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Der Wissenschaftstheoretiker Hans Albert

100. Geburtstag von Hans Albert - Sei kritisch, sei tolerant!

Der Wissenschaftsphilosoph Hans Albert ist noch nie so aktuell gewesen wie zu seinem 100. Geburtstag. Gerade in der aktuellen Debatte über die Wissenschaft in der Corona-Krise zeigt der einstige Weggefährte Karl Poppers, dass eine Letztbegründung von Theoremen und Aussagen nicht möglich ist.

Autoreninfo

Der Kommunikationsmanager und studierte Germanist und Philosoph Karl Hackstette lernte Hans Albert während seines Studiums in Mannheim kennen. Heute lebt der Autor in Oldenburg.

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Philosophie hat sich in den letzten Jahren aus dem akademischen Elfenbeinturm herausgelöst und ist populär geworden. Die Philosophen Richard David Precht, Svenja Flaßpöhler oder Julian Nida-Rümelin zum Beispiel sind in den Medien gefragte Gesprächspartner, gerade auch zu Corona-Themen, die in starkem Maße existenzielle und ethische Fragen berühren. Weniger in der breiteren Öffentlichkeit bekannt ist ein Philosoph, der neben Max Weber und Karl Popper weltweit zu den bedeutendsten Wissenschaftstheoretikern zählt und der am 8. Februar 100 Jahre alt wird: Hans Albert.

Der in Heidelberg lebende Albert ist vor allem mit Arbeiten zur Wissenschaftslehre hervorgetreten. Sein Hauptwerk heißt „Traktat über kritische Vernunft“, das 1968 erstmalig erschien. Berühmt geworden ist das darin dargestellte „Münchhausen-Trilemma“. Dabei geht es um so genannte Letztbegründungen in Wissenschaft, Theologie und Philosophie, die als letzte sichere Grundlagen Geltung bezüglich Wahrheit und Gewissheit beanspruchen. Albert zeigt, dass alle Versuche einer letzten Begründung in eine logische Sackgasse führen und somit zum Scheitern verurteilt sind.

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Karl-Heinz Weiß | Mo., 8. Februar 2021 - 16:58

Danke für diese Würdigung. In Zeiten alternativloser Politik schätzt man die Positionen des Jubilars besonders. Dass Helmut Kohl diese teilte, kann ich allerdings nicht glauben, denn genau hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu Helmut Schmidt.

Dieter Freundlieb | Mo., 8. Februar 2021 - 17:38

Es kann natürlich nichts schaden, mal wieder an einige grundlegende methodische Regeln guter, empirisch ausgerichteter Forschung zu erinnern. Man müsste auch insbesondere sogenannte Klimaforscher darauf hinweisen, dass es ohne theoriegestützte Vorhersagen, die dann überprüft werden müssten, keinen Fortschritt geben kann. Das immer beliebter werdende Arbeiten mit Computermodellen, die auf Daten gestützt werden, die man dann 'tuned' (schönt), wenn sie nicht die gewünschten Ergebnisse liefern, ist eine Korruption von Wissenschaft.

Andererseits darf man es sich mit der Idee der Falsifikation nicht zu leicht machen. Keine halbwegs komplizierte Theorie kann in einem logisch haltbaren Sinn falsifiziert werden. Es gibt immer die Möglichkeit, durch Zusatzannahmen eine Theorie zu 'retten'. Auch Poppers Annahme, die Wissenschaft würde sich der Wahrheit annähern, ist problematisch. Dazu müsste man ja erst einmal wissen, was die Wahrheit ist, um die Annäherung feststellen zu können.

Christa Wallau | Mo., 8. Februar 2021 - 18:06

... KRITISCH UND TOLERANT !
Wer den Rat befolgen will, muß allerdings ein Mindestmaß an "Ratio" mitbringen, sonst wird das nichts.
Es gibt eine zweite Ebene im Menschen, auf der man mit diesem Rat allein wenig anfangen kann. Das ist die Gefühlsebene, die emotionale Seite jedes Individuums.
Wie uns Psychologie u. Anthropologie lehren, ist sie vorrangig wirkam im Menschen u. daher noch viel wichtiger als die rationale Seite.
Hier müssen zusätzliche Ratschläge her.

Die alten Griechen kannten das Motto: Erkenne dich selbst! Das bedeutet für mich u. a. auch, daß man seinen eigenen Körper- u. Gefühls-Sensoren nachspüren, sie hinterfragen, deuten u. sich auf sie verlassen soll. Über sie lernt man, wie wichtig Vertrauen u. Liebe ebenso wie Widerwillen u. Abneigung für jedes gelingende Leben sind.

Wen diese Sensoren zu einem christlichen Glauben führen, welcher auch dem kritischem Denken standhält (!), der ist m. E. damit noch besser beraten als mit der oben zitierten Devise allein.

Welches christliches Glauben meinen Sie im letzten Abschnitt? Glauben ist etwa das Gegenteil von Wissen, also mehr oder weniger starr. Wenn Glauben sich so ändern und entwickeln kann wie das Wissen, dann verkommt es zum Phantasieren: Immer wieder etwas Neues erfinden, was gerade logisch und glaubhaft erscheint, was gerade aktuelle Fragen des Lebens beantworten versucht.

Christa Wallau | Mo., 8. Februar 2021 - 20:10

Antwort auf von Konrad Schiemert

und zwar ein Vertrauen auf etwas, das man nicht schlüssig Dritten beweisen kann, wie dies etwa ein Naturwissenschaftler mit einem Experiment leistet.

