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Matteo Renzi wird ein übergroßes Ego nachgesagt / dpa

Regierungskrise in Italien - „Politik ist keine Reality Show“

Um der politischen Bedeutungslosigkeit zu entgehen, riskiert Ex-Premier Matteo Renzi eine Regierungskrise. Einen schlechteren Zeitpunkt hätte er sich kaum aussuchen können, denn wegen der Corona-Pandemie steht Italien ohnehin schon am Abgrund.

Autoreninfo

Julius Müller-Meiningen arbeitet seit 2008 als freier Journalist in Rom. Er berichtet auf seiner Homepage 
www.italienreporter.de

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In Italien ist das eingetreten, was sich angesichts der Corona-Pandemie nur die allerwenigsten wünschen konnten: eine handfeste Regierungskrise, der Bruch der Koalition. Der Rücktritt von Regierungschef Giuseppe Conte steht im Raum, sogar Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen. Am Mittwochabend kündigten zwei Ministerinnen der Klein-Partei Italia viva (Iv) ihren Rücktritt aus der Regierung von Premier Conte an. Italia viva ist die Partei des einst gefeierten Reformers und Ex-Premiers Matteo Renzi.

Übergroßes Ego

Renzi wird ein übergroßes Ego nachgesagt. Er setzt jetzt nicht nur die eigene politische Karriere, sondern auch die Zukunft Italiens aufs Spiel. Landwirtschaftsministerin Teresa Bellanova und Familienministerin Elena Bonetti sind nicht mehr Teil des Kabinetts. Im Senat, der zweiten Parlamentskammer, hat die Links-Koalition ohne Italia viva keine Mehrheit. Alles ist nun in Italien möglich: Die Bildung einer neuen Regierung mit neuem Premierminister, eine Neuauflage der alten Koalition mit dem bisherigen Premier, vielleicht sind am Ende Neuwahlen unausweichlich. Die Krise deutete sich seit einem Monat an, nun ist sie trotz aller Warnungen eingetreten.

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Heidemarie Heim | Do., 14. Januar 2021 - 14:38

Ob es in Italien in Händen und Verwaltung von 300 Bürokraten oder direkt bei den Politikern besser aufgehoben ist, kann ich von außen nicht beurteilen. Aber es erinnert mich an die Endlosverhandlungen und den provokativen Poker der Griechen mit der EU damals. Insbesondere was die "Aufsicht" durch die "Kommissare" und deren Reformforderungen betraf war auch da jedes Mittel bis hin zu Fascho-Karikaturen recht, um sich dagegen zu verwahren. Der Südländer ist da wohl ein wenig sensibler bzgl. solcher Beschneidungen seines Egos;). Da scheint es wohl auch keine Rolle zu spielen mal kurz die ganze Regierung und sich selbst zu meucheln. Salvini wird dies höchst erfreulich finden. MfG

Bernhard Marquardt | Do., 14. Januar 2021 - 17:35

Wenn ich das richtig verstanden habe, geht der Streit hauptsächlich darum, wer die vielen Milliarden der EU und wohin möglichst spurlos verschwinden lassen kann.
Darüber sind sich die verschiedenen „ehrenwerten Gesellschaften“, sprich Mafiabosse wohl noch uneins.
Kann man nachvollziehen.

Kai Hügle | Do., 14. Januar 2021 - 17:38

Ich glaube, Salvini hat gerade andere Sorgen. Nachdem das Parlament seine Immunität aufgehoben hat, bereitet er sich auf Prozesse vor, in denen er wegen Amtsmissbrauch und Freiheitsberaubung angeklagt ist. Am 20. März geht's los. Im Falle einer Verurteilung droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe. Vielleicht kann er die Zeit nutzen, einen Beruf zu erlernen. Auch in italienischen Gefängnissen werden Häftlinge bei der Resozialisierung unterstützt. Drücken Sie ihm die Däumchen!

Heidemarie Heim | Fr., 15. Januar 2021 - 11:45

Antwort auf von Kai Hügle

Da kann man nur hoffen, dass das mit der Berufswahl im Knast besser funktioniert als es mit Amri der Fall war werter Herr Hügle!
Ich glaube statt politischer Prozesse die so oder so meist nach hinten losgehen und bei denen man dabei wenn es schlecht läuft auch noch "Märtyrer" oder Opfer eines politischen Systems kreiert, haben die Staatsanwaltschaften und Gerichte Italiens genügend mit dem fast aussichtslosen Kampf gegen Korruption und ihre Syndikate zu tun. Auch bin ich mir nicht sicher, ob Salvini nicht auch noch Zellennachbarschaft aus den Reihen der momentan Herrschenden bekommen könnte wenn Immunitäten entfallen. Oder glauben Sie, die haben alle makellos weiße Westen im Schmutz des dafür anfälligen Politikgeschäfts? Und im Gegensatz zu uns wissen die Italiener genau was sie von ihren Politikern in der Hinsicht zu erwarten haben oder nicht. Auch deshalb wechselt man dort Regierungen scheinbar chaotischer als die Wäsche. Auch wenn`s wehtut und uns dafür das Verständnis fehlt.MfG

Gerhard Lenz | Fr., 15. Januar 2021 - 16:17

Antwort auf von Heidemarie Heim

Verstehe ich nicht so ganz, Frau Heim, aber "mann" - selbst ich - muss ja nicht immer alles verstehen. Andere tun das ja auch nicht.

