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Die EZB könnte den riesigen Berg an Staatsanleihen aus seiner Bilanz streichen / dpa

Staatsschulden wegzaubern? - Ein Tabubruch namens Schuldenschnitt

Praktisch alle Industrieländer sind dramatisch überschuldet. Das bringt manche auf eine gefährliche Idee: Die Zentralbanken könnten Staatsanleihen in einer Hauruck-Aktion einfach aus ihren Bilanzen streichen.

Autoreninfo

Dirk Notheis ist Mitherausgeber von Cicero und Gründer des Mittelstands­finanzierers Rantum Capital.

So erreichen Sie Dirk Notheis:

Eines Tages werden wir alle aufwachen, geweckt von einer Push-Meldung auf unseren Smartphones, die in schlichten Worten Fundamentales vermeldet: „Die führenden Zentralbanken der Welt haben in einer konzertierten Aktion Staatsanleihen von ihren Bilanzen gestrichen.“ Noch im Halbschlaf, gähnend gelangweilt von der Abstraktheit dieser Schlagzeile, werden wir uns nach der ersten Tasse Kaffee überrascht die Augen reiben und kopfschüttelnd zugleich die Frage stellen: Staatsverschuldung, ein Phänomen von gestern? 

Käme es zu dieser Aktion, würde sich ein ökonomisch-tektonischer Tabubruch mit fundamentaler Veränderungsqualität vollziehen, den man gemeinhin auch als Schuldenschnitt bezeichnen kann. Kurz und schmerzlos nach dem Motto eines Abzählreims aus unseren Kindertagen:„Ene, mene, meck – und du bist weg!“ Kurz vielleicht, aber wäre das wirklich auch schmerzlos? 

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Rob Schuberth | Fr., 2. April 2021 - 18:47

Die Idee mag ja verlockend erscheinen u. wird nicht nur hier und nicht erst jetzt heftig u. kontrovers debattiert.

Ich zähle zu denen die für einen Schnitt wären.
Aber ich habe auch an der Börse keine Aktien etc.

So ein Schuldenschnitt wäre gleichzusetzen mit der Vernichtung von Aberbillionen €/$.

Ob das wirklich gutgehen würde?

Dafür wäre das Geschäftsmodell einiger "Heuschrecken" u. a. Spekulanten (Leerverkäufe u. ä.) erledigt.
Das wäre die gute Nachricht daran.

Wer weiß schon wie es wirklich werden wird...

Ich glaube, die shorter/Leerverkäufer würden sich freuen, denn gerade sie setzen auf fallende Kurse. Der wirecard-Betrugsskandal hat sie reich gemacht: Aktie für 100 € leer erkauft und für 1 € bei Fälligkeit wieder eingedeckt.

Ich glaube auch, dass die Börsen darauf reagieren würden, aber ob mit einen Crash, weiß ich nicht. Das Problem eines Schuldenschnitts scheint mir nicht darin zu liegen, dass Schulden / Vermögen gestrichen werden, sondern wie es danach weiter geht.

Abgesehen davon sind momentan die aufgekauften Schulden bei den Zentralbanken kein dringendes Problem. Momentan steigt die Inflation und damit die Zinsen und EZB und FED müssen entscheiden wie sie darauf reagieren: noch mehr Geld drucken oder höhere Zinsen hinnehmen. Wobei im zweiten Fall entscheidend sein wird bis zu welchem Zinssatz. Meine Vermutung ist, dass Länder wie Italien entscheiden werden, wie weit die Euro-Zinsen steigen dürfen. Eine passende Begründung warum das legal und notwendig ist, wird man finden. Und das deutsche Verfassungsgericht wird schon mitmachen und keinen ernsthaften Widerstand leisten.

Werner Peters | Fr., 2. April 2021 - 19:04

So oder ähnlich wird es laufen. Die Alternative, Schulden zurückzahlen und dafür die Steuern (der Reichen!) erhöhen, funktioniert nicht. Evtl. käme noch eine geduldete Inflation in Frage, die man nicht über 10% laufen lässt.

