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Hollands These, die westliche Welt sei maßgeblich vom Christentum geprägt, ist so neu nicht / Déri Museum

Sachbuch im Juli - Von Golgatha zur Gegenwart

In seinem Buch „Herrschaft“ besteht der britische Historiker Tom Holland auf den christlichen Prägungen des modernen Westens, lässt aber gute Argumente und Kronzeugen dafür aus und hält sich für ein wenig zu originell. Eine Rezension von Heinrich August Winkler.

Heinrich August Winkler

Autoreninfo

Heinrich August Winkler ist der derzeit renommierteste deutsche Historiker. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde er mit seiner mehrbändigen „Geschichte des Westens“. Im Herbst erscheint von ihm „Werte und Mächte“, eine Zusammenfassung in einem Band bei C. H. Beck. Foto: picture-alliance

So erreichen Sie Heinrich August Winkler:

Es ist „die größte Geschichte aller Zeiten“, die der britische Autor und Publizist Tom Holland in seinem neuesten Werk darstellen möchte: die Geschichte der Weltwirkungen des Christentums von Golgatha bis ins frühe 21. Jahrhundert. Nach erfolgreichen Büchern über Mohammed und das Perserreich und BBC-Sendungen über Homer, Herodot, Thukydides und Vergil legt der studierte Historiker und Literaturwissenschaftler jetzt ein Sachbuch vor, in dem er laut Vorwort zeigen möchte, „wie es dazu kam, dass wir im Westen wurden, wie wir sind und so denken, wie wir denken“. 

Der Autor holt weit aus, um seine These zu belegen, dass die moderne Welt, auch wenn sie es nicht wahrhaben will, von christlichen Maßstäben geprägt ist. Soweit es um die alte und die mittelalterliche Geschichte geht, kann er sich dabei auf ausgedehnte Quellen- und Literaturstudien stützen. Er bezieht sich auf den britischen Mediävisten Robert I. Moore, wenn er von der „Revolution“ spricht, die Papst Gregor VII. im elften Jahrhundert nach Christus mit seiner Kampfansage an Kaiser und Könige auslöste, die der Kirche das Recht bestritten, Bischöfe aus eigener Machtvollkommenheit einzusetzen, und auch sonst die Kirche für ihre Zwecke instrumentalisieren wollten. 

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Hanno Woitek | Do., 8. Juli 2021 - 17:07

geprägt hat, dann war es eine Prägung von Mord und Totschlag, Lügen und Betrug an den Menschen noch bis weit in das 17. Jahrhundert hinein. Im wesentlichen verursacht durch die katholische Kirche. Warum wird darüber nicht mal ein Buch geschrieben?

Gegenfrage Herr Woitek: Warum gibt es im Buchhandel kein Buch über all die Verbrechen der Kommunistischen Staaten oder der Stasi in der DDR?
Vielleicht wäre da raus gekommen, daß manche christlichen Würdenträger schon bereits damals den Kommunismus mehr am Herzen hatten wie die Aussagen der Bibel.
Warum vor allem bekämpfen diese den Glauben nach ihrer sogenannten Weisheit: "Glauben ist Opium für das Volk".
Weil dann den Kommunisten wie der Kirchenobrigkeit der Spiegel vorgehalten wird. Und das sage ich als ausgetretener Christ, der fest an den christlichen Inhalten inklusiv der Bergpredigt in der Bibel glaube & mein Handeln in diese Richtung trachtet. Denn Glaube, tun & für was stehen/einstehen sind unterschiedliche Schuhe. Es ist wie mit Corona. Die meisten Foristen hier sehen dieses Problem z.B. aus einer anderen Perspektive wie z.B. Mediziner des öffentl. Rechts. Wer kennt von den Jugendlichen heutzutage die 7 Todsünden? Nein,unsere Ahnen haben sich um das Thema viel mehr Gedanken

