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Leere Klassenräume in Zeiten von Corona / dpa

Meistgelesene Artikel 2021: Februar - Lehrkräfte gehören regelmäßig auf den Prüfstand

Das Homeschooling offenbart, dass viele Schüler vom selbständigen Lernen überfordert sind. Auch die soziale Bildungskluft vergrößert sich. Aber ziehen die Schulen auch Lehren aus der Krise? Der langjährige Lehrer Rainer Werner berichtet von seinen Erfahrungen aus dem Klassenzimmer.

Autoreninfo

Rainer Werner unterrichtete an einem Berliner Gymnasium Deutsch und Geschichte. Er verfasste das Buch „Fluch des Erfolgs. Wie das Gymnasium zur ,Gesamtschule light‘ mutiert“.

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Im Netz stößt man auf Hilferufe von Schülern, die mit ihren Hausaufgaben überfordert sind. Eine Schülerin, die an einer Gedichtanalyse verzweifelt, schreibt: „Halloooo, ich sitze schon wirklich lange am Verständniss dieses Gedichtes. Ich soll es mit dem Gedicht von Günter Eich vergleichen...jedoch weiß ich nicht was dieses Gedicht mit das von Günter Eich im Hut hat...Das von Günter Eich ist ja unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg geschrieben worden und das von Christa Reinig 1965....Gedichte sind leider nicht meine Stärke...“ (Grammatik und Orthografie nach dem Original). Was sich hier wie ein Hilferuf aus dem Homeschooling liest, wurde schon vor Corona-Zeiten ins Netz gestellt.

Die Schülerin verzweifelt an einer alltäglichen Hausaufgabe. Sie zeigt nicht nur gravierende Rechtschreib- und Grammatikschwächen, sie hat offensichtlich auch nicht verstanden, wie man Gedichte interpretiert. Im Unterricht ist alles schon einmal „dran gewesen“, hängen geblieben ist wenig. Die Klage der Schülerin lässt ahnen, wie es um das Lernen bestellt ist, wenn die Schule über Wochen hinweg ins Elternhaus verlagert wird. Die Lernerträge, die die Schüler beim digitalen Lernen in den häuslichen vier Wänden erzielen, werden noch hinter den schulischen Ergebnissen zurückbleiben. 

Den Präsenzunterricht in den Blick nehmen

Politiker äußern sich besorgt über die Lerndefizite, die das Homeschooling mit sich bringt. Sie klagen darüber, dass Kinder aus bildungsfernen Familien abgehängt würden, weil sie mit dem Lernen zu Hause überfordert seien und zudem nicht über das nötige digitale Equipment verfügten. Die Vorsitzende der Grünen Annalena Baerbock fordert gar einen „Bildungsschutzschirm“, der die zutage getretenen Schwächen im Fernunterricht ausgleichen solle.

In Berlin dürfen Schüler, die Lernlücken aufweisen, eine Ehrenrunde drehen, ohne dass dies als Sitzenbleiben gewertet wird. Das große Kümmern um die Bildungsverlierer mutet merkwürdig an, wenn man bedenkt, dass schon vor der Corona-Pandemie jedes Jahr rund 50.000 Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Sie sind im Präsenzunterricht gescheitert. Sie haben keine besorgten Fürsprecher gefunden, niemand hat für sie Schutzschirme aufgespannt und Hilfspakete geschnürt.

Man hat sie damit allein gelassen, dass sie im Unterricht zu wenig gelernt haben. Das Homeschooling legt die Schwächen bloß, die im normalen Unterricht schon lange existieren. Wir sollten deshalb aus dem Befund des nationalen Großversuchs „Schüler lernen zu Hause“ die richtigen Lehren ziehen: Das Lernen muss effektiver, das Wissen nachhaltiger als bislang in den Köpfen verankert werden. 

Die Wirksamkeit des Unterrichts überprüfen

In Deutschland unterrichten täglich 800.000 Lehrkräfte, ohne dass die Wirksamkeit ihres Tuns je auf den Prüfstand gestellt würde. Man traut den Lehrern aufgrund ihrer hochwertigen akademischen Ausbildung einfach zu, dass sie den Schülern ihr Wissen erfolgreich vermitteln können.

