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Die Linken-Politikerin Petra Pau bleibt konsequent in ihrer Haltung zum Verfassungsschutz / dpa

Petra Pau über die AfD und den Verfassungsschutz - „Die Beobachtung ist ein politisches Instrument“

In dieser Woche tagt die Innenministerkonferenz. Dabei wird es auch um die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz gehen. Petra Pau (Die Linke), selber jahrelang vom Verfassungsschutz beobachtet, spricht sich dagegen aus. Warum, erklärt sie im Interview.

Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Petra Pau wurde 1963 in Ostberlin geboren. Sie trat Pau 1983 in die SED ein und wurde 1992 PDS-Landesvorsitzende. Seit 1998 sitzt sie im Bundestag, seit 2006 ist Pau Vizepräsidentin des Bundestags. Im Januar 2012 wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz 27 Bundestagsabgeordnete der Linken beobachtet hatte, darunter Petra Pau.

Frau Pau, sollte der Verfassungsschutz die AfD oder Teile davon beobachten?
Nein. Um zu erkennen, dass das eine menschenverachtende Partei ist, die Nazis in ihren Reihen duldet und zu Gewalt aufruft, brauche ich keine Behörde und erst recht keinen Geheimdienst. Keine staatliche Stelle wird uns ersparen, uns mit der AfD und den sie tragenden Strukturen auseinanderzusetzen.

Das sehen manche in Ihrer Partei anders. Die scheidende Parteivorsitzende Katja Kipping hat sich indirekt für eine Beobachtung der AfD ausgesprochen. Und Bodo Ramelow lässt die AfD seit Mitte 2018 vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz beobachten.
Unsere programmatische Festlegung ist ungeachtet von Einzelmeinungen nicht aufgehoben. Zu Bodo Ramelow: Leider kann man in Koalitionen nicht alles so umsetzen, wie man will. Aber das Landesamt wurde zum Teil umgebaut, unter anderem mit der Berufung von Herrn Kramer als Behördenleiter. Und es wurde eine unabhängige Beobachtungsstelle eingerichtet.

Plädieren Sie denn für eine Abschaffung des Verfassungsschutzes?
Ich plädiere für seine Abschaffung in seiner bisherigen Form. Trotz immer noch mehr Geld, Personal und Befugnissen gibt es keinen Nachweis eines messbaren Nutzens als „Frühwarnsystem der Demokratie“, als das sich die Verfassungsschützer selber begreifen. Das Grundgesetz sieht zwar eine Zentralstelle vor, die Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sammelt. Dort steht aber nichts darüber, dass dafür in die Grundrechte der Bürger eingegriffen werden darf und dazu geheimdienstliche Methoden eingesetzt werden sollen. Wir schlagen in unserem Konzept von 2015 eine reine Koordinierungsstelle sowie eine organisatorisch und personell unabhängige Stiftung des öffentlichen Rechtes vor, die Ursachen und Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wissenschaftlich untersucht, dokumentiert und darüber informiert und aufklärt.

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Walter Bühler | Mo., 7. Dezember 2020 - 16:18

das freut mich in dieser trüben Corona-Zeit. Und es freut mich, dass Frau Pau sich hier in die Welt der Cicero-Kommentatoren wagt, wo wenig linke Positionen zu erwarten sind.
Es wäre doch wunderbar, wenn wieder mehr Menschen es wagen würden, manchmal über ihren eigenen Tellerrand hinaus zu sehen, auch wenn sie noch so feste Meinungen und Leidenschaften haben. Demokratie ohne Toleranz ist wie eine Suppe ohne Salz.

Hans Jürgen Wienroth | Mo., 7. Dezember 2020 - 16:35

Wie tief sind wir gesunken? Ich glaube nicht, dass die „Gründerväter“ unserer Verfassung sich haben träumen lassen, dass der Verfassungsschutz zum Ausspionieren und Verbieten des politischen Gegners instrumentalisiert wird. Denn was ist es anderes, wenn ein Ministerpräsident die Beobachtung einer anderen Partei „anordnen“ kann. Anschließend wird diese Beobachtung beim Wähler zur Diffamierung genutzt?
Ich halte es für einen Fehler, dass das BVG die NPD nicht verboten hat, weil sie zu „unbedeutend“ war. Will man warten, bis eine Partei in den Parlamenten die Mehrheit hat, bevor man sie verbietet? Hat das etwas mit Demokratie zu tun? Das Verbot einer „Parlamentspartei“ muss zum Bürgerkrieg führen, da muss von einer Radikalisierung nicht mehr gesprochen werden. Kann man dagegen die eigenen Antifa-Truppen ins Feld führen, um die „Demokratie“ wiederherzustellen?

