fdp-liberalismus-deutschland-regierung-wahlen-fünf-prozent-huerde
Die Luft wird dünn für FDP-Chef Christian Lindner / dpa

FDP im Umfragetief - Liberalismus als politische Avantgarde

Nach dem triumphalen Wiedereinzug ins Parlament droht die FDP mittlerweile wieder an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Warum die Partei ihren Markenkern - den Liberalismus - verloren hat und was er eigentlich bedeutet.

Reinhard K. Sprenger

Autoreninfo

Dr. Reinhard K. Sprenger ist Unternehmensberater und Autor. Zentrale Themen seiner Arbeit sind Führung, Motivation und Selbstverantwortung. Zuletzt erschien von ihm „Magie des Konflikts“ bei der DVA.

So erreichen Sie Reinhard K. Sprenger:

Bei der Bundestagswahl 2017 erhielt die FDP 10,7 Prozent der Stimmen. Dann kam das Jamaika-Aus. Dann Thüringen. Jetzt droht der Partei die 5-Prozent-Hürde. Rechten wie Linken ist es gelungen, freiheitliches Denken als unzeitgemäß zu etikettieren. Manche sprechen gar vom Tod des Liberalismus. Ein guter Zeitpunkt, zu fragen, was Liberalität in diesen Tagen bedeuten kann.

Klar ist: Die FDP hat ihre Kernkompetenz veruntreut – die Freiheit. Genauer: Sie setzt sich nicht entschieden genug für das Unentschieden ein. Denn Freiheit ist nicht, wie viele glauben, eine polare Position, die sich gegen eine andere absetzt, etwa gegen Zwang. Sondern sie ist ein Dazwischen. Sie ist das Oszillieren zwischen Chaos und Determiniertheit, zwischen Unordnung und Ordnung. Mehr noch: Freiheit, das hat Adorno einmal gesagt, ist nicht die Wahl zwischen Schwarz und Weiß, sondern die Wahl, sich vorgegebenen Alternativen zu entziehen.

Das Leben ist „durcheinander“

Diese Freiheit sattelt auf einer menschlichen, gegenwärtig geradezu pandemischen Grunderfahrung: dass das Leben „durcheinander“ ist. Es ist voller Mehrdeutigkeiten, Paradoxien und Widersprüche, die wir alle in uns vereinen, die wir alle in uns spüren: Nur wer nicht spricht, widerspricht sich nicht.

Auch in der Außenwelt müssen wir anerkennen, dass die Dinge unklar sind und kontextabhängig. Auf der normativen Ebene nennen wir das „ambivalent“, auf der Erscheinungsebene „kontingent“ – etwas ist möglich, aber nicht sicher. Konkret bedeutet das: Es gibt nichts, was ohne sein Gegenteil auskommt. Auch die hochgelobten „Werte“ sind nur im Doppelpack zu haben: Sie werden immer balanciert durch einen polaren Zwillingswert, der ebenso berechtigt ist. Wie der Fußballtrainer Otto Rehhagel einst sagte: „Man kann nicht langfristig planen und kurzfristig immer verlieren.“

Freiheit passt nicht in starre Schemata

Man braucht eben beides. Entschiedenheit wie Nachdenklichkeit, Handeln wie Zurückhaltung, Vertrauen wie Kontrolle. Nicht alles in gleichem Maße, nicht jedes am selben Ort, nicht immer zu gleicher Zeit. Aber stets sind Werte gleich-„gültig“, sind als großes „UND“ keineswegs moralisch vorentschieden. Insofern ist eine liberale Haltung misstrauisch. Misstrauisch gegen die jede Behauptung der „Eindeutigkeit“, einer universal gesetzten „Vernunft“.

