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Die Briefwahl wird immer beliebter. Ein schlechter Trend für die Demokratie / Grafilu

Briefwähler - Meinungen sind wie Flugsand

Der Versand der Briefwahl-Unterlagen für die Bundestagswahl hat vielerorts bereits begonnen. Immer mehr Wähler stimmen per Brief ab, wegen der Corona-Pandemie lag der Anteil zuletzt sogar bei mehr als der Hälfte. Für die Demokratie ist das ein Problem.

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Nur mal gesetzt den Fall, die Plagiate in Annalena Baerbocks Buch „Jetzt – Wie wir unser Land erneuern“ wären erst eine Woche vor der Bundestagswahl ans Licht gekommen: Hätte die Spitzenkandidatin der Grünen dann doch noch Chancen auf die Kanzlerschaft gehabt? Ein anderes Beispiel: Sollte sich Armin Laschet Mitte September mal wieder einen Fauxpas erlauben wie bei seinem Lachen während der Flutkatastrophe, könnte das Pendel der Wählergunst deutlich zuungunsten des CDU-Kandidaten ausschwingen. Diese zwei hypothetischen Szenarien haben eines gemeinsam: Sie illustrieren auf anschauliche Weise, dass unvorhergesehene Ereignisse die Ergebnisse von Wahlen entscheidend beeinflussen können. So weit, so normal.

Die Frage ist nur: Was passiert eigentlich mit den Stimmen, die bereits vor einer Nachricht mit womöglich wahlentscheidender Tragweite abgegeben wurden? Was wäre mit einem Briefwähler, der etwa im Vertrauen auf Baerbocks Redlichkeit als Buchautorin seine Stimme gegeben hat, bevor neue Erkenntnisse vom Gegenteil zeugen? Die Antwort: Pech gehabt, gewählt ist gewählt – das per Briefwahl abgegebene Votum lässt sich eben nicht zurückholen. Selbst dann nicht, wenn man aus sehr guten Gründen sein Kreuzchen auf einmal lieber an anderer Stelle machen würde. 

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Ernst-Günther Konrad | Mo., 30. August 2021 - 11:28

Mein Herz schlägt links, da habe ich eine zweistellige Anzahl an Briefwahlstimmen für die AFD einfach "grün" gemacht, sagte ein Wahlhelfer in Berlin-Brandenburg. Es hat mich ja keiner kontrolliert. Wie oft kam das unentdeckt vor bei anderen Wahlen?
https://www.tagesspiegel.de/berlin/afd-stimmen-fuer-die-gruenen-gezaehl…
Wer füllt die Briefwahlzettel für die Menschen in Heimen aus, für bettlägerige zu Hause gepflegte Menschen? Wer kontrolliert die Kontrolleure bzw. die Wahlhelfer wirklich genau vor Ort? Ist ein Briefwahl Anteil von mehr als 50% noch eine direkte und freie von Überzeugung am Wahltag getragene Wahl? Können ungeimpfte oder ungetestete Menschen persönlich im Wahllokal wählen? Briefwahl sollte doch die absolute begründete Ausnahme sein und wird selbst vom BVerfG zur Normalität erklärt. Jetzt treibt die Corona Angst und die Wahlbequemlichkeit die Wähler zur Briefwahlabstimmung. Demokratie 2021 in DE.

... wer der Träger ist. Ob es AWO, Volkssolidarität oder die Diakonie etc.pp, ist, Organisationen, von denen JEDE schon ihre Skandale und mehrfach Fälle von Betrug und Veruntreuung hatten. ;-) Danach entscheiden sich die Stimmen. Oder das Parteienfußvolk schleicht kurz vor der Wahl durch die Heime und füllt die Zettel gemeinsam mit den alten Leuten aus. Die freuen sich über den Besuch....

Gerhard Lenz | Mo., 30. August 2021 - 11:42

was ist der Unterschied, wenn ich am Wahltag, eine halbe Stunde, nachdem ich meine Stimme abgegeben habe, merke, dass ich eine falsche Wahl getroffen habe?
Was, wenn ich einen Tag danach, eine Woche danach einsehe, dass ich mich geirrt habe?
Es ist einfach illusorisch, anzunehmen, man sei vor jedem "Irrtum" gefeit. Ob ich den jetzt vier Wochen vor der Wahl, oder am Wahltag selbst begehe, ist eigentlich gleichgültig. Es sei denn natürlich, ich erfahre von irgendwelchen bemerkenswerten Ereignissen, und das rechtzeitig.

Heute morgen: Uwe Junge, ehemaliger AfD-Landeschef in RLP, verlässt die Partei. Sein Kommentar auf Facebook: Bei Veranstaltungen der AfD herrsche - Zitat - eine überreizte Stimmung, gepaart mit wilden Verschwörungstheorien und teilweise unflätigem Benehmen (von denen so, Junge) vernünftige und gebildete Menschen abgeschreckt werden, während sich der blökende Stammtischprolet wie zu Hause fühlt“ .