Christoph Kuhlmann | Do., 8. Juli 2021 - 18:30

in europa. Dieser Kontinent mit der Vielzahl verschiedener Sprachen und christlicher Religionen. Der Investiturstreit war sicherlich eine dieser Gewaltenteilung, aber es gab zumindest in Deutschland und Italien, die freien Städte an der sich die Macht des Adels und des Kaisers brach. Gleichzeitig gab es aber aber eine gemeinsame Gelehrtensprache, das Latein, später das Französisch und einen europäischen intellektuellen und kulturellen Diskurs. Es gab nie die eine alles beherrschende Zentralmacht, welche den Glauben und das Denken kontrollieren konnte. Ich glaube, das ist einer der wesentlichen Unterschiede zu anderen Kontinenten. Neue Ideen konnten sich viel schneller verbreiten und waren von niemandem aufzuhalten selbst mit jahrzehntlangen, grausamen Kriegen nicht.

... als Kennzeichen Europas wird mMn auch durch die antike griechische Geschichte gestützt, die ja neben dem Christentum die zweite Säule der europäischen Tradition bildet. "Politik" entstand in den vielen einzelnen, in sich überschaubaren Póleis, die sich zwar als Teile einer kulturelle Einheit verstanden, aber in klassischen Zeiten nur mit Gewalt für eine relativ kurze Zeit unter einer Herrschaft vereinigt waren. Die dritte Säule, das römische Imperium, hat diese Kleinteiligkeit nie völlig überwinden können, und niemals ganz den Charakter eines überdimensionalen Stadtstaates abgelegt.

Die bei anderen Kommentatoren anklingende These, dass Europa nur durch das Christentum zu Gewalt und Unrecht gekommen sei, ist mE unhaltbar, weil Gewalt und Unrecht auch in allen anderen Kulturkreisen (darunter gerade auch in sozialistisch oder atheistisch geprägten) vorkommen, und zwar nicht zu knapp. Eine solche atheistische Geschichtsauffassung macht es sich also viel zu einfach.

Karl-Heinz Weiß | Do., 8. Juli 2021 - 22:08

Die katholische Kirche verstand sich viel zu lange als weltliche Macht, so im Vatikanstaat bis zur Einigung Italiens oder in den deutschen Fürstbistümern. Die christliche Botschaft war eher nachrangig. In Nachfolgern wie Kardinal Woelki wirkt das bis heute nach.

Aber deutlicher als bei Woelki zeigt sich das ewige Anbiedern der Kirchen an Macht und Zeitgeist bei Woelkis Antipoden, Kardinal Marx.
Die Kirchen verstehen sich bloß noch als NGO´s.
Die evangelische Variante als (staats)fromme Unterabteilung der Grünen.
Die christliche Botschaft von der Auferstehung ist diesen Kirchenfunktionären nur noch peinlich.
Das auf Tauchstation gehen der Kirchen während der Pandemie war ein Offenbarungseid der Bischöfe.
Die Degradierung der Weihwasserbecken als Standort für Desinfektionsmittel hat eine symbolische Wucht, die den Verlust des Vertrauens an Gott perfekt illustriert.

Allerdings finde ich die von Ihnen kritisierte Degradierung von Weihwasserbecken zu Standorten für Desinfektionsmittel bemerkenswert. Da sich Weihwasser nach allen weltlichen Erkenntnissen zur Desinfektion nicht eignet, wäre nur noch Gottvertrauen geblieben. Darauf wollten sich die Behörden aber wohl doch nicht einlassen.

...der Kindesmisshandlungen und deren (gerechte!) Urteile anschaut und dann mit dem vergleicht, was in den beiden Kirchen (v.a. aber der katholischen) als "Urteile" ergangen sind und dann noch deren eigene Moral-Vorstellungen berücksichtigt:
Ich bin froh, diesem "Verein", der Erbsünde predigt und wirkliche "Todsünden" begangen hat, nicht mehr anzugehören!

Walter Bühler | Fr., 9. Juli 2021 - 10:35

Vielleicht ist das Buch für die Amtsträger in den christlichen Kirchen geeignet, die meinem Eindruck nach als gehobene Sozialarbeiter manchmal die Geschichte der christlichen Kirche nicht mehr zu kennen scheinen.