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Bleiben Sie gesund! Ein Formel, die auch dann wirken soll, wenn man nicht an Beschwörungen glaubt / dpa

Grußformeln in der Coronakrise - Bleiben Sie gesund!

Auf Bahnhöfen, beim Bäcker, in Briefen und Mails, der Wunsch „Bleiben Sie gesund!“ ist im Zuge der Coronakrise allgegenwärtig. Stefan aus dem Siepen ist er vor allem lästig. Was, wenn der Spruch die Krise überdauert?

Stefan aus dem Siepen

Autoreninfo

Stefan aus dem Siepen ist Diplomat und Schriftsteller. Von ihm erschien zuletzt im Verlag zu Klampen „Wie man schlecht schreibt. Die Kunst des stilistischen Missgriffs“. (Foto: © Susanne Schleyer / autorenarchiv.de)

So erreichen Sie Stefan aus dem Siepen:

Auf deutschen Bahnhöfen ist man gezwungen, sich von einer Lautsprecherstimme nahezu im Minutentakt „Bleiben Sie gesund!“ wünschen zu lassen. Auch in Briefen und Mails tauchen diese warmherzigen Worte immer wieder auf; und wer in einer Bäckerei ein Brötchen kauft, dem kann es passieren, dass er als kostenlose Draufgabe ein „Bleiben Sie gesund!“ erhält. Gewiss: Von allen Ärgernissen und Zumutungen, welche die Corona-Krise mit sich bringt, ist diese nicht die schwerste. Doch als Kollateralbelästigung sollte man sie nicht unterschätzen, und Kolumnisten haben das Recht, gegen sie zu protestieren.

In China begrüßten sich die Menschen während der Mao-Zeit mit: „Haben Sie heute schon gegessen?“ Damals gab es lange Hungerperioden, besonders beim „Großen Sprung nach vorn“ und in der Kulturrevolution, und so konnte man der Frage ihre Berechtigung nicht absprechen. Sie verstieß zwar gegen das Prinzip der sozialen Distanz, zumindest einem Fremden gegenüber und bei flüchtigen Begegnungen, doch das war akzeptabel. Problematisch ist allerdings, dass sie sich einbürgerte, die Hungerzeiten überdauerte und noch jahrzehntelang als Floskel in Gebrauch blieb. Droht uns dies auch mit „Bleiben Sie gesund“? 

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Ernst-Günther Konrad | Do., 26. November 2020 - 09:51

Mag doch jeder selber entscheiden, welche Sätze er im Alltag verwendet und wie er sie einsetzt. Ich wünsche den Menschen häufig in Zeiten der Hysterie und Panik- und Angstmache: " Bleiben sie ruhig und klar im Denken." Gerade auch, wenn durch Zufallsgespräche beim Einkaufen oder an anderer Stelle, Menschen sich über die Politik und deren wahnsinnige Corona Maßnahmen aufregen. Das ganze Leben begleiten uns bestimmen Sätze, die wir gerne übernehmen und mal zielsicher, aber auch möglicherweise völlig falsch verstanden im Alltag verwenden. Jeder hier im Forum hat seine eigenen Redewendungen, Lieblingsbegriffe oder Zitate, die er gerne zur Unterstützung oder zur Beschreibung einsetzt. Jemandem Gesundheit zu wünschen kann auch doppelzüngig interpretiert werden. Mal wünscht man ihm dies ehrlich und mal sarkastisch, nach dem Motto: Halte dich noch lange so aus, wie du bist. Inzwischen haben sich Werbesprüche aller Art in unseren Sprachalltag geschlichen und werden mannigfach verwendet. Na und?

Gerhard Lenz | Do., 26. November 2020 - 11:12

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Klar kann einem das lästig werden. Weil es jetzt gehäuft auftritt. Und man es leicht mißverstehen kann. Soll man etwa in Nicht-Corona-Zeiten nicht gesund bleiben?

