Lichtsäulen erinnern an das zerstörte World Trade Center
„Tribute in Light“: Zwei Lichtsäulen zur Erinnerung an den 11. September 2001, die die Türme des World Trade Centers nachbilden / dpa

20 Jahre nach 9/11 - Patriotischer Pomp ist passé

Die Amerikaner, wären sie heute Opfer eines Terrorangriffs wie vor 20 Jahren, fänden vermutlich nicht erneut zur Einheit. Sie fürchten einander viel mehr als die in Vergessenheit geratenen islamistischen Terroristen. Das liegt auch am Sturm aufs Kapitol.

Autoreninfo

Gregor Baszak (Foto privat) ist Journalist, Autor und politischer Kommentator. Er arbeitet am English Department der University of Illinois at Chicago und publizierte unter anderem in American Affairs und der Los Angeles Review of Books.

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Drei Tage nach den Anschlägen vom 11. September besuchte der damals amtierende US-Präsident George W. Bush den Ground Zero in New York. Dort hatte der pensionierte Feuerwehrmann Bob Beckwith eben erst ein Löschfahrzeug unter den Trümmern gefunden, als Bush dieses kurz darauf erklomm und seinen linken Arm um ihn legte. Ins Megafon, das er in seiner rechten Hand hielt, improvisierte der Präsident eine ergreifende Rede, die nur so vor Selbstbewusstsein strotzte und die versammelten Rettungskräfte zur Euphorie trieb.

Sie begann mit mehreren leeren Floskeln, und das schwache Megafon half nicht sonderlich dabei, diese in die Ferne zu transportieren. „Wir können dich nicht hören“, unterbrachen einige der Rettungsarbeiter die Rede, woraufhin Bush lautstark entgegnete: „Ich kann euch hören, der Rest der Welt hört euch und die Menschen, die diese Gebäude niederrissen, werden von uns allen bald hören.“ Durch den cleveren One-Liner erntete Bush daraufhin Testosteron-getränkte „USA! USA“-Rufe und Rekordumfragewerte, die am Ende desselben Monats zum Höchstwert von 90 Prozent Zustimmung für seine Amtsführung führten.

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Rob Schuberth | Fr., 10. September 2021 - 12:19

...und wer will es ihnen verdenken.

Das Land war schon zu Obamas Zeiten gespalten und D.Trump hat diesen Riss einerseits für sich genutzt, um zum 1.x gewählt zu werden, und andererseits noch verstärkt, indem er nichts dagegen getan hat.

Wenn zwei sich erbittert streiten (wie Demokraten vs Republikaner) dann bedarf es eines Mediators.
Nur wer sollte das sein?

Vermutlich wird die USA erst wieder mehr Einigkeit erleben wenn es durch eine Krise gegangen ist.

Ob das ein Krieg im Südpazifik (mit China), oder Kriege mit Ländern des nahen Osten, oder RUS sein wird, die eine neue Aufrüstungsspirale in Gang gesetzt haben ist, wird die Zukunft zeigen.

Erst ein Feindbild das außerhalb der USA existiert wird das Land wieder einen können.

Mit 9/11 hat das alles m. M. n. nur peripher zu tun.

Christoph Kuhlmann | Fr., 10. September 2021 - 12:57

Es ist doch völlig egal wie einig sich die Amerikaner sind. Mit dem Dissens steigt die Wahrscheinlichkeit von den USA nicht in weitere sinnlose Kriege verwickelt zu werden. Wenn unsere Mitläuferregierung jetzt noch abgewählt word kommt auch keine schnelle Eingreiftruppe von 20 000 Mann, mit der unsere europäischen Verbündeten dann Ordnungsmacht in ihren ehemaligen Kolonien spielen können. Das Mitläufertum ist da nicht zu unterschätzen. Alle machen mit (USA, England, Frankreich ...) und wir sind nicht dabei. Das war ein ernst gemeintes Argument der Befürworter des Libyenkrieges in Deutschland. Oh bitte, nicht schon wieder. Mali als Folge von Libyen ist auch so ein Desaster! Ein weiterer Grund SPD zu wählen. Diesen Mitläufern traue ich nicht über den Weg.

Yvonne Stange | Sa., 11. September 2021 - 09:10

Antwort auf von Christoph Kuhlmann

Und die SPD ist besser? Danke für den Lacher an diesem grauen, verregneten Morgen!! xD

Urban Will | Sa., 11. September 2021 - 08:50

die hier angesprochene „Dynamik“, dass nämlich seine Gegner grundsätzlich alles ablehnten, was er sagte, nicht nur in d USA, vor allem auf Seiten d deutschen und europäischen links – grünen Mainstreams, und die Tatsache, dass diese Dynamik, diese gesinnungschauvinistisch beanspruchte „Meinungshoheit“, das Messen von Aussagen nicht an diesen selbst, sondern an dem, der sie macht, mittlerweile quasi zum „Standard“ der politischen Auseinandersetzung in der „westlichen Kultur“ (letztendl. ist die „Cancel Culture“ auch nichts anderes) geworden ist, ist m.M. nach eine der Hauptursachen für deren Niedergang, denn nichts anderes erleben wir gerade.
Der Umgang mit Andersdenkenden, der offene Streit, das Diskutieren. Das hat d Westen stark gemacht.
Wenn wir das nicht wieder lernen, dann – in der Tat – wird der nächste Großangriff uns wie die Karnickel in den Bau treiben.
Dieser muss nicht militärisch sein, die Chinesen machen es wirtschaftlich und wir haben ihnen nichts entgegenzusetzen.

Sabine Lehmann | So., 12. September 2021 - 01:29

Wie hier über den 11.09.2001 geschrieben und sinniert wird, ist m.E. an Kaltschnäuzigkeit nicht mehr zu überbieten. Jedem der meint, nach 20 Jahren so abgeklärt und nüchtern, fast schon abfällig, darüber seine Meinung kundzutun, dem empfehle ich eine der heutigen Dokus über 9/11 anzuschauen! Aber bitte keine deutsche Doku, sondern die von US-Amerikanern. Von und über Menschen die dabei waren damals am 11.09.2001 am World Trade Center und am Pentagon. Aber bitte genau hinschauen, zuhören und- sofern vorhanden- mit Empathie nachfühlen, statt als komplett Außenstehender und vor allem Nichtbetroffener, moralinsaure Einschätzungen als Oberschlaumeier abzugeben. Würdevolles Gedenken, reflektiertes Aufarbeiten und ein radikal offener Blick auf das was den Islam bis heute ausmacht, das alles sähe wirklich anders aus als das, was ich hier lesen muss. Zum fremdschämen.