Die Lehrerverbände mauern, wenn es darum geht, die Performance der Lehrkräfte im Unterricht zu überprüfen. Sie wollen ihre Mitglieder nicht vor den Kopf stoßen. Auch die Schulbehörden blockieren aus falscher Rücksichtnahme die Evaluierung von Unterricht. Dabei wäre sie leicht möglich. Man bräuchte nur die Ergebnisse der Lernstandserhebungen TIMMS und VERA und beim Mittleren Schulabschluss nach Lerngruppen differenziert auszuwerten.

Der Kurzzeitspeicher des Gehirns

Lehrkräfte mit besonders schlechten Ergebnissen wären dann gezwungen, die Wirksamkeit ihres Unterrichts zu überprüfen und vorhandene Schwächen in Fortbildungen auszubügeln. Der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie hält die Selbstevaluation der Lehrkräfte für eine der wichtigsten Produktivkräfte für einen guten Unterricht: „Meine Rolle als Lehrperson ist es, den Effekt, den ich auf meine Schülerinnen und Schüler habe, zu evaluieren.“

Die Lernforschung hat herausgefunden, dass sich ein Teil des erworbenen Wissens schon nach wenigen Wochen wieder verflüchtigt, weil es nur im Kurzzeitspeicher des Gehirns abgelegt worden war. Schüler kennen die Effektivität dieses Speichers sehr gut, wenn sie zum Leidwesen von Lehrern und Eltern immer erst auf den letzten Drücker, also in der Nacht vor der Klausur, lernen. Sie pochen jedoch darauf, dass es für sie die beste Methode sei, sich den Stoff zu merken.

Der Erfolg des YouTube-Lehrers  

Damit haben sie sicher recht. Nachhaltig gelernt haben sie allerdings nicht. Dieses ständige Vergessen eines Teils des Stoffes infolge nur oberflächlicher Rezeption senkt den Wirkungsgrad von Lernprozessen entscheidend. Die Flüchtigkeit des Wissens ist zudem eine Vergeudung einer kostbaren Ressource: der vorher aufgewandten Lehr- und Lernbemühung. Wie man beim Lernen das Langzeitgedächtnis aktivieren kann, ist hinlänglich bekannt.

In die Unterrichtspraxis haben solche Methoden kaum Eingang gefunden. Es muss uns zu denken geben, dass sich Schüler, die am Vormittag mit Selbstlernmethoden traktiert werden, sich zu Hause den gekonnten Vortrag eines Youtube-Lehrers gönnen, der die Sachverhalte so anschaulich erklärt, dass der Groschen schließlich fällt. Diese Abstimmung per Mausklick für den viel gescholtenen Frontalunterricht ist ein Misstrauensvotum gegen „schülerzugewandte“ Lernmethoden, die ihre Versprechen nicht einzulösen vermögen.

Feedback per Fragebogen

Ich habe an einem Berliner Gymnasium unterrichtet, das zu den Pionieren der Feedback-Kultur zählt. Von Klasse sieben bis zum Abitur dürfen die Schüler ihre Lehrkräfte mit altersgerechten Fragebögen bewerten. In den unteren Klassen geht es neben der Qualität des Unterrichts („Ist der Lehrer optimal vorbereitet?“) vor allem um emotionale Aspekte, die in dieser Altersstufe beim Lernen besonders wichtig sind: „Mag euch euer Lehrer?“.

In den oberen Klassen sind die Fragebögen anspruchsvoller. Sie nehmen die didaktische Qualität des Unterrichts in den Blick: „Ist der Unterricht motivierend und abwechslungsreich gestaltet?“, „Wie viel habt ihr im Unterricht gelernt?“ – Ich habe mich – auch bei der Bewertung meines eigenen Unterrichts - immer gewundert, wie präzise und aussagekräftig die Urteile der Schüler sind. Wenn man jahrelang die Schulbank drückt, können einem die Stärken und Schwächen von Lehrern nicht verborgen bleiben.

Schülerbewertungen sind aber nur dann nützlich, wenn die Lehrkräfte daraus die richtigen Konsequenzen ziehen. Wenn die Schüler ihrem Geschichtslehrer bescheinigen, bei ihm wenig gelernt zu haben, muss er seinen Unterricht hinterfragen, ggf. muss er Hilfe von erfahrenen Kollegen in Anspruch nehmen. 