Sie lässt sich nicht locken auf die starren Schemata des richtig/falsch, links/rechts, entweder/oder. Sie wehrt sich dagegen, Menschen und Dinge „mit Ja oder Nein (zu) überfallen“ (Nietzsche). Eben weil dieses Schema ungeeignet ist für eine situationsbunte Wirklichkeit, der man mit arretierten Wertungen nicht beikommt. Deshalb unterscheidet sie nur in Ausnahmefällen prinzipiell, meistens jedoch konstellativ, etwa zwischen Konsequenz und Sturheit, Eigensinn und Willkür, Sensibilität und Überempfindlichkeit, Verstehen und Entschuldigen.

Freiheit kennt nur wenige Grenzen

Diese Haltung akzeptiert nur wenige Grenzen: Grausamkeit etwa, vor allem die körperliche, ein ebenso rätselhaftes wie uneingeschränktes Übel. Und den gesetzlichen Rahmen - es gibt für diese Vernunft keinen vernünftigen Rechtsbruch, nicht einmal eine moralisch grundierte Rechtsbeugung. Sie ist gekennzeichnet mithin durch die fundamentale Paradoxie, dass ihr Freiheitsbegriff die Freiheitsbeschränkung voraussetzt. Das gilt auch für die Freiheit selbst: Sie meint nicht Unabhängigkeit, sondern die Wahl der Abhängigkeit.

Ist das nun fröhliche Beliebigkeit, das große Egal? Nein, das ist das urbiblische Dilemma. Das ist die Bedingung unserer Freiheit, die uns in die Verantwortung bringt und eine Entscheidung fordert, wollen wir nicht in der Paralyse verharren. Das ist jedoch selten die Entscheidung zwischen Schwarz oder Weiß. Sie entscheidet eher ein Mehr-oder-weniger. Vor allem auch ein Heute-so-morgen-anders. So bleibt sie in Bewegung, macht es sich nicht gemütlich, will sich nicht beruhigen. Insofern hat sie keine „Position“, die zu „besetzen“ ist. Vielmehr bleibt sie im Prozess, dessen Verlauf – wie der Lauf der Welt - unvorhersehbar ist.

Nicht „statt", sondern „vor"

Deshalb vermeidet die liberale Haltung das absolutistische „statt“. Sie bevorzugt das „vor“. Also nicht Dezentral statt Zentral, sondern Dezentral vor Zentral, das Weite vor dem Engen, das Kleine vor dem Großen. Insofern ermutigt sie den Eigensinn, weil nur der einen Unterschied macht. Aber sie fördert auch den Gemeinsinn, weil es uns nur dann gut geht, wenn es auch anderen gut geht. Natürlich tritt sie auf die Seite der Veränderung, wenn das Alte überlebt ist. Aber sie argumentiert auch konservativ, wenn etwas erhaltenswert ist.

Dieses Pendeln, das Kompensieren und Einander-ständig-ins-Wort-fallen erzeugt Dynamik. Stets bereit zur Korrektur, begleitet vom Wissen, dass nichts alternativlos ist. Dass es keine Entscheidung gibt, die man nicht auch anders hätte fällen können. Dass jede Buchung eine Gegenbuchung hat. Dass etwas stärken heißt: etwas schwächen. Daher nennt sie nicht nur den Gewinner, sondern auch den Verlierer. Selbst wenn es, eine weitere Paradoxie, die Freiheit selbst ist. Oft resultiert daraus das Lachen, der somatische Reflex der Freiheit. Denn nur die Uneindeutigkeit ist eindeutig.

Liberalismus verteidigt die Mehrdeutigkeit

Nun wird einem Leben im Widerspruch gerne widersprochen. Wert-Symmetrie gilt vielen als Gräuel. Das sei doch Opportunismus! Fähnlein im Wind! Wer für nichts steht, fällt für alles! Das Gegenteil ist der Fall. Ein wirklich liberaler Liberalismus hält meinungsstark die Alternativen offen. Er verteidigt die Mehrdeutigkeit. Oder, wer es energischer will, kämpft gegen die heute geradezu explodierende Sehnsucht nach dem Ende der Ambivalenz.

