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Der Mord an Samuel Paty bringt die „New York Times“ gegen „Le Monde“ auf / dpa

Streit um den Mord an Samuel Paty - Wer cancelt hier wen?

Die Tageszeitungen „New York Times“ und „Le Monde“ liefern sich seit der Enthauptung des französischen Lehrers Samuel Paty einen Schlagabtausch zum Thema Cancel Culture. Jedes Blatt wirft dem anderen vor, es zensiere zwar andere, sei aber nicht zur Selbstkritik fähig. Aber stimmt das wirklich?

Stefan Brändle

Autoreninfo

Stefan Brändle ist Frankreich-Korrespondent mit Sitz in Paris. Er berichtet regelmäßig für Cicero.

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Es sind zwei linksliberale Zeitungen, offen, tolerant und weltläufig. Aber sie können auch anders. Blind für seinen Rassismus sei Frankreich, „unfähig, sich einer veränderten Welt anzupassen“, schreibt die New York Times an die Adresse jenes Landes, „das früher eine Großmacht war“. Le Monde kontert, die USA behinderten die Redefreiheit und würden langsam „zerstört“ durch die politische Korrektheit und die so genannte Cancel Culture.

Aber spulen wir an den Anfang zurück. Am 16. Oktober des vergangenen Jahres wurde der französische Geschichtslehrer Samuel Paty von einem jungen Tschetschenen brutal ermordet, weil er Mohammed-Karikaturen des Satiremagazins Charlie Hebdo im Unterricht gezeigt hatte. Die New York Times – die aus Rücksicht auf die Gefühle ihrer Leser keine Karikaturen mehr bringt –  titelte spontan: „Die französische Polizei schießt und tötet einen Mann nach einer tödlichen Messerattacke in der Straße.“ Das klang schon fast nach einem jener polizeilichen Schnellschüsse, wie sie in den USA vorkommen. Dass Paty enthauptet worden war, mussten die Leser dem Wort „Messerattacke“ entnehmen.

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Gisela Fimiani | Mi., 17. Februar 2021 - 17:49

Weniger philosophisch formuliert: The pot calling the kettle black......

..fallen sich gegenseitig an. :)
Mir soll’s recht sein. Es ist Bestätigung und Offenbarung zugleich.

Yvonne Stange | Mi., 17. Februar 2021 - 18:22

... hat jetzt noch gefehlt. Der Mord ist kein Mord, sondern eine Folge von Rassismus und Islamophobie. Hilfe, wie krank sind diese Hirne?? Oder anders: müssen diese (finanziell) Über-Mittelklassemenschen denn ihre Kinder an solche Schulen schicken oder in solchen Viertel wohnen? Da wäre eine heilsame Erfahrung - und dann nochmal dazu befragen. Den Islamfaschismus wird es freuen, ein weiterer Sieg.....

Diese groteske "Logik" der Täter-Opfer-Umkehr ist Ihnen doch nicht fremd! Sie ist hier regelmäßig zu besichtigen, wenn es darum geht, rechtsextremistische Gewaltverbrechen zu relativieren. Allenfalls ist dann von geistig verwirrten Einzeltätern die Rede, zuweilen aber auch von Reaktionen, die sich gewissermaßen zwangsläufig einstellen, wenn "man" zu viele Flüchtlinge ins Land lässt. Müsste mal nachschauen, wie Frau Wallau das kürzlich formuliert hat.
Ich persönlich verabscheue politisch motivierte Verbrechen genauso wie religiöse, und ich frage mich, ob Ihnen das wirklich nicht auffällt, mit welch doppelten Maßstäben Sie hier messen und bewerten...

...und die Bewertung des Mordes beiseite schieben, so schnell haben Sie und andere Foristen die rechtsextremistisch motivierten Morde in Hanau, Kassel oder Halle als die eines psychisch Kranken relativiert.

