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Ball und Rubel rollen - trotz Corona: Geisterspiel zwischen Wolfsburg und Gladbach / dpa

Fußballer in der Corona-Krise - Die Scheinheiligen

Die Fußballindustrie genießt während der Pandemie politische Sonderrechte. In gesellschaftlichen Fragen hat sie meist nur Symbolik zu bieten. Wie muss sich der beliebteste Sport reformieren, damit es dem Gemeinwohl besser geht?

Autoreninfo

Ronny Blaschke hat fünf Bücher über politische Hintergründe im Fußball geschrieben.

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Theater, Museen und Opern sind seit Monaten geschlossen, doch der Fußball rollt weiter. Die Bundesliga spielt vor leeren Rängen, so sichert sie sich hohe Einnahmen aus der Fernsehvermarktung und bewahrt einige Vereine vor der Insolvenz. Große Klubs wie der FC Bayern reisen für die Champions League durch europäische Risikogebiete. Heimspiele gegen Vereine aus der „Mutationszone“ England werden wegen des Einreiseverbots nach Deutschland ins Ausland verlegt. Die Spieler müssen nach ihrer Rückkehr nicht in Selbst­isolation. Ein Eindruck, der sich seit gut zwei Jahrzehnten aufdrängt, verfestigt sich: Die Populärkultur Fußball genießt politische Sonderrechte.

Die Deutsche Fußball-Liga DFL, die Interessenvertretung des Profifußballs, möchte dem entgegenwirken. Seit Herbst tagten mehr als 30 Spieler, Fans, Funktionäre und Politiker in einer Taskforce Zukunft Profifußball. Ein Ergebnis: Der beliebteste Sport solle nachhaltiger wirtschaften und sich gesellschaftlichen Zielen verschreiben, dem Klimaschutz, der Frauenförderung oder dem Antirassismus. Doch wie frühere Krisen bewiesen haben: Die Männerbünde der Milliardenindustrie drehen sich um sich selbst. Tatsächliche Reformen? So gut wie unmöglich.

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Hermann Kolb | So., 21. März 2021 - 12:30

Ich wüsste nicht, dass der Profifussball eine besondere Pflicht zum Gemeinwohl hätte.
Wem die Professionalisierung missfällt, sollte meinetwegen die Massstäbe innerhalb des Vereinssteuerrechts strenger anlegen.

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 21. März 2021 - 16:16

Antwort auf von Hermann Kolb

beliebteste Mannschaftsspiel schlechthin in der Bundesrepublik, so etwas wie Gemeinwohl darstellt, als eben Ausübung dieses Sportes.
Gleichwohl finde ich viele Argumente des Autors überzeugend und ist nicht in den USA der Sport gehalten, sich gemeinnützig zu betätigen?
Vielleicht sind da manche Gehälter auch noch höher, aber es ist doch eben praktisch Nachwuchsarbeit, ein auf die Gesellschaft Zugehen und auch eine Anerkennung der Bereitstellung gesellschaftlicher Infrastruktur.
Zusammengefasst, die Argumentation des Autors nimmt mich insgesamt nicht mit - das Hintergrundrauschen stört mich zu sehr - die meisten Argumente hingegen schon.
Ohne Professionalisierung kann ich mir Sport aber eben nicht denken.
Ich bin auch kein ausschliesslicher Fan von Freizeitjournalisten (Lese aber sehr gerne Kommentare) oder Freizeitparlamentariern(Schätze aber freiwillige politische Arbeit in Parteien und anderswo).
Es sind völlig normale Entwicklungen oder zumindest überall zu beobachtende?

Ronald Lehmann | Mo., 22. März 2021 - 00:44

Antwort auf von Hermann Kolb

Solange der Herr Kommerzienrat nicht ins Märchenland geschickt wurde & es wie bei allen nur um Eitelkeit, Knete & Macht geht, vergessen sie es. Um das, was es eigentlich einmal bei unseren Ahnen ging, ein fairer Wettbewerb mit Spaß & Unterhaltung zwischen...
ist ein Wirtschaftsunternehmen geworden. Wer die meiste Knete bieten kann, um Untertanen abzulenken, zu bespielen & zu verblöden.
Nicht nur die Parteien sind im Fundament morsch, unserer ganzes hochgeschätztes System verkommt immer mehr.
Um so höher das Stockwerk, um so mehr werden in der Eitelkeit & Geltungssucht die Fahnen mit größter Hingabe geschwenkt, als wenn es Gebete an Gott wären.

Bernd Muhlack | So., 21. März 2021 - 16:24

So wie es läuft werden wir wohl leider absteigen.
Mit etwa 240 Mio € Vbl. ist eine Lizenzerteilung für die 2.Liga zumindest fraglich.
Neue Unterstützung von Clemens Tönnies hat die Vereinsführung abgelehnt - warum auch immer!

