gruen-schwarz-baden-wuerttemberg-winfried-kretschmann
Winfried Kretschmann konnte sich seinen Koalitionspartner aussuchen / dpa

Grün-Schwarz in Baden-Württemberg - Kretschmann hilft seiner Partei mehr, als sie vermutet

Viele Grüne sind nicht begeistert von Winfried Kretschmanns Entscheidung, in Baden-Württemberg weiter mit der CDU zu koalieren. Sie wünschten sich eine linke Signalwirkung für die Bundestagswahl. Dabei hilft der grüne Ministerpräsident seiner Partei gleich auf vierfache Weise.

Hugo Müller-Vogg

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

So erreichen Sie Hugo Müller-Vogg:

Aus Winfried Kretschmanns Sicht spricht alles für eine Fortsetzung von Grün-Schwarz in Baden-Württemberg. Mit der bei den Wahlen schwer geschlagenen CDU ist einfacher zu regieren als mit den Partnern SPD und FDP, die sich wohl ständig gegeneinander abgrenzen würden. Außerdem wird eine in Stuttgart mitregierende CDU ihre immer noch starke Position in den Kommunen nicht zu einer Fundamentalopposition gegen den ökologischen Umbau im Ländle nutzen. Das alles spricht für Kretschmanns „Keine Experimente“.

In den Reihen der Bundes-Grünen wäre manchem eine Ampel mit Blick auf die Bundestagswahl lieber gewesen, der wilden grünen Jugend sowieso. Doch schmälert die Koalitionsbildung im Südwesten keineswegs die Chance der Grünen, vom Herbst an im Bund die Regierung anzuführen. Im Gegenteil. Kretschmanns Entscheidung hilft den Grünen gleich auf vierfache Weise.

Eine flexible politische Kraft

Erstens: Die Grünen müssen nicht beweisen, dass sie – von der AfD abgesehen – mit allen anderen Parteien koalieren können und wollen. In Hessen tun sie das mit der CDU, in Brandenburg und Sachsen mit SPD und CDU, in Berlin, Thüringen und Bremen mit SPD und der Linken. Daraus kann niemand einen unaufhaltsamen Drang zu Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz ableiten. Die Fortsetzung der südwestdeutschen „GroKo“ stärkt folglich den Ruf der Grünen als flexible politische Kraft; man kann das sogar pragmatisch nennen. 

Zweitens ist Grün-Schwarz in Baden-Württemberg ein Signal an die bürgerlichen Wähler. Die Union muss bei der Bundestagswahl weniger Stimmenverluste an die SPD befürchten, sondern in erster Linie an die Grünen. Wer als CDU-naher Wähler Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz favorisiert, der wird seine Stimmen dann nicht den Grünen geben, wenn es die offensichtlich in eine Ampel mit SPD und FDP oder gar zu Grün-Rot-Rot zieht. Kretschmann leistet also Wahlhilfe für die Grünen im Bund. Seine Botschaft: Eine Stimme für die Grünen ist keineswegs automatisch eine Stimme gegen die CDU.

Die Grünen brauchen CDU-Wähler

Drittens legt Grün-Schwarz in Baden-Württemberg die Grünen keineswegs für Berlin fest. Es ist ja – Stand heute – nicht ausgeschlossen, dass die Grünen die Wahl haben, den Vizekanzler beziehungsweise die Vizekanzlerin bei Schwarz-Grün zu stellen oder die Kanzlerin/den Kanzler – in einem Bündnis mit SPD und FDP oder mit SPD und der Linkspartei. Dass die Ökopartei in jedem Fall eine Konstellation mit eigener „Regierungs*chefin“ vorziehen wird, darf unterstellt werden; alles andere wäre geradezu weltfern. 

Viertens nützt den Grünen ein dezidierter Linkskurs wenig. Dass die Schnittmengen zwischen Grünen, SPD und Linkspartei größer sind als in jeder anderen Grün-Kombination ist offensichtlich. Bei den Themen staatliche Wirtschaftslenkung, Umverteilung, Zuwanderung und Identitätspolitik, also bei der Ausrichtung der Politik in erster Linie an unzähligen diversen Minderheiten, würde Grün-Rot-Rot relativ schnell einen gemeinsamen Nenner finden. Aber den Grünen hilft es nicht, bei der Wahl Stimmen von ihren beiden potentiellen linken Koalitionspartnern einzusammeln. Je mehr CDU-Wähler die Grünen von sich als bürgerlich-ökologischer Kraft überzeugen können, umso eher werden sie den Kanzler stellen – ohne die CDU/CSU als Koalitionspartner.