Damit ist vorrangig nicht die Alternativvernichtung durch Regeln, Gesetze und staatliche Bevormundung gemeint. Sondern eine geistige Haltung, die nicht mehr das Gegenteil anerkennt: Halbfalschheit, Gesinnungsethik, Populismus, das Dröhnen der Moralisierung, Weltanschauung, die nicht die Welt anschaut. Ein so verstandener Liberalismus wendet sich besonders auch gegen jene, die sich zwar liberal nennen, sich unter diesem Etikett aber lediglich ökonomisch oder wahltaktisch selbstoptimieren. Die sich nur das herauspicken, was ihnen gerade in den Kram passt und damit den liberalen Wesenskern dementieren – das Dilemma.

Richtungspolitisch hält ein Liberaler mithin Äquidistanz zu den Ewigkeitsbeteuerungen der Rechten wie zu den Planungsverstiegenheiten der Linken. In deren geschlossenen Weltbildern ist von vorneherein klar, was richtig und falsch ist. Der Blick des Liberalen ist hingegen offen. Für ihn gibt es kein Außen (mit Ausnahme der zuvor genannten), er hat einen integrierenden Blick, betont das Verbindende, nicht das Trennende. Er reagiert gelassen auf die Macken und Absonderlichkeiten der Mitmenschen – er weiß, er hat sie auch. Die Mitte fühlt sich leicht an.

Liberalismus bleibt grundsätzlich skeptisch

Das Unentschieden muss im topologischen Muster zwischen den Polen immer wieder neu erstritten werden. Erstritten im wahrsten Sinn des Wortes. Die FDP als Partei des Wettbewerbs ist mithin auch die Partei des ganz normalen Streits zwischen verschiedenen Überzeugungen. Mal haben Befürworter die Oberhand, mal Skeptiker. Mal braucht es Öffnung, mal braucht es Schutz. Aber es darf nur ein Mehr-oder-Weniger sein, ein kleiner Vorsprung, eine Nuance; es darf nicht in die eine oder andere Richtung kippen. Der Liberalismus versagt sich klaren Urteilen, er ist und bleibt grundsätzlich skeptisch.

Er weiß: Wer ins Extreme geht, kann nur beweisen, dass alles falsch ist. Durch permanenten Streit kann sichergestellt werden, dass die Mehrdeutigkeit zur Geltung kommt und eine Entscheidung möglichst vielen zugutekommt. Wenn dieser Liberalismus pragmatisch danach fragt, was der Augenblick fordert, wird das nicht selten auf einen Kompromiss hinauslaufen.

Freiheit begrenzen, um sie zu sichern

In dieser Konsequenz steht das Liberale für eine paradoxe Freiheit, die sich begrenzt, um sie zu sichern. Wenn zum Beispiel der freie Wettbewerb zu Monopolen führt, die den freien Wettbewerb bedrohen (Google als Beispiel), dann ist er bereit, durch Regeln die Freiheit einschränken, um die Freiheit zu erhalten. Auch auf privater Ebene: Wer seine Kinder zu Freiheitswesen erziehen will, steckt in dem Dilemma, dass Erziehung die Freiheit begrenzt.

Was sind nun die politischen Konsequenzen einer Haltung, für die der Widerspruch systemisch ist? Sie ist eben nicht passiv und tatenlos, sie ist auch nicht grundsätzlich gegen jeden staatlichen Eingriff. Das ist vielmehr ihr Mantra: Tue alles, um politische Alternativlosigkeit zu verhindern! Erhalte dem Morgen die Möglichkeiten! In dieser Logik bekämpft sie alles, was Systemrisiken erzeugt. Sie will nicht, dass wir „gezwungen“ sind, etwas zu tun. Ihre „staatsbürgerliche Wachsamkeit“ (Seyla Benhabib) gilt der Aufgabe, die Wahlfreiheiten zu erhalten. Unsere und die unserer Kinder.

