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Macron bei seiner Rede in der Academie Francaise / dpa/AP

Identitätspolitik - Mit Napoleon gegen Cancel Culture

Emmanuel Macron hat mit seinem Napoleon-Gedenken ein Zeichen gesetzt gegen die Zumutungen der heutigen Denkmalstürzerei. Ein Präsident im Kampf gegen den Zeitgeist.

Autoreninfo

Jens Nordalm leitete bis August 2020 die Ressorts Salon und Literaturen bei Cicero.

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Überall in Europa werden heute Denkmäler gestürzt. Denkmäler von Männern, die, was immer sie sonst noch Bedeutendes taten, in koloniale Strukturen verstrickt waren. In Frankreich hat es selbst den großen Aufklärer Voltaire getroffen, der einen Teil seines Vermögens Geschäften mit den Kolonien verdankte. Sein Denkmal wird gerade nach einem Farbanschlag nicht wieder aufgestellt, weil man nicht glaubt, dass er künftig in Ruhe gelassen würde.

Zumal in Frankreich und in Großbritannien haben Identitätspolitik, Cancel Culture, Postkolonialismus und Anti-Rassismus an den Universitäten derartige Ausmaße angenommen, dass bereits die Regierungen und die Parlamente tätig geworden sind: Es gibt offizielle Untersuchungen, Anhörungen über das Ausmaß der bereits eingetretenen Vergiftung der Debattenkultur und sogar gegensteuernde Gesetzgebung. Präsident Emmanuel Macron persönlich hat sich in den Widerstand geworfen und die Schädigung der Geisteswissenschaften durch die Identitätspolitik an den Universitäten gerügt.

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Ernst-Günther Konrad | Do., 6. Mai 2021 - 17:18

Ja, ich kritisiere einiges an Macron, ich bin aber auch fair genug hier im Forum für ihn Stellung zu beziehen, wenn ich sein Handeln und seine Aussagen inhaltlich voll und ganz unterstütze. Diese Unterstützung lieber Herr Nordalm hat ihr eindringlicher Artikel bei mir ausgelöst. Kein Volk der Erde hat nur eine "gute" Geschichte. Nein, auch der schlechte Teil gehört dazu. Und ja, vieles wäre in vielen Teilen der Erde nicht möglich gewesen, wäre das "Gute" nicht durch das Vorhandensein des schlechten erzeugt worden. Auch die heute diese Identatitäspolitk auf diese Weise betreiben, können sich ihrer Volkszugehörigkeit nicht entziehen. Auch dann nicht, wenn sie sich nur als Europäer sehen wollen. Auch dann werden sie immer Teil eines Ganzen sein. Ich würde mir dringend wünschen, wenn sich auch die deutsche Politik endlich diesem gefährlichen Identitätsgefasel entgegen stellen würde. Ich weiß derzeit nur nicht, wer das machen könnte. Merkel und diese Regierung schon mal nicht.

ein paar wohlwollende Worte für Herrn Macron. Ein wenig aufgesetzter Nationalstolz zu passender Zeit verleiht dem überzeugten Europäer Macron selbst bei streng-dogmatischen, autoritätssüchtigen Nationalisten eine gewisse Hochachtung.
In genau jenen Kreisen, in dem man vor ein paar Tagen noch die rechtsextremistische Le Pen auf dem französischen Präsidententhron sehen wollte.

Biegsam und wendig ist er schon, der Wutbürger. Zugegeben.

Herr Lenz, Sie machen immer den gleichen Fehler. Wenn die "falsche" Person etwas richtiges sagt oder tut wird es dadurch nicht falsch, genauso gilt umgekehrt, wenn die "richtige" Person etwas falsches sagt oder tut wird es dadurch nicht richtig!
Über das "Richtige" und das "Falsche" läßt sich streiten, das nennt sich Diskurs.
Wer den Diskurs verhindern will zählt für mich automatisch zu den "Falschen" Personen, ist antidemokratisch, besser gesagt totalitär orientiert und respektlos gegenüber seinen Mitmenschen.

