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Die Kaiserproklamation am 18. Januar 1871 im Schloss Versailles / dpa

Gründung des Deutschen Reiches vor 150 Jahren - Lange Schatten

Heute vor 150 Jahren wurde das Deutsche Reich gegründet. Als Parvenu unter den Monarchien konnte es seine Unsicherheiten und seinen Mangel an Stil nie ganz ablegen. Beim Blick zurück bleiben gemischte Gefühle.

Ulrich Schlie

Autoreninfo

Ulrich Schlie ist Historiker und Henry-Kissinger-Professor für Sicherheits- und Strategieforschung an der Universität Bonn.

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Die Gründung des Deutschen Reiches vor 150 Jahren im Jahr 1871 war ein Paukenschlag, der damals nicht wenige Deutsche in Gefühle nationaler Extase versetzte. Einer der führenden Historiker, Heinrich von Sybel, schrieb damals in einem Brief an einen Kollegen: „Wodurch hat man die Gnade Gottes verdient, so große und mächtige Dinge erleben zu dürfen? Und wie wird man nachher leben? Was zwanzig Jahre der Inhalt allen Wünschens und Strebens gewesen, das ist nun in so unendlich herrlicher Weise erfüllt.“ 

Im Ausland war der Jubel verhalten, hier dominierten Sorgen vor dem neuen Deutschland, das aus Preußen hervorgegangen war. Wie würde sich dieser neue Staat verhalten? Wie entwickeln? Würde er sich einfügen in das Mächtesystem? „Dies ist die deutsche Revolution, ein größeres Ereignis als die Französische Revolution vor hundert Jahren“, so umschrieb der Führer der damals in der Opposition stehenden britischen Tories, Benjamin Disraeli, in einer Unterhausrede die Tragweite der durch die Reichsgründung ausgelösten Machtverschiebung. 

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Helmut Bachmann | Mo., 18. Januar 2021 - 09:55

das es einen guten Artikel im Cicero gibt. Den von Herrn Grau. Deutsche Historiker scheinen der Sache nicht gewachsen, dafür aber mit dem Zeitgeist verwachsen.

Bernhard K. Kopp | Mo., 18. Januar 2021 - 14:16

Antwort auf von Helmut Bachmann

Wir haben auch von Historikern gelernt. 150 Jahre deutscher Einheitsstaat muss kein pathetisches Jubiläum sein, bleibt aber ein geschichtsmächtiges Datum. Mir scheint, dass die Politik zu feige ist, um das Datum, das natürlich sehr viel Licht und Schatten in sich hat, angemessen zu würdigen. Auch akademische Historiker müssten Drittmittel bekommen, um eine Würdigung zu organisieren. Wenn keine Musik bestellt wird, dann bleibt es still.

Jürgen Waldmann | Mo., 18. Januar 2021 - 15:24

Antwort auf von Helmut Bachmann

https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8447651.html#:~:text=Tirpitz,%20….

Mir hat früher der Historiker Augstein sehr imponiert , hat er doch Geschichte als unabhängiger Beobachter betrachtet , wie sein Artikel über Tirpitz zeigt . Heutige Historiker erscheinen mir mehr als Hysteriker , befangen im Grün - Rotem Zeitgeist .
Churchill sagte 1936 dem Auswärtigen Ausschuß :
"400 Jahre lang war es die Außenpolitik Englands, der stärksten, aggressivsten und dominierendsten Macht auf dem Kontinent entgegenzutreten. Die Frage ist nicht, ob es Spanien oder die französische Monarchie oder das französische Kaiserreich oder das deutsche Kaiserreich oder das Regime Hitlers ist. Es hat nichts mit Herrschern oder Nationen zu tun. Es geht nur darum, wer der Stärkste ist."
Deutschland war als Wirtschaftsmacht für England immer Gegner Nr. 1

Ich denke mal, dass Deutschland heute zu klein ist, als das ein solcher Ansatz noch Sinn machen würde. Es hieß auch mal, dass UK der Vertreter der USA in der EU wäre. Interessanterweise hat heute China Vertreter in der EU, was darauf hindeutet das dieser Ansatz heute noch relevant ist. Aber für UK war das offenbar kein wichtiger Grund gewesen den Brexit abzublasen.
Also, der Kampf der Mächte von vor 150 Jahren ist heute obsolet, weil andere deutlich stärker sind. Sicher auch weil vor 150 Jahre Deutschland noch eine deutlich jüngere Bevölkerung hatte, die Lust aufs Kämpfen hatte. Derartige Länder gibt es heute auch noch, aber nur noch außerhalb Europas, etwa in der islamischen und afrikanischen Welt.