Guten Unterricht teilen

Die zweite Reform an meinem Gymnasium betraf die kollegiale Hospitation: Lehrkräfte desselben Faches besuchen sich gegenseitig im Unterricht, um von den originellen und erfolgreichen Methoden des Kollegen zu profitieren. Beide Feedback-Methoden haben die Unterrichtsqualität der ganzen Schule binnen weniger Jahre verbessert. Die Schule stieg aus dem Mittelfeld an die Spitze aller Berliner Gymnasien auf. 

Was Lehrkräfte sich am meisten wünschen, ist eine digitale Plattform, auf der vorbildliche Unterrichtsstunden aus ganz Deutschland abrufbar sind.   Warum ist es nicht möglich, die grandiose Stunde eines Physiklehrers in Kiel den Lehrern in der ganzen Republik zugänglich zu machen? Warum sollten nur die Schüler einer Schule in Passau in den Genuss einer genialen Musikstunde kommen? Die Arbeitserleichterung durch eine solche „geteilte Nutzung“ wäre enorm und der Effekt der Unterrichtsoptimierung nicht zu unterschätzen.

Wenn „Sharing Economy“ einen Sinn hat, dann hier. Wenn alle Lehrkräfte in Deutschland nur noch Musterstunden - gerne auch die oft vorbildlich ausgearbeiteten Stunden von Referendaren - unterrichten würden, wäre dies ein Qualitätsschub sondergleichen. Wann kommt die Cloud „Guter Unterricht für alle“? Hier hätten Kultusministerkonferenz und Bundesbildungsministerin eine dankbare Aufgabe. 

Wirkungsgrad des Unterrichtes steigern

Es führt kein Weg daran vorbei: Unsere Schulen müssen ihr Qualitätsmanagement verbessern. Künftig sollte es selbstverständlich sein, dass der Unterricht der Lehrkräfte auf den Prüfstand gestellt wird. Digitale Bewertungsplattformen können dabei hilfreich sein. Es muss vor allem sichergestellt werden, dass nur wirksame Unterrichtsmethoden zum Zuge kommen. Welche das sind, hat der Lernforscher John Hattie in seiner Großstudie plausibel dargelegt.

Nachdem wir in der Corona-Zeit gelernt haben, evidenzbasiert zu operieren, sollte wissenschaftliche Plausibilität auch in der Pädagogik Einzug halten. Das Wünschbare reicht offenkundig für den Schulerfolg unserer Schüler nicht aus. Mich hat es immer schon gewundert, dass im Land der Tüftler und Erfinder der Wirkungsgrad aller technischen Geräte gemessen wird, dass aber nach dem Effekt schulischen Lernens   kaum jemand fragt.

Was der Ottomotor kann...

Wenn der  Wirkungsgrad eines Ottomotors 40 Prozent beträgt, sollte es doch möglich sein, den Wirkungsgrad des Unterrichts auf über 50 Prozent zu steigern, zumal diesem Ziel physikalische Gesetzmäßigkeiten nicht im Wege stehen.

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Yvonne Stange | So., 28. Februar 2021 - 11:27

... an die Wand gefahren wird, ist ja schon seit einiger Zeit bekannt und offenbar gewollt. Ich habe vor 2012 die (Bürojob-)Azubis einer namhaften Thüringer Uni unterrichtet. Ihre Ausbildungsleiterin klagte mir in einem Gespräch ihr Leid, wie schlecht die Leistungen der Schulabgänger wären, sogar Abiturienten hätten gravierende Mängel, die nicht einmal für die Ausbildung einer Bürokauffrau ausreichten... Nach der 2. Bewerbungsrunde war Schluß, die Leistungen waren einfach zu schlecht, so wurden die Ausbildungsplätze halt nicht besetzt.... Noch Fragen? Aber wozu braucht man noch gute schulische Leistungen, wenn es sowieso bald keine Arbeitsplätze mehr gibt?? Dann gehen alle in die Politik, da braucht man keine Ausbildung und wir sind fein raus. ;-)

Juliane Krah | So., 28. Februar 2021 - 13:29

Mit einem kleinen Einwand: Es gibt Klassen, die haben in den Jahren vorher nicht das gelernt, was sie bräuchten, um sich den vom Lehrplan vorgesehenen Stoff der aktuellen Stufe anzueignen. Ein schlechtes Abschneiden in Tests nur dem aktuell unterrichtenden Lehrer anzulasten, fände ich nicht fair. Außer besserem Unterricht braucht es daher auch mehr zusätzliche und am besten verpflichtende Förderangebote zusätzlich zum Unterricht laut Stundentafel.