Das Zentrum ist die Avantgarde

Kann man damit Wahlen gewinnen? Nein. Aber wenn man ohnehin nur mitregieren kann, dann braucht es keine grellen Bekenntnisse. Eindeutige und simplifizierende Botschaften – das können die anderen besser. Jedoch: Wenn es überall nur noch Polarisierung, Peripherie und Rand gibt, wenn die Mitte aufgegeben ist, dann ist das Zentrum die Avantgarde. Dann ist das Sich-Stemmen gegen den Sog der Zentrifugalkräfte, gegen den Verfall der Idee des Zentrums eine provozierende Außergewöhnlichkeit.

Genau dafür muss die FDP pointiert auftreten, dafür braucht sie Feuer. Auf die Bundestagswahl geschaut: Kann die FDP 10 Prozent der Stimmen erreichen, wenn sie sich zur politischen Avantgarde macht? Ich wäre optimistisch.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

gabriele bondzio | So., 29. November 2020 - 09:32

Und es gelingt diesen immer besser. Es widert mich oft geradezu an, Nachrichten im TV-Presse zu hören/lesen. Oft bürgt der Name eines Journalisten schon für den Inhalt seiner Nachricht.

„Die Wahrheit ist keine Dirne, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert, noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.“ (Schopenhauer)

Die FDP hat die Wurzeln ihres liberalen Seins verkümmern lassen.Was derzeit auf administrativer Ebene passiert schwankt zwischen Übereifer oder Panik, welches dem
existenziellen Sein einer Partei geschuldet ist. Die Partei wäre gut beraten sich entschlossen hinter die unveräußerlichen Rechte und Freiheiten des Individuums zu stellen. Nur hier kann sie bei dem Wähler punkten, da stimme ich Ihnen zu, Herr Dr. Sprenger.

Werner Peters | So., 29. November 2020 - 10:01

Teile Ihre Meinung nicht Herr Sprenger (obwohl Fan Ihrer Bücher). Die FDP müsste sich klar marktwirtschaftlich positionieren - mit allen dazugehörenden Ecken und Kanten. Alle beklagen inzwischen den Abstieg des wirtschaftlich und gesellschaftlich so wichtigen Mittelstandes. Hier wäre die FDP gefordert. Statt dessen labert Herr Linder nur Plattitüden, beklagt ständig bei Corona die "fehlende Strategie". Soll er doch erst mal selbst eine solche für seinen Verein entwickeln.

Annette Seliger | So., 29. November 2020 - 10:04

Die FDP hat ihren "triumphalen" Wiedereinzug AfD Themen (Migration) zu verdanken. Man versprach einen Untersuchungsausschuss und hob sich verbal nicht sonderlich zur AfD ab. Viele Wähler, denen die AfD damals noch als zu "schmuddelig" galt, haben dann doch lieber die FDP gewählt in der Hoffnung dass diese dann auch bei ihren Wahlaussagen bleibt.
Aber Lindner hat nicht geliefert. Wie ein Bär in der Manege hat er sich dann auch noch von Merkel am Nasenring wegen der Causa Kemmerich führen lassen. Die demokratische Wahl eines Ministerpräsidenten wurde rückgängig gemacht, weil es parteipolitisch oder sagen wir es konkreter "aus Gründen der Macht" nicht genehm war.
Es ist schon merkwürdig wie unkommentiert es offensichtlich möglich ist in diesem Land das Recht nach Gutdünken zu schleifen.

Ansonsten ist die FDP als Opposition im Bundestag farblos, da sie ja fast ausnahmslos damit beschäftigt ist die AfD zu bekämpfen.

