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Israels Premier Benjamin Netanjahu soll sich mit dem saudischen Kronprinzen getroffen haben / dpa

Netanjahu trifft saudischen Kronprinzen - Das nicht ganz so geheime Geheimtreffen

Benjamin Netanjahu hat sich konspirativ mit dem saudischen Kronprinzen getroffen. Allzu bemüht, das historische Zusammenkommen zu verheimlichen, waren beide Seiten jedoch nicht. Was dahinter steckt und wer sich wahrscheinlich angesprochen fühlen soll.

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Mareike Enghusen berichtet als freie Journalistin über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Nahen Osten, vornehmlich aus Israel, Jordanien und den Palästinensergebieten. Sie hat Politik- und Nahostwissenschaften studiert und ihre journalistische Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule absolviert.

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Es war eine höchst ungewöhnliche Route, die der Privatjet mit der Kennung t7-cpx am Sonntagabend einschlug: Vom Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv flog er über die ägyptische Sinai-Halbinsel direkt zur nordwestlichen Küste Saudi-Arabiens, wo die futuristische Stadt Neom entstehen soll. Avi Schwarz, Journalist der israelischen Tageszeitung Haaretz, hatte die Route auf einer Flug-Tracker-Webseite entdeckt und am Montag auf Twitter gemeldet.

Wenig später hatten israelische Medien Sensationelles zu berichten: Kein Geringerer als Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe in der Maschine gesessen, begleitet von Yossi Cohen, dem Direktor des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, um sich in Neom mit dem einflussreichen saudischen Kronprinzen Mohamad Bin Salman zu treffen. Es ist das erste Mal, dass ein derartiges Treffen, so es denn stattgefunden hat, an die Öffentlichkeit gelangt.

Das offenste Geheimnis des Nahen Ostens

Dass Vertreter der beiden Staaten, die keinerlei offizielle Beziehungen unterhalten, sich regelmäßig zu Themen regionaler Sicherheit austauschen, gilt zwar seit Jahren als eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse im Nahen Osten. Doch so viel Öffentlichkeit hatten beide Seiten sich zuvor nicht gewagt. Ein ungenannter saudischer Regierungsberater sagte dem Wall Street Journal, der saudische Kronprinz und der israelische Premier hätten sich über eine mögliche Normalisierung der bilateralen Beziehungen sowie über den Iran unterhalten.

Ein Berater des israelischen Premierministers, Topaz Luk, scheint die Begegnung indirekt ebenfalls zu bestätigen: „Gantz macht Politik“, schrieb Luk auf Twitter über den Verteidigungsminister Benny Gantz, der gerade eine Untersuchungskommission zu möglichen korrupten Verstrickungen in Netanjahus Lager ins Leben gerufen hatte, „während der Regierungschef Frieden schließt.“

Eine Botschaft nach Teheran und Washington

Netanjahu selbst wollte die Berichte nicht kommentieren, und der saudische Außenminister dementierte sie am Montagnachmittag via Twitter. Doch der israelische Militärzensor, der die Veröffentlichung der Geschichte hätte stoppen können, rührte sich nicht. Und das späte Dementi des saudischen Ministers, viele Stunden nach Erscheinen der ersten Berichte, schien wenig glaubwürdig. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, die Beteiligten hätten durchaus Interesse daran, dass die Welt von ihrer Annäherung erfährt.

Analysten vermuten, dass die Hauptadressaten dieser Botschaft in Teheran und Washington sitzen. „Dass Israelis sich mit Saudis, Emiratis und anderen treffen, sendet eine Botschaft: Wir können nicht zulassen, dass der Iran sich nuklear bewaffnet“, glaubt Jacob Nagel, der früher Israels nationalem Sicherheitsrat vorsaß und Netanjahu in Sicherheitsfragen beriet. Die atomaren Ambitionen des schiitisch-theokratischen Irans, sein Raketenprogramm und die Aktivitäten seiner Milizen und Stellvertreter in der Region nehmen Israelis wie Saudis als ernste Bedrohung wahr.

Geleakten Depeschen US-amerikanischer Diplomaten zufolge forderte der saudische König Abdullah Washington einst auf, der iranischen „Schlange“ den „Kopf abzuschlagen“, sprich: die iranischen Atomanlagen zu bombardieren. Die Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump, unilateral aus jenem Atomabkommen mit Iran auszusteigen, das sein Vorgänger Barack Obama einst mit verhandelt hatte, wurde in Jerusalem und Riad mit ähnlich großer Erleichterung aufgenommen.

Begeisterung für Biden hält sich in Grenzen

Doch nun zeichnet sich in Washington ein Kurswechsel ab, der beiden Regierungen Sorgen bereitet. Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat bereits signalisiert, dass er sich um neue Atomverhandlungen mit der iranischen Führung bemühen möchte. „Sowohl Israel als auch Saudi-Arabien, die beide dem gewählten Präsidenten Biden erst spät zu seinem Sieg gratuliert haben, haben begriffen, dass er (ins Amt) kommt, und sie machen sich Sorgen darum, was das bedeutet“, sagt der Historiker Joshua Teitelbaum, der an der israelischen Bar-Ilan-Universität zur Golfregion forscht.