Heidemarie Heim | Mo., 7. Dezember 2020 - 17:08

Zunächst meinen Dank an Frau Pau und unseren Herr Gathmann! Erfrischend ehrlich und als selbst Betroffene eine mit Abstand momentan am wenigsten heuchlerisch auftretende politische Person meiner Wahrnehmung nach. Was ich von der Anwendung, wie uns Frau Pau nun auch bestätigt, solch "politischer Instrumente" halte, habe ich wiederholt zum Besten gegeben. Aber was sagt uns das eigentlich über den momentan herrschenden Zustand der Politik und der Parteienlandschaft aus? Da muss eine Vertreterin des am weitesten entfernten linken Spektrums, nicht böse gemeint;) Frau Pau!, uns belehren, was es heißt und welche Gefahr der parlamentarischen Demokratie droht, wenn sich sowas sozusagen einbürgert. Auch in den Köpfen. Zu weit links oder rechts, Kommando erteilt von Amts wegen, und Du bist fortgeflogen samt Beamtenstatus oder sonstiger beruflicher Karriere. Wen interessieren da Grundrechtseingriffe oder später mal in den Akten geschwärzte Methoden der Beobachtung?
Viel Glück in Kölle;)! MfG

Walter Müller | Mo., 7. Dezember 2020 - 17:11

Frau Pau verdient Hochachtung für ihre klare und differenziert dargelegte Meinung zum Missbrauch des Verfassungsschutzes als Instrument zur Beschädigung von Konkurrenten im politischen Wettbewerb. Charakterstarke Persönlichkeiten werden offenbar zunehmend zur Mangelware im Politbetrieb.

Yvonne Walden | Di., 8. Dezember 2020 - 13:55

Antwort auf von Walter Müller

Beobachterinnen und Beobachter des politischen Geschehens in Deutschland beschleicht vielfach das Gefühl, als solle mit dem sog. Verfassungsschutz die "politische Konkurrenz" in die Knie gezwungen oder sogar attackiert werden, als seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses "Verfassungsschutzes" möglicherweise sogar eine Kampftruppe der Herrschenden Klasse.
Wenn dies so wäre, müßte dieser "Verfassungschutz" eigentlich abgeschafft werden. Denn: Wer schützt uns vor dem Verfassungsschutz? In der Tat: niemand.

Markus Michaelis | Mo., 7. Dezember 2020 - 17:53

Ich fände die Idee gut, den Verfassungsschutz nur gegen klandestine Umtriebe vorgehen zu lassen und den Rest offen politisch auszutragen.

Frau Pau schlägt eine Stiftung gegen gruppenbez. Menschenfeindlichkeit vor. Das kann man machen: eine Uni/Stiftung etc. mehr, die die geltenden Werte unterstützt. Aber ersetzt das eine Behörde gegen klandestine Umtriebe?

Gruppenbez. Menschenf. ist einer der Begriffe, die viel und möglichst breit angewendet werden. Im Kern scheint mir die Aufregung eher darum zu gehen, dass es für Menschen schwer erträglich ist, dass grundlegende Werte nicht von allen Menschen gleich geteilt werden. Andersdenkende müssen durch Institute bestätigt kriminell, gewalttätig, diskriminierend, menschenfeindlich etc. sein, sonst müsste man politisch diskutieren und mit vielen Widersprüchen klarkommen. Rechte versuchen durch Grenzen die Zahl der Widersprüche handhabbar zu halten, Pau durch das Erkennen von Menschenfeinden. Zwei verschiedene Ansätze.

Bernd Muhlack | Mo., 7. Dezember 2020 - 20:10

Petra Pau ist etwa in meinem Alter.
Rheinländer u Berlinerin.
Jeweils knapp 30j Sozialisation in den "Systemen" Kapitalismus sowie der Kampf gegen Imperialismus, Antifaschismus.

Lassen wir das dahin gestellt sein!

Petra Pau mag ein jeder für sich selbst beurteilen.
Okay, Sie ist von Beruf "Politikerin", jedoch ist das wahrhaftig kein Alleinstellungsmerkmal, nicht wahr?
Ich denke, dass sie ihren Job als Bundestagsvizepräsidentin "angemessen bis gar gut" vollzieht. Da gibt es keine Ausfälligkeiten, "übertriebenes" Glöckchenbimmeln (Hells Bells) oder ständige Androhungen.
Frau BTP-Vize Claudia Roth hat ja bereits Schnappatmung wenn ein Abgeordneter der AfD zum Rednerpult schreitet!

Für mich ist die Person, deren Charakter, entscheidend; die Vereinszugehörigkeit ist sekundär.
Unser Land, unsere Demokratie sind weder alternativlos, noch benötigen wir eine andere Alternative.
WIR haben UNS!
Jedoch ist (wiederholend) fast jede Debatte unmöglich geworden!
GUT & BÖSE - BLACK & WHITE!