Der christliche Glaube besteht - kurz ausgedrückt - im Vertrauen auf die Person u. überlieferte Botschaft Jesu Christi, der Gott uns Menschen als seinen u. unser aller Vater verkündet hat. Es ist der Glaube an den Gott der Liebe.
Nicht diese Überzeugung kann u. darf sich ändern, sondern das Nachdenken über die vielfältigen Begründungen des Glaubens, die sich im Laufe der Geschichte u.der
Jetztzeit ergeben. Das hat nichts mit Phantasieren zu tun, sondern läßt sich mit
den Begriffen Interpretation o. Exegese umschreiben.
In erster Linie wird der Glaube durch Erfahrungswissen u. persönliche Erlebnisse
gestärkt. Er setzt die grundsätzliche Bereitschaft voraus, n e b e n dem beweisbaren Wissen (das ja sowieso durch die Zeit in der wir leben, eingegrenzt ist) eine Erkenntnisebene anzuerkennen, die unser jetziges Verstehen weit überragt.

Der Kritische Rationalismus hat nichts mit Vertrauen und Glauben zu tun. Was wir glauben ist nur dann relevant, wenn wir etwas davon beweisen können oder wenn daraus neue Ideen entstehen, die uns weiterbringen. "Eine Erkenntnisebene ..., die unser jetziges Verstehen weit überragt" kann eine begründete Hypothese sein, aber mit Sicherheit nicht mehr. Es wäre ein fataler Denkfehler irgendeine Überzeugung als Tatsache zu sehen oder erkennen, egal wie logisch sie erscheint und egal wie viele Leute diese Überzeugung teilen.
Mit vollem Respekt für Ihren Ansichten, ich bleibe bei meiner Meinung: Glauben ist eine (meist streng persönliche) Phantasiewelt, egal wie schön es dargestellt wird.

Romuald Veselic | Mo., 8. Februar 2021 - 18:29

Alle Macht den Longdrinks!
Im Text: Nach den Worten von Hans Albert kann der kritische Rationalismus keiner Instanz Unfehlbarkeit und das Recht auf Dogmatisierung bestimmter Problemlösungen zugestehen. Weder könnten Problemlösungen noch dafür zuständige Instanzen Kritikimmunität beanspruchen. Mehr noch, so Albert: Je stärker gewisse Autoritäten einen solchen Anspruch betonten, umso eher scheine der Verdacht gerechtfertigt zu sein, dass hinter diesem Anspruch die Angst vor der Aufdeckung von Irrtümern stehe. (Match!)?
Herrlich klassisch aber auch gefährlich, sowas zu äußern. Vor allem dort, wo man Märtyrer Kult pflegt u. hegt, sowie Unfehlbarkeit zelebriert.
Es gibt ein Aberglaube, in dem man folgend argumentiert: "Du solltest nicht hinterfragen, was gegeben ist. Denn Hinterfragen ist der Vorhof für Unglaube. Der Unglaube; bedeutet Hölle." So lustig wie das Übernachten in einer Krypta.

Gisela Fimiani | Mo., 8. Februar 2021 - 19:08

„Sei SELBSTkritisch und befleißige Dich der Demut“, möchte ich im Sinne Poppers hinzufügen.

Ernst-Günther Konrad | Di., 9. Februar 2021 - 16:13

Das wollen die links-grün getriggerten Phantasten einfach nicht hören.
"Weder könnten Problemlösungen noch dafür zuständige Instanzen Kritikimmunität beanspruchen."
Genau das ist es, was Merkel & Co. offenkundig nicht verstehen können oder wollen.
Deshalb wird jede Form der streitbaren Auseinandersetzung vermieden, untergraben und verhindert. Es gibt derzeit nur eine alternativlose Meinung.
Die Frankfurter Schule hat sich durchgesetzt.
"Albert zeigt, dass alle Versuche einer letzten Begründung in eine logische Sackgasse führen und somit zum Scheitern verurteilt sind."
Das sehen wir derzeit in der Corona Politik und dem Zahlenwirrwarr des RKI und der letztlich fehlenden Erklärungen und Begründungen.
Ein wacher Geist erkennt das, ein schläfriger Geist erkennt es nicht.
Die allermeisten hier im Forum sind wach. Es gehlen nur noch die restlichen 80% im Volk, die sich noch immer einlullen lassen. Herzlichen Glückwunsch Herr Albert zu dem hohen Alter. Ihr Geist wird die Zeit überdauern.

"Die Frankfurter Schule hat sich durchgesetzt."

Ich muss Ihnen widersprechen. Adorno, als Hauptvertreter der ersten Generation der Frankfurter Schule, war in seinen philosophischen Gedanken niemals autoritär. Ganz im Gegenteil, wie auch schon seine empirisch soziologische Studie zur autoritären Persönlichkeit zeigt. Bei Habermas und seinem bereits verstorbenen, etwas älteren Freund und Kollegen K.-O. Apel als Vertreter der zweiten Generation muss man sagen, dass sie beide die Idee einer gewaltlosen und absolut unvoreingenommen Diskussion auf ihre Fahnen geschrieben haben. Deshalb ist Ihre Aussage, dass die Frankfurter Schule sich durchgesetzt habe, für mich absolut unverständlich.

Womit ich nicht sagen will, dass ich mit allen dreien oder auch nur mit einem von ihnen philosophisch übereinstimme.

no