Netanjahus Kurztrip solle auch eine Botschaft an Biden senden: „Israel und Saudi-Arabien stehen auf derselben Seite, ebenso wie die VAE und Bahrain, wenn es darum geht, Irans Atomprogramm zu stoppen“, sagt Teitelbaum. „Sie wollen der zukünftigen (US-)Regierung signalisieren, dass die Partner der USA im Nahen Osten den Irankurs beibehalten wollen.“ Wie zu erwarten war, heizte die mysteriöse Reise in Israel zudem neue Spekulationen über ein mögliches Normalisierungsabkommen mit dem Königreich an.

Normalisierung der Beziehungen mit Israel

Erst im August hatte sich Israel mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen geeinigt; wenige Wochen später schloss der Golfstaat Bahrain sich den sogenannten Abraham-Abkommen an. Unter Nahost-Beobachtern besteht weitgehend Konsens darüber, dass die beiden kleinen Golfstaaten einen solchen Schritt nicht ohne Zustimmung Saudi-Arabiens gewagt hatten. Viele israelische Analysten halten es seitdem lediglich für eine Frage der Zeit, bis Saudi-Arabien sich dem Normalisierungstrend anschließt.

Ein israelisch-saudisches Abkommen „ist seit langem in Arbeit“, glaubt auch Teitelbaum. Den Berichten zufolge sollen Netanjahu und Bin Salman bei ihrem Treffen in Neom in dieser Frage jedoch nicht vorangekommen sein. Der Kronprinz, so heißt es, habe in dieser Hinsicht zwar wenig Skrupel, der alte König jedoch bestehe weiterhin auf einem Durchbruch im israelisch-palästinensischen Konflikt als Voraussetzung für eine Öffnung gegenüber dem Jüdischen Staat.

Netanjahu braucht einen außenpolitischen Erfolg

Für Netanjahu wäre die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Saudi-Arabien ein gewaltiger außenpolitischer Triumph in einer Phase innenpolitischer Anspannung. Der Premier steht daheim unter Druck: Wegen diverser Korruptionsvorwürfe muss er sich vor Gericht verantworten, viele Bürger halten sein Pandemiemanagement für gescheitert, und das Verhältnis zu seinem wichtigsten Koalitionspartner, Benny Gantz und dessen Blau-Weiß-Partei, wirkt zerrüttet.

Die Ereignisse rund um den Kurztrip nach Neom verstärken diesen Eindruck: Netanjahu verheimlichte die Reise vor Gantz und dessen Parteifreund, dem Außenminister Gabi Ashkenazi. Zusammen mit dem Rest der Welt erfuhren die beiden erst aus den Medien davon. Angeblich. 

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Romuald Veselic | Mi., 25. November 2020 - 19:36

verhindern. Schon aus seiner ländlichen Territorialgröße, muss er dies tun, denn Israel hat keine strategische Tiefe. Es reicht eine A-Bombe über ISR abwerfen, und dann war's...
Das die Faschokleriker, in allen ihren Ecken schon die ISR Vernichtung zu Fatwa erklärten, wissen nun auch die Außerirdischen. Der beste Treppenwitz allerdings ist, dass D, Angriff auf ISR, als Angriff auf sich selbst deklarierte...
Damit wäre der Minisatan getilgt, aus Sicht der passionierten Galgenkräne-Erfinder. Ich glaube, der Maxisatan wird danach gezwungen sein zu handeln. Allerdings nicht nach Wunschtheorien aus dem Lande der Windräder und Klima-Superalternativen - D.
Übrigens; weiß jemand, wer aus Blickwinkel der Kuttenträger, der mittlere Satan ist?

dort eigentlich nicht mit am Tisch? Trump dürfte die treibende Kraft hinter dem Treffen sein.
Wobei ihm das Schicksal von Saudis oder Israelis wahrscheinlich gewohnt gleichgültig sein dürfte - ihm geht es wohl eher um eine Festigung der Koalition gegen den Iran und, selbstredend, um den eigenen Ruhm.
Trump der Friedensstifter, der sich auch schon mal - wie üblich selbst - für den Friedensnobelpreis ins Gespräch brachte, weil er in hündischer Art dem nordkoreanischen Diktator vor möglichst vielen Kameras die Hand schüttelte.

Sollte gleichwohl ein belastbarer Friedensschluss zwischen radikalislamistischen Saudis und Israel das Ergebnis sein, wäre das für den unter Dauerbedohrohung stehenden jüdischen Staat ein lobenswertes Ergebnis.

Dann hätte Trump, ohne es wirklich zu wollen, noch etwas Gutes getan.

Alexander Mazurek | Do., 26. November 2020 - 09:06

... ist nicht unbedingt mein Freund: Siehe Banu Quraiza und später auch Dr. Luder ...

Heidemarie Heim | Do., 26. November 2020 - 11:22

Heimliche Friedensprojekte ohne die Beteiligung der auf Seiten des Irans stehenden Appeasement-Mächte? Das und die Tatsache das der scheidende Narr im Weissen Haus zum großen Teil daran beteiligt war, geht ja wohl gar nicht! Es ist aber auch eine Plage da unten im Nahen Osten die richtigen Freund-Feindschaften zu pflegen, oder nicht? Schön das Sie liebe Frau Enghusen uns da ein wenig Licht ins Dunkel bringen mit Ihrer fachfraulichen Sicht auf die Geschehnisse! In Erwartung Ihrer nächsten Berichterstattung wünsche ich Ihnen alles Gute! Vor allem Frieden! Shalom! MfG