Selbstverständlich sind solche Wünsche durchaus gut gemeint.

Gleichwohl mögen sich Zeitgenossen brüskiert fühlen. Jene eben, die sich unbeirrbar weigern, die Gefährdungen durch Corona zu verstehen,

Andere mögen solche Wünsche als übertrieben ansehen. Dabei wünschen wir doch stets, bei allen mögliche Gelegenheiten, unseren Mitmenschen "Alles Gute!". Und "alles" schliesst ja Gesundheit kaum aus.

Klar, die Risiken für uns alle sind im Moment wesentlich größer. Die Letalität von Covid-19 ist drei bis viermal so hoch wie die einer Grippe - und an der starben ja, so versuchen uns die üblichen Corona-Verharmloser beschwichtigend zu erklären, in der Vergangenheit schon mal mehrere Zehntausend.

Grund also, besonders vorsichtig zu sein. Daran erinnert zu werden, mag, auch wenn so ein frommer Wunsch nervt, nicht falsch sein.

helmut armbruster | Do., 26. November 2020 - 10:24

in Deutschland sind in einem einzigen Jahrhundert schon viele Gruß- und Glückwunschformeln benutzt worden (von "Sieg Heil" bis "Bleiben Sie gesund").
Da kommt es auf eine mehr oder weniger auch nicht mehr an.
Ich finde es nur seltsam, dass einem nie jemand etwa folgendes wünscht:
- Werden Sie weise
- Benutzen Sie Ihren Kopf
- Entledigen Sie sich Ihrer Vorurteile
- Lernen Sie sich selbst kennen
- Lassen Sie sich nicht manipulieren
- Ertragen Sie Ihr Schicksal gelassen und demütig
usw, usf.......

Urban Will | Do., 26. November 2020 - 10:29

Diese „Bleiben Sie gesund“ - Phrase ist eng mit der Corona – Hysterie verbunden, ich kenne niemanden, der all diesem kritisch gegenüber steht und sie benutzt.
Man kann ihre Verwendung ziemlich klar zuordnen.
In den sozialen Medien hängt sie in unterschiedlichen Varianten oft an Beiträgen, aus denen klar zu erkennen ist, wie die Verfasser ticken.
Auch die hohe Politik oder Vertreter unserer „Qualitätsmedien“ - deren Gesinnung ja hinlänglich bekannt ist – hauen diese Phrase regelmäßig raus.

Anerkannter Idiotismus ist ein Phänomen unserer Zeit und wohl auch der davor, aber man lebt nun mal nur in „seiner Zeit“.
Ähnliches hatten wir 2015 beispielsweise, nur gab es da keine „Grußformel“ wie etwa „bleiben sie gut“ oder so.
Es reichte die „Überphrase“ der Allmächtigen.

Zurück zu Corona.
Ich hoffe, frei nach Kant, dass das Virus irgendwann „völlig vergessen wird“, sonst spinnen wir noch alle.
Hoffen darf man ja...

Achim Koester | Do., 26. November 2020 - 11:25

haben einen festen Platz in unserem Sprachgebrauch, meist nehmen wir die gar nicht mehr wahr, oder antworten ebenfalls mit einer Floskel, wie z.B. "Wie geht's?" - "Danke, gut". Niemand erwartet darauf ernsthaft eine Antwort, man empfindet es als Akt der Höflichkeit. Aber schade wäre es allemal, diese kleinen Freundlichkeiten, und ich gehe davon aus, dass sie nicht ironisch gemeint sind, aus dem Leben zu verbannen. Höflichkeit ist wie ein Luftkissen, es mag scheinbar nichts darinnen sein, aber es dämpft die harten Stöße merklich.

Yvonne Stange | Do., 26. November 2020 - 11:35

Und Wünsche dieser Art sind mir absolut nicht neu. Das hat doch mit Corona gar nichts zu tun. Jemandem Gesundheit zu wünschen scheint allerdings bei einem Großteil der Menschen neu zu sein....? Eigenartig. Kann doch jeder machen wie er mag. Mir ist noch nicht aufgefallen, daß der Spruch jetzt gehäuft vorkommt?