Bernd Muhlack | Fr., 2. April 2021 - 19:23

Mir fiel sofort FJ Strauß ein!
Seine Rede im BT, die geniale Vergleichsrechnung, noch D-Mark!
Kanzler Schmidt und Hans D. Genscher lachen sich einen ab!
https://www.br.de/mediathek/video/franz-josef-strauss-rede-vor-dem-bund…
Absolut klasse!

Ich bin kein Volkswirt, verfüge immerhin über Grundkenntnisse.
Die so genannte "Griechenland-/€-Rettung" war faktisch eine Banken-Rettung!
Bei dem Griechen/in als solcher kam nichts an!

WIR buchen Staatsanleihen aus!"
Prima!
Wohin?
Eine weitere "bad Bank?"
SOLL an HABEN.
(HABEN oder SEIN - Erich Fromm
Damals Lektüre bei Gemeinschaftskunde)

Aktuelles Beispiel: Venezuela.
Qua Öl könnte es laufen wie in Norwegen:
ALLE sind glücklich, alle profitieren.
Norwegen hat es geschafft!
Venezuela nicht, q.e.d.

Argentinien war mehrmals "pleite".
ARG liefert sehr gutes Rindfleisch, holzt dafür den Regenwald ab.
Wie war das noch mit Umweltzertifikaten?
Ein gutes Steak vor Ort ist besser!

but money makes the world go round!

Naja, Argentinien ist nicht gerade für seinen Regenwald bekannt, andere Klimabedingungen. Richtig ist aber, dass die natürlichen Grasflächen, welche ideal sind für Rinderhaltung (auch nachhaltige, wenn begrenzt), nicht mehr ausreichen und der Sojaanbau für Viehzucht inzwischen 70% der Anbauflächen ausmacht. Auch ein Problem, aber ein anderes.

Markus Michaelis | Fr., 2. April 2021 - 20:32

Auch viele andere Parameter der privaten Vermögen, Verschuldungen und Bewertungen scheinen überdreht und zu weit von realer Arbeit entkoppelt. Auch wenn die Staatsschulden Null wären, hätten wir immer noch einen riesigen privaten Geld/Vermögensüberhang, der keine sinnvollen Investitionsmöglichkeiten findet und sich in verschiedenen Blasenbildungen und immer ausgefeilt-waghalsigeren Finanzkonstruktionen manifestiert.

Ist soetwas ohne Crash reformierbar?

Klaus Decker | Fr., 2. April 2021 - 20:34

Genau so wird es kommen - nicht weil es vernünftig ist, sondern weil die monetäre Staatsfinanzierung zum standard geworden ist.
Jeder Finanzwirtschaftsexperte weiß, das Staatsschulden nie zurückgezahlt werden.
Der Abbau erfolgte (Etwa in den USA) über Inflationierung und finanzielle Repression, im
günstigsten Fall über Wachstum, das die Verschuldungsrate deutlich überschritt. Alles das
ist in der EU ausgereizt ,oder es fehlt an den ökonomischen Voraussetzungen. Also bleibt nur "Ausbuchung", die nie und nimmer Schuldenschnitt genannt werden wird. Wir sollten die Kreativität der Zentralbanken nicht unterschätzen. "Mit klaren Worten" gesprochen
(Journalistendeutsch): Unsere schöne, neue Welt
heißt NMT= Gelddrucken ad infinitum!

Alfred Simon | Fr., 2. April 2021 - 23:12

Ein Schuldenschnitt käme dem Schuldenerlaß eines
Mitgliedsstaates gleich, unter Beibehaltung seiner EU-Mitgliedschaft.
Den gleichen Effekt kann ein Staat erreichen und das
mit Hilfe seines Target-Saldos, wobei aber der Aus-tritt aus der EU verbunden ist.

Walter Bühler | Sa., 3. April 2021 - 08:22

Ich finde es gut, wie Herr Notheis sich den Lesern des Cicero vorstellt.

Unser Leben, unsere Lebensweise und die Zukunft unserer Kinder und Enkel ist durch die menschengemachte Finanz- und Wirtschaftsform mindestens ebenso gefährdet wie durch die Klimakrise, die ja teilweise auch menschengemacht ist.

