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Tahrir-Platz am 1. Februar 2011 / Hannibal dpa

Roman über den Arabischen Frühling - „Es war unglaublich“

In Alaa al-Aswanis neuem Buch „Die Republik der Träumer“ verändert der Arabische Frühling das Leben aller Figuren. Der im New Yorker Exil lebende ägyptische Autor erinnert sich im Gespräch an die 18 Revolutions-Tage als die besten Tage seines Lebens.

Autoreninfo

Stefano Vastano, italienischer Journalist aus Rom, lebt und arbeitet seit 1989 in Berlin. Er schreibt für die italienische Wochenzeitung L'Espresso und für eine Reihe deutscher Zeitungen. 

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Alaa al-Aswani ist einer der wichtigsten Schriftsteller und Intellektuellen der arabischen Welt. Seine Bücher „Der Automobilclub von Kairo“ oder „Der Jakubijan-Bau“ sind Bestseller. Gerade ist im Hanser-Verlag sein neuer Roman „Die Republik der Träumer“ erschienen, ein großes, trauriges Buch, den wilden Tagen des Protests auf dem Tahrir-Platz gewidmet, den Tagen der Revolution, in der sich die Ägypter 2011 – nach fast 30 Jahren Diktatur – von Hosni Mubarak befreiten. Heute lebt der 63-jährige al-Aswani im Exil in New York, verfolgt von dem neuen autokratischen Regime des Generals al-Sisi in Kairo. Das ist die wahre Tragödie des Arabischen Frühlings: Nach dem frischen Wind der Freiheit 2011 ist heute nicht nur Ägypten von noch stärkeren Repressionen und brutaleren Diktaturen betroffen. Auch deshalb heißt ein anderes neueres Buch al-Aswanis „The Dictatorship Syndrome“, ein Text über die fatale Verweigerung der Freiheit, die in allen Epochen und Kulturen verbreitet ist. Stefano Vastano hat mit Alaa al-Aswani gesprochen.

Herr al-Aswani, Sie haben 2019 einen fulminanten Essay geschrieben mit dem Titel „The Dictatorship Syndrome”. Die Diktatur als politische Krankheit?

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Walter Bühler | Do., 8. April 2021 - 12:52

Ich kann mir gut vorstellen, dass Herr Al-Aswani die "18 Tage der Revolution" als die besten Tage seines Lebens erlebt hat. Da er nun unbehelligt in NY leben und arbeiten kann, kann er auch zum Bestseller-Autor auf dem westlichen Buchmarkt werden.
Aber wem hat der arab. Frühling in Ägypten, Syrien, Tunesien genutzt? Welches Volk hat den "Frühling" unterstützt?

"Die bittersten Seiten Ihres neuen Romans sind die, wo die Leute in Kairo, auch in den Armenvierteln, gegen die Revolution kämpfen." Das bestätigt meinen Verdacht, dass es sich bei diesen "Revolutionen" um westliche Importe gehandelt hat, die von den Völkern selbst gar nicht akzeptiert worden sind.

Die flammenden Aufrufe zum Freiheitskampf erfolgen von außen, oft aus machtpolitischen Gründen, und haben daher kaum Resonanz bei denen, die im Gegensatz zu den unbetroffenen Auslandsmedien die Folgen ausbaden müssen.

Ich wünsche Herrn Al-Aswani, dass seine Bücher auch in der arabischen Welt gelesen werden.

Es reicht nicht ein Regime zu stürzen wenn es keine Elite gibt, die für eine bessere (?!) Staatsorganisation eine Bevölkerungsmehrheit hinter sich bringen, und dann in Wahlen bestätigt werden kann. Dies haben sehr viele auch im Westen nicht klar genug gesehen/verstanden. Nicht für arabische Länder, nicht für Afghanistan, und neuerdings auch nicht für Belarus. Demokratie kommt nicht von Wahlen.

