Jürgen Pföhler (CDU), Landrat von Ahrweiler
Landrat Jürgen Pföhler (CDU) beim Besuch einer von der Flut zerstörten Schule in Ahrweiler /dpa.

Flutkatastrophe an der Ahr - Ermittlungsverfahren gegen Landrat wegen fahrlässiger Tötung

Rund drei Wochen nach der zerstörerischen Flut im Ahrtal ermittelt die Staatsanwaltschaft nun offiziell gegen den Landrat Jürgen Pföhler (CDU) wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung. Wurde in der Region zu spät vor den Wassermassen gewarnt und evakuiert?

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Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat ein Ermittlungsverfahren gegen den Landrat des von der Flutkatastrophe besonders betroffenen Landkreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), eingeleitet. Es gehe um den Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen am Abend des Hochwassers vom 14. Juli, teilte die Behörde am Freitag mit. Der Anfangsverdacht richte sich gegen den Landrat, weil dieser laut Gesetzeslage „möglicherweise die Einsatzleitung und alleinige Entscheidungsgewalt hatte“.

Das Verfahren richte sich zudem gegen ein weiteres Mitglied des Krisenstabs, das nach den derzeitigen Erkenntnissen die Einsatzleitung „zumindest zeitweise übernommen hatte“, erklärte die Staatsanwaltschaft weiter. Es hätten sich „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür ergeben, dass am 14. Juli ab etwa 20.30 Uhr Gefahrenwarnungen und möglicherweise auch Evakuierungen geboten gewesen wären. „Dies – so der Anfangsverdacht – dürfte in einer als fahrlässig vorwerfbaren Begehungsweise offenbar nicht, nicht in der gebotenen Deutlichkeit oder nur verspätet erfolgt sein.“

Anfangsverdacht, Unterlassen jedenfalls für einen Teil der Todesfälle mitursächlich

Extremer Starkregen hatte am 14. und 15. Juli an der Ahr im Norden von Rheinland-Pfalz eine Flutwelle ausgelöst und weite Teile des Tals unter Wasser gesetzt. Rund 42.000 Menschen sind von den Folgen des Hochwassers betroffen. Die Zahl der Todesopfer im Ahrtal liegt mittlerweile bei 141, noch immer werden 17 Menschen vermisst.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz teilte weiter mit, es bestehe der Anfangsverdacht, dass ein entsprechendes Unterlassen jedenfalls für einen Teil der Todesfälle und der entstandenen Personenverletzungen „(mit)ursächlich“ geworden sei. Eine Auswertung von Todesermittlungsverfahren zu Flutopfern habe ergeben, dass sich die Todesfälle überwiegend flussabwärts von Ahrbrück aus mit einem großen Schwerpunkt in der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler ereignet hätten.

Vor der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens hatte die Staatsanwaltschaft eine Mail-Adresse für die Sammlung von Hinweisen zur Flutkatastrophe an der Ahr eingerichtet. Im Kern geht es unter anderem darum, ob Warnungen zu spät erfolgt sind. Landrat Pföhler hatte eigentlich für Freitagvormittag zu einem Pressetermin zur aktuellen Situation eingeladen. Dieser Termin wurde kurzfristig abgesagt. dpa

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Ingo Kampf | Fr., 6. August 2021 - 12:30

Da waren doch andere um ihn herum im Krisenzentrum! Da meinten manche, mit automatischen E-Mails wäre der Sache Genüge getan! Der Innenminister hätte jeden Zugang zu allen Informationen haben können. Er steht da bei Starkregen rum und haut ab! Nach mir die Sintflut. So billig sollte der nicht davon kommen. Ich wohne 15 km von der Ahr entfernt und habe diesen Regen hautnah mitbekommen. Einen Abend und eine Nacht ohne Ruhe!

In diesem Fall muss ich Ihnen, werter Herr Kreppel, zustimmen.

Es ist eine der Kernaufgaben eines Landrats sich einem Überblick über das Große Ganze (seinen Landkreis und die anliegenden) zu verschaffen und dann, als Gefahrenabwehr, resp. um die Gegenmaßnahmen rechtzeitig einleiten zu können, den Notstand auszurufen.

Da ist nix mit Delegieren.

