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Unicef-Foto des Jahres: Angelos Tzortzinis hielt das Leiden der Kinder fest / dpa

Schreckensberichte über das Flüchtlingscamp in Moria - „Für ein Provisorium ist das Camp gar nicht schlecht“

Nachdem das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos abgebrannt ist, sollte für die Bewohner alles besser werden. Doch jetzt mehren sich Schreckensberichte von Rattenbissen oder vergewaltigten Kindern. Gerät die Lage auf den griechischen Inseln außer Kontrolle?

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Peter Kessler ist Pressesprecher des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR in Griechenland. Die Organisation hilft der griechischen Regierung bei der Unterbringung der Flüchtlinge. 

Herr Kessler, Unicef hat jetzt das Bild des Jahres gewählt.  Es zeigt Kinder, die in Todesangst vor dem Feuer in dem Flüchtlingslager Moria fliehen. Was denken Sie, wenn Sie das Bild betrachten?   
Dieses Feuer im September war natürlich furchtbar, aber wenn man den tragischen Ereignissen auch etwas Positives abgewinnen kann, dann ist es die Tatsache, dass die Regierung jetzt gezwungen ist, ein neues, humaneres Camp für die Flüchtlinge zu bauen. Dieses Foto bestätigt aber die Vorstellung, dass Moria die Hölle ist. 

Als das Camp abbrannte, kündigten die griechische Regierung und die EU an, ein neues zu bauen. Was wir jetzt über das neue provisorische Lager hören, klingt noch schlimmer. 7.500 Menschen leben auf dem Gelände eines ehemaligen Truppenübungsplatzes. Sie kommen gerade von dort zurück. Wie ist die Situation dort? 
Sie ist besser als in allen anderen Camps auf den griechischen Inseln. Ein Teil des Camps liegt auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz. Das Gelände ist flach und deshalb besser für ein Camp geeignet als der bisherige Standort in den Bergen. Der andere Teil des Camps liegt direkt am Meer. Das hat den Nachteil, dass es dort manchmal ziemlich stürmt. Unterm Strich ist dieser neue Ort aber besser, weil er nicht an die Felder und Olivenhaine von Einheimischen grenzt.  

In dem offenen Brief, den Bewohner des Camps gerade an die EU geschrieben haben, klingt das ganz anders. Darin heißt es, sogar Tiere hätten mehr Rechte und bessere Lebensbedingungen als Menschen.  
Das Leben in einem Zeltlager ist immer schwierig. Natürlich hätten sich die griechische Regierung und die EU besser um diese Unterkunft kümmern können. Aber dafür, dass es ein Provisorium ist, ist es gar nicht so schlecht. Und die Regierung hat Fortschritte gemacht. Das Deutsche Rote Kreuz hat 195 Zelte in diesem Camp, das UN-Flüchtlingswerk UNHCR hat ungefähr 600 Zelte. Zusammen mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) betreiben wir zehn Häuser, in denen alleinstehende Männer untergebracht werden. Natürlich gibt es noch nicht genug Toiletten und Duschen, aber das braucht eben Zeit. Im Augenblick gibt es 76 warme Duschen, das heißt, 100 Bewohner müssen sich eine Dusche teilen.   

Aber auch aus Sicht von Deutschlands Minister für Entwicklungshilfe, Gerd Müller (CSU), stellt sich die Lage dramatischer dar. In einem Interview mit der Passauer Neuen Presse hat er gerade beklagt, im Camp seien „Babys von Ratten gebissen worden.“ Nach einem Bericht der SOS-Kinderdörfer wurde ein dreijähriges Mädchen in dem neuen Camp vergewaltigt. 
Es gab ein Problem mit Ratten in einem anderen Flüchtlingscamp auf Samos, in dem dreimal so viele Menschen leben, als ursprünglich geplant. Da wurden wirklich Bewohner von Ratten gebissen. Inzwischen hat man es aber im Griff. Die Vergewaltigung des 3-jährigen Mädchens hat aber tatsächlich auf Lesbos stattgefunden. Das Kind ist jetzt in einem Krankenhaus. 