Alexandra Riedel | So., 28. Februar 2021 - 20:01

Antwort auf von Juliane Krah

Schülerleistungen als Indikator für die Qualität des Unterrichts zu nehmen - das geht gar nicht! Ich unterrichte vorwiegend Kinder aus sozial schwachen Familien. Hier gibt es viele Probleme, die Eltern haben oft entweder keinen Kopf für schulische Belange, selbst keine Ahnung vom Stoff oder schlichtweg kein Interesse. In anderen Stadtteilen erfahren die Kinder ganz andere familiäre Unterstützung. An einer Schule sammeln sich, aufgrund des Einzugsgebiets, Kinder von Akademikern. An der nächsten Kinder von Harz4empfängern mit geringerem Schulabschluss. Wie sollen die Lehrer der zweiten Schule es schaffen, gleiche Leistungen der Schüler zu erreichen? Auch Förderung kommt an seine Grenzen. Zudem fehlen Stundenkontingente und Personal.

Ein wunderschöner Kommentar, der sich genau den Verschiebebahnhof der Verantwortlichkeiten zu eigen macht.
Nicht die Lehrkraft ist für mangelndes Lernergebnis verantwortlich, nein die Eltern sind es!
Die sollen nämlich gefälligst am Abend nach ihrer normalen Belastung in wenigen Minuten dasjenige reparieren und aufholen was die ach so akademisch Gebildeten am Vormittag versäumt haben. Und als Beleg dienen die Erfolge der Nachhilfe, wo in kurzer Zeit die Lehrdefizite der Staatsschulen ausgebügelt werden.
Was für ein Armutszeugnis für das Lehrpersonal!

Moin,
das kann keine Lehrer Aufgabe sein, im außer Schulischen dem nachzugehen.

Jedoch innerhalb der Schule muß das Leistungsprinzip gelten!
Wenn ein Schüler das nicht packt, Hausaufgaben nicht macht, das Leistungsziel nicht erreicht, ganz Old-School "Mangelhaft/Schlecht" ins Zeugnis, fertig.

Es gibt sicher einige wenige Schüler, die es nicht verdient haben, im Niveau Limbo abzustürzen und unvorbereitet in Lehre/Ausbildung/Studium zu gehen ...

Christa Wallau | So., 28. Februar 2021 - 14:35

Als Lehrerin i. R. (40 Jahr in Grund-u. Hauptschule) weiß ich, wovon Sie reden u. darf mir ein Urteil erlauben.
Sie haben recht: Die L e h r e r sind es, auf die es in den Schulen ankommt, Ohne wenn u. aber! Ihre Arbeitsleistung muß bezüglich ihrer Effektivität erforscht u. ohne ideologische Scheuklappen analysiert werden. Es geht nicht an, daß jeder vor sich hin wurstelt.
Als ich 1966 im Schuldienst anfing, gab es noch Schulräte, die täglich u n a n g e m e l d e t (!)im Unterricht auftauchen konnten, um festzustellen, wie die Lehrer-Leistung (die sich in den Schülerleistungen spiegelte) aussah. Es gab Stoffverteilungspläne, Lehrberichte, in der Junglehrer-Zeit täglich schriftliche Vorbereitungen.
Lernziele waren klar definiert, die Ergebnisse mußten sich sehen lassen können.
Bis in die 80er-Jahre des vorigen Jhdts. beherrschte j e d e s Kind mit normalem IQ am Ende der 4. Klasse das Lesen, Schreiben u. die vier Grundrechenarten!
Dann begann die Zeit der galoppierenden Reformen ...

