Der damalige Kanzler Gerhard Schröder (l) und Unions-Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2002, Edmund Stoiber, bei einem Treffen in Berlin. Zum Schluss lachte Schröder/ dpa
Dank der Ostdeutschen hatte 2002 Gerhard Schröder den letzten Lacher / dpa

Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern - Der Osten rettet die SPD

Wenn die Geschichte sich wiederholt: 2002 rettete der Osten Gerhard Schröders Kanzlerschaft. Am heutigen Abend verhält es sich für die SPD nach Lage der Dinge genauso. Manuela Schwesig wird darauf bestehen, dass die Sozialdemokraten einen möglichen Sieg bei der Bundestagswahl am Ende dem Osten und maßgeblich auch ihr zu verdanken haben.

Porträt Mathias Brodkorb

Autoreninfo

Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Es war schon einmal so, dass der Osten die SPD rettete. Als im Sommer des Jahres 2002 Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ausschloss, dass sich Deutschland unter seiner Führung am Krieg gegen den Irak beteiligen werde, flogen ihm die antiimperialistischen Herzen der Ossis nur so zu. Einer dramatischen Nacht, in der sich Edmund Stoiber (CSU) bereits als Wahlsieger ausgerufen hatte, folgte ein verkaterter Morgen.

Nach Auszählung aller Stimmen lagen SPD und Union mit 38,5 Prozent der Zweitstimmen gleich auf. Da die SPD allerdings rund 6.000 Stimmen mehr auf sich vereinte als die konservative Konkurrenz, konnte das rot-grüne Bündnis seine Arbeit noch für ein paar Jahre fortsetzen. Zu verdanken hatten das die Sozis den Ossis: Während im westlichen Teil der Republik die Stimmen für die SPD von 42,3 Prozent auf 38,3 Prozent sanken, nahmen sie im Osten von 35,1 Prozent auf fast 40 Prozent zu.

Und genauso verhält es sich nach Lage der Dinge auch an diesem Abend. Noch im Juli 2021 dümpelte die SPD in den Umfragen bei 15 Prozent herum, während die Union fast doppelt so gut dastand. Doch dann geriet der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet (CDU), immer mehr ins Straucheln. CSU-Chef Markus Söder tat dabei, was er konnte, um seinem unions-internen Konkurrenten ein ums andere Mal den Gehstock in die Fahrradspeichen zu rammen. Und nun liegt die SPD nach den ersten Hochrechnungen knapp vor der Union. Und die Linkspartei fliegt möglicherweise ganz aus dem Bundestag.

Starke Persönlichkeiten ferngehalten

Dabei muss man die bitteren Verluste der Union am Ende der Kanzlerin selbst zurechnen. Sie tat in ihren Amtszeiten alles, was in ihrer Macht stand, um starke Persönlichkeiten, die ihr einmal hätten nachfolgen können, aus ihrem Umfeld fernzuhalten. Sie hatte es in der Hand, in der Mitte der Legislaturperiode einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin das Zepter der Macht zu übergeben. Hätte sie dies getan, hätte ihr Nachfolger aus der Stärke des Amtes heraus vermutlich die Wahl gewonnen.

So jedenfalls tun es viele Ministerpräsidenten in Deutschland. Harald Ringstorff (SPD) zum Beispiel übergab im Jahre 2008 in Mecklenburg-Vorpommern vorzeitig das Amt an seinen Nachfolger Erwin Sellering (SPD). Dieser hatte dadurch Zeit, sich auf seine erste Wahl vorzubereiten – und gewann sie souverän. Es galt auch für Sellering als ausgemacht, dass er sein Amt mitten in der Legislaturperiode an seine Nachfolgerin Manuela Schwesig (SPD) übergeben würde – damit auch sie aus dem Amt heraus ihren ersten Wahlkampf erfolgreich führen könnte.

Schwesig wird ihre gestärkte Machtposition nutzen

Zwar kam es etwas anders als geplant: Sellering trat nur wenige Monate nach der Landtagswahl 2016 bereits im Jahre 2017 aufgrund einer Krebserkrankung vom Amt des Ministerpräsidenten zurück. Aber auch Manuela Schwesig nutzte ihren Amtsbonus konsequent aus. Während die Nordost-SPD mehr als sechs Prozent hinzugewinnen dürfte, verliert ihr Koalitionspartner CDU fast in demselben Ausmaß. Schwesig hat die Konservativen im Nordosten regelrecht geschreddert.