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Markus Michaelis | Mi., 23. Dezember 2020 - 21:17

Eine zentrale Frage scheint mir, dass nicht unbegrenzte Massen nach Europa wollen, sondern im Großen und Ganzen beherrschbar viele Verfolgte und für andere gibt es Verfahren und andere Hilfen.

Wäre es dazu nicht gut, die Grenzen versuchsweise ganz aufzumachen: jeder darf ein Flugzeug besteigen, und wir zeigen 1-2 Jahre, dass es geht, so dass die Menschen Vertrauen fassen. Gut wäre auch zu zeigen, dass unsere Gesellschaft nicht umso rassistischer wird, je mehr Menschen kommen. Oder geht es nur um Tausende - und dann wollen alle genauso dicht machen?

Auch eine Frage: woran hängt es überhaupt? Die Regierung ist dafür (in D), die Parteien, die Kirchen, die Unis, die großen Konzerne. Wo sind die Gegenstimmen, die einer Lösung im Wege stehen? Liegt es nur an der AFD und Zweiflern wie mir? Woher haben die Außenseiter die Macht?

Oder D ist vollkommen ok, es liegt an GR? Oder einfach an der Trägheit der Wohlstandsmassen, die mehr moralischen Druck brauchen?

Reinhold Schramm | Mi., 23. Dezember 2020 - 22:49

Antwort auf von Markus Michaelis

Hunderte Millionen hoffen auf ihr soziales Traumziel in Westeuropa!

Das Weltbild der Menschen wird allenfalls von unklaren Berichten von Verwandten und flüchtigen Bekanntschaften und Touristen wie von der weltweiten Werbung für Luxusartikel geprägt, so beispielsweise vom luxuriösem Eigenheim und der weltweiten Werbung über die Automobilität.

Dieses falsche Bild ist ein irreales Traumziel für hunderte Millionen in allen Armutsregionen weltweit.

Die zeitweilige Öffnung der Grenzen würde zum Millionen fachen Ansturm auf das Traumziel führen.

PS: Es bedarf der bildungspolitischen, beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Ein Ende ungleicher Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit den Reichtums-Metropolen. Es bedarf der ökonomischen, sozialen und ökologischen Gleichheit. Einen anderen Weg gibt es auch nicht für die Menschen in den heutigen Wohlstands-Metropolen, als die Gleichstellung, ohne endlose Verschiebung.

Bernhard K. Kopp | Do., 24. Dezember 2020 - 12:14

Antwort auf von Markus Michaelis

Alle die seit 2015 nach D gekommen sind kosten uns, einschließlich aller zurechenbaren staatlichen Gemeinkosten, kosten uns mindestens € 50 Mrd. pro Jahr. Im statistischen Durchschnitt dauert es mehr als 5 Jahre bevor der statistische Immigrant wenigstens sich selbst ernähren kann. Ca. 10 - 20 % sind über 10 Jahre hinaus auf Transferleistungen angewiesen. So kann ein Sozialstaat nicht funktionieren. Der Sozialstaat ist eine Solidargemeinschaft gegründet auf die Leistungsgemeinschaft. Nächstenliebe, Caritas, funktioniert nur freiwillig und persönlich. Es steht jedem frei jemanden jahrelang, einschließlich Krankenversicherung, auf eigene Rechnung durchzufüttern. Nächstenliebe gibt es nicht auf Kosten Dritter.

für diese klaren Worte.
Wie war das mit dem Projekt NEST der evangelischen Kirche? Gescheitert!
Und dann kommt wieder ihr letzter Satz, werter Herr Kopp. Soviel Nächstenliebe ist dann doch nicht bei den selbsternannten Guten vorhanden.