Salvini war immerhin zu Zeiten der Hochkonjunktur rechtspopulistisch-extremistischen Überschwangs einer der großen Hoffnungsträger. Dabei war das doch so ein ungelernter Sprücheklopfer, der eigentlich nichts konnte, außer wie ein Gockel am Strand herumzustolzieren und über Migranten herzuziehen. Gut, manche beeindruckt bereits das.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Leute wie Meuthen bzw. seine Wasserträger*in hier im Forum Salvini (oder Strache) bejubelte(n).

So wie natürlich den obersten Hoffnungsträgern der sozial-national-globalistischen Erweckungspopulisten, den großen Donald.

Und heute? Sind das alles Nullnummern, zum Teil strafrechtlich belangt.

Nun gut, in Europas Osten halten sich deren "Verbündete" (Orban & Co.) ein wenig länger, aber das muss ja nicht so bleiben.

Machen Sie es gut, wehrte Dame aus der Pfalz!

Kai Hügle | Fr., 15. Januar 2021 - 16:42

Antwort auf von Heidemarie Heim

Tut mir leid, ich hatte vergessen, dass Rechtspopulisten keine Straftaten begehen und stets Opfer politisch motivierter Prozesse sind, während das Vorgehen gegen Carola Rackete natürlich 100%ig in Ordnung war - wie der Kollege Wendt bestätigt:

"Die Art, wie der europäische Rechtsstaat Italien derzeit agiert, findet meine Zustimmung, hier wird nicht das Recht außer Kraft gesetzt, weil man sich gerade die Maske einer selbst definierten Moral aufgesetzt hat, deshalb der spontane Ausruf 'Bella Italia'."

Ich zitiere mal aus einer Quelle, die Sie sicher kennen und schätzen:

https://www.theeuropean.de/rainer-wendt/in-italien-regiert-der-rechtsst…

Auch mfG

helmut armbruster | Do., 14. Januar 2021 - 17:40

ich glaube das Land hatte über 50 Regierungen seit Kriegsende.
Im Grunde ist es gleichgültig wer Italien regiert. Egal wer regiert, er wird nicht lange regieren. Die nächste Runde wartet schon um auch an den Futtertrog zu kommen.
Italiener wissen das und trauen deshalb ihren Regierungen auch nicht allzu viel zu. Das Ritual Regierungswechsel ist nur allzu bekannt.
Das Land hilft sich selbst, so gibt es z.B. eine gewaltige "economia sommersa" (Schattenwirtschaft), selbstverständlich am Finanzamt vorbei.
Und so kommt es, dass der ital. Staat eigentlich pleite ist, der Durchschnittsitaliener aber ziemlich wohlhabend ist und ganz gut leben kann.
Wir sollten uns nicht um Italien kümmern, das machen die Italiener schon alleine, wir sollten uns darum kümmern, dass wir nicht die fast einzigen Nettozahler der EU sind. So könnte der hier erwirtschaftete Wohlstand auch hier im Lande bleiben, käme den Deutschen zugute und nicht notorischen Pleitestaaten wie Italien, Griechenland usw.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 15. Januar 2021 - 08:49

Das derzeitige politische Geschehen in Italien spiegelt doch nur das wider, was sich seit 1949 schon 64-mal gezeigt hat. Die Italiener sind von je her zerstritten und wenig bis gar nicht kompromissfähig. Jetzt bekommen sie schon Geld von der EU (hauptsächlich von uns) und jetzt streiten sie über dessen Vergabe. So wenig, wie die Italiener in der Lage sind, eine stabile Regierung für wenigsten 4 Jahre zu stellen, so wenig werden sie mit dem "geschenkten" Geld sachgerecht umgehen. Ob das nun Bürokraten entscheiden oder die Politiker. Am Ende wird wieder Geld fehlen und Italien den Schuldenberg weiter aufhäufeln. Egal. So lange die EU das Geld gibt, kann es den Italienern egal sein. Mal schauen, wie die Italiener die Wahlen unter Corona Bedingungen durchführen. Kann ja dann eine Blaupause für andere Länder sein/werden.