Markus Michaelis | Do., 6. Mai 2021 - 17:28

Geschichte und Geschichten. Auch Schwarze/Schwarzafrikaner wollen und sollen etwa Dinge aus der afrikanischen Geschichte oder Gegenwart in ihr identitäres Koordinatensystem einbauen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass man irgendetwas findet - keine Mutter Theresa, keinen Albert Schweizer, keinen Gandhi und auch nichts aus Afrika, was in allen Aspekten und jedem Zeitgeist akzeptiert und gut ist. Das sollte einen nicht davon abhalten die geschichtlichen Bezüge zu würdigen. Ich war nie Napoleon-Fan, er hat zu sehr in Kanonen gedacht, aber das Neue durch ihn und die Begeisterung, die er teilweise bei Massen in seiner Zeit ausgelöst hat, auch bei Nationen, die er erobert hat, ist Teil unserer Geschichte, der bis heute wirkt. Ich finde es gut, wenn Schwarzafrika oder die "Osmanen" Napoleon nicht feiern, weil ich für eine bunte, gegensätzliche Welt bin. Ein weltweit einheitliches Gedenken für alle Menschen führt glaube ich zu keiner guten Welt.

Zum 13. Geb schenkte mir ein Freund eine Napoleon-Biografie.
Der Einband war eingerissen, die Seiten vergilbt.
"Sorry! Ich habe das Geschenk nicht mehr gefunden."
Sein älterer Bruder gab ihm diese Biografie mit auf den Weg.
Ich besitze sie noch heute; ein sehr gutes Buch!

Es war die Basis für mein Interesse an Geschichte u Politik.
Soweit mir bekannt, besaß der geniale Karl Lagerfeld eine Bibliothek mit mehr als 300.000 Büchern - mon dieu!
Nein, das würde hier die Kapazität sprengen - immerhin etwa 4.000?
Penibel, preußisch korrekt eingeordnet!
(Mein Opa Jupp arbeitete im Bundesarchiv - Sie verstehen?)

Werter Herr Michaelis, Ihre Kommentare sind immer lesenswert; manchmal kann ich sie jedoch nicht einordnen.
"Ein weltweit einheitliches Gedenken für alle Menschen führt glaube ich zu keiner guten Welt."
Diesen Satz unterschreibe ich sofort!

General Wellington, die Schlacht bei Waterloo in 1815:
Ich wünschte es würde Nacht oder die Preußen kämen!
SIE kamen!
Generalfeldmarschall BLÜCHER

Ich verstehe Ihre Preußenbegeisterung. Der alte Blücher hatte auch Ideale, die später verraten wurden. Trotzdem schlägt mein Herz eher für den genialen, kleinwüchsigen Korsen. Habe fast alles über (und von ihm!) gelesen, was greifbar ist, auch auf Französisch. Er und sein Talleyrand und seine Marschälle und nicht zu vergessen Fouché - das waren Typen. Was haben die Preußen dagegen zu bieten? Bis heute: Provinzieller Mief. Das Beste an den Preußen ist Theodor Fontane. Und nun kommen welche und vergleichen den Korsen mit Macron! Höchstens die Körperhöhe könnte stimmen. Aber ich wette, selbst in der Mathematik hätte Napoleon den Macron geschlagen. In Allgemeinbildung und Geschichte sowieso. Der ganze derzeitige inszenierte Rummel ist der Furcht geschuldet: Madame Le Pen ante Portas!

Hallo Herr Michaelis,

wer suchet der findet: Usman Dan Fodio, Patrice Lumumba, der große Mahdi aus dem Sudan, Shaka Zulu, Kwame Nkuma, Haile Selassie, Fela Nkuti, Nelson Mandela - alles eine Frage der Bildung und der Bereitschaft das imaginierte eurozentrisrische hohe Ross mal zu verlassen. Übrigens, ich feiere Bonaparte - schon seit Kindertagen.

Mit freundlichem Gruß

Boyo Meyer

Peter Heinitz | Do., 6. Mai 2021 - 17:35

Gegenüber von Boris Johnson und MM (Madame Merkel) ist Macron ein Leuchtturm in einem niedergehenden Europa wo fast alle Traditionen von einer schon tollwütigen Meute von linken, grünen und anderen Chaoten über Bord gehen sollen.

Zitiere will Durant - „Civilization begins with order, grows with liberty, and dies in chaos.“ Er sagte auch, „When liberty exceeds intelligence, it begets chaos, which begets dictatorship.“

Alles schon da gewesen, Geschichte wiederholt sich in anderen Formen!