Offensichtlich morden nur militante Islamisten und Linksextremisten im Namen einer Ideologie oder einer Religion. Mörder aus dem rechtsextremen Milieu dagegen sind unpolitisch und nur durchgeknallt, denn rechtsextreme Ideologie ist ja prinzipiell kuschelig und dient Volk und Vaterland!
Und selbstverständlich waren wohl auch die durch den Trump-Faschismus beim Sturm auf das Kapitol verursachten Todesfälle keinesfalls politisch bedingt!

Selbstverständlich wurde im Frankreich im Namen einer Religion gemordet. So wie in Deutschland Menschen nur "aus Liebe zur Heimat" zu Mörder wurden.

Extremismus gleich jeder Art ist immer auch ideologisch - religiös, linksextrem - und, ja das gibt es, auch rechtsextrem.

Markus Michaelis | Mi., 17. Februar 2021 - 18:59

Der NYT geht es um Vielfalt. Ausgansgpunkt der Diskussion war ein Vorfall in der Auseinandersetzung des (der) Islam(s) mit westlichen Nationen.

In westlichen Nationen stimmt die NYT mit den Islams überein, dass wir eine vielfältigere Welt brauchen, was in diesen Ländern u.a. bedeutet, dass der/die Islams zu mehr Recht kommen. OK.

Soweit ich es verstanden habe, ist es nicht das Ziel der Islams ein Ding unter vielen zu sein, sondern für sich eine Welt aufzubauen, in der eine islamische Wahrheit gilt. Heute islamische Nationen sehen es auch nicht so, dass der Islam das gleiche Recht wie alle Strömungen haben sollte. Alles ok, aber wie positioniert sich die NYT dazu? Wie ist Vielfalt definiert - im Weltmaßstab ist die NYT "progressiv", aber sicher nicht vielfältig. Welche Vielfalt meint man genau? Geht es nicht mehr um Machtkampf zwischen Machtgruppen? Bitte hier antworten.

Kolonialismus, Rassismus ... alles sehr wichtig. Aber da habe ich ähnliche Fragen, wie es gemeint ist.

Karl-Heinz Weiß | Mi., 17. Februar 2021 - 19:01

Ein sehr wichtiger Beitrag, denn genau dieses Ausschließen anderer Meinungen ist auch in Deutschland zwischenzeitlich weit verbreitet. Was passiert, wenn sich die Mehrheit der Bevölkerung ständig vor Minderheitsmeinungen rechtfertigen muss ? Der gesellschaftliche Zusammenhalt erodiert, weil sich Mehrheitsmeinungen nicht mehr vertreten fühlen. Das Ergebnis eines solchen Prozesses war 2016 in den USA zu besichtigen. Ein nur 95%-iger Egomane wäre 2020 erneut gewählt worden.

Johan Odeson | Mi., 17. Februar 2021 - 20:30

Tja, irgendwann landeten auch die Jakobiner auf der Guillotine. Es gibt immer einen der noch "woker" und "more correct" ist. Im Gegensatz zum zwangsfinanzierten ÖRR und der Subventionierung von Presse durch Steuern in Deutschland, muss die NYT und Le Monde ihr Geld tatsächlich verdienen. Wie wäre es denn mit "Cancel Culture" einmal angewendet und der massenweisen Kündigung von Abos. Man muss das nicht lesen. Nach den Geschehnissen der letzten Wochen in der NYT habe ich das bereits getan. May they write for the ashtray !

Maik Harms | Mi., 17. Februar 2021 - 20:30

Souverän wäre gewesen, Le Monde und NYT hätten einander gedankt für die wichtigen Hinweise auf die je eigenen Blindstellen. Immerhin scheint man doch ein gemeinsames Problem zu haben: die zunehmende Unfähigkeit zur offenen Debatte, und das in einer Zeit, wo Diversität/Vielfalt so oft wie nie behauptet, eingefordert und versprochen wird.