Im Gegensatz zur omnipräsenten Klimakrise wird die globale Finanzkrise jedoch in der Öffentlichkeit fast völlig verdrängt. Politiker aller Parteien - besonders bei der SPD, bei den Linken und bei den Grünen - setzen wie im Märchen ihre Hoffnung auf die Druckmaschinen der EZB. die unbegrenzt Geld herstellen können.

Trotz mathematischer Ausbildung verstehe ich die Mechanismen der internationalen Finanzmärkte nicht. Mir fällt auch kein deutscher Politiker ein, dem ich zutrauen würde, dass er die Mechanismen versteht. Es wird überall nur auf Sicht gefahren.

Wir sollten in Deutschland dringend einen eigenen Nachwuchs von mathematisch gebildeten Finanzfachleuten heranbilden.

hat längst in Deutschland den Charakter eines Fetischs eingenommen. Sparen, sparen, sparen...man kann nicht ausgeben, was man nicht erwirtschaftet hat.
Angeblich.
Im Wettberwerb der Volkswirtschaften ist das natürlich Unsinn. Alle großen Volkswirtschaften sind verschuldet oder kannten Phasen der Verschuldung. Ein Staat kann überhaupt nicht bankrott gehen.

Selbst so marode Staaten wie z.B. Argentinien fanden nach vorübergehender Zahlungsunfähigkeit wieder auf die Füße - wenn auch, zugegeben zu den Bedingungen von IWF und Weltbank.
In Deutschland mangelt es an Investitionen, und das erheblich. Gerade in der Coronakrise wird z.B. deutlich, wie überfällig Investitionen im Bildungsbereich sind. Auch der Abbau von Krankenhausbetten fand vor Corona durchaus Zustimmung.
Grund? Die in Deutschland dominante, von Geiz besonders geprägte, kleingeistige Buchhalterseele, die in schlaflosen Nächten fürchtet, über höher Steuern oder Abzüge einen Beitrag leisten zu müssen...

Wladimir kappes | Sa., 3. April 2021 - 17:32

Antwort auf von Gerhard Lenz

Aber im Großen und Ganzen ist doch die AfD Schuld. Das kann doch nicht sein das diese miese nazibrut nicht erwähnt wird. Ich bin geschockt

Walter Bühler | Sa., 3. April 2021 - 19:33

Antwort auf von Gerhard Lenz

Nun, wenn ihm die anderen Staaten die Souveränität lassen, mag das stimmen.

Aber das heißt noch lange nicht, dass die Bevölkerung nicht von einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise getroffen werden kann (D 1923, die Welt 1929, Russland nach 1990). Für die einzelnen Bürger bedeutet so eine Krise genauso viel wie ein formaler Staatsbankrott.

Herr Lenz, die "von Geiz geprägte, kleingeistige Buchhalterseele" - der gesunde Menschenverstand - dominiert doch Deutschland schon lange nicht mehr. Schon längst leben wir in unserem Schlaraffenland, in der Märchenwelt des "Tischlein deck dich" und des "Goldesels".

Nicht umsonst hat ein Kinderbuchautor sehr realistische Aussichten auf die Kanzlerschaft, während man früher bei den Grünen noch "Der Turm stürzt ein" (TonSteineScherben) gesungen hat.

Unsere Kinder und Enkel müssen unsere gegenwärtige Traumtänzerei ausbaden, nicht wir Alten, die noch im "Schlaraffenland" der unbegrenzten Geldschwemme leben.

helmut armbruster | Sa., 3. April 2021 - 08:52

wir haben ein Beispiel aus der jüngsten deutschen Geschichte, wie so eine Operation ablaufen könnte.
Jeder Interessierte kann es in Kurzfassung bei Wikipedia nachlesen.
Mit ein bisschen Phantasie kann man sich ausmalen, wer das nächste Mal (= der kommende Schuldenschnitt) zu den Gewinnern oder Verlierern gehören wird.
Die Lehre daraus kann nur sein: Politikern sollte man in Sachen Geld und Geldwertstabilität niemals trauen. Niemals wird es ihnen gelingen den Geldwert stabil zu halten.