Ich bin keine Lehrerin und auch nicht im Ruhestand, aber ich schließe mich gerne Ihrer Aussage an, das es im Wesentlichen auf den Lehrer ankommt. - dies übrigens nicht allein in der Schule; womit auch an die Eltern und generell das soziale Umfeld aller Schüler appelliert werden sollte. Eine meiner zahlreichen Lehrer/innen äußerte einmal hinsichtlich des erfolgreichen Vermittelns von Wissen: "Wenn man eine Flamme entzünden möchte, muss man selber brennen." Und genau darum geht es. Emotionales Lernen gilt bis dato immer noch als die erfolgreichste Form des nachhaltigen Lernens. Genau diese Nachhaltigkeit beginnt allerdings schon bei dem, welcher das Wissen vermitteln möchte, eben bei dem jenigen, der für (s)eine Sache brennt. Hierzu gehört dann auch die Gabe, den "Schülern" eigene Verantwortung für einen interaktiven Austausch von Wissen zu zutrauen, einen solchen zu ermöglichen u. zu loben. Eine reine "Informationsberieselung" führt niemals zu Nachhaltigkeit in der Wissensanreicherung.

Bernd Muhlack | So., 28. Februar 2021 - 15:55

... wenn man einmal von Jogi Löw absieht.

Nun ja, eine Gedichtinterpretation ist nun wahrlich kein Highlight, ein must-have.
Es wird alles möglich suggeriert was der Dichter damit sagen will.
Man stelle sich vor, unsere Kanzlerin würde Gedichte schreiben: wer sollte das verstehen?

Diese Reformpädagogen krempeln alle paar Jahre alles um, erfinden ständig neue Themen, "Werte" die als zielführend verkauft werden. Das "klassische Wissen" bleibt zusehends auf der Strecke. Ich konnte das sehr anschaulich während Tochterns Schulzeit beobachten.
Sie legte ein Super-Abi hin, ist seit 2010 in UK.

Einem Lehrer "schlechten Unterricht" zu unterstellen ist möglich, jedoch sinnlos. Wer gibt denn eigene Fehler, gar Dilettantismus zu?
Das Merkel-Syndrom!
Was man in Jahrzehnten nicht auf die Reihe bekam, wird sich auch zukünftig nicht ändern. Diese Ignoranz u "Hauptsache Moral, Gleichheit" hat sich doch bereits in den Unis manifestiert.

"Nennen Sie die 3 Binomischen Formeln."
"Jetzt gleich, echt?"

Sie verstehen unter Gedichtinterpretation das, was man so landläufig darunter versteht, weil man nie Zugang dazu hatte.
In Wirklichkeit ist eine Gedichtinterpretation eine sehr komplexe geistige Leistung, die keineswegs beliebig ausfallen kann. Es gilt den ästhetischen und kognitiven Gehalt zu erfassen, die Verstärkung durch entsprechende stilistische Merkmale zu erkennen , den biographischen und historischen Bezug herzustellen . Sie ist auch keine l'art pour l'art, vielmehr schärft sie das Kunst-und Sprachverständnis , was durchaus erwünschte Auswirkungen auf unsere Gesellschaft hat. Im besten Falle erreicht man dadurch eine gewisse Kultiviertheit, die dem Menschsein äußerst gut zu Gesichte steht.

Ihr Anspruch ist sehr hoch.
In der Praxis der Schulen gibt es schnelle Routinelösungen, die immer zu guten Zensuren führen. Intensive, detaillierte Aussagen über Ästhetik&Co sind hingegen riskant, weil viele Lehrer abweichende Meinungen schlecht benoten.

"Es gilt den ästhetischen und kognitiven Gehalt zu erfassen, die Verstärkung durch entsprechende stilistische Merkmale zu erkennen , den biographischen und historischen Bezug herzustellen."
Wenn sie sich mal die Geschichte der Literaturwissenschaft anschauen, sehen Sie sofort, dass es zu verschiedenen Zeiten ganz verschiedene Trends gegeben hat. Im 'New Criticism', der zu meiner Studienzeit 'in' war, war es z. B. verpönt, auf den biographischen und historischen Kontext von Texten einzugehen. Ästhetische Texte mussten unabhängig vom Autor betrachtet und interpretiert werden.

Wegen solcher Moden und Trendwechsel ist es unmöglich, eine gerechte und sachlich nachprüfbare Bewertung von Lehrern zu erwarten. 'Kultiviertheit', wenn das überhaupt noch gewünscht ist, kann man auch anders erreichen.