Mögen manche auch über den „Alten“ in Stuttgart grummeln: Letztlich hilft Kretschmann mit Grün-Schwarz nicht nur sich, sondern auch den Grünen im Bund – und Baden-Württemberg wohl ebenfalls. 
 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Hans Jürgen Wienroth | Sa., 3. April 2021 - 16:48

Ich kann Ihnen nur zustimmen, Herr Müller-Vogg. Jede Stimme für eine etablierte Partei, sei es SPD, FDP oder CDU ist eine Stimme für die Grünen und ihr Programm. Ob diese Partei den Kanzler stellt oder den Vize- ist vollkommen egal. Wie sich die CDU für eine Regierungsbeteiligung verbiegt, machte der SPD-Generals. Klingbeil nach den Koalitionsverhandlungen deutlich: Wenn wir weiterverhandelt hätten, hätten wir auch das Kanzleramt bekommen. Das sagt doch alles und die Politik der letzten 3 Jahre zeigt es: Die SPD hat alle Anliegen durchbekommen, die CDU dafür das Kanzleramt. Mit den Grünen wird es genauso.
Wer das verhindern will, der muss die einzige echte Alternative stark machen. Nur wer die etablierten Parteien „abstraft“, kann die Grünen verhindern. Schließlich kann man sicher sein: Für eine Alleinregierung der AfD wird es niemals reichen, zumindest noch nicht bei dieser Wahl.
Kretschmann wird in dieser Periode vermutl. gehen, dann ist der Wechsel zur Ampel immer noch möglich.

...kann ich nur unterstreichen.
Die einzige Möglichkeit den Block Parteien und insbesondere der CDU einen Denkzettel zu verpassen, ist AFD wählen.
Parteien die ohne großen Aufschrei eine SED Nachfolge und Mauermörderpartei lautlos hinnehmen, aber AFD Wähler beschimpfen, obwohl diese letztlich aus SPD FDP und CDU (s. Wählereanderung) kommen, gar nichts anderes verdient.
Aber der deutsche Wählmichel ist für eine solche taktische Aktion geistig nicht optimal aufgestellt.
Zumindest nicht die notwendige Anzahl. Da hat er eher das grüne Führerinnen Gen inne und handelt entsprechend. Vielleicht ein Gendefekt der zwangsläufig bei betreutem Denken entsteht.
Allen ein schönes Fest. Und lassen Sie den Frühling vorbei scrollen.

Gerhard Schwedes | So., 4. April 2021 - 00:10

Antwort auf von Hans Jürgen Wienroth

Hans J. Wienroth. Ich stimme völlig mit Ihnen überein. Wer das Wahlprogramm der Grünen liest, der weiß, wieviel Gift unserem Gemeinwesen droht. Deshalb müssen die Grünen mit aller Macht verhindert werden. Wer noch ein wenig Grips und Verstand besitzt, der wählt AfD. Nur diese Partei ist nicht vom linken Totalitarismus angefressen. Grüne Politik führt konsequent in den Ruin, steht für offene Grenzen (Konsequenz: Plünderung der Sozialkassen, Steigerung der Kriminalität, Schädigung der Wirtschaft - Konsequenz: Lohndumping, Spaltung der Gesellschaft, Schuldenvergemeinschaftung innerhalb der EU), weiterer Niedergang der Wirtschaft - Adé soziale Marktwirtschaft, Konsequenz: Brain-storm durch Abwanderung der Intelligenz und Reichen. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was uns droht. Ein Blick nach Berlin lässt erkennen, wohin grün-linke Politik führt. Und die CDU ist nur noch eine Leerformel ohne Substanz, die eh nur machen wird, was dem einzelnen Abgeordneten sein Mandat erhält.

Bernhard K. Kopp | So., 4. April 2021 - 09:26

Antwort auf von Hans Jürgen Wienroth

Zuerst viele bürgerliche Stimmen gewinnen, damit die Union schwächen, dann, die stärkste Fraktion in einer G-R-R- Ampel und Kanzler werden. Es könnte funktionieren.

Gerhard Lenz | So., 4. April 2021 - 11:10

Antwort auf von Hans Jürgen Wienroth

Demokratie sollte es selbstverständlich sein, dass eine demokratische Partei mit jeder anderen demokratischen Partei zusammenarbeiten kann.
Dass die AfD nicht dazu gehört, muss man nicht betonen - die Braun-Blauen haben sich ständig radikalisiert und die Ablehnung des "Systems" ziemlich deutlich gemacht. Da muss man nicht nach Anknüpfungspunkten suchen, oder Fahrlässigkeiten begehen, wie ein Herr Kemmerich in Thüringen.

Dass Grüne mit Schwarzen zusammen regieren können, und das auch noch ganz gut, hat die Vergangenheit doch gezeigt. Welcher zusätzliche Mehrwert durch eine Verlängerung der Koalition entstehen sollte, erschliesst sich mir allerdings nicht.
Bei der CDU ist der Lernprozess in Richtung einer zukunftstauglichen, weniger verstaubten Partei durch Merkel u.a. zwar vorangekommen, aber noch lange nicht am Ziel, siehe Ost-CDU.
Das Versagen der CDU-Stadtregierung beim gestern in Stuttgart statffindenden Querdenker-Wanderzirkus sollte den Grünen zu Denken geben!