Ja, die hohen Kosten können ein großes Problem sein, auch eines an dem alles scheitert. Aber sie sind nicht an sich das Problem, nur wenn es aus dem Ruder läuft. Eigene Kinder brauchen 20 oder 25 Jahre, bis sie sich selber ernähren, da sind rein wirtschaftlich 5 Jahre ein guter "Deal". Außerdem fallen die hohen Kosten zu einem großen Teil für Jobs im Umfeld an für Lehrer, Anwälte, Caritas, Betreuer, die eine für sie sinnstiftende Arbeit bekommen. Wäre es nur das, könnten wohl sehr viele kommen, bis das aus dem Ruder läuft.

Vorher an einen kritischen Punkt scheinen mir die verschiedenen Weltbilder und das fehlende gegenseitige Vertrauen zu kommen. Die Bundesregierung fährt gerade wieder teure Antirassismus/Vorurteil Kampagnen. Es geht um strukturellen und Alltagsrassimsus, postkoloniale Traumatisierungen, Populisten und Rechte, viele Incentivs, wenn man das Neue Deutschland, zusammen mit Europa, denkt. Konvergiert das, weil es die Masse vertritt? Das scheint mir die kritischere Frage.

Ihre Worte wollen viele nicht verstehen und sich schon gar nicht dazu bekennen.
Man will doch nicht in die Ecke Rassist, Rechter oder sonst etwas gestellt werden.
Das Verhalten der Migranten ist normal, wer will nicht seine Haut retten.
Aber ein tragfähiges Gesellschaftssystem lebt von bestimmten Voraussetzungen, systemischen Parametern innerhalb dessen es funktionieren kann. Wer einen der Parameter verändert, wie z.B. unkontrollierte, grenzenlose Zuwanderung zerstört das Gesellschaftssystem.
Die Herkunftsländer der Migranten müssen sich entsprechend strukturieren!
Wir müssen nicht die in dortigen Regionen gemachten Fehler nicht versuchen wollen hier bei uns reparieren.
Wer die Massenmigration mit massiven moralischen Druck fördert handelt unverantwortlich, nicht nur uns gegenüber sondern auch gegenüber den Herkunftsländern, weil diese dadurch ihre falschen Strukturen aufrechterhalten!

Charlotte Basler | Mi., 23. Dezember 2020 - 21:34

"Der Zustrom wird also so oder so nicht abreißen. Denn die griechische Grenze markiert die europäische Außengrenze. " Ich interpretiere: die, die wollen, werden sowieso kommen? Macht Euere Türen und Geldbörsen auf, Ihr könnt sie nicht aufhalten? Was ist mit denen, die keinen Asylgrund haben? Was ist, wenn wir keinen Platz mehr haben? Was ist, wenn wir nicht noch mehr Zuwanderer wollen? Ist es doch nicht freiwillig? Keine Chance nein zu sagen? Mir macht das Angst!

... darf man an Weihnachten solche Gedanken haben? Die Kirchen veranstalten doch Präsenz-Gottesdienste, nicht um die Klingelbeutel zu füllen, sondern an unsere Mitmenschlichkeit zu appellieren ... Kollateralschäden (Breitscheid-Platz etc) muss ein wahrer Christ dabei aushalten (...Wange hinhalten...), oder versteh ich unsere Politik und Kirchen falsch?

Charlotte Basler | Do., 24. Dezember 2020 - 14:33

Antwort auf von Joachim Kopic

Lieber Herr Kopic,
ich wurde sehr christlich erzogen und helfe unter gewissen Umständen gerne. Aber ich mache durchaus Unterschiede. Auch ein Christ muss sich nicht selbst verleugnen. Aber, wenn unsere Kirchen oder verschiedene Politiker das anders sehen, warum gewähren diese dann nicht selbst persönlich Asyl? Auf eigene Kosten und auf eigene Verantwortung? Warum verrechnen diese "humanitären" Einrichtungen ihre Hilfsleistungen an die Steuerzahler? Und ja, dass machen sie mW auch an Weihnachten. Ich wünsche Ihnen allen wunderbare Festtage und ein gesundes 2021.