Nein weder der Flötenschlumpf noch der Herr Muhlack werden mit dem Pascal´schen Dreieck bis zum 5. Grade beginnen; mir reichen der Dolus directus ersten und zweiten Grades vollkommen!
Werter Herr Elvers, wenn ich mich recht erinnere, hatten Sie mir diese Aufgabe vor langer Zeit schon einmal gestellt.
Ich habe das noch ganz dunkel auffem Schirm, jedoch ist das nicht abrufbar - schon gar nicht unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern.
Meine aktuell einzige mathematische Tätigkeit ist die ständige Berechnung der noch möglichen Punkte für meine Schalker in Relation zu Mainz, Köln, Bielefeld und Hertha.
Quasi eine "Toyota-Gleichung" => Nichts ist unmöglich!
MfG!

Ernst-Günther Konrad | So., 28. Februar 2021 - 16:14

aber selten etwas verstehen und anwenden können. So sehr ich Ihren Ideen durchaus zugewandt bin, so sehr sehe ich bereits die Probleme im Elternhaus. Helikoptereltern, die alles diskutieren und alles ermöglichen, um ihre eigenen Unzulänglichkeiten zu kompensieren. Die Kinder werden in die Schulen gebracht, mit dem Auto direkt in den Klassensaal, lernen schnell wie man andere für sich einspannen kann und sind in Gottvertrauen dem Netz verhaftet, lernen alles nur für den Moment, haben aber nichts verstanden.
Sich durchbeißen, eigene Ansprüche haben über den Moment hinaus, Leistung erbringen, um etwas zu erreichen im Leben, nicht nur für die Note
fehlt vielen.
Ja, Lehrer mögen sich ungern kontrollieren und kritisieren lassen. Man hat Studium, man ist durch alle Prüfungen gegangen, da kann man es halt.
Fortbildung!! Dafür braucht es Zeit, Geld, Ausbilder, Ideen und Selbstreflektio, aber keine 16 Länder. Dazu gehört auch Entlastung von unnötigen Verwaltungstätigkeiten im Schulbetrieb

Ingo frank | So., 28. Februar 2021 - 18:16

Zum einen um den Beruf einerseits Arztes, und zum anderen den Beruf eines Lehrers auszuüben.
Wenn man diese Berufung nicht hat, sollte man beide Berufe nicht ausführen. Arme Patienten, arme Schüler.
Und, solange nicht einheitliche Maßstäbe in Lehrplänen und Prüfungen zu Anwendung kommen, wird es mit unserem Bildungssystem weiter Berg ab gehen.
Außerdem sollten sich die 16+1 Kultusminister andere Selbstverwirklichungstripps suchen, als alle Jahre wieder eine Bildungsreform von der Bildungsreform durchzuführen. Lehrpläne und Schulbücher aktualisieren und das war’s.

Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik .

Norbert Heyer | Mo., 1. März 2021 - 08:05

Vor ganz, ganz vielen Jahren besuchte ich die damalige Volksschule. Nur 8 Jahre, danach ging ich zur zweijährigen Handelsschule, machte eine verkürzte Lehre als Industriekaufmann, bildete mich durch Abendkurse weiter zum Bilanzbuchhalter und wurde mit Mitte 30 Handlungsbevollmächtigter bei meiner Firma. Was ich damit sagen will: In den 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts reichte das dort vermittelte Basiswissen aus, um trotzdem beruflich Karriere machen zu können. Gerade unseren Lehrern in Deutsch und Mathematik bin ich bis heute unendlich dankbar, mit welcher Nachhaltigkeit sie uns die jeweilige Materie „einpaukten.“ Es wurde in meiner Firma in späteren Zeiten kein einziger Hauptschüler mehr in kaufmännischen Berufen ausgebildet. Sogar Abiturienten hatten von Grundrechenarten, Prozentrechnung oder Verhältnisrechnen absolut keine Ahnung. Praktisches Grundwissen war kaum vorhanden, Rechtschreibung wurde zur „Gefühlssache.“ Das ist die Schuld einer ideologisierten Schulpolitik.