Roland Völkel | So., 4. April 2021 - 11:16

Antwort auf von Hans Jürgen Wienroth

und sogar mit den Deiwel/Luzifer der ja bekanntlich sogar Fliegen frisst. Die Grünen "schlucken" jede Kröte um an den Trog der Macht zu gelangen. Denn nur dort können sie ihre "alternativlose" Ideologie umsetzen.
Vielleicht schaffen die Grünen es ja "endlich den Morgentau-Plan" umzusetzen. Wenn man ihr Programm „Deutschland. Alles ist drin.“ genau unter die Lupe nimmt, führt der Weg wohl zwangsläufig dahin.

Ernst-Günther Konrad | So., 4. April 2021 - 12:53

Antwort auf von Hans Jürgen Wienroth

Sie sagen es Herr Wienroth. In BW wurde Kretschmann und nicht vordergründig die Grünen. Kretschmann hat doch recht. Die CDU unterwirft sich ihm, bei Rot-FDP hätte er gleich zwei Fronten zu bearbeiten.
Die BILD titelt heute aus einem Interview mit dem Wende-Söder: " Ohne Merkel hat die Union kaum keine Chance"." Nein, er fordert noch nicht, dass sie weiter machen soll. Aber Söder will sie bei der Kanzlerkandidatur einbinden, nicht zuletzt wegen ihrer noch immer hohen Umfragewerte, werde sie quasi im Wahlkampf gebraucht. Ja, eine bessere Werbung für die Kanzlerschaft einer Grünen namens Baerbock kann die CDU nicht leisten, in dem Merkel ihr den Steigbügel hält.
Die CDU wird abschmieren, sie wollen es nicht merken. Und ja Herr Wienroth, im Gegensatz zur Merkel CDU gibt es eine Alternative. Waren die LT-Wahlen Personenwahlen, wird es im Herbst, so die Wahlen stattfinden, für die CDU darum gehen, ob sie in die Opposition kommt. Da gehört sie meiner Meinung nach hin.

Bernd Muhlack | Sa., 3. April 2021 - 17:00

Ba-Wü ist auf dem Weg sich neu zu erfinden.
Jedoch muss das nicht zwingend positiv sein.

Ich lebe schon etliche J im schönen Nordbaden, unsere Tochter abiturte hier in 2010.
Ein sehr gutes Gymnasium. Es wird jährlich in Hinsicht auf MINT und "Digitalisierung" ausgezeichnet!
Ja, die Räume sind meist marode, noch immer.
Es wird weiterhin Eltern geben, die solche Projekte selbst in die Hände nehmen u sanieren.

Nein, am Geld mangelt es eher nicht, es hapert an der Kompetenz, Umsetzung!
Herr Kretschmann et Co. haben daran seit 2011 nichts geändert!

"Die Jugend ist unsere Zukunft!"
Aha, soso!
Zurzeit wird sie mehr oder weniger weggesperrt!
Ab und an macht sie sich Luft, wie 2020 in Stuttgart. Dann brennen schon mal Polizeiautos, gehen Scheiben zu Bruch, wird geplündert!

Also 5 weitere J GRÜN/Schwarz.
Im Bereich der Schulen business as usual, man hat ja wichtigeres zu tun!
Klima, Gender, Migration etc.
Es ist schlicht nicht zu fassen!

Tochtern lebt seit 2010 in UK; es geht ihr sehr gut!

Als Vorbild kann man BW nirgends finden , die Schulen sind in dem reichen Land marode und die Infrastruktur hingt hinter her . Grün Schwarz oder Schwarz Grün , das kann für die BRD nur bedeuten , dass wir Schlusslicht in Europa werden ! Die Wirtschaftskraft muss aber erhalten werden , von unseren Zuwendungen leben viele Länder der EU . Wenn wir die Wirtschaft nicht aufrecht erhalten können , dann wenden sich viele Staaten ab von der EU Gemeinschaft , die langsam nur noch von Geld Transfer zusammen gehalten wird . Die Flucht der Briten aus der Gemeinschaft , das sollte uns ein warnendes Beispiel sein , denn es kann sehr leicht sein , dass sich noch mehr Länder von der EU abwenden . Den Briten hat der Austritt bisher sehr gut getan , sie können unabhängig von den EU Ideologen ihre Wirtschaft ausbauen .
Nur die konservativen Kräfte in Deutschland könnten unseren Wohlstand sichern .

Gunther Freiherr von Künsberg | So., 4. April 2021 - 14:34

Der Erdrutsch in BW von Schwarz nach Grün ist ausschließlich dem grünen Ministerpräsidenten Kretschmann und dem Umstand zu verdanken, dass die Grünen ihr Bundestags-Wahlprogramm noch nicht veröffentlicht hatten.
Aus Sicht des Wählers bürgerlicher Parteien waren sowohl die CDU wie auch die Grünen unter (persönlicher) Führung Kretschmanns wählbar. Ohne Kretschmann, der die bürgerliche Mitte persönlich verkörpert wäre die Wahl in BW anders ausgegangen. Deshalb ist auch die Fortsetzung der Grün-Schwarzen Koalition konsequent und auch dem Wählerwillen entsprechend.