Wird das einen Hardcore-AfDler beeindrucken? Gleich, wann er wählt...

Christa Wallau | Mo., 30. August 2021 - 11:50

reduziert werden.
Alles, was Sie schreiben. lieber Herr Marguier, ist richtig.
Bis auf die Wenigen, die einen nachvollziebaren, wichtigen Grund für Briefwahl haben, sollte diese aus den von Ihnen geschilderten Gründen nicht zugelassen werden.
Außerdem dürften die Briefwahlunterlagen dann nicht schon Wochen vor dem Wahltermin herausgegeben werden, sondern erst kurz vor der Wahl.
Nur auf diese Weise kann eine geheime und gleichzeitige Wahl aller Bürger in Deutschland halbwegs garantiert werden.
Die manipulierten Wahlzettel, die in den Familien und Altersheimen ausgefüllt werden, lassen sich nie vermeiden, aber man sollte doch das Risiko für
eine Beeinflussung möglichst gering halten.

Hans Jürgen Wienroth | Mo., 30. August 2021 - 11:54

Danke für den kurzen Exkurs. Es gibt weitere Punkte, die bei der Briefwahl kritisch zu sehen sind. Was wird aus der unbeeinflussten Stimmabgabe? Wer verhindert, dass das „Familienoberhaupt“ bestimmt, was gewählt wird? Das BVerfG: hat dem gerade Tür und Tor geöffnet, indem es das Wahlrecht auch für „Betreute“ ausurteilte. Wie kann jemand, der nicht in der Lage ist, sich selbst zu versorgen, eine Wahl treffen. Hier wird der Sozialhelfer seine Stimme vervielfältigen, im Sinne des GG?
Wir alle sollten dafür kämpfen, dass die Wahlbeteiligung wieder ansteigt, wählen als Bürgerpflicht. Wer nicht wählt, der gibt die Stimme auch jenen, die er nicht will.

Manfred Bühring | Mo., 30. August 2021 - 12:11

Wer sich als Wähler von den albernen "Kandidatenduellen" oder einer zufälligen eher unbedeutenden Nachricht beeinflussen oder umstimmen läßt, handelt nicht, wie ein mündiger Bürger, sondern emotional-populistisch. Und darauf wird Wahlkampf ja auch abgestellt, und nicht auf das, was in den Wahl- oder Parteiprogrammen steht (was man dann glauben kann - oder auch nicht). So gesehen unterscheidet sich Briefwahl nicht vor dem Kreuz in der Wahlkabine. Das Argument der "geführten Hand" oder des "Farbwechsels" bei der Auszählung ist natürlich gewichtig. Um das zu verhindern, müsste man Briefwahl ausschließlich auf Auslandswähler beschränken. Die anderen verhinderten Wähler haben dann eben Pech gehabt, sofern sie nicht im Krankenhaus oder Pflegeheim bettlegerig sind.

Ronald Lehmann | Mo., 30. August 2021 - 21:39

Antwort auf von Manfred Bühring

Meine Mutter war mit neunzig noch geistig Topp fit. Aber sie sah es für sich persönlich nicht mehr als nachvollziehbar an, wählen zu gehen. Und wenn ich gesehen habe, wie um diese Stimmen ...... Ich sage Nein!
Wer wirklich will, sollte dies vorab mitteilen. No Problem. Aber nicht unter Einfluss von fremden Menschen.

Wolfgang Borchardt | Mo., 30. August 2021 - 12:51

Ich gehöre nicht zu den Wählern, die sich durch punktuelle Ereignisse in langfristigen Beobachtungen beirren lassen. Dass 16 Jahre Regierungskoalition den Sinkflug der BRD eingeleitet haben, kann weder durch ein "weiter so", noch Weltrettungsphantasien aufgehalten werden. Das ist genauso Realität, wie die Klimaerwärmung. Jeder wird sich einrichten müssen.

Ingofrank | Mo., 30. August 2021 - 13:04

Wenn ich mich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis umsehe, machen wir die Wahl einer Partei i.d.R. nicht davon, was in den letzten Wochen so passiert,abhängig. Sondern als stark politisch interessierte Wähler, stellen wir und die Frage zwischen soll und haben. Was hat die Partei xy für mich, meine Kinder & Enkel und für die Gesellschaft getan? Wer vernichtet z.B. durch Niedrigzinsen und galoppierende Inflation mein Vermögen? Wer greift noch tiefer in meine Taschen um irgendwelche illusorischen Klimaziele zu verwirklichen? Wer versucht für soziale Gerechtigkeit zu sorgen? Wer setzt sich für mehr Markt als mehr Staat ein? Wer für Frieden? (Afghanistan?) Wer für Reformen oder ein weiter so? Und wenn ich mir diese Fragen beantworte stelle ich fest, lohnt es sich zur Wahl zu gehen? Wiederstrebt mir zwar. Aber wen soll ich denn wählen? Außer Protest! Ob an der Urne od. per Brief. Das ist Wurst wie Schale!

Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Rob Schuberth | Mo., 30. August 2021 - 13:51

Die These mit dem Flugsand halte ich da nur für eine Seite der Medaille.

Gerade in politischen Aspekten sind viele Wähler doch schon recht gefestigt.

Wer seine Wahlentscheidung so sehr von dem Auftreten (das ist reine Show!) in den letzten Wochen vor eine Wahl abhängig macht, dem sollte man wohl eher das Wahlrecht entziehen.

Ja ja, ich weiß, das ist Bullshit, aber vermutl. entstehen gerade durch die Masse der desinteressierten u. überaus bequemen Wähler (die sich dann nach ihrem Eindruck der letzten Tage entscheiden) diese unglücklichen Wahlergebnisse.

Das ist übrigens auch die Folge eines in politischen Dingen völlig darniederliegenden Bildungssystems.

Ob das Absicht ist?
Möglich wär's, denn aufgeklärte Bürger/Wähler die würden m. E. anders wählen.

Die würden nicht immer wieder auf all die Wahlkampf-Märchen reinfallen.

Hans Meiser | Mo., 30. August 2021 - 14:51

Da die Briefwahl Demjenigen, der die Briefe öffnet, die absolute Macht über das Ergebnis der Wahl gibt, sollte Briefwahl nur die Ausnahme von der Ausnahme sein dürfen!
Und komme mir niemand mit: "Aber das wird doch überwacht etc." Wer noch Vertrauen zu denen hat, die sich (wie man aktuell sieht) mit allen (!) Mitteln an der Macht halten möchten, der hat es nicht besser verdient.

Bernd Muhlack | Mo., 30. August 2021 - 15:48

"Aber kann da eigentlich noch von einer „Gleichheit der Wahl“ die Rede sein, wenn Teile der Wahlbevölkerung einen Wissens- und Erkenntnisvorsprung gegenüber jenen haben, die ihren Stimmzettel „zu früh“ ins Kuvert gesteckt und abgeschickt haben?"

Werter Herr Marguier, da musste ich natürlich schmunzeln!
Es laufen so viele intellektuell minderbemittelte Zeitgenossen durch die Gegend, dass ein weiterer "Wissens-/Erkenntnisgewinn" nicht wirklich ins Gewicht fällt.
Stammwähler interessieren sich sowieso nicht für "Pannen, Ungereimtheiten etc:
"Ich habe schon immer x gewählt!"
Bei Wechsel- oder Nichtwählern mag das anders sein.

Man erinnere sich an die damalige Wahl in Schleswig-Holstein: "Barschel-Gate" u Engholms kurzfristiger Sieg. Ein Tag vor der Wahl flog der Schamott auf!
Die Causa Barschel ist bis heute unklar; Tod in der Badewanne im Hotel Beau Rivage in Genf.

Natürlich werde ich per Brief wählen, das Wahllokal ist nicht barrierefrei.
Hauptsache man wählt!

Also BMW find ich gut!

Dr.Andreas Oltmann | Mo., 30. August 2021 - 15:59

Sehr geehrter Herr Maguier,
es wäre hilfreich, Ihre Vermutung, viele Wähler hätten schon jetzt oder weit vor dem Wahldatum ihre Stimme abgegeben, mit Zahlen zu belegen. Es dürfte den Statistikern nicht schwerfallen, zu ermitteln, wie viele Menschen z.B. schon 4 Wochen vor dem Termin gewählt haben, und wieviele sich erst einige Tage vorher entscheiden. Das könnte dann Ihre Aussagen stützen oder widerlegen. „Viele“ ist jedoch reichlich ungenau.
MFG

Arno Ehret | Mo., 30. August 2021 - 22:44

In den letzten 20 Jahren haben CDU und/oder SPD das Land mehrheitlich regiert. Diese Zeit genügt, um sich ein Bild von deren "Werten und Zielen" zu machen. Und nach den politschen Entscheidungen in dieser Zeit sollten sie auch beurteilt werden.
Wer seine Wahltentscheidung in den letzten Tagen vor einer Wahl von irgendwelchen Lachern im falschen Moment oder von abgeschriebenen Zeilen in einem Buch, welches von den wenigsten gelesen wird, abhängig macht, hat keinen Wissens- und Erkenntnisvorsprung, sondern den Anspruch auf die Bezeichnung "mündiger Bürger" verwirkt.

Heinz Greschke | Di., 31. August 2021 - 00:59

“Und welche Bedeutung haben unter diesen Voraussetzungen eigentlich die üblicherweise aufwendig inszenierten Abschlusskundgebungen der großen Parteien und ihrer Spitzenkandidaten?“

Wer bitte wartet nach einer ganzen Legislaturperiode am Ende auf solche Inszenierungen, um endlich zu einer fundierten Wahlentscheidung zu kommen?
Politische (Willens-)Bildung geht anders.