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Kamala Harris / dpa

Neue Gerechtigkeitsformel - Gleiches Unrecht für alle?

Es gibt zwei Wege zur Gleichheit: Auf dem einen werden die Benachteiligten unterstützt, auf dem anderen nimmt man den Bessergestellten ihre Privilegien. Weg eins beschreibt eine gesellschaftliche Utopie, Weg zwei eine Dystopie. In der Antirassismus-Bewegung wird letztere Methode gerade erschreckend real.

Autoreninfo

Judith Sevinç Basad ist Journalistin und lebt in Berlin. Sie studierte Philosophie und Germanistik und volontierte im Feuilleton der NZZ. Als freie Autorin schrieb sie u.a. für FAZ, NZZ und Welt. Sie bloggt mit dem Autoren-Kollektiv „Salonkolumnisten“. 

So erreichen Sie Judith Sevinç Basad:

In der Zukunftsdystopie „Harrison Bergeron“, einer Kurzgeschichte von Kurt Vonnegut aus dem Jahr 1968, wird die Idee des Marxismus ad absurdum geführt: Nicht nur das Privateigentum aller Bürger ist in dem fiktiven Staat gleich verteilt, sondern auch deren kulturellen und psychologischen Ressourcen. So werden intelligente Menschen mit Kopfhörern ausgestattet, die in regelmäßigen Zeitabständen durch laute Töne die Gedanken der Menschen unterbrechen. Andere müssen Masken tragen, um ihre Schönheit zu verbergen. Und athletische Menschen bekommen Gewichte um den Hals gebunden, damit sie niemanden mehr physisch überlegen sein können.

Die Logik, die hier verfolgt wird, ist einfach: Um die absolute Gleichheit zu erreichen, werden benachteiligte Menschen nicht etwa unterstützt. Vielmehr nimmt man denjenigen, die vermeintlich besser gestellt sind, die „Privilegien“ weg. Es ist genau dieses Prinzip der Missgunst, das sich gerade in der Antirassismus-Bewegung breit macht – von der sich auch die mächtigsten Politiker der Welt beeinflussen lassen.

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Christa Wallau | So., 31. Januar 2021 - 10:20

Gleichb e r e c h t i g u n g durch Gleichs t e l l u n g zu ersetzen, fing das Unheil an.

Eine Politik, die darauf ausgerichtet ist, alle Menschen gleichzustellen, wird zwangsläufig zu einer unmenschlichen Diktatur.
Denn die Menschen s i n d nicht gleich, und wer sie gewaltsam "gleicher" machen will, greift brutal in ihre Leben ein - zum Schaden der Einzelnen und der Gesellschaft.
Er legt ein unnatürliches "Normal-Niveau" fest, das sich zwangsläufig immer nach unten hin bewegen muß. Dadurch begibt sich eine Gesellschaft ihrer besten Köpfe und Ressourcen.

Von den USA ist dieses falsche und gefährliche Denken ausgegangen und hat sich - was Europa anbetrifft - vor allem in Deutschland durchgesetzt.
Bei uns vollziehen sich ja meistens alle Entwickungen mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, die in den USA begonnen haben.

Es wird allerhöchste Zeit, diesem schädlichen Trend mit aller Kraft entgegen zu wirken!

Die Gräueltaten des 20. Jhds haben gezeigt, dass Gruppendenken und Gleichmacherei die Welt nicht besser machen, sondern die Hölle auf Erden schaffen können.
Während die Linke zurecht Zustände verhindern will, die zu den KZs geführt haben steuert sie zielstrebig auf Zustände hin, die die Gulags ermöglichten.

Richtig, mit der Politik der Benachteiligung bestimmter (elitärer?) Gruppen zur Erreichung der vollkommenen Gleichstellung wird in allen Bereichen der niedrigste Standard zum Maßstab. Das beginnt bei der Ausbildung (s. Bsp. Univ.) über Einstellungen / Beförderungen bis in höchste Ämter der Politik. Das „Minimum“ wird zum neuen Maßstab.
Wie will man mit dieser Politik ein gespaltenes Land einen? Wie will man armen, weißen Arbeitern in den USA verständlich machen, dass sie für einen weniger qualifizierten Nichtweißen auf den Arbeitsplatz verzichten müssen? Trifft das auch auf die IT-Spezialisten im Silicon Valley zu? Gilt die Bevorzugung auch für die Menschen aus Mittelamerika, die sich gerade auf dem Weg befinden? Was hilft dem Armen ein Stück Land, wenn er keine Ahnung von Landwirtschaft hat?
Am Ende dieser Politik wird ein kaum ausgebildeter Nichtweißer das höchste Amt des Landes führen. Nach langer Zeit der Eliten an der Macht ist das evtl. gerecht, aber ist es auch gut für das Land?

Dieter Freundlieb | So., 31. Januar 2021 - 10:21

Ich stimme Frau Basad grundsätzlich zu. Was sie zu Kamala Harris und ihrem Twitter Video sagt, stimmt aber so nicht. Equality und equity können im Englischen schon einzeln verwendet verschiedene Bedeutungen haben. Aus dem angeführten Twitter-Video gehen aber die hier gemeinten Bedeutungen klar hervor.

