtsaußen ging gründlich in die Hose.

Der AfD-Liebling H.G. Maaßen liegt offensichtlich im Rennen um ein Direktmandat mehr als 10% hinter dem SPD-Kandidaten.

Auch sonst gibt es keinerlei Anzeichen, dass enttäuschte Konservative zu den Rechtsextremisten abwanderten. Im Bund verlor die AfD 15% der Stimmen, in MeckPom 10%, in Berlin beinahe 50%.

Die ideologisch verbündete Querdenker-Partei "Basis", die bei Aufmärschen gerne behauptet, für 99% der Menschen zu stehen, landete unter ferner liefen.

Ausgerechnet die Partei, die von den Forenexperten bereits seit Jahren abgeschrieben wird, die SPD, wird im Bund stärkste Partei.

Dagegen fällt die vom heimlichen AfD-Chef Hoecke apostrophierte Sozial-Nationale Revolution vorerst ins Wasser. Der Trend zeigt sogar weiter nach unten: Auf dem nächsten Parteitag wird wahrscheinlich Jörg Meuthen abgesägt. Dann haben neben Hoecke Typen wie Chrupalla das Sagen...
Good Night, AfD!