Herr Kopp. Aber eine importierte Führungselite kann sich in der Regel nur nur mit Hilfe einer starken Besatzungsmacht durchsetzen (z. B. Gruppa Ulbricht). Und für diese Situation passt der Begriff "Revolution" eigentlich nicht.

Es gab diese alternative Elite. Immerhin haben die Revolutionäre in Ägypten einen guten 3. Platz bei den Wahlen errungen. Leider haben die Militärs und die Islamisten die Plätze 1 und 2 gewonnen und haben somit die Stichwahl unter sich ausgetragen. Bei einem parlamentarischen Wahlsystem wie in Deutschland hätten die Revolutionäre eine starke Stimme gehabt, beim ägyptischen System hatten sie keine Stimme. Hinzu kommt, dass die Islamisten sich anschließend mit dem Militär gegen die Revolutionäre verbündeten, bis sie dann selbst in die Gefängnisse gesteckt wurden. Das ganze hat übrigens viel länger als nur 18 Tage gedauert. PS: Ich hatte seinerzeit die Arabellion für Wikipedia bis zum Ende verfolgt und in den Artikeln nachgezeichnet gehabt. Es waren die Wähler, die das in den Sand gesetzt haben. Nur in Tunesien waren die Wähler erfahren genug, wahrscheinlich weil die meisten Menschen dort Französisch sprechen. Siehe DDR und Westfernsehen. Demokratie muss man lernen als Wähler.

Das, Herr Bühler, mit allem Respekt, dürfte großer Unsinn sein.

Stattdessen war es wohl eher so, dass eine Koalition aus unterschiedlichen Gruppen ein gemeinsames großes Ziel hatte: den jeweils regierenden Despoten zum Teufel zu jagen. Der gegenüber Oppositionellen nicht zimperlich war, und - keine Frage - auch gegen religiöse Extremisten rigoros durchgriff. West wie Ost war das durchaus recht, nur der eigenen Bevölkerung nicht. Aber das Selbstbestimmungsrecht des Volkes interessiert ja eh nur, wenn es politisch passt.

Tatsächlich ist dann das passiert, was überall passiert, wenn es in einer (relativen) Demokratie zu wenige Demokraten gibt: Die Demokratie wählt sich selbst ab, Extremisten übernehmen. Das geschah beispielsweise in Ägypten. In dem erz-religiösen Land waren die wenigen Demokraten chancenlos.

Wir Deutschen haben ähnliche, eigene Erfahrungen mit einer durchaus demokratischen Republik, in der die meisten Menschen am Ende keine Demokraten mehr wählten.

Da kann ich Ihnen, werter Herr Lenz, ja ausnahmsweise einmal vollständig zustimmen. Bezogen auf Ihre vielen Cicero-Commentare kommt das ab und zu nur in Teilaspekten vor. Jedenfalls sehe ich die ägyptischen Geschehnisse genauso wie Sie: Mangel an Demokraten (wie auch gegen Ende der Weimarer Republik in DE).
Speziell in Ägypten scheint die Masse der wenig gebildeten Landbevölkerung noch eine große Rolle zu spielen. Aber auch Rußlands Bauern zeigten 1917 keinerlei revolutionären Elan, wurden später dann auch von den Bolschewiki entsprechend "behandelt". Die Ukraine etwa spricht vom "Holodomor" (Hungermord).
So, und nun halten wir wieder Abstand: mindestens 2 m, nicht nur weil ich Alternativ-Wähler bin, sondern auch wegen der Pandemie, die ich als "alter weißer Mann" auf keinen Fall leugne. Nichts für ungut.
Gruß von der Ostgrenze

Kurt Kuhn | Fr., 9. April 2021 - 12:09

„Nach der ägyptischen Revolution von 2011 kam eine deutsche Doktorin nach Kairo, die eine vergleichbare Theorie hatte: Sie meinte, wir hätten die Revolution gemacht, weil wir zu viel Testosteron in unseren Körpern hatten. Ich glaube, all dies gehört im Grunde zu einer rassistischen Geisteshaltung.“

Na also, der richtige Sündenbock (aus D) ist wieder gefunden!