Werter Herr Blaschke, wenn Sie meinen, BL-Fußball, Top-Ligen hätten etwas mit Moral ober gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sage ich schlicht u ergreifend: NEIN!
Das ist Ihre persönliche Meinung u damit "basta"!
Wir sind an dem Punkt angekommen, an dem die üblichen Verdächtigen gegen Alles, aber auch wirklich Alles ihren jakobinischen Kreuzzug führen, was nicht ihrem Gusto entspricht.
Das erinnert stark an die Inquisition, nicht wahr?

Bundes-Jogi ist in Ihrem Fahrwasser, Herr Blaschke.
Das interessiert jedoch fast niemand mehr!

WM 90 in Italien: Finale D - ARG.
"Was haben Sie den Spielern in der HZ gesagt?"
Teamchef Beckenbauer: "Ja gut ähhh, i hob gsogt gehts aussi und spuits Fußball!"
1:0 gewonnen - mehr muss nicht sein!

Money makes the world go round!

Christian van der Ploeg | Mo., 22. März 2021 - 01:54

Auch wenn der Autor viele rationale Fakten zusammengetragen hat, denen man im Prinzip zustimmen muss (ich verstehe z. B. auch nicht, warum Vereine nicht an den Kosten der Polizeieinsätze bei Spielen beteiligt werden), sehe ich das grundsätzlich anders. Mein Interesse am Fußball hat zwar in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen gelitten, aber ich möchte einfach Fußball sehen und brauche keine zusätzlichen moralischen Instanzen, sei es Spieler oder Vereine, die ihre Meinung zu Klima, Gender oder Flüchtlinge kundtun. Sie sollen einfach Fußball spielen (und die Kosten dafür mittragen) und nicht anderen Menschen sagen, was sie denken sollen, oder Vereine wie Frankfurt, Freiburg, St. Pauli den Fans sagen, in welcher Partei sie zu haben sein, damit sie "gute" Fans sind.

Quirin Anders | Mo., 22. März 2021 - 10:10

Der Profifussball hat zwar, wie Sie richtig anmerken, keine besondere Rechtspflicht, sich um das Gemeinwohl zu kümmern. Doch das ist nicht der Punkt. Es geht vielmehr um folgendes:

Der Profifussball hat keinen Anspruch auf jene Sonderrechte, die ihm gegenüber vielen anderen vom Lockdown getroffenen Unternehmen derzeit gewährt werden, um das milliardenschwere System am Laufen zu halten. Den Profiteuren dieser politischen Vorzugsbehandlung stünde es gut zu Gesicht, aus diesem Grund mehr als nur ein paar lächerliche Brosamen guten Zwecken zur Verfügung zu stellen.

Bernd Muhlack | Mo., 22. März 2021 - 17:30

Antwort auf von Quirin Anders

Nein, der Profifußball hat keinen Anspruch auf Sonderrechte!

Wenn ich richtig informiert bin, spielen aber wohl alle Bundesligen:
Handball, Basketball, Eishockey usw. usf.
Diese haben jedoch nicht die Relevanz wie der Fußball, insoweit auch wenig Resonanz.

Spiele in leeren Stadien, Hallen sind mMn sinnfrei!

Vor vielen Jahren wurde auf Schalke eine neue Flutlichtanlage eingeweiht:
es waren 42.000 Fans (!) vor Ort!
damals das Parkstadion

Eines noch:
Profifußballer sind keine Vereinsmitglieder; sie sind Angestellte, Arbeitnehmer.
Man spielt dort wo man am besten verdient!
"No to racism!" kann man überall sagen, auffem Trikot haben, gell!

Eine Floskel- mehr nicht!

Quirin Anders | Di., 23. März 2021 - 09:00

Antwort auf von Bernd Muhlack

Selbst wenn noch in der einen oder anderen Sportart auf Profilevel gespielt werden darf: Solange dieselben Sportarten lockdownbedingt nicht im Breitensport ausgeübt werden dürfen, handelt es sich um Sonderrechte, oder wie auch immer Sie so eine Vorzugsbehandlung nennen wollen.

A. Danz | Mo., 22. März 2021 - 18:52

Alle zwei Jahre wirkt dies anders. Mit dem oft zu vernehmenden Statement, stolz darauf zu sein, für ihr Land zu spielen, jagen Fußballer deutscher Nationalität ihrem Kindheitstraum nach, Meister Europas oder gar der Welt zu werden und singen dazu die deutsche Nationalhymne neben der deutschen Fahne. Entsprechend gibt es auch in jenen Wochen kein anderes Thema im Land. Seinen gleichsam mythischen Ursprung hat dieser kollektive Rausch im “Wunder von Bern” als eine Art Neugeburt deutschen Nationalstolzes. Sportler und Vereine profitieren davon enorm. Und hat sich nicht Rummenige nach der unerhörten Startverweigerung durch die BER-Flugsicherung darüber empört, dass der FC Bayern auch das ganze Land repräsentiere und daher eine Sonderbehandlung verdient habe? Oh doch, wer solche Ansprüche stellt, muss auch ein Bewusstsein für gesellschaftliche Verantwortung demonstrieren, das über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus geht.