Ronald Lehmann | Di., 19. Januar 2021 - 09:20

Antwort auf von Helmut Bachmann

Die einen die Guten, die anderen die Bösen. Im kleinen wie auch im Großen.
Konzentration bringt logischer Weise auch immer negative Effekte mit, egal ob Rom, Paris, London oder Berlin. Aber auch Washington, Moskau, Peking uva..
Womit ich persönlich nicht klar komme. Das einst mal gute menschliche Eigenschaften auch wieder auf einmal in die Versenkung schwinden wie z.B. früher die Pünktlichkeit & Selbstdisziplin oder die Nächstenliebe (Solidarität).
Vor allem die Säulen der Macht & ihrer Eliten sind für mich persönlich keine "Bewahrer" der Liebe & des Fortschritt.
Am deutlichsten in der heutigen "Einstellung":
Was lange hält, bringt kein Geld. Langlebigkeit ade.
Soviel zur heutigen Nachhaltigkeit, was es als Wort früher nicht/kaum gab. Zeigt aber auch auf, dass die menschliche Entwicklung kein Prozess ist, der den vom niederen zum höheren geht, sondern eher eine Sinuskurve ist.
Ergo - eine höhere Entwicklung muss nicht zwangsläufig gerechter, humaner & menschlicher werden.
MfG

Karl-Heinz Weiß | Mo., 18. Januar 2021 - 10:24

Der fehlende Wille der politisch Verantwortlichen zu einem wirklichen Nationalstaat zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsche Geschichte. Diese Geringschätzung zeigte sich 1871 bei der Reichsgründung auf französischem Boden und in den Jahren nach 1989 durch die Geringschätzung des Nationalbewusstseins durch eine Politikerin aus den neuen Bundesländern.

Ingo Kampf | Mo., 18. Januar 2021 - 22:42

....immer bezogen auf die Zeit, in der sich die Geschehnisse abspielten. Die „neuen“ Deutschen waren nicht besser und nicht schlechter, als die alten Mächte um Deutschland herum. Aber der wirtschaftlich-technische Aufschwung machte den anderen Angst. Gegenüber Frankreich kam die höhere Geburtenrate Deutschlands hinzu. GB konnte einfach nicht verkraften, daß dieses neue Deutschland technologisch führend wurde und GB von den Weltmärkten verdrängte. Bei so viel Angst um Deutschland herum, hätte es einer ständigen Demutshaltung bedurft, um Zweifel zu zerstreuen.
Wer konnte das damals verlangen? Christopher Clark hat recht, in dem er behauptet, daß die Mächte, wie Schlafwandler in den großen Krieg gefallen sind. Deutschland war zu stark, als das GB, F und RU es hätten schlagen können. Erst das Eingreifen der USA brachte eine Wende. Aber Wilson war zu schwach, den Rachegelüsten Clemencaus und Geogres Einhalt zu gebieten. So fesselten sie einen Riesen und lösten den WW II aus !

"So fesselten sie einen Riesen und lösten den WW II aus !"

Und ich dachte immer, Deutschland hätte Polen überfallen, während die wichtigsten Staaten sich um Frieden bemühten (s.a. Münchner Abkommen). War aber wohl wieder so ein Antifa-Fake.

Fritz Elvers | Di., 19. Januar 2021 - 21:31

und der Herrschenden.
Viele Kriege waren nötig, in denen die Söhne der Völker verbluten mussten, bis Bismarck sein Reich endlich fertig hatte, mit einem Grüßaugust an der Spitze, der eigentlich gar nicht wollte.

Karl Marx hatte da schon 23 Jahre vorher sein Manifest herausgebracht und nachgewiesen, dass deren Zeit abgelaufen ist und das Bürgertum übernehmen wird.
Ein geeintes Deutschland wurde schon 1848 gefordert, nach Möglichkeit ohne diese adeligen Faulpelze.
Die Geschichte der Arbeiterbewegung führte letztendlich zu dem, was wir heute haben.