Es gehört daher nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass Manuela Schwesig innerhalb der SPD ihre nun nochmals gestärkte Machtposition konsequent nutzen wird. Niemand repräsentiert wie sie innerhalb der Sozialdemokratie die Stimme des Ostens. Manuela Schwesig wird darauf bestehen, dass die SPD einen möglichen Sieg bei der Bundestagswahl am Ende dem Osten zu verdanken hat – und in erheblichem Umfang auch ihr persönlich.

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Dorothee Sehrt-Irrek | So., 26. September 2021 - 19:54

Herr Brodkorb oder anders, wann wußte man je, welch Meinung Frau Merkel war und zu welchem Schluss sie kommen würde?
Es sprachen meist Minister, die im Bedarfsfall geschasst wurden.
Die präsidiale Würde liess sich Merkel aber selten nehmen.
Ansonsten schien es mir ein Regieren aus einem "Kabuff" im Kanzleramt.
Ich hatte das mit dem Stabwechsel gar nicht präsent.
Ja, natürlich, so macht man das, wenn man sich in der Partei auf eine Person einigen konnte.
Ich hatte das Gefühl, dass Merkel sich bis zum Schluss alle Optionen offen liess oder hat sie niemand darüber aufgeklärt, wie sie die CDU/CSU stärken könne für diese Bundestagswahl?
Frau Schwesig und wohl auch Herr Günther waren bei jeder Pressekonferenz.
So lernt man sie kennen und einschätzen.
Kann beurteilen, ob sie wissen, wovon sie sprechen etc...
Frau Dreyer scheint auch einen guten Job zu machen.
Wenn der Abwärtstrend für die SPD gestoppt werden konnte, so dürfte das mehrere Gründe haben, einer davon ist Olaf Scholz.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 27. September 2021 - 11:58

Da haben Sie durchaus recht Herr Brodkorb. Das haben einige Ostländer mit SPD-Führung besser gemacht als die CDU. Bei Zeiten übergeben und Nachwuchs zulassen und aufbauen, so geht es eigentlich überall im Leben. Insofern ist die Wahl von Frau Schwesig nur folgerichtig. Eines hat die SPD aber im Osten nicht verhindert, dass in Thüringen und Sachsen die AFD stärkste Fraktion ist nach dieser BT-Wahl, was durchaus Richtungsweisend bei den nächsten LT-Wahlen dort sein wird und in allen anderen Ostländern sind sie zweitstärkste Fraktion geworden, was noch ausbaufähig ist.
Aber insgesamt auf Bundesebene, da haben Sie auch recht, hat vor allem der Nichtwahlkampf der UNION, deren Zerstrittenheit und ein fehlendes klares Bekenntnis zu ihren alten Werten, dem Fehlen eines bürgerlich konservativen Wahlprogramm der SPD zugespielt. Die hatten wenigstens Aussagen, ob man sie mag oder nicht. Die UNION hatten Maggus und Armin als Walldorf und Stadler von der Muppet Show. Nur können die noch lachen.

Thüringen und Sachsen haben zusammen 6 Millionen Einwohner. Zum Vergleich: In Berlin (fast 4 Mio. Einwohner) hat die AfD beinahe 50% ihrer Stimmen verloren. In Rheinland-Pfalz (etwa mehr als 4 Mio. Einwohner) sowie in BW (11 Mio. Einwohner) hat die Partei jeweils ein Drittel ihrer Wähler verloren. Auch bei den Kommunalwahlen in Niedersachen und Hessen hagelte es Niederlagen für die Braunen.

Es gibt diese dunklen Flecken im Osten, in denen die Menschen entweder aus Trotz oder infantiler Widerstandshaltung Rechtsextremisten wählen. Auf das Bundesgebiet bezogen ist das jedoch nicht relevant. Auch bei Landtagswahlen sind 24% AfD-Wähler in Sachsen bei weitem nicht genug, eine Regierung zu bilden. Und keine demokratische Partei wird sich mit den Rechtsextremisten einlassen.

Deutschland, wie auch andere Länder, muss einfach damit leben, dass es eine bestimmte Bevölkerungsschicht gibt, die rechtsextremistisch eingestellt sind, oder zumindest keine Skrupel haben, Extremisten zu wählen.