Bernd Muhlack | Do., 26. November 2020 - 16:05

Morgen werde ich wohl einen singulären Geburtstag zelebrieren.
Corona eben.
Vielleicht kommen Ute & Hans, meine beiden "Pferdestehler!"
Ansonsten Anrufe, skypende Tochtern aus London etc.
"ALLES GUTE!"
Floskel oder guter Wunsch?
Das korreliert sicherlich mit dem Bekanntheitsgrad, dem Zusammenhalt, nicht wahr.

Als ich als Jugendlicher vom Rheinland hier nach Nordbaden verschlagen wurde, hieß es lange Zeit: "Wo kummsch du her? Kannsch du a normal schwätze?"
Ich redete im Gegensatz zu diesen Inquisitoren normal - SIE waren unverständlich!
Und die Frage nach der Herkunft ist inzwischen politisch inkorrekt!
Das ist jedoch mMn keine Diskrie, sondern Neugier, Interesse! Unabhängig von der Pigmentierung meines Gegenüber.

Wenn man wie ich zur Klientel der Vorgeschädigten gehört, hat der Wunsch "Bleiben Sie gesund" eine Bedeutung sui generis.
Wie gesagt, die wahre Intention des Wünschenden ist entscheidend!
Alles hat ein Ende, auch Corona.
& 2021 wird krass!
Gleichwohl: Ciceronen, Alles Gute"

Vorhin dachte ich noch an Sie lieber Herr Muhlack! Feuerzeichen Schütze ist nun dran!
Ich bin ein "Gewitter" wie ich als Kind statt Widder zu sagen pflegte, also erstes Feuerzeichen. Bei den Chinesen falle ich unter Holz-Hund was mir ehrlich nicht so gut gefällt. Dann lieber Hörner wie die aus "Tod auf dem Nil", einem meiner Lieblingsfilme mit Ustinov, wo die anständig beschickerte Liebes-Romanverfasserin die Allee der Widder entlang torkelte und deren Kraft und Ausstrahlung bewunderte;-). Meine beste Schulfreundin und die Einzige, die meine Böhmischen Dörfer im Kopf in Mathe, Chemie und Physik zu verwandeln im Stande war ,und als einziges Mädchen in unserer Schwimmbad-Clique den "Köpfer vom 5m-Turm" wagte, war eine Schützin! Was sonst! Ich trinke auf Ihr Wohl, passen Sie auf Ihr Herz gut auf und bleiben Sie uns erhalten mit Ihren munteren Beiträgen! Ihnen und Allen hier wirklich und wahrhaftig gemeint;-) "Alles Gute!" MfG

Univ.-Prof. Dr. Oliver Brüggemann | Do., 26. November 2020 - 18:59

Der Standardspruch „Bleiben Sie gesund“ klingt a) irgendwie oberflächlich und b) schon jetzt ein wenig abgedroschen und nervt im Grunde genommen. Ähnlich wie das „Gesundheit“ beim Niesen.
„Bleiben Sie gesund“: hat außerdem etwas Passiv-Fatalistisches, nach dem Motto „tun Sie nichts besonderes (oder vielleicht gar nichts ?), aber bleiben Sie einfach irgendwie gesund“.
Mir gefällt der lateinische Spruch „Cura, ut valeas!“ deutlich besser. Den soll Cicero (!) vor langen Zeiten häufig am Ende seiner Briefe als Grußformel verwendet haben. Übersetzt:„Sorge dafür, dass Du gesund bleibst!“ Das klingt schon viel aktiv-optimistischer. Ja, man kann seinen Teil dazu beitragen, gesund zu bleiben.
Nutze ich jetzt u.a. in meiner Email-Signatur. Mal schauen, wie lange. ;-)