Hartmut Laun | Sa., 3. April 2021 - 09:07

Wenn ich die Geldexperten richtig verstehe, gilt immer noch die Gleichung:
Schulden = Vermögen
Wenn nun auf der Seite der Schulden ein Schnitt beschlossen wird, die Höhe der Schulden sicher nicht auf Null zu setzen, aber erheblich zu verkleinern, dann bedeutet es anhand der Gleichung oben, das auch die mit Vermögen ein dem entsprechenden Teil ihres Vermögens verlieren.
Und das lassen die mit großen Vermögen dann mit sich machen, sich von welcher Exekutive auch immer einen großen Teil ihres Vermögens einfach so wegnehmen zu lassen?

mit demselben Quotienten umgestellt werden.
Beispiel: Schulden werden vielleich mit 10 : 1 umgestellt, d.h. aus aus 100€ Schulden werden 10€.
Oder Renten- und Pensionsansprüche werden vermutlich günstiger, als mit 2 : 1 umgestellt, d.h. aus 100€ Rente werden 50E, usw...
Gewinner werden also auf jeden Fall die Schuldner sein, allen voran der Staat.
"Die mit den großen Vermögen" werden dank Ihrer Verbindungen zu Macht und Politik schon Möglichkeiten finden um am Ende ein für sie günstiges Umstellungsverhältnis heraus schlagen zu können.

Meines Wissens geht es darum, dass die EZB aus ihren aufgekauften Billionen an Staatsschulden eine oder mehrere Billionen nimmt und sagt, ich verzichte auf eine Rückzahlung der Summe. Am Tag darauf haben dann die Eurostaaten eine entsprechend geringere Staatsverschuldung. Problematisch sind nur die Nebeneffekte. So gibt es Finanzwetten, die ausgezahlt werden müssen wenn ein Staat Pleite geht. In dem Fall müssten viele Milliarden an Entschädigung bezahlt werden, weshalb Unternehmen viel Geld verlieren und Pleite gehen könnten. Dies könnte weitere Unternehmen in Schwierigkeiten bringen. Also so ähnlich wie bei der Pleite der Lehmann-Bank. Meines Wissens nach ist das die Gefahr eines Schuldenschnitts. Bin aber kein Experte in diesen Dingen.

Da haben Sie völlig recht, Herr Laun. Ihre abschließende Frage drängt sich daher auf, wenngleich sie eher theoretischer Natur ist..

Denn rein praktisch hätten Klagen gegen solche Umwälzungen aus verschiedenen Gründen keine nennenswerte Erfolgsaussicht. Das auch nur ansatzweise nachvollziehbar zu erklären, ist mit 1000 Zeichen leider unmöglich.

Aus gutem Grund streuen "die mit (den wirklich) großen Vermögen" ihre Aktiva so in diverse Länder, dass ihnen selbst bei Totalausfall in bestimmten Länden noch andernorts genug für ein komfortables Leben bleibt.

Und genau diese Gefahr der Kapitalflucht begründet auch die Aussage von Notheis, dass eine effiziente Erreichung des Ziels eines Schuldenschnitts am ehesten funktionieren kann "im stillschweigend konzertierten, hoch diskreten wie simultanen Handeln aller wesentlichen Zentralbanken der Welt."

Trotzdem fröhliche Ostern!

Wolfgang Dubbel | Sa., 3. April 2021 - 10:05

Weg wären ja dann nicht nur die Schulden sondern auch die entsprechenden Forderungen also Enteignungen....kann man machen, aber nicht ohne jur. Konsequenzen und kein weiteres mal. Dann eher Währungsreform bei € $ £ etc.

Werner Kistritz | So., 4. April 2021 - 03:22

Wir haben viel zu viel Geld und viel zu viel Schulden. Das kann man nur mit einer Inflation lösen. Sie wird kommen wie das Amen in der Kirche. Mehr sog i net.