Hat die NYT tatsächlich "aus Rücksicht auf die Gefühle ihrer Leser" GAR KEINE Karikaturen mehr? Mehr eilfertige Selbstzensur geht ja gar nicht.

Übrigens ist es nicht verboten (sondern sogar geboten), nicht nur den Islamusmus, sondern auch den Islam kritisch zu besprechen. Zu seinem eigenen Wohl, sozusagen.

Dirk Weller | Do., 18. Februar 2021 - 07:24

Zitat :
". . . Frankreich grenze mit seinem Kopftuchverbot und anderen Maßnahmen die moslemische Gemeinschaft als Ganzes aus."

Es gibt in Frankreich kein Kopftuchverbot !!!
Es gibt jedoch ein Verbot religiöser Symbole in öffentlichen Einrichtungen !
Das betrifft, Christen, Juden, Hindus, Moslems usw.usf. gleichermaßen.
Dann werden Christen, Juden, Hindus usw. auch ausgegrenzt ???
Warum sich nur die Moslems beschweren, aber anscheinend nicht die anderen Religionen, das ist das eigentliche Thema, und das sollte jedem zu denken geben.
Auch der "Washington Post" und der "New York Times".

Das demokratische Frankreich ist eben ein laizistischer Staat, und das ist gut so.

Detlev Bargatzky | Do., 18. Februar 2021 - 09:28

... dass Medien für die Gestaltung von Politik völlig ungeeignet sind.
Dennoch versuchen sie es immer wieder und zwar ohne jedes politische Mandat und bar jeder Moral (außer der eigenen).

Ich kann mich an einige Informationen über das Wirken der Medien während der Weimarer Republik erinnern und vor allem an das Resumee: Die Zeitungsbesitzer hatten einen gehörigen Anteil am Scheitern dieser Republik. Und wer es nicht glaubt, sollte mal unter dem Suchbegriff "Hugenberg" im Internet suchen.

Ähnliche Situationen gab es in den USA. Man erinnere sich nur an die McCarthy-Ära.

Und aktuell sind die deutschen Medien wieder ganz vorne dabei, in dem sie (wie ihre Vorgänger in den 30ern) wieder gegen Russland und andere "Gefährder" mobil machen.

Schlimm ist eigentlich nur, dass sowohl Politik und erst recht die Medien-Unternehmen und der Berufsstand der Journalisten offenbar nur aus der Geschichte lernen wollen, wie man die gesellschaftliche Spaltung rationeller gestaltet.

sie fassen in Worte was ich schon lange im Hinterkopf habe nur nicht wusste wie ich es formulieren soll. Egal wann und egal wie und wo, es sind die Medien die die Menschen in die gewünschten Richtungen lenken können. Jeder Krieg ob Kultur- oder echter Krieg muss vorbereitet werden dazu braucht man als Meinungsverstärker die Medien. Wenn die Medien im Gleichschritt mit den Regierenden marschieren ist es genauso fatal wie wenn sie versuchen Regierungen zu stürzen. Ich habe mich oft gefragt wie ist es möglich, dass ein Volk auf den Ruf "wollt ihr den totalen Krieg", ja schreit, heute weiß ich es besser. Das stakkatoartige geballte mediale Feuerwerk das seit geraumer Zeit gegen Russland abgefeuert wird erinnert mich an Göbbels und die Vorbereitung auf den Russlandfeldzug. (Und wenn man sich so umschaut wer da verbal an vorderster Front dabei ist? Na ja diesmal sinds die Gutsten der Guten)

