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Ein Élysée-Mitarbeiter säubert den roten Teppich vor einem Staatsempfang / dpa

Präsidentschaftswahlen in Frankreich - Vom Start-up zum Sonnenkönig

Ein Jahr vor der Wahl steht Frankreichs Präsident in der Kritik – nicht nur wegen des schlechten Umgangs mit der Pandemie. Emmanuel Macron ist in der Defensive. Denn für die chronisch frustrierten Bürger ist jeder neue Staatschef besser als der amtierende.

Stefan Brändle

Autoreninfo

Stefan Brändle ist Frankreich-Korrespondent mit Sitz in Paris. Er berichtet regelmäßig für Cicero.

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Es war 2019, im letzten Jahr vor Covid. Michel Houellebecq, der literarische Rebell, der keinen Orden verschmäht, erhielt vom Staatspräsidenten unter den Lüstern des Élysée-Palasts die Ehrenlegion angeheftet. Es folgten die obligaten „bises“ (Wangenküsschen) vor der illustren Gästeschar mit Expräsident Nicolas Sarkozy, dem Literatur-Dandy Frédéric Beigbeder oder dem Philosophen Alain Finkielkraut. Dann führte First Lady Brigitte Macron durch die frisch renovierten Gemächer des präsidialen Wohnsitzes. „Hier das berühmteste Sofa des Élysées“, sagte sie in einem Nebenzimmer, wo der einstige Präsident Félix Faure am 16. Februar 1899 einer Herzattacke erlag – die auf den knienden Liebesdienst einer Mätresse zurückzuführen war, wie in Frankreich (fast) alle Erwachsenen wissen.
So war sie, die Belle Époque der Jahrhundertwende – oder die von 2019, als die Pariser Hautevolee noch ihre Soireen feierte und der Präsident seine Wirtschaftserfolge.

Dann kam das Virus. Und es machte auch vor dem Élysée-Palast nicht halt. Im vergangenen Dezember wurde zuerst Emmanuel Macron, 43, angesteckt, dann seine Gattin Brigitte, 67. Seither kommen die „visiteurs du soir“, die ebenso legendären wie diskreten „Abendbesucher“, nicht mehr ins Élysée, das von Eingeweihten auch „le château“ (das Schloss) genannt wird. Dort finden jetzt nur noch virtuelle Bildschirmkonferenzen auf Distanz statt. Keine Spur mehr vom Salz eines privaten Tête-à-Têtes. Pause für das Pariser Savoir-vivre.

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Hans Jürgen Wienroth | So., 11. April 2021 - 09:44

Hätte in der „Vorschau“ nichts von Frankreich gestanden, könnte man den Teil über Corona glatt nach Deutschland verorten. Hier ist nichts besser oder grundlegend anders gelaufen, trotz Beratung durch Mediziner und Wissenschaftler. Unsere Kanzlerin führt sich immer mehr wie eine „Sonnenkönigin“ auf und man lässt sie gewähren. Kritik von den Medien: Keine!
Auch die notwendigen Reformen wurden in beiden Ländern nicht angepackt. Die Steuerquote dürfte bei uns nicht so weit von der französischen entfernt sein, nur wird die bei uns besser versteckt, z. B. im EEG. Das wird sich jedoch ändern, wenn wir die „neuen Verpflichtungen“ gegenüber unseren EU-Partnern einlösen müssen. Dann wird man uns schnell unsere „Überschuldung“ vorhalten. Die beschlossenen EU-Steuern zählen zwar nicht zur nationalen Steuerquote, werden die Bürger aber trotzdem belasten.
Bis zur Wahl in Frankreich ist noch ein Jahr, unser Kanzler*in wird im Herbst gewählt. Auch das kann den Ausgang in Frankreich beeinflussen.

Karl-Heinz Weiß | So., 11. April 2021 - 09:51

Eine sehr aufschlussreiche Zustandsbeschreibung unseres Nachbarlands. Nur in einem Punkt möchte ich widersprechen: ein breiter, sich mit dem Staat identifizierender Mittelstand ist mir dort nie aufgefallen. Nur ein scharfes Klassendenken, und dazwischen viel Sprachlosigkeit. Dank 16 Jahren Merkelscher Alternativlosigkeit ist Deutschland auf dem Weg der Annäherung an französische Verhältnisse.