Schade

Ernst-Günther Konrad | Di., 8. Dezember 2020 - 09:08

... hat sie recht. Danke Herr Gathmann für dieses Grund weg solide und unaufgeregte, sehr sachliche Interview. Vor allem haben Sie Herr Gathmann mit Frau Pau eine Selbstbetroffene und keine "Expertin" interviewt. Frau Pau ist mir immer als angenehme Sitzungsleiterin im BT aufgefallen. Nein, ich werde die Politik der Linken nicht in Gänze unterstützen, das heißt aber nicht, dass es auch bei der Linken "Normalos" gibt und die ein oder andere politische Aussage wenigstens diskussionswürdig ist, wenn nicht so gar unterstützt werden sollte. Eine dieser Ideen ist die Auflösung des Verfassungsschutzes und die Schaffung einer neutralen Stiftung mit dem Auftrag politisch zu informieren. Straftaten von Extremisten jeglicher Coleur können auch vom BKA zentral geführt und vom GBA verfolgt werden. Darüber müsste eine breite politische Diskussion geführt werden. Dieser Verfassungsschutz schützt die Regierenden, aber nicht den Bürger. So wie er arbeitet, agiert und genutzt wird, lehne ich ihn ab.

Gerhard Lenz | Di., 8. Dezember 2020 - 10:37

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

gleich eingangs zutreffend als eine menschenverachtende Partei, die Nazis in ihren Reihen hat. Wie also mit ihr umgehen?

Die Abneigung der Linken gegen den Verfassungsschutz ist sicher mit eigenen Erfahrungen erklärbar. Des weiteren haben sich die verschiedenen VS-Organe besonders in der Affäre um den NSU bis auf die Knochen blamiert.

Trotzdem: Ohne geht es (noch) nicht. Man kann den VS nicht durch eine - relativ einflusslose - Stiftung ersetzen. Straftraten werden ja bereits jetzt auch durch das BKA verfolgt. Allerdings solle man solche Behörden nicht politisieren. Verfassungsfeindliches Denken und Reden alleine ist ja noch keine Straftat.

Man kann die AfD nicht politisch stellen, wie immer wieder gefordert. Die Rechtsextremisten entziehen sich dem wirklichen politischen Wettbewerb. Ihr Programm ist noch immer lückenhaft. Wo man keine Position bezieht, ist man nicht angreifbar.
Und so doof, Anti-Demokratisches ins Programm zu schreiben - so doof ist sicher nicht mal die AfD.

Heidemarie Heim | Di., 8. Dezember 2020 - 18:28

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Dafür plädiere ich ehrlich gesagt noch nicht lieber Herr Konrad! Aber man müsste ernste Überlegungen anstellen um eine politische Instrumentalisierung wie sich momentan darstellt zu verhindern. Das fängt doch schon m.E. beim parlamentarischen Kontrollausschuss (Stimmanteil der einzelnen Fraktionen) an, die wiederum regelmäßig durch die Regierung informiert, die einzelnen Präsidenten der Geheimdienste und Behörden zu den gefahrenrelevanten Themen vorlädt. Wo es dann wiederum auch von der einzelnen "politischen Karriere" und den Förderern dieser Personen abhängt, welches Feld mehr oder weniger intensiv bestellt wird. Oder wie im Fall des Vorgängers von Herr Haldenwang "zu unabhängig bzw. selbstständig" beginnt zu agieren und die "nicht existenten Vorgaben;)" verletzt. Und egal wer da an die Spitze der einzelnen Behörden gelangte ist und bleibt politisch beeinflusst durch sich selbst und andere! Und dies gilt es durch ein wirklich politisch unabhängiges! Kontrollgremium zu verhindern. LG

Gerhard Fiedler | Di., 8. Dezember 2020 - 13:18

Meine Hochachtung zu Ihrem Mut und zu Ihrer Charakterstärke, Frau Pau! Doch hätten Sie sich auch gegen eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz ausgesprochen, wenn Sie oder Ihre Partei nicht selbst von diesem beobachtet worden wären? Mal ganz ehrlich! Dass Sie aber versuchen, die AfD als eine menschenverachtende Partei darzustellen, die in ihren Reihen Nazis duldet, ist eine Unterstellung, die ich zurückweise. Gegen eine unser Land überfordernde Migration zu sein, sich eine bessere EU vorstellen zu können, sein eigenes Land zu lieben, macht einen nicht zum Nazi. In allen Parteien gibt es schließlich zwielichtige Mitglieder und Flügel, die man nicht so ohne weiteres loswird. Zum anderen duldet auch die Linke, Nachfolgepartei der SED, in ihren Reihen Personen, die sich zu DDR-Zeiten schuldig gemacht haben. Kehren Sie also bitte zunächst vor der eigenen Haustür!