
- Das Danaergeschenk
Die USA und Deutschland haben sich über die Ostseepipeline Nord Stream 2 geeinigt. Die Amerikaner verzichten auf Sanktionen, die Bundesrepublik geht im Gegenzug teilweise widersinnige Verpflichtungen ein. Der gesamte Kompromiss zeugt von außenpolitischer Stümperei – und wird die nächste Bundesregierung belasten.
Die nächste Bundesregierung hat ihr erstes Geschenk schon bekommen, bevor sie im Amt ist. Bundeskanzlerin Merkel überreichte ihr Danaergeschenk in Form der Gemeinsamen Erklärung, die seitens der USA und Deutschlands zur Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und der Klimaziele vereinbart wurde. Die nächste Bundesregierung wird darauf verpflichtet, Sorge zu tragen, dass die Ukraine auch nach 2024 Transitland für Gaslieferungen Russlands nach Westen bleibt und die Transitgebühren einnehmen kann.
Wörtlich heißt es: „verpflichtet sich Deutschland dazu, alle verfügbaren Einflussmöglichkeiten zu nutzen, um eine Verlängerung des Gastransitabkommens der Ukraine mit Russland um bis zu zehn Jahre zu ermöglichen“. Sollte das misslingen, „wird Deutschland auf nationaler Ebene handeln und in der Europäischen Union auf effektive Maßnahmen einschließlich Sanktionen drängen, um die russischen Kapazitäten für Exporte nach Europa im Energiesektor, auch in Bezug auf Gas, zu beschränken, beziehungsweise auf effektive Maßnahmen auf anderen wirtschaftlich relevanten Gebieten“.
Blühende Paradoxie
Um Nord Stream 2 endgültig durchzusetzen, verpflichtete Angela Merkel die nächste Bundesregierung zu Sanktionen gegen Nord Stream 2, falls sich Russland nicht wohlverhält. Diese blühende Paradoxie ist ein Ergebnis der Verhandlungen der Bundesregierung mit der amerikanischen Administration. Der russische Präsident hat inzwischen mehrfach seine Position verdeutlicht: Weitere Gaslieferungen Russlands durch die Ukraine nach 2024 sind vom Wohlverhalten der Ukraine abhängig. Das umfasst, autonome Gebiete im Osten des Landes zu akzeptieren, die Aufrüstung des Militärs einzustellen und den Weg nach Westen zu beenden. Die Ukraine soll sich, wie es historisch angelegt ist, an Russland anlehnen.
Schon die ersten beiden Sätze der Gemeinsamen Erklärung halten allerdings das Gegenteil fest: „Die Vereinigten Staaten und Deutschland unterstützen mit Nachdruck die Souveränität der Ukraine, deren territoriale Unversehrtheit, Unabhängigkeit und den von ihr eingeschlagenen europäischen Weg. Wir bekennen uns heute erneut dazu, gegen russische Aggression und russische destruktive Aktivitäten in der Ukraine und darüber hinaus vorzugehen.“ Die Bundesregierungen unter Frau Merkel haben zu keinem Zeitpunkt eine kohärente Russlandpolitik ausgearbeitet, sie konnten im Verbund mit vielen anderen Staaten die Annexion der Krim nicht rückgängig machen, die Minsker Abkommen wurden nicht umgesetzt, die Bombardierung Syriens nicht unterbunden, der Mord in Berlins kleinem Tiergarten nicht verhindert, Anschläge auf russische Oppositionelle nicht abgewehrt. Und Russland in Rüstungskontrollgespräche einzubinden, ist auch nicht gelungen.
Russland interessiert nicht, was in Berlin gedacht wird
Aber die nächste Bundesregierung soll in der Lage sein, Russlands weiteres Verhalten gegenüber der Ukraine zu beeinflussen? Tatsache ist: Wenn es um Fragen von vitalem Interesse geht, interessiert sich die russische Führung einen feuchten Kehricht darum, was in Berlin oder Brüssel gedacht wird. Dass die Moskaugeneigtheit der Ukraine für Russland von vitalem Interesse ist, hat Präsident Putin zweifelsfrei hervorgehoben. Die Annahme, dass Deutschland auf die russische Ukrainepolitik bestimmenden Einfluss nehmen kann, ist abenteuerlich.
Gewinner und Verlierer
So stellt sich die Frage, wer von dem Abkommen profitiert und wem es schadet. Die Liste ist lang:
Die Profiteure: die Energieunternehmen, die nun durch Nord Stream 2 Geld verdienen können. Die USA, die die nächste Bundesregierung auf eine paradoxe Russlandpolitik festgelegt haben, die in Konflikte führt. Frau Merkel, die simulieren kann, ein Problem gelöst zu haben.
Geschadet wurde damit: zuallererst Deutschland, das gleich mehreren Staaten gegenüber außenpolitisch unzuverlässig auftritt. Der EU, denn erneut hat sich Deutschland gegen fast alle anderen Mitgliedsstaaten durchgesetzt. Mächtig ist es, aber keine Führungsmacht. Geschadet wurde Polen und den anderen osteuropäischen Staaten, die sich auf Deutschland nicht verlassen können. Das Weimarer Dreieck ist politisch mausetot. Der Ukraine, die in den nächsten Jahren verstärkten russischen Druck erfahren wird. Russland, weil sich Deutschland auf eine anti-russische Ukrainepolitik festgelegt hat, die in Sanktionskonflikte führen muss. Und nicht zuletzt wurde eben auch der nächsten Bundesregierung ein schlechter Dienst erwiesen, die vor dem Paradoxon stehen wird, die Ukraine stärker im Westen einbinden und gleichzeitig Russland davon abhalten zu sollen, dagegen vorzugehen.
Putzige Zweckbindung
Die Ukraine bekommt zudem Geld aus Deutschland. Wie viel und wann, ist noch nicht völlig bekannt. Für den Anfang rund 400 Millionen Euro. Später mehr. Für erneuerbare Energien, heißt es. Angesichts der wohlbekannten Korruption ist die Zweckbindung putzig.
Bundeskanzlerin Merkel hat erneut bewiesen, dass sie nicht die Anführerin der EU ist, sondern engstirnige Interessen verfolgt. Sie verfügte 16 Jahre lang über keine außenpolitische Strategie. Damit schadet sie der EU. Von der Außenpolitik Konrad Adenauers ist sie so weit entfernt wie die Menschheit von allgemeiner Harmonie. Die nächste Bundesregierung hat sie nun auf eine Ukraine- und Russlandpolitik festgelegt, die unmöglich erfüllt werden kann – es sei denn, Russland gibt seine jetzige Ukraine-Strategie auf. Das wäre ein Wunder. Ein solches benötigt die nächste Bundesregierung aber, um den Schaden durch Merkels Danaergeschenk abzuwenden.
In der Politik sind solche Wunder jedoch selten.