Manfred Bühring | So., 29. November 2020 - 10:12

Wenn Freiheit und Liberalismus so intellektuell abgehoben und akademischerklärt wird, muss man sich nicht wundern, dass eine Partei mit dem Begriff im Namen nicht (mehr) gewählt wird. Von einer FDP hätte ich all' das zumindest in der Ziel- oder Erhaltens-Adressierung erwartet, was der merkelsche Sozialismus 2.0 unserer Gesellschaft in den letzten 15 Jahren genommen hat. Von den Grünen auf der konservativ-bürgerliche-spießigen Überholspur ist da ja nichts zu erwarten, so dass die Bahn eigentlich frei war für die FDP. Aber Lindner und Kubicki, der Verbal-Liberale, haben's -salopp gesagt - vergurkt.

Gerhard Lenz | Mo., 30. November 2020 - 09:58

Antwort auf von Manfred Bühring

Es ist schon eine Krux mit der FDP. Fliegt sie aus dem Parlament, fehlt sie irgendwie. Ist sie drin, fragt man sich, wofür die überhaupt gebraucht werden.
Das war mal anders. Vor ziemlich langer Zeit war die FDP mal eine unbequeme, wirklich liberale Partei. Da bildete sie mit der SPD eine Koalition und trieb gesellschaftliche Reformen voran.
Dann meuterten die Herren Genscher, Lambsdorff usw. Die FDP verlor ihren linksliberalen Bürgerrechtsflügel, verkümmterte zum CDU-Mehrheitsbeschaffer und nervte die Menschen höchstens mit der ständigen Forderung nach Steuersenkungen, von denen hauptsächlich ihr gutbetuchtes Rest-Klientel profitieren würde.
In FDP-Sprech bedeutet "liberal" heute nur noch möglichst uneingeschränktes Markttreiben ohne Rücksicht auf Verluste, oder auch Abbau staatlicher Leistungen. Eine Sozialpolitik, die den Einzelnen in die Lage versetzt, in größerer "Freiheit" zu entscheiden, fehlt völlig. Dafür gibt Kubicki immer öfter den Populisten-Kasper.
Mager, sehr mager.

Wolfgang Tröbner | Mo., 30. November 2020 - 11:14

Antwort auf von Gerhard Lenz

Richtige Frage! Wir haben als Opposition doch die AfD, die die richtigen Fragen stellt und die rot-rot-grüne Einheitsfront verhindert. Die FDP ist selber schuld, wenn sie sich von den Linken, Roten und Grünen ins Aus manövrieren lässt und nicht mehr wählbar geworden ist.

Robert Müller | Mo., 30. November 2020 - 10:22

Antwort auf von Manfred Bühring

Sehe ich auch so. Ich hatte die FDP gewählt, aber sicher nicht wegen der Freiheit. Und Liberalismus ist seit neustem nichts anderes als links-grüne Politik. Kann mich nicht erinnern da einen Widerspruch der FDP gehört zu haben.

Was ich mir stattdessen von der FDP erhofft hatte, war nein zu dem Wahnsinn zu sagen, der seit einigen Jahren in der Politik betrieben wird. Aber da lag ich falsch, die FDP ist nur ein weiterer Mitläufer. Auch in Bezug auf die Digitalisierung hatte ich mir einiges von der FDP versprochen. In NRW ist sie mit in der Regierung und da ist genau wie im Bund bei diesem Thema nichts passiert. Offenbar war das nur ein Wahlkampfslogan, mit dem die FDP sich unterscheiden wollte. Real war es nicht.
Werde die FDP nächstes Jahr nicht wieder wählen. Lindner ist bei mir unten durch. Bei seinem Nachfolger überlege ich es mir dann vielleicht noch mal.

Helmut Bachmann | So., 29. November 2020 - 10:32

Vielen Dank für diese gelungene Beschreibung des echten Liberalismus. Ich denke er wird wieder wachsen. Hoffentlich bevor uns die derzeit regierenden Linksalternativlosen durch ihren Abwehrkampf gegen „das Böse“ zerstört haben.