Juliana Keppelen | Do., 6. Mai 2021 - 17:40

schön wärs, da hätten Herr Macron und Napoleon eine Marke gesetzt die überfällig ist.
Könnte aber auch sein, dass Herrn Macron Madame Le Pen im Nacken sitzt aber egal hauptsache es werden Zeichen gesetzt gegen diesen dummen Cancel Culture Trend.

Klaus Funke | Do., 6. Mai 2021 - 18:01

Freilich im Self-Made-Marketing bietet sich für Manuel Macron die Nähe zu Napoleon Buonaparte an. Das macht sich gut. Dazu sind Jubileen da. Besonders urfranzösische. Gleich wird man mit dem großen, kleinen Korsen verglichen. Soweit zu den Effekten. Bei den Inhalten sieht es schon anders aus. Gut, ein (verbaler) Feldzug gegen cancel culture ist wirkungsvoll. Die meisten Menschen haben davon eh die Schn... voll. Doch kann man von Macron Nägel mit Köpfen erwarten? Oder bleibt es ein PR-Gag? Sein Bildungsminister hat schon mal gegen das Gender* polemisiert. Auch das ist gut. Doch was wird daraus werden? Der kleine Korse war bekannt dafür, dass er seinen Ankündigungen Taten folgen ließ. Und die meisten (alten) Politiker erzitterten davor. Napoleon gestaltete Europa politisch um, erschuf einer neue Landkarte. Manches davon blieb bis heute. Können wir von Macron Taten erwarten? Signale, die zu Taten werden? Ist der Wahlkampf der Vater solcher Gedankenspiele? Madame Le Pen ante portas!!

Macron und Napoleon eint die Körpergröße, aber nicht der Mut zum Handeln.

Daß bei Napoleon der Mut zum Übermut und zum Größenwahn wurde, bedeutet nicht, daß überhaupt keine wirklich mutigen Taten mehr nötig sind, wenn Zustände grundlegend verändert bzw. verbessert werden sollen.

Macron hat m. E. nicht vor, in Frankreich durchzugreifen.
Er weiß aber genau, daß er das Image des für die meisten Franzosen noch immer
glorreichen, großen Korsen für seine Zwecke nutzen muß. Schließlich will er wiedergewählt werden.
Und bei unseren Nachbarn kommt man da mit der Pflege eines Schuldkomplexes wie in unserem Land nicht gut an.

Peter Saulus | Do., 6. Mai 2021 - 18:04

Der einem das Gefühl gibt, dass man sich nicht für sein Bekenntnis zu seiner Geschichte und Nation schämen und Vergangenheitssuizid begehen muss. Bei uns vermisse ich Politiker mit Rückgrat, die derlei ebenso vertreten (von Ausnahmen abgesehen).

Manfred Sonntag | Do., 6. Mai 2021 - 18:38

Über eines sollten wir uns klar sein: Identitätspolitik ist Rassismus in Reinform, und mit Cancel Culture wird der sprachliche Rahmen geschaffen. So wie die elitären Kreise um Lothar von Trotha vor über 100 Jahren ihren Rassismus pflegten und auslebten indem sie festlegten welche Personengruppen als minderwertig zu betrachten sind. Damit besiegelten sie das Schicksal dieser Menschen. Und heute? Im Rahmen der Identitätspolitik werden wieder unterschiedliche Personengruppen von einem elitären Establishment als GUT und BÖSE bewertet. Damit folgt diese linksliberale Kamarilla, bewusst oder unbewusst, den übelsten Rassenideologen des vergangenen Jahrhunderts. Wir können die Geschichte nicht mehr ändern und sollten uns an Macron ein Beispiel nehmen. Wir aber begeben uns auf ein abschüssiges Gleis, denn wie beim Glauben unserer Vorfahren gewinnt die Moral Vorrang vor dem Verstand. Sprachvorschriften sind Teil von Diktaturen.