Ernst-Günther Konrad | So., 11. April 2021 - 13:10

in einem bewundere ich die Franzosen. Sie erkennen in nur einer Amtsperiode, ob der gwählte Präsident was taugt oder nicht und wählen die Angeber und Blender schneller aus dem Amt, als sie es sich selbst wünschen. Der Franzose ist in dieser Weise eben historisch geprägt, freiheitsliebender als wir Deutschen.
Wir wachen nach 16 Jahren Merkel noch nicht richtig auf und glauben dieser Frau noch immer, wie toll und erfolgreich sie sei. Da wünsche ich uns Deutschen einmal mehr das revolutionäre Gen der Franzosen. Das hat man uns aber mit dem Schuldkultdenken gänzlich genommen und dafür uns das Gen der ewigen "Nazis" eingesetzt. Beliebig wird das Gen inzwischen von der Politik reaktiviert, sobald Widerspruch aufkommt.
Vielleicht braucht Frankreich mal eine Le Pen, die einiges, sicher nicht alles, anders macht. Und wenn auch sie nichts bringt, brauchen die Franzosen wenigstens keine 16 Jahre. Die merken das gleich nach der ersten Amtsperiode und jagen die Versager aus dem Amt. Schau mer ma.

Frankreich braucht Le Pen, so wie die USA den Trump brauchte.

Was auch sonst?

Hauptsache Rechtsaussen.

Tomas Poth | So., 11. April 2021 - 13:34

ist besser als der amtierende!
Gleiches gilt für unsere Republik. Einer von den beiden C-Kandidaten muß sich nun endlich das Revier freibeißen sonst wird es nichts. Sonst steht uns eine Merkel in einer Endlosschleife als Platzhalterin bevor weil sich keine Koalition findet. Man denke nur an die letzte Regierungsfindung mit der fast halbjährigen Quälerei.
Deutschland muß sich sich von der RotGrünen-Zwangsjacke befreien.

Markus Michaelis | So., 11. April 2021 - 14:52

Stimmt, die Franzosen stehen nicht mehr hinter ihren Präsidenten. Aber reichten ein guter Präsident und eine effizientere Verwaltung?

Mir scheint das tiefere Problem, wie schwächer in D auch, dass die Gesellschaft in Veränderung, bunt und divers ist. Es gibt einfach nicht mehr DIE richtige Politik und den guten Politiker, weil zuviele sich widersprechende Dinge zu befriedigen sind und weil in der "neuen Welt" zuviel unbekannt ist.

Die Missstände liegen nur zum Teil an unfähigen oder selbstzentrierten Personen oder Strukturen. Der größere Teil scheint mir daran zu liegen, dass die Gesellschaft, die Menschen, zuviele Widersprüche in sich und unter sich tragen, die so nicht alle zu befriedigen sind.

In D hoffen wir, dass eine klare Entscheidung gegen Rechts und Rassismus und für Klima und Gerechtigkeit die (Rest)Gesellschaft (außer Rechten, Rassisten, Klimaleugnern) zusammenhält. Auch das scheint mir so nicht zu funktionieren, weil zu weit weg von der bunten Realität.

Heidemarie Heim | So., 11. April 2021 - 22:01

Danke lieber Herr Brändle für Ihren Verweis auf Präsident Macrons größten finanztechnischen Erfolg!
Ja, man kann gar nicht genug "bises" geben wenn ein solches Ergebnis dabei heraus kommt, n`est-ce-pas? Sehr amüsant und französisch beschwingt auch die Geschichte betreffs sofa-gate anno 1899;). Ja, die Franzosen wussten schon immer bei aller alltäglichen Pein gut zu leben und wie bei diesem Vorgang mit einem Lächeln zu sterben. Zum Leidwesen des französischen Adels oder heutiger nichtadeliger Schlossherren und Politiker haben ihre Untertanen nach wie vor ein scheinbar in den Genen verankerten revolutionären Widerstandsgeist, der einen gegenwärtig zwar nicht mehr den Kopf kostet, aber sehr flugs das hohe Amt! Wie harmlos und folgsam doch wir Deutschen dagegen scheinen;)Vielleicht sollte Herr Macron mit Frau Dr. Merkel die Völker tauschen;)? 35 Std. Woche und Frührente? Klingt nicht so übel. Anfängerkurs VHS französisch und dann "Je viens paris!" MfG