Im Artikel steht "'Equality' – also Chancengleichheit – reiche nicht aus, um den Unterprivilegierten zu helfen". Das ist nicht richtig, da 'Equality' eben nicht Chancengleichheit bedeutet. Die Video-Sprecherin sagt ganz richtig, dass 'Equality' Gleichheit bedeutet. Jeder bekommt dasselbe. Und das hält sie, völlig zurecht, für ethisch falsch. Erforderlich ist Equity. In diesem Beispiel also gleiche Startchancen für den schwarzen Bergkletterer wie für den weißen. Beide Kletterer müssen in gleichem Abstand vom Kletterseil stehen um die gleichen Chancen zu haben.

Wer die USA kennt, weiß dass systemischer Rassismus zwar vereinzelt noch vorhanden ist, die Schwarzen aber weniger am Aufstieg hindert, als deren Familienverhältnisse. Das ist der tatsächlich größere Abstand zum Kletterseil. Ohne funktionierende Familie mit zwei verantwortungsvollen Elternteilen schaffen es nur die wenigsten in einer Gesellschaft Fuß zu fassen. Das ist unabhängig von der Hautfarbe.

...mehrfach zu dieser Frage interviewt und er hat sehr interessante Dinge dazu gesagt. Beispielsweise auch, daß es nicht Rassismus ist, der die Schwarzen scheitern läßt, es liegt in den Familien, wenn die Kinder früher oder später auf der Straße und im Knast landen. Er sprach auch über seine besten Freunde aus der Kindheit, die alle im Knast gelandet sind, weil die Väter auch da waren, er hatte das Glück, daß seine Eltern auf Bildung Wert gelegt haben.... diese Entwicklung jetzt auf mangelnde Chancen und den Rassismus der Weißen zu schieben, ist allerdings die einfachste Möglichkeit.... :-/

Es sollte bezüglich den USA doch einmal geschaut werden, welchen Respekt sie den Ländern die durch ihren Einmarsch destabilisiert worden sind entgegen bringen. Sie haben dadurch Flucht, Vertreibung und Einwanderung vorangetrieben. Das hat seit der Kolonialzeit, zumindest in Nordamerika, doch nie aufgehört. Nun möchte man hier ein neues Weltbild kreieren das meiner Ansicht nach lediglich scheitern kann. Gleich ist eben niemals wirklich gleich und Wunschdenken ersetzt niemals die Realität.

darüberhinausgehend auch auf ein vergleichbares! Endergebnis setzen darf.
Dafür steht mir das Christentum und die SPD, will sagen, Schwächere brauchen mehr Unterstützung für das, was Starke "alleine" schaffen, aber wir möchten doch, dass es ALLE schaffen.
Daran sind unsere Sozialsysteme ausgerichtet.
In diesem Ausgleich, für diesen, mit spitzem Bleistift zu rechnen, finde ich dann wieder verkehrt, neige da zu einer liberaleren Haltung, die Menschen neben dem Zusammenhalt auch die Freiheit belässt, Unterschiede belässt, aber nicht noch unbedingt fördert.
Das bringt uns ALLE nach vorne.
Ich versuche es in der SPD, im Zusammenspiel mit Anderen.
Und wenn dabei "nur" gesellschaftlicher Frieden und ein Miteinander gedeiht, ich liebe das nun mal.
Ausgrenzung/Ablehnung, Hetze und Hass, egal von welchen Gruppen aus, lässt mich BETEN.
Ich habe es nicht mit dem Kampf.
Meine große Traumatisierung waren die Bilder des 1./2. Weltkrieges und des Holocaust und was das mit den Menschen gemacht hatte.

Maria Arenz | So., 31. Januar 2021 - 10:22

Der Urspung dieses Konzeptes zur Beglückung dunkel pigmentierter Menschen, die CRT (Critical Race Theory) ist garnicht so neu- sie begann in den 80er Jahren an US-Universitäten und lange hat sie niemand Ernst genommen. Das "Projekt" ist die logische Folge des Scheiterns praktisch aller seit Mitte der 60er Jahre in den USA speziell zur Förderung von Afromaerikanern aufgelegten Sozialprogramme. Statt aber die Gründe des Scheitens im Einzelnen zu analysieren -die allzu oft in völlig weltfremden Annahmen ihrer "Designer" lagen- und es neu und besser zu machen, hat man die Programme einfach stillschweigend einschlafen lassen. Die jetzt propagierte Methode zur Herstellung von Gerechtigkeit erinnert an eine erste Hutu-Rebellion in Ruanda in den 70er Jahren- dort hat man den mindestens einen Kopf größeren Tutsi massenhaft einfach die halben Unterschenkel abgehackt. Allerdings konnten die Hutu danach trotzdem nicht schneller laufen

Christoph Kuhlmann | So., 31. Januar 2021 - 10:39

landet automatisch beim Rassismus für Minderheiten. Ich meine, glaubt irgendjemand, dass Menschen aus sagen wir mal patriarchalisch, rigiden Strukturen in deren Bildungssystem und Medien offen Antisemitismus gepredigt und Frauenrechte negiert werden weniger rassistisch ist als die Bürger eines modernen Einwanderungslandes mit einer funktionierenden Demokratie? Es sind typische Extremisten Positionen, die der einen Seite pauschal als Opfer darstellen und die andere pauschal als Täter. Das tun übrigens die Rechten und die Linken.

