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Muss der Lockdown noch härter ausfallen? / dpa

Warum Andreas Gassen nun doch den Lockdown befürwortet - „Leute, die Corona leugnen, erreicht man eh nicht mehr“

Im Oktober brüskierte KBV-Chef Andreas Gassen die Bundesregierung, als er „im Namen der deutschen Ärzteschaft“ massive Kritik am Lockdown äußerte. Heute sagt er, der Lockdown hätte noch härter ausfallen müssen. Rührt der Sinneswandel daher, dass sich Ärzte von ihm distanzieren?

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Andreas Gassen ist Unfallchirurg und Orthopäde mit eigener Praxis in Düsseldorf und seit 2014 Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die 175.000 niedergelassene Ärzte vertritt. 

Herr Gassen, Sie tragen gerne Totenköpfe als Manschettenknöpfe. Warum eigentlich? 
Das ist ein einerseits ein modisches Accessoire, andererseits sind wir alle sterblich. 

Sie werden von der AfD, von Querdenkern und Verschwörungstheoretikern wie ein Held gefeiert, seit Sie im Oktober die staatlichen Corona-Regeln kritisiert haben. Keine Angst, dass der Totenkopf auch als politisches Statement interpretiert werden könnte?
Kann ich mir nicht vorstellen. Dass die AfD gewisse Dinge übernimmt, ist natürlich unangenehm. Es macht mich wirklich nicht froh. Aber dagegen können Sie sich kaum verwahren. Ich habe ja nie gesagt, die Maßnahmen sind alle verkehrt. Ich hab gesagt, wir brauchen ergänzend strategische Dinge, die uns bis in den Sommer 2021 tragen. 

Immerhin haben Sie gesagt, jeden Menschen in der Pandemie zu retten, sei ein Versprechen, das kein Politiker der Welt halten könne. Wieso ernten Sie für so eine Aussage einen Shitstorm, während Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der sinngemäß dasselbe sagt, eine Debatte entfacht? 
Das hat mich auch gewundert. Es mag aber auch mit der insgesamt aufgeheizten Diskussion zu tun haben. Aber es ist bemerkenswert, denn eigentlich fand ich gerade den Beitrag von Wolfgang Schäuble gut und wichtig. Es wäre auch unbillig, einem Politiker solch ein Versprechen abnehmen zu wollen, jedes Leben zu retten – weil das schlicht nicht geht, nicht nur in der Pandemie. Politiker sind nicht verantwortlich für Tote, die durch ein Virus verursacht werden. Am Ende des Tages endet das Leben eben mit dem Tod, idealerweise nach einem erfüllten Leben.  

Der Spiegel hat über Sie geschrieben: „Wenn Gassen spricht, dann scheppert es.“ Täuscht der Eindruck, oder nehmen Sie diesen Effekt billigend in Kauf? 
Ich bin durchaus etwas verwundert, dass das so gesehen wird. Ich hab gar nicht so eine martialische Wortwahl. Ich versuche aber, Sachverhalte deutlich zu machen. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass sonst niemand diese Überlegungen anstellt. 

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Annette Seliger | Mi., 23. Dezember 2020 - 09:21

"..Sie werden von AfD Anhänger, Querdenker und Verschwörungtheoretiker gefeiert...". Das sind die Aussagen, welche keine Debatte zulassen Frau Hildebrand. Mit diesem Satz erheben Sie sich auf eine moralische Ebene und stigmatisieren so nebenbei Menschen anderer Meinung.

"Intensivbetten in Teilen Sachsens werden knapp und die Infektionszahlen steigen"

Es ist so wie in jedem Jahr um diese Jahreszeit wo Atemwegserkrankungen die Menschen belasten.

Statistisch sterben pro Tag in Deutschland 2.500 Menschen. aber nicht linear. In den Herbst/Wintermonaten sterben die meisten Menschen.
Eine Übersterblichkeit ist nicht zu erkennen.

Es gibt Länder mit Shutdown inkl. Ausgangssperren und ohne Maßnahmen. Die Verlaufskurven der Infektionen sind in allen ähnlich.
Nirgendwo ist eine Regierungsmaßnahme in den Infektionszahlen zu erkennen.

Das Alter der an/mit Corona verstorbenen liegt bei über 82 Jahren.

Durch die Politisierung des Virus ist keine sachliche panikfreie Analyse unmöglich.

Man hat sich fast schon daran gewöhnt. Mittlerweile sterben täglich fast 1.000 Menschen in Deutschland mit Corona. Tendenz durchaus stabil.
30.000 Menschen infizieren sich täglich.
Die Nachrichten werden nicht besser, im Gegenteil.
Im ostsächsischen Zittau und anderswo müssen Leichen zwischengelagert werden - zuviele Tote.
Die Übersterblichkeit ist längst bewiesen, in Deutschland lag sie zuletzt bei 8%, in Sachsen bei 47%, im benachbarten Ausland ist sie hoch bis sehr hoch.
Ein normaler Winter?
Ist das auto-suggestive Realitätsverdängung?

Und die über 80-Jährigen, selbst wenn die am meisten betroffen sind, schreiben wir die einfach ab?

Zu Herrn Gassen: Noch so ein Weltmeister im Eiertanz. Behauptet bei Markus Lanz, Masken würden nicht helfen. Widerruft am nächsten Tag, was er gesagt hat. Ähnlich Herr Streeck. Wird angeblich laufend mißverstanden.
Helden der Leugner und Verharmloser.