Karl-Heinz Weiß | So., 29. November 2020 - 10:35

Bei der FDP wirkt immer noch das 2013-Trauma nach. Durch die damalige Wahlkampfstrategie der CDU wurde ihr die Grundlage entzogen. Der neidlos anzuerkennende Triumph von Herrn Lindner legte aber auch die Grundlage für den erneuten Niedergang: Führergehabe in einer Partei der Freiheit, das geht sogar in Deutschland nicht! Wenn sich dann noch ein Hofnarr wie Herr Kubicki dazu gesellt, dann bedarf es eines Neubeginns mit Blickrichtung BT- Wahl 2025.

Gerhard Schwedes | So., 29. November 2020 - 10:36

Die Beachtung der dialektischen Wirklichkeit ist typisch für den Liberalismus und voll und ganz auf der Linie der Philosophie eines Popper. Dem Autor ist geradezu ein Vorzeigeartikel gelungen. Hut ab! Was ich vermisse, ist die konkrete Aussage darüber, warum die FDP so kläglich gescheitert ist. Der berechtigte Spagat von Liberalität bedeutet nicht Unentschiedenheit und Duckmäusertum, wie es Lindner und mit ihm seine Partei wiederholt vorgeführt haben. Ein Sowohl-Als-Auch ist allzuoft nur Schöngeisterei. Man kann nicht zugleich für die Massenmigration sein und gleichzeitig dagegen, weil etwa in ferner Zukunft die Welt als eine, wo Lamm und Löwe zusammen grasen, wünschenswert wäre. Die FDP könnte die stärkste Partei geworden sein, wenn sie sich schroff gegen die Merkelsche Desaster-Politik gestellt hätte. Dann wäre die AfD kaum über die 5 Prozent gekommen. Aber so hat sie kläglich und ängstlich versagt, hatte die Hosen voll. Lindner ist ein Schöngeist, aber kein Politiker. Abtreten!

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 29. November 2020 - 11:47

durch Schröder gestärkt werden können,
die Ich-AG, Fördern und Fordern usw..
Schröder zeigte auch den Konservativen, dass ohne gesellschaftspolitischen Konsens, Strukturveränderungen nur schwer herbeizuführen sind.
Jetzt lasse ich mal die Zeit weg, die folgte und frage, wie die FDP wieder Fuss fassen kann.
Vor allem, indem sie Verhältnisse aufzeigt und befördert, in denen Liberalität gelebt werden kann und erklärt, um was es dabei geht.
Der Autor macht das sehr gut und ich schätze breite Bildung, von leicht bis schwer etc.
Ich finde, dass Nietzsche zuletzt Gott befreit hat...
Ich mag Avantgarde, in jeder Partei.
Und es gibt in jeder Partei Leute, die sie verkörpern.
Wahrscheinlich meint Macron das mit Marchons.
Wenn man dann aber nicht weiss wohin oder gar vom Ende des Weges, das auch nicht kommuniziert wird. aber regiert und vorschreibt, da wäre viel Platz für die FDP in heutiger Zeit.
Der Osten hat mit der AfD auf Merkel geantwortet, die FDP kann Kompetenz und Liberalität stärken.

Walter Bühler | So., 29. November 2020 - 12:55

… was Herr Sprenger als Liberalismus zu beschreiben versucht. Dieser gesunde Menschenverstand muss dazu allerdings einen starken skeptischen Zug aufweisen und auf Unfehlbarkeitsansprüche aller Art allergisch reagieren.
Ein derartiger gesunder Menschenverstand, der auf dem engen Kontakt mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit (und nicht auf dem Kontakt mit medialen Interpretatoren dieser Wirklichkeit) steht, sollte eigentlich in jeder politischen Partei vorhanden sein. Leider versuchen die meisten Parteien, bestimmte Unfehlbarkeitsansprüche als Marken-Kerne in der Öffentlichkeit zu etablieren, und das macht den gesunden Menschenverstand in den Parteien fast unmöglich.
Kann nun die FDP den Liberalismus, wie ihn Sprenger beschreibt, bei den Wählern als eigene Marke durchsetzen? Gibt es dafür ein Wählerpotential? Zu meinem Bedauern fürchte ich, dass dieses leider nicht sehr groß sein wird.