Dieter Freundlieb | Mo., 1. März 2021 - 09:21

Schulunterricht kann man gewiss durch verschiedene Methoden und durch Hilfe und Anregung von erfahrenen und erfolgreichen Kollegen erheblich verbessern. Aber ich habe große Bedenken gegen die seit Jahren betriebene 'Verwissenschaftlichung' der Schulpädagogik. Sie beruht z. T. auf einem technologisch basierten Machbarkeitswahn, statt anzuerkennen, dass gutes Unterrichten auch viel mit Talent zu tun hat.

Zum Hilferuf der Schülerin: Es gibt weiß Gott Wichtigeres zu lernen, als Gedichte zu interpretieren. Ich habe u.a. Germanistik studiert, aber es ging mir bald so wie einem der besten noch lebenden, international renommierten Professoren in Philosophie. Was Literaturwissenschaft mit Wissenschaft zu tun haben soll, schrieb er kürzlich, war ihm nie klar. Zumindest, wenn es um Textinterpretation geht.

Promoviert habe ich dann selbst in Philosophie.

Gedichte ideenreich zu interpretieren, sollte man in den Schulen nicht im Deutschunterricht, sondern nur auf freiwilliger Basis anbieten.

Walter Bühler | Mo., 1. März 2021 - 11:15

Antwort auf von Dieter Freundlieb

Herr Freundlieb, ich teile Ihre Bedenken. Der Beitrag der Wissenschaft "beruht z. T. auf einem technologisch basierten Machbarkeitswahn, statt anzuerkennen, dass gutes Unterrichten auch viel mit Talent zu tun hat." Wie viele Reformen habe ich mitgemacht, die von "der Wissenschaft" initiiert worden sind! Und was haben sie gebracht?

Und haben Eltern ihre Kinder früher wesentlich schlechter erzogen als heute, wo man erst 100 kg Ratgeber-Literatur verdauen muss, bevor man sich an die Erziehung der Kinder heranwagt?

Walter Bühler | Mo., 1. März 2021 - 10:33

Herr Werner fordert mit Recht eine reflektiertere und auch von Vorgesetzten kontrollierte Berufsausübung durch die Lehrer. Allerdings glaube ich nicht, dass die Berliner Schul-Probleme final gelöst wären, wenn die Schulen nach dem Modell von Werners letzter Dienststelle arbeiten würden. Seine Perspektive als Lehrer für Deutsch und Darstellendes Spiel muss ebenfalls durch die Perspektive anderer Fächer ergänzt werden.

Es wird nicht genügen, die Schulaufsicht zu verschärfen und effizient zu machen.

Bildungspolitik und Bildungsverwaltung müssen der Kernbereich der schulischen Bildung wieder in den Mittelpunkt der Schule rücken und sie von zusätzlichen Aufgaben entlasten. Eltern müssen echtes Interesse an einer guten Bildung ihrer Kinder aufbringen, und die Schüler müssen lernen, dass ihr ursprüngliches Interesse am Erwerb von Wissen auch in den späteren Jahren aufrecht erhalten werden muss.

Kurz: Schule kann nur in einem bildungs- und leistungsfreundlichen Klima gedeihen.

Fritz Elvers | Mo., 1. März 2021 - 12:59

damit nichts mehr als Vater zu tun zu haben. Obwohl, Waldorfschule und altehrwürdiges Gymnasium (gegründet 799 als Lateinschule), waren großartig und anstrengend. Rüstzeug genug für ein Physikstudium. Alle Reformen (Schreiben nach Gehör, keine Hausaufgaben) flogen vorbei wie nächtliche Schatten.

Glücklicherweise gab es noch diese Inseln der Gelehrsamkeit, vor den Lehrern hatten alle, Schüler und Eltern, großen Respekt.

Franz Gailer | Di., 2. März 2021 - 07:30

Dem Autor ist vollständig zuzustimmen. Was ist die Schule braucht, sind motivierte Lehrer. Dazu gehört Experimentierfreude, Evaluation und Selbstkritik, kollegiale Supervision, permanentes Lernen von anderen, Feedback von Eltern und Schülern. Für mich gehört aber auch eine veränderte Rolle des Schulleiters dazu, dem mehr Kompetenzen eingeräumt werden müssten