Joachim Kopic | Fr., 25. Dezember 2020 - 15:19

Antwort auf von Charlotte Basler

Auch wenn ich aus der (kath.) Kirche ausgetreten bin: Ich glaube an eine höhere Ordnung und an ethische Grundwerte ... fühle prinzipiell also genauso wie Sie!
Ihnen ebenso schöne Feiertage und ein gesundes wie glückliches 2021!

Alice Friedrich | Do., 24. Dezember 2020 - 09:26

Herr Michaelis,
ich glaube, dieses Geschehen ist ein dynamisches und kein statisches.
Je erfolgreicher die Menschen hier sind, umso stärker wird der Anreiz sein, dass auch andere kommen wollen, sodass es…mMn … keine feste Zahl gibt, die jetzt kommen wollen, und dann wäre Schluss.Viele werden „erfolgreich“ anders interpretieren als Sie und ich.
Das Problem ist doch gerade, dass die , die Asylberechtigung haben, in der Minderzahl sind, alle anderen es aber versuchen wollen, was vordergündig aufgrund der schleppenden Bearbeitung der Anträge und der evtl anstehenden Ausweisung auch erfolgversprechend ist.

Walter Bühler | Do., 24. Dezember 2020 - 09:49

Wer Häuser in Brand setzt, in denen Menschen wohnen, gehört allüberall auf der Welt hart bestraft. Wer waren die Brandstifter auf Lesbos?

Wer Kinder vergewaltigt, gehört allüberall auf der Welt hart bestraft. Wer hat auf Lesbos Kinder vergewaltigt?

Wer eine Rattenplage nicht beseitigt, der gehört zur Verantwortung gezogen, ob NGO-Volunteer, UN-Mitarbeiter, Deutscher, Grieche, Türke, Tschetschene, Syrer, Afghane.

Wer aus finanziellen Gründen Menschenhandel mit Frauen und Kindern betreibt, gehört meiner Meinung nach ebenso bestraft.

Frau Hildebrandt bemüht sich, den Griechen die Schuld zuzuweisen. Ich habe in Samos und Lesbos nur freundliche Menschen kennen gelernt, und selbst Kampagnenjournalisten haben noch nie behauptet, dass die Brandstiftungen und Vergewaltigungen von Griechen begangen worden seien.

Wir sollten uns nicht grundlos gegen unsere europäischen Nachbarn aufhetzen lassen, auch an Weihnachten. Griechen sind keine Bestien, sondern Menschen wie Du und ich.

Kurt Kuhn | Fr., 25. Dezember 2020 - 09:07

Wir zeigen, rund um die Uhr und auf allen Fersehkanälen, Hochglanzhäuser, Hochglanzautos, volle Regale, leichtbekleidete Frauen und (für notleidende Menschen) lächerliche Konflikte. Die Menschen, die am Fließband stehen und nicht zur Toilette gehen können, die zeigen wir nicht. In der EU gibt es zahllose junge Menschen mit abgeschl. Berufsausbildung, die keinen Job bekommen.
„Sich satt essen“ ist für viele Menschen auf der Welt purer Wohlstand! Aber welche berufl. Perspektiven haben sie bei uns? Wie schnell werden sie unzufrieden? Dass wir sie brauchen wurde oft gesagt. Aber wozu? Wer die Kosten trägt ist klar. Wer macht aber mit ihnen das große Geschäft? Wie lange können wir noch die Verlierer der Revierkämpfe aus der ganzen Welt aufnehmen?
Ich weiß wovon ich schreibe, habe selber MiHi. Bei mir fehlte es nicht an den Sprachkenntnissen, an der berufl. Ausbildung usw.. Um integriert zu sein, muss man sich von der Gesellschaft angenommen fühlen. Das bekommt man nicht geschenkt!