Sie haben Recht Herr Bühler. Das nennt man gesunden Menschenverstand. Eigentlich eine starke Waffe. Die FDP hat sich von Merkel entwaffnen lassen und wirft nur noch mit Wattebällchen. Lindner dient als Placebo. Leider ist der Artikel sehr akademisch und lässt konkrete Vorschläge vermissen, wie sich eine zur Bedeutungslosigkeit zerlegte FDP vielleicht noch retten lassen kann. Liberalismus muss mit praktischem Leben gefüllt werden und vor allem artikuliert, verteidigt und gelebt werden. Die FDP ist sprachlos, machtlos und bedingungslos devot. Ihr fehlt die eigene Identität.

Christa Wallau | So., 29. November 2020 - 13:42

... enthält viel Zutreffendes, Herr Dr. Sprenger.
im Grunde steht eine Partei, die sich dem Liberalismus verschrieben hat, im krassesten Gegensatz zu allen ideologisch geprägten Parteien; denn sie kennt keine endgültigen Festlegungen.

Ihr wichtigstes Prinzip ist die andauernde, wachsame Beobachtung der Realität und die Abwägung von Argumenten für vernünftiges Handeln unter freiheitlichen Bedingungen.

Das macht eine liberale Haltung natürlich kompliziert bzw. schwer akzeptierbar für alle Menschen, die sich nach Gewißheiten sehnen. Deshalb ist die Anzahl der Liberalen auch immer klein - in jedem Land der Welt.

Meist sind es daher die Wirtschaftssliberalen, die das Rückgrat der Partei bilden, nicht die liberalen Denker. Aber diese "Schicht" (Apotheker, Firmenbosse, Manager...) hat die FDP ja in letzter Zeit stark vernachlässigt, um nicht als Klientel-Partei wahrgenommen zu werden.

Woher also sollen die 10% Wähler in Deutschland kommen, die der Lindner-FDP ihre Stimme geben?

Markus Michaelis | So., 29. November 2020 - 14:16

Was der Artikel sagt ist wichtig und geht in unserer Gesellschaft gerade unter: alles ist voller Widersprüche, aber unsere Gesellschaft klammert sich immer fester an heilige Werte und Haltungen, die immer weniger diskutierbar sind. Klima, Identitäten, Diskriminierung, Grundgesetz und universelle Menschenrechte, der Kampf gegen Rechts und die Anfänge: aus jeder Äußerung tropft das universell Gute, das nicht mehr diskutierbar ist.

Das ist ein wichtiger Punkt, er gilt aber immer, das hat für mich erstmal nichts besonders mit Liberalismus zu tun, sondern mit einem Blick auf die reale Welt.

Liberalismus wäre für mich die Betonung individueller Freiheiten (von Einzelpersonen, Gruppen, Unternehmen) - als Wert an sich und weil es Vorteile bringt. Das finde ich auch wichtig, es ist aber nur ein Prinzip neben vielen. Es kommt aber im Moment tatsächlich etwas kurz: man fragt heute nicht, was jemand *will*, sondern ob es *richtig* ist. Wahrheit schlägt Freiheit.