Natürlich trägt der Landrat die unmittelbare Verantwortung. Das braucht man mir nicht zu erklären. Ich bleibe aber dabei, daß er Gefahr läuft das Bauernopfer zu werden. Der Innenminister Lawrenz stand im Lagezentrum neben dem Landrat.
Der Innenminister hatte die Macht einzugreifen. Vielleicht hat auch er die Lage falsch eingeschätzt. Es ist, wie nach allen Unglücken: Es beginnt die Suche des Schuldigen, die Bestrafung des Unschuldigen und die Beförderung des Nichtbeteiligten. Ich - 15 km von der Ahr entfernt, bin jedenfalls die Nacht voller Unruhe wach gewesen. Es ist Gott sei Dank nichts passiert, weil ich auf 200 m Höhe wohne!

Klaus Funke | Fr., 6. August 2021 - 12:48

Ein Bauernopfer muss her! Da bietet sich ein Landrat natürlich an. Ich vermag nicht zu sagen, wie viel Schuld er trägt, wohl kaum aber die alleinige. Mit solchen Prozessen wird nicht ein einziges Opfer wieder lebendig, auch kein Haus wird davon wieder aufgebaut oder menschliches Leid ungeschehen gemacht. Es dient lediglich der Selbstberuhigung der jeweiligen Landregierungen und der Bundesregierung. Der Rechtsstaat lebt!! Ha, ha, ha - welcher Hohn.

Ronald Lehmann | Fr., 6. August 2021 - 16:05

Antwort auf von Klaus Funke

TÄÄTARETÄÄ - BUM - BUM
Was wollt ihr, wir haben Demokratie & das Baueropfer ist auch schnell gefunden ?

Und ja, ansonsten gibt es nichts zu diskutieren. Wir sind die Guten.

Ja, ja die da ganz oben. Siehst du sie nicht?
Guter, guter Bubi ?
Alles im Griff auf diesen ..... Schiff

Christa Wallau | Fr., 6. August 2021 - 14:04

dieses Landrates bedarf es dringend der Aufarbeitung der Abläufe auf seiten der Verwaltung in den entscheidenden Phasen der schlimmen Überflutungen im Ahrtal und anderswo.

Nur so besteht Hoffnung darauf, daß beim nächsten Mal effiizienter und schneller gehandelt werden kann.

Wolfgang Tröbner | Fr., 6. August 2021 - 14:12

Ich bin erstaunt, dass nicht auch gegen den Innenminister von Rheinland-Pfalz Lewentz (SPD) ermittelt wird. Oder gegen die Umweltministerin Höfgen (Grüne). Der Landrat mag ja gravierende Fehler gemacht haben und die sollten auch geahndet werden. Hat aber die Landesregierung in Gestalt der beiden Minister, die für Katrophenschutz, auch vorbeugend, zuständig sein sollten, als Dienstherr nicht noch größere Fehler gemacht? Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass bei Katastrophen aller Art immer erst die unteren Chargen verantwortlich gemacht werden, nicht aber die wirklich Verantwortlichen. Und dazu gehören in aller Regel auch die Minister. Schlussendlich muss doch die Landesregierung den Katastrophenschutz organisieren. Niemand sonst. Ich hoffe, dass die Ermittlungen gegen den Landrat nur ein allererster Schritt sind. Es nützt keinem etwas, wenn die Politiker sich vor die Kameras stellen und behaupten, der Klimaschutz sei schuld, obwohl sie nur ihre Arbeit nicht gemacht haben

Ernst-Günther Konrad | Fr., 6. August 2021 - 14:49

DenLletzten beißen die Hunde, sagt der Volksmund. Ja, mag sein, der Landrat hat geschlafen, falsch eingeschätzt, war vielleicht auch ob bereits ständiger irgendwelcher Warnungen, mal der Corona Panik und mal vor Unwetter vielleicht auch abgestumpft. Vielleicht hat er an die Kosten gedacht bei einem überzogenen Fehlalarm. Aber da sind noch ganz andere in der Pflicht. Vom Bund über die Länder, welche Sirenen abschalten oder gar Abbauen ließen. Die Panik Medien, die jedes übliche lokale Unwetter zum Superlativ erklären und keiner hört und sieht mehr hin, wenn es wirklich eng wird. Der Bund und die Länder haben den Katastrophenschutz herunter gewirtschaftet, personell und in der Sachmittelausrüstung. Im Üben sind sie Weltmeister, im Ernstfall Totalversager. Und jetzt. Nicht mal Container Dörfer mit Wasser und Unterkunft, Hygiene bekommen sie hin. Ach stimmt. Sind ja nur länger hier lebende betroffen. Aber Helfer zurück schicken, die angeblich nicht die richtige politische Haltung haben.