Maria Arenz | Do., 18. Februar 2021 - 10:54

daß nicht sein kann, was nicht sein darf". Das gilt insbesondere in Sachen Islam ganz besonders für die New York Times, das Flaggschiff der Ostküsten-Blase, die keine Ahnung von den Problemen hat, die Frankreich und andere europäische Länder mit den Muslimen haben, die seit den 6oer Jahren überwiegend hirezulande eingewandert sind. Das waren eben nicht die handverlesenen Ärzte, Wissenschafter und wohlhabenden Geschäftsleute wie in den USA ( dort nur etwa 1 % der Bevölkerung zudem), die aufgrund ihrer privilegierten sozio-okönomischen Stellung keinen immer reaktionärer werdenden Islam als Gerüst ihres Selbstwertgefühls nötig hatten. Statt langer Dispute über Cancel Cultur würde ich der Redaktion von Le Monde deshalb nur einen Satz als Erwiderung empfehlen: "Wenn man von etwas gar keine Ahnung hat, einfach mal den Mund halten"

hoffe ich sehr, dass man nicht versucht, aus Übersee in einen beginnenden Präsidentenwahlkampf in Frankreich zu intervenieren.
Augenfällig wäre dies evtl., wenn Macron das einzige "Opfer" solcher Vorwürfe würde.
Gibt es da nicht noch andere Aspiranten auf den Präsidentenposten, die eindeutig Islam-kritisch genannt werden können, Herr Brändle?
Da mich die Charlie-Hebdo-Karikaturen nicht ansprechen, würde ich Macron raten, sich auf diesem sehr schwierigen Terrain vorsichtig entlangzutasten, ohne der vielstimmigen Einheit Frankreichs zu schaden und sei es nur unabsichtlich.
Der Cicero informiert via Herrn Brändle und Herrn Walter hoffentlich ausführlich über die nicht all zu weit entfernte Präsidentenwahl in Franreich.

Quirin Anders | Do., 18. Februar 2021 - 15:07

Das Mas-Zitat „Das französische Politspiel besteht im Wesentlichen darin, die Meinungsfreiheit zu verteidigen, wenn sie das eigene Lager begünstigt; den Konkurrenten verweigert man sie aber.“ passt leider auch auf D., bis hinein in den Bundestag. Beispiel ist der Umgang mit den - genauso demokratisch wie alle anderen - gewählten Abgeordneten der AfD. Man muss die AfD und ihre Apologeten nicht mögen; trotzdem ist es für einen wahren Demokraten gruselig, was die anderen Parteien da veranstalten.
Ebenso verlogen mutet es an, wenn Macron vorgeworfen wird, seine Zurechtweisung von Journalisten zeuge nicht von Respekt vor jener Pressefreiheit, die er für die Charlie-Zeichnungen in Anspruch nehme. Nüchtern betrachtet hat Macron die Journalisten nur auf naheliegende Folgen ihre Unterstellungen hingewiesen. Damit hat M. die Pressefreiheit nicht mal ansatzweise in Frage gestellt. Wer Macrons wichtigen und nötigen Hinweis diffamiert, versucht selber, dem Politiker einen Maulkorb umzuhängen.

Ernst-Günther Konrad | Do., 18. Februar 2021 - 16:17

Jeder beharrt auf seinem Standpunkt und jeder wirft dem anderen Intoleranz vor. Keiner debattiert, sondern behauptet von sich, die einzige Wahrheit zu haben. Mir ist es egal, ob die Zeitungen sich beharken. Entscheidend für uns Deutsche kann nur sein, schwappt die rohe islamistische Gewalt demnächst auf uns über? Genügend Beispiele, sog. Einzelfälle hatten wir ja schon. Und da wundert man sich, dass Trump dieser NYT Interviews verweigert und sie auch sonst attackierte. Mich wundert das nicht. Ob Biden (Harris) solche Artikel als Blaupause ihrer eigenen Migrationspolitik nutzen vor dem Hintergrund eines 9/11.
Einst haben Europäer Amerika erobert und die angestammte Bevölkerung unterworfen. Der linke Mainstream verurteilt das zwar, macht das nunmehr in Fortführung des BLM nicht anders mit denen, die sie dafür verurteilen.
Es sind genau diese extremen Sichtweisen einiger Schreiberlinge, die mithelfen, ein Volk zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen, anstatt das Thema zu versachlichen.