
- „Ein Systemwechsel in der Asylpolitik ist nicht durchsetzbar“
Weil die Taliban Afghanistan zurückerobern, verlassen die Bewohner das Land in Scharen. Steuert Europa auf eine neue Flüchtlingskrise zu? Der Migrationsforscher Stefan Luft erklärt, wie die Bundesregierung Flüchtlingsströme verhindern kann und warum das dänische Modell „Null Asylbewerber" nicht funktioniert.
Stefan Luft ist Migrationsforscher an der Uni Bremen. Er hat mehrere Bücher geschrieben, u.a. „Die Flüchtlingskrise. Ursachen, Konflikte, Folgen", C.H.Beck Verlag, München 2016.
Herr Luft, in Afghanistan bahnt sich ein Massen-Exodus an. Auf der Flucht vor den Taliban verlassen Tausende das Land. Die meisten wollen nach Europa, insbesondere nach Deutschland. Erwartet uns die nächste große Flüchtlingskrise?
Es wird zumindest der Druck zunehmen. Die Frage ist aber: Wie viele bleiben auf diesem Weg in Pakistan? Wie viele bleiben im Iran? Es gibt andererseits große afghanische Communities in Deutschland, aber auch in Österreich. Diese Netzwerkeffekte spielen eine wesentliche Rolle bei der Auswahl des Ziellandes.
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sich dagegen ausgesprochen, Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen, „weil die Taliban eine kranke Ideologie vertreten, die er nicht importieren will.“ Handelt er verantwortungsbewusst?
Nein, und ich glaube nicht, dass er diese Position auf Dauer wird durchhalten können. Es gibt ein gemeinsames Europäisches Asylsystem, die Republik Österreich ist Teil dieses Systems. Er hat sich an die Umsetzung der Richtlinien zu halten.
Tatsächlich kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch Terroristen unter die Flüchtlinge mischen. Das hat die Erfahrung 2015 gezeigt. Wer will die Verantwortung dafür übernehmen, wenn Islamisten wieder Terroranschläge begehen?
Das kann man nie ausschließen. Das ist auch Gegenstand der Anhörung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BamF). Da werden auch Sicherheitsfragen geprüft. Deswegen ist es auch Aufgabe der Politik, keinen weiteren Massenzustrom zuzulassen.