mit dem sich inzwischen fast jede Partei schmückt, da er signalisieren soll, dass man nicht in engen ideologischen Bahnen denkt, für nahezu alles offen ist oder zumindest Verständnis aufbringen kann, sich als Ermöglicher, nicht als Verhinderer versteht etc. pp. Färben kann man ihn je nach Bedarf ganz unterschiedlich, gängig sind z.B. wirtschaftsliberal, linksliberal, sozialliberal, oder ihn auch "pur" verwenden, damit sich jedermann darunter vorstellen kann (oder auch soll), was ihm dazu persönlich einfällt und am Herzen liegt. Mit Liberalismus im Sinne einer weltanschaulichen Grundhaltung hat das alles wenig zu tun, die ist nicht a priori politischer Natur, sondern entspricht dem Bedürfnis eines freien Geistes, nichts ungeschaut für wahr nehmen zu müssen, sondern sich zu jeder beliebigen Frage ein unabhängiges eigenes Urteil bilden zu wollen. Daraus lässt sich dann auch "frei-sinnige" Politik ableiten, die diesem Menschenbild verpflichtet ist und es mit konkreten Inhalten füllt.

Gustav Ehlert | So., 29. November 2020 - 17:44

Hätte man zwar auch in weniger Worten und Beispielen zusammenfassen können, trifft aber trotzdem den Kern dessen, was die FDP leisten muss, sehr gut.
Wünschen wir es den Liberalen, dass sie es in Zukunft wieder besser schaffen... Damit wären sie gerade heute wichtiger denn je.

Charlotte Basler | So., 29. November 2020 - 17:50

"Tue alles, um politische Alternativlosigkeit zu verhindern! Erhalte dem Morgen die Möglichkeiten! In dieser Logik bekämpft sie alles, was Systemrisiken erzeugt. Sie will nicht, dass wir „gezwungen“ sind, etwas zu tun. " Also Wahlfreiheiten zu erhalten! Es gibt immer Alternativen! Da hätte es in den letzten Jahren ja viele Möglichkeiten gegeben Präsenz und Kompetenz auszustrahlen
Nur was macht die FDP? Statt Probleme zu benennen und Alternativen aufzuzeigen oder einzufordern hat sie sich auf Instantpolitik reduziert. Sie hat sich einschüchtern lassen wirkt desinteressiert, lustlos. 10% plus kann die FDP nur erreichen, wenn sie sich für unser Recht auf Zukunft wirklich einsetzt. Ein paar nette Interviews vor der Wahl werden dazu nicht ausreichen - und das ist gut so.

Christian Haustein | So., 29. November 2020 - 18:12

Wenn wir Freiheit sagen, denken wir an liberal. Das ist aber falsch. Was wir meinen ist Libertas. Dies ist dies persönliche Freiheit und bezieht sich auf das römische Bürgerrecht. So durfte man als Freier Eigentum besitzen und hatte andere Rechte. Liberalismus ist eine innere Haltung. Sie dient handlungsfähig und anpassungsfähig zu sein. Der Unterschied wird beim Maskentragen sichtbar. Während sich der Dumme in seiner eingebildeten Freiheit eingeschränkt fühlt... Zieht der liberale sie auf, um handlungsfähig zu bleiben... Knapp daneben ist auch vorbei...

Tomas Poth | So., 29. November 2020 - 18:46

Wer Freiheit nur als Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Abhängigkeiten versteht der ist von sich aus schon unfrei weil er die Freiheit gar nicht erst sucht.
Freiheit findet immer Begrenzungen, das ist klar, aber die Begrenzungen, Einschränkungen so weit wie möglich zu verhindern, alles offen zu halten, darum muß man sich regelmäßig abmühen.
Die FDP was ist das eigentlich für eine Gruppierung, wofür will sie wahrgenommen werden? Sie erscheint mir im derzeitigen "politischen Theater" ohne Rollenspiel, manchmal wird etwas zu dem einem oder anderen Thema gesagt, verlautbartet aber sonst?
Dabei hatte sie in Thüringen eine ganz große Chance neuen Freiraum zu schaffen, das Aufbrechen, den Rot-Grünen Zwangsbemühungen etwas entgegen zu setzen. Aber Chance vertan und auf fünf oder weniger Prozente abgesunken. Der 5%-Käfig ist ihr wohl die liebste "Freiheitsrolle".