Hans Page | So., 31. Januar 2021 - 14:09

Diktatur denn anders lässt sich die Benachteiligung der besser „dotieren“ nicht bewerkstelligen da diese sich irgendwann auch wehren werden(siehe Trump Bewegung). Dazu gehören Straflager (wenn nicht Vernichtung wie die der Kulaken in der russischen Revolution, der „Gebildeten“ unter dem Khmer Rouge oder der „Bourgeoisie“ in der maoistischen Kulturrevolution) und „Umerziehung“. Wer will das wirklich...?

Ares Glyck | So., 31. Januar 2021 - 14:54

"Ignorant, beschämend und es wird ausgenutzt"?

Beispiel (Netzfund von Samstag).Titel; "Ein simples Experiment, um den instrumentellen Charakter des Wortes Islamophobie zu verdeutlichen"

»Ersetzen wir das Wort „Ìslam“ durch „Christentum“ und warten mal ab, was passiert…auf Demonstrationen sieht man seit jeher aggressiv anti-religiöse und blasphemische Schilder und Slogans, was die (christliche) Kirche gewiss nicht erfreut. Man kann diese Slogans unangebracht, unangemessen, geschmacklos und noch vieles mehr finden, aber bisher wurde noch niemand, der sie präsentiert hat, der „Christophanie“ bezichtigt…«.

Bernd Muhlack | So., 31. Januar 2021 - 16:35

Meine Tochter arbeitet bei einem britischen Unternehmen im Bereich der private equity. Es gibt auch Niederlassungen in Berlin und Paris, was ob des Brexits sehr vorteilhaft ist!
Bei der Kreditvergabe ist einzig u allein die Bonität, das Konzept entscheidend. Ob der Kreditnehmer/-geber ein Farbiger, Blinder, queer oder sogar ein weißer Hetero ist, ist irrelevant - pecunia non olet!

Dieses BLM-Gender-Gedöns etc ist quasi die Inkarnation des Sinnfreien!
Ich erinnere mich noch an DNA, alpha-helix und Mendelsche Gesetze (der mit den Erbsen; bitte nicht Bonduelle verwechseln!)
Ein Kolonialismus-Gen? Bullshit!
Präsident Erdogan spricht gerne von türkischen Genen und türkischem Blut!
All das ist hinlänglich bekannt, hatten wir schon einmal!
Gestern vor 88 J war die "Machtergreifung".

Die nächste "Machtergreifung" wird eine "feindliche Übernahme" der Gesellschaft seitens der Hypermoralisten sein - WIR sind die GUTEN!

Frau Basad bringt es mMn wieder auf den Punkt = right into the bulls eye!

Karla Vetter | So., 31. Januar 2021 - 18:16

Es gibt und gab ihn überall.Der Rassismus der sog. "Arabischen Reiter" gegenüber den Schwarzen in Somalia, hat manchem von ihnen das Leben gekostet.Ist der Rassismus von "Black Power" oder von" Nation of Islam" edler als der der Weißen?Der Satz von Harris ist entlarvend. Sie will nicht nur "Startgerechtigkeit",sondern auch "Ankunftsgerechtigkeit". Es geht hier eben nicht um Chancengleichheit zu Beginn, sondern um das Landen am gleichen Platz. Das aber hängt vom Einzelnen selbst ab.Garatieren kann das weder eine "weiße Gesellschaft" noch eine" Farbige".Wir Menschen sind unterschiedlich ,so mancher will gar nicht auf den Berg hinauf.

Markus Michaelis | So., 31. Januar 2021 - 22:54

Das scheint mir das falsche Beispiel. Die perfekt Gleichstellung, so dass alle sich an den Schwächsten orientieren, haben die Roten Khmer erreicht: da es immer Leute gibt, die sterben, was die Schwächsten der Gesellschaft sind, haben die Khmer einfach erfolgreich das ganze Volk umgebracht. Mehr Gleichstellung geht nicht.

Aber das ist nicht, was hier passiert - wir orientieren uns ja nicht an den Schwächsten. Kamala Harris will nicht ab morgen in irgendeinem Vorstadt-Burger dinieren. Natürlich orientiert man sich an den besten Sonnenplätzen, nur wie in jeder Umwälzung geht es darum, dass andere Leute und Gruppen auf diese Plätze wollen.

Die Elite-Unis, Top-Medien, die Demokraten und das Sillicon-Valley sind auch nicht deswegen gegen systemischen Rassismus, weil sie auf das Niveau abgehängter Vorstädte runterwollen. Natürlich nimmt man diesen Begriff als aktuelles Distinktionsmerkmal um die eigene Spitzenposition zu festigen - zumindest der Versuch.