Harald Lieder | Fr., 7. Mai 2021 - 00:40

Antwort auf von Manfred Sonntag

Sie haben völlig Recht. Als älteres Semester kann man nur den Kopf schütteln. Nach den deutschen Verbrecherstaaten "Deutsches Reich" und DDR ist Sprach- und Gedankenpolizei schon wieder möglich ... nein: an der Tagesordnung!
Ich bin ja Kulturpessimist und sehe Bestätigung für Orwells düstere Worte (1984): "We shall meet again at a place where there is no darkness."
Aber vielleicht (!) kann man doch Hoffnung haben und das Zitat bewahrheitet sich anders als intendiert.

Gerhard Schwedes | Do., 6. Mai 2021 - 19:05

Was Macron in seiner Rede deutlich machte, ist eine Selbstverständlichkeit. Basta. Darüber muss man erst gar nicht mehr lange diskutieren. Die moralischen Erbsenzähler, die versuchen das Meinungsmonopol zu erringen, sind nur lächerliche Figuren und geistige Dreikäsehochs. Insofern ist es völlig unverständlich, warum sich von solchen Kleingeistern Erwachsene überhaupt einschüchtern lassen. Der ganze Identitätsquatsch sollte gar nicht diskutiert werden, weil zur Diskussion auch ernsthafte Argumente gehören. Das beste nonverbale Argument gegen diese ganze Mischpoke von Genderisten, Cancel-culture-Hysterikern, black lives matter-Fanatikern usw. ist herzhaftes Auslachen und sich dabei den Bauch halten. Vielleicht noch die hinterhergeschickte Empfehlung, mit einem solch verschraubten Gehirn schleunigst den Psychotherapeuten aufzusuchen. Wer sich auf das Diskutieren mit solchen grünen Bübchen u. Mädchen einlässt,vertut nur seine kostbare Zeit. Also: Kopf hoch, auslachen und Vögelchen zeigen.

..Herr Schwedes. Geistige Dreikäsehoch. Köstlich.
Nur eine Frage. Habe zur Zeit ein Impingement Syndrom in der Schulter undankbar mit dem Vögelchen zeigen geht nicht. Ich nehm den Mittelfinger. Denke das können die geistigen linksgrünen Tiefflieger auch als Wertung erkennen.
Schönen Wochenende an alle.

... aber Sie sind ja auch kein Ministerpräsident, der gerne noch gleiche Buchstaben aneinander reiht und ganz stolz darauf ist: Fäuste in die Taille und da steht er ...

Rob Schuberth | Do., 6. Mai 2021 - 20:25

Bin ja nicht sehr oft seiner Ansicht, aber hier hat er mal wieder den richtigen Mut an der richtigen Stelle gezeigt...merci le President.

Harald Lieder | Do., 6. Mai 2021 - 23:12

Unabhängig von dem, was er zu diesem oder jenem nun im Detail sagt: Er ist ein Präsident, der seinem Amt Würde verleiht und seiner Nation die Möglichkeit, gesunden Stolz zu empfinden - auch und gerade mit der Anerkenntnis, dass Napoleon ein MENSCH war und eben auch wenig liebenswerte Seiten hatte.
Und das gepaart mit einem klaren Bekenntnis und demonstrativer Handlungsbereitschaft, islamistischem Terrorismus die Stirn zu bieten.
Und noch eine Anmerkung zu den Schöpfern der Wortmissgeburt "Nazi-Hintergrund": diese "Aktivisten" sollten sich einmal ihres eigenen "Stalin-" und "Mao-Hintergrundes" bewusst werden ... beides immerhin noch vor Hitler die schlimmsten Massenmörder des vergangenen Jahrhunderts.
Mir fällt jetzt gerade nichts Positives zu Mao oder Stalin ein, aber vielleicht gab's da doch auch was.
Bei der geschichtlichen Aufarbeitung des "Dritten Reiches" ist insgesamt viel passiert: bei Stalin und Mao wurde damit im Vergleich noch nicht einmal begonnen!

Fritz Elvers | Fr., 7. Mai 2021 - 16:37

dass Macron in Deutschland nie einen adequaten Gesprächspartner gefunden hat.

Robert Müller | Sa., 8. Mai 2021 - 07:49

Antwort auf von Fritz Elvers

Angeblich soll jetzt Macron zusammen mit dem Italiener Draghi den Laden in der EU schmeißen. Also, jetzt wo Merkel in den Sonnenuntergang reitet. Da wird dann regiert nach dem Motto: "whatever it takes". Bin gespannt was dabei raus kommt.