... Herr Konrad.
"Der Bund und die Länder haben den Katastrophenschutz herunter gewirtschaftet, personell und in der Sachmittelausrüstung."
Es wurde die letzten Jahre ALLES heruntergewirtschaftet.
Infrastruktur, Schulen, Polizei....und der Katastrophenschutz.
Verantwortlich CDU SPD Grüne mit ihrem linken Gedankengut und unfähigem Personal. Und natürlich die linksgrünen MSM.

Hanno Woitek | Fr., 6. August 2021 - 16:10

Bei einem Anfangsverdacht. Wie soll sie den aber objektiv noch begründen können, bei den teils bösartigen Vorverurteilungen durch die gesamte Presselandschaft über: Bild, Welt, Cicero, Spiegel, Süddeutsche,Focus, etc.Die diese Organe nur aus Auslagengeilheit geschrieben haben. P.S. Natürlich kann so gut wie keiner in so einer Situation ohne Schuld und ggf. auch Versäumnisse sein. Aber die Presse war in der Berichterstattung schon widerlich. Und es war schwer einen klaren Kopf zu behalten.

Rob Schuberth | Fr., 6. August 2021 - 17:03

nur machten mich seine Äußerungen (ich kenne ja nur die vor Kameras u. Mikrofonen) recht schnell stutzig.

Und mal im Ernst, wie kann ein Haupt-Verantwortlicher in so einer Ausnahmesituation, einem echten Notstand, seine Posten weiterdelegieren?

Zum Mittagessen, einer kurzen pause, ok, aber für länger? Nein, schon das würde ich ihm anlasten.

Ein Problem das dieser LR nicht zu verantworten hat ist das - vom Bund geschaffene - Dilemma, dass es immer noch zwei Zuständigkeiten gibt.

Die Kommune/das Land bis zur Stufe x und danach der Bund.
Der Bund aber nur bei echten Krisenfällen (Krieg), die aber damals bezogen wurden auf einen Ernstfall während des Kalten Krieges.

Man hat also schlicht vergessen dieses Dilemma endlich aufzulösen.

Der Föderalismus hat hier erneut eine seiner vielen Fehlgeburten gezeigt.

Rob Schuberth | Fr., 6. August 2021 - 17:25

...schreiben, als der 1962, sich über alle geltenden Regeln u. Gesetze hinwegsetzend einfach die Alliierten um deren Hilfe bat.
Und viele Anordnungen traf für die er offiziell keine Legitimation hatte.

1962 hat man ihn gelobt und die Richtigkeit seines mehr als beherzten Durchgreifens erkannt und nicht nach seinen Fehlern gesucht.

Heute aber, da würden ihn unsere Medien in der Luft zerreißen.

Übrigens, liebe Medienschaffenden, das ist m. E. der primäre Grund warum in unsrem Land kaum noch einer Verantwortung übernehmen will.

Sachliche Berichterstattung und mehr nicht. Das wäre gut.

Bernd Muhlack | Fr., 6. August 2021 - 18:42

Aha, soso.

Ich wurde in KO geboren, verbrachte dort meine Kindheit, Jugend.
Unten am Rhein sind sämtliche Justizgebäude -
extrem hochwassergefährdet!
AG - LG - OLG - VG - OVG - ArbG - LAG - FG ...
Bundesarchiv & das BA für "Wehrtechnik und Beschaffung" (letztere sind nicht hochwassergefährdet)
... wenn ich groß bin will ich Indianer oder Jurist werden ...

Man ermittelt also gegen diesen Landrat.
Nun ja, warum nicht.
Vielleicht ist ja die zu integrierende 08/15-Putzfrau an den NOT-AUS-Knopf gekommen?
HUCH! Das wollte ich nicht!
Man nennt das "Fahrlässigkeit".

Diese Ermittlung wird weder den Betroffenen, schon gar nicht den Toten, "Vulnerablen" nützen.
Ein Bauernopfer?
Warten WIR es ab - dieses mMn mißbrauchte WIR!

Menschen, Familien und das NICHTS!

Landrat Jürgen Pföhler trägt letztlich sicherlich die Verantwortung.
Ob er auch "Schuld" hat, entscheide bitte final ein Gericht.

Schönes Wochenende

Bernd Haushalter | So., 8. August 2021 - 22:29

Die Putzfrau hat leider den Netzstecker des Katastrophen-Not-Faxgerätes gezogen.
Aber wo, in welchem Nebenraum kommen diese Faxe überhaupt an, oft fehlt dann Papier und Toner beim Landrat, bei der Landesregierung oder beim Bund.
Der Landrat ist das Krokodil-