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Sadyr Dschaparow: Sargnagel für die kirgisische Demokratie? / Marco Wagner

Präsidenschaftswahlen in Kirgistan - Volkes Stimme

Kirgistan ist eine Insel der Demokratie in Zentralasien – nach den Präsidentschaftswahlen im Januar dürfte es bei einem Sieg des Favoriten Sadyr Dschaparow damit vorbei sein.

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Autoreninfo

Edda Schlager arbeitet als Korrespondentin in Zentralasien.

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Ularbek Dschakschylykow weiß schon, wen er als Präsidenten wählen wird: „Sadyr Dschaparow, weil er einer von hier ist.“ Hier, das ist die ländliche, bitterarme Region rund um den See Yssykköl, rund 200 Kilometer östlich der Hauptstadt Bischkek. Dschak­schylykow ist Bauer; im Frühsommer zieht die Familie des 26-Jährigen mit Schafen, Pferden, Yaks und Jurten auf die Sommerweiden im Hochgebirge, verbringt dort Monate ohne Strom, Wasser­anschluss und Mobilfunkempfang. Bevor Dschakschylykow heiratete, hat er in der Stadt gelebt, als Barkeeper in der Türkei gearbeitet. Im Vergleich zu anderen im Dorf hat er etwas von der Welt gesehen und eine differenzierte Sicht auf die Politik in Kirgistan entwickelt. Und die ist kompliziert.

Kirgistan gilt im sonst autoritär regierten Zentralasien als „Insel der Demokratie“. Nach der Tulpenrevolution im Jahr 2005, als der Ex-Sowjetfunktionär Askar Akajew aus dem Land und dem Präsidentenamt gejagt worden war, und einer zweiten blutigen Revolution im Jahr 2010, die das korrupte Regime von Akajew-Nachfolger Kurmanbek Bakijew stürzte, wagte Kirgistan als erstes Land in Zentralasien einen revolutionären Schritt: Per Verfassungsänderung erklärte es sich im Jahr 2010 zu einer parlamentarischen Demokratie, schränkte die Entscheidungsgewalt des Präsidenten deutlich ein, erweiterte die des Parlaments.

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Ernst-Günther Konrad | So., 20. Dezember 2020 - 12:23

Die Bevölkerung besteht zu 75% aus sunnitischen Muslimen, welche ihren religiösen Vorstellungen folgen. Das dort eine Demokratie herrschen soll, halte ich für fragwürdig. Ein ehem. Entführer und Anhänger eines gestürzten Präsidenten will dem Volk ihr "Eigentum" zurück geben und selbst natürlich keinen Vorteil davon haben? Der soll/will/wird Demokratie leben? So völlig, ohne seine religiösen Präferenzen auszuleben? So ganz ohne Scharia? Mögen die 63 Millionen Einwohner dort das selbst entscheiden. Nur dort von einer Demokratie zu sprechen erscheint mir sehr gewagt. Aber gut. Ich lebe dort nicht, weiß nicht viel über das Land. Vielleicht irre ich mich auch einfach nur.

Christa Wallau | So., 20. Dezember 2020 - 12:32

..wie die Menschen, die sie ausführen.

Was nutzen die schönsten Verfassungen, wenn sie nicht mit Leben erfüllt werden von verantwortungsbewußten Menschen, die ihren Geist in sich tragen u. getreu verwirklichen?
Ich behaupte: Eine Monarchie mit einem weisen König u. uneigennützigen Beratern an seiner Seite ist hundertmal besser für ein Staatsvolk als eine Demokratie, deren Vertreter zwar schön daherreden, aber oft genug verlogen u. korrupt sind.
Kirgistan ist überall!
Die Leute sehen dort ebenso wie bei uns, daß zwischen Worten u. Taten der Politiker/ Herrschenden Welten klaffen. So stehen sie bei Wahl immer wieder vor der schwierigen Entscheidung: W e m kann ich überhaupt trauen?
Und da richtet sich dann jeder nach seinen eigenen Erkenntnissen aus, so wie der Bauer in Kirgistan, der sagt: "Im Dorf geht es den Familien gut, die ein strenges Oberhaupt haben."
Was sollen die Menschen in Kirgistan u. überall auf der Welt denn auch anderes tun, als sich auf ihre Erfahrungen zu verlassen?

Na gut, weise, von uneigennützigen Beratern flankiert soll er sein.

Gottgleich, immer das Richtige machen.

Nur: wenn er mal das Falsche macht, wie wird man ihn los? Gar nicht. Aber er macht ja nichts falsch. Nie.

Meine Güte, wie naiv. Kommt da der alte "Führerglaube" wieder hoch? Die Sehnsucht, sich dem starken, gleichwohl angeblich dem Volk verpflichteten Übermenschen unterordnen zu dürfen?

Besser als eine Demokratie? In einer solchen kann man seinen Regierungschef wählen. Sollte der sich als Enttäuschung herausstellen, oder zu viel Lust an der Macht gefunden haben, wählt man ihn ab.
Ist das verlogen und korrupt?

Oder wird da was ganz anderes deutlich? Einerseits die eben geschilderte Sehnsucht nach dem autoritären Führer, andererseits die offensichtliche Enttäuschung, dass die politische Präferenz der Foristin in Wahlen so gut wie chancenlos bleibt? Weil das Volk - deswegen auch gerne Michel genannt - ihre Partei überwiegend ablehnt?
Demokratie halt. Schon blöd..

Heidemarie Heim | So., 20. Dezember 2020 - 16:58

Nicht schlecht geehrte Frau Schlager! Und das noch sozusagen durch die Blume (Tulpe) verkündet und ein korruptes System durch das nächste ersetzt. Nun bei uns heißt es ja auch "Alle Gewalt geht vom Volke aus", oder? Aber im Ernst, wie Sie sagen, ein aufgeblasenes Parlament und eine Verfassung um die sich von oben herab schon keiner schert oder mit Leben füllt, hat wenig bis gar nichts zu tun mit dem was man sich hier darunter vorstellt. Doch sollten wir keine Überheblichkeit an den Tag legen mit Blick auf andere Völker und deren Versuchsreihen;) eine anständige Regierung zu etablieren. Und was das dort offen gepflegte kaufen von Stimmen betrifft um zu Macht und Würden zu kommen oder oben zu bleiben, so kennt man das in der ein oder anderen Form auch bei uns. Wenn man sich mal zu Gemüte führt was es braucht um einen Präsidentschaftswahlkampf in den USA überhaupt zu beginnen, oder die diversen Formen von Parteienfinanzierung. Geld und in dem Fall Gold regiert die Welt! MfG