Die dann von einem "normalen Winter" reden, als wäre Corona "irrelevant". Beschämend.

dass die Zahlen trotz des harten Lockdowns (auch wenn Sie hier bezogen auf d letzten Tage falsch liegen) immer noch so hoch sind, hätten Sie doch sonst gar keine Argumente mehr, diesen weiterhin gutzuheißen...
Möge man mir diesen Zynismus verzeihen, aber ich kann diese „Zahlenpanikmache“ nicht mehr hören...

Über die Kommunikation von systematisch relevanten und erklärbaren Zahlen kann man mit Recht frustriert sein. Es war und ist anstrengend. Andererseits war jede Verharmlosung des Virus und der Pandemie seit Februar/März grober Unfug. Es ist keine Grippe und Übersterblichkeit spielt keine Rolle, weil überall mehr oder weniger effektive Eindämmungsmaßnahmen getroffen wurden und die Sterberaten, jedenfalls größtenteils, niedriger blieben als ohne. Zu den zur Eindämmung verfügten Maßnahmen, einschließlich der Unterlassungen, kann man auch seine Meinung haben. Es wurde viel falsch und/oder schlecht gemacht. Endloses Nörgeln und emotionalisiertes Querulantentum ist aber kein " Denken ".

Hans Jürgen Wienroth | Mi., 23. Dezember 2020 - 10:45

Wenn die Regierenden nur „auf Sicht fahren“ statt vorausschauend zu handeln, darf man sich über die Auswüchse der Pandemie bei uns nicht wundern.
Ich war erstaunt, dass selbst nach Ausrufung der Pandemie Menschen aus Hochrisikogebieten (nicht nur Rückkehrer) immer noch unkontrolliert einreisen durften. Da gab es in Asien bereits seit Monaten Einreiseverbote für Menschen, die sich in den letzten 2 Wochen in China aufgehalten haben. Bei uns: Keine Frage, keine Kontrolle bei der Einreise usw.
Statt jetzt die Pflegeberufe mit FFP2-Masken auszustatten, werden die an alle Ü60 verschenkt. Dabei spielt sich das Hauptrisiko in der Pflege (Krhs., Heime und zu Hause) ab. Stattdessen versucht man mit zweifelhaften Schnelltests der Ausbreitung Herr zu werden. Dabei ist die Infektionsquelle für die Behörden nach wie vor uninteressant (gerade erst erlebt).

Barbara Küchenmeister | Mi., 23. Dezember 2020 - 16:24

Sehr geehrte Frau Hildebrand, Ihre Aversion gegen die AfD kommt in jedem Ihrer Artikel /Interviews so deutlich zum Ausdruck, daß ich Ihre Neutralität als Journalistin in Zweifel ziehe.
Wirklich sehr schade, denn eigentlich sind Ihre Artikel gut, wenn Sie auf die of unnötigen Seitenhiebe auf die AfD verzichten würden.
Freundliche Grüße
Barbara Küchenmeister

Olli Land | Mi., 23. Dezember 2020 - 18:02

Antwort auf von Barbara Küchen…

a) Warum muss eine Journalistin neutral sein? Wo sthet denn das geschrieben?
Jede Zeitung hat ihre (bekannte) politische Färbung. Von der FAZ bis zur taz. Auch der Cicero. Der ist sehr, sehr konservativ, versucht sich aber mehr und mehr gegen rechtsextrem abzugrenzen.
b) Wenn eine Journalistin eine Aversion gegen die AfD hat, dann zeichnet sie dies eher aus.
c) Was, rein inhaltlich, ist an den Verweisen in Richtung AfD im Artikel denn falsch? Hierzu äußern sie sich nicht. Nur, dass man gefälligst ja nichts gegen die AfD sagen soll. Oder ist es so, dass sie, Frau Küchenmeister, einfach partout keine Kritik an Ihrer Lieblingspartei vertragen? Wäre ein sehr seltsames Verständnis der freien Meinungsäußerung.

Bernd Muhlack | Mi., 23. Dezember 2020 - 16:25

Na klar die Stones!
Keith Richards hats ja nicht so mit Manschettenknöpfen, jedoch trägt er diesen schrillen Totenkopfring!
"Skull n bones" - diese "Verbindung" der ivy-league-Absolventen.
(ohne Keith Richards)

In der Tat sagte Dr. Schäuble, dass das (zu schützende) Leben nicht das höchste Gut i.S.d. GG ist.
Das ist wohl faktisch auch gar nicht möglich, wie man zurzeit täglich realisieren muss.
Woran liegt das, was sind die Ursachen?
Es ist (wiederholend) schlicht müßig eine Partei dafür mitverantwortlich zu machen.
In Hessen dürfen ob eines Urteil eines VG ab sofort Wettbüros wieder öffnen; ohne Publikumsverkehr, nur Wettannahme u etwaige Gewinne abholen.
Ist das systemrelevant? Für eine bestimmte Klientel schon, man kennt "tiese Purschen pestens!"

Hier in der Nähe ist ein Senioren-/Pflegeheim.
Sie sterben täglich, trotz totaler Abschirmung. "Zimmer/Wohnung frei!"
"Schön hier!"
Diese Heime mutieren immer mehr zu Hospizen, Palliativanstalten, aber warum?

Gleichwohl Frohe Weihnacht!