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China als Herausforderung / dpa

Beziehungen zwischen Deutschland, EU und USA - Ein Gegengewicht zu Peking schaffen

Als nächster US-Präsident wird Joe Biden große Herausforderungen angehen und dafür eng mit Europa zusammenarbeiten müssen. Aber damit sich das transatlantische Verhältnis nach den Trump-Jahren erholen kann, müssen beide Seiten einen Beitrag leisten.

KATRIN ZIMMERMANN

Autoreninfo

Katrin Zimmermann arbeitete lange für Lufthansa, zuletzt als Verantwortliche für den Innovation Hub. Sie hat die US-Präsenz der deutschen Beratungsfirma TLGG aufgebaut. Seit September 2020 ist sie Mitglied im Aufsichtsrat der renommierten Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in New York.

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Nicht nur die Wähler in den USA mussten sich tagelang gedulden, bis die Ergebnisse aus den US-Bundesstaaten so eindeutig waren, dass klar war: Joe Biden ist der gewählte nächste Präsident der Vereinigten Staaten. Auch die Alliierten in Europa, die auf eine Regierung in Washington hofften, die den „America First“-Kurs hinter sich lässt, mussten bis zum Wochenende ausharren. Jetzt also ist es offiziell, Joe Biden hat sich durchgesetzt, wenn auch knapper, als es die Prognosen vorausgesagt hatten.  

Noch mag sich das Team um Donald Trump dagegen wehren, aber das Land und seine Verbündeten tun gut daran, sich davon nicht ablenken zu lassen – und den Blick in die Zukunft zu richten. Denn es gibt viel zu tun. Der amerikanische Präsident wird in den kommenden vier Jahren in einer ganzen Reihe zentraler Themen die Weichen nicht nur für das eigene Land, sondern für die Welt stellen. Klimawandel, Covid-19, die Regulierung der mächtigen Technologiefirmen und die Rolle Chinas werden die Agenda bestimmen – und verlangen entschlossenes Handeln.

China als einziges Land auf Wachstumskurs

Dass sich die Probleme in einer globalen Welt weder isoliert betrachten noch auf nationaler Ebene lösen lassen, hat uns Covid-19 vor Augen geführt. Dabei geht es nicht nur um Grenzkontrollen und Impfungen, sondern auch um geopolitische Szenarien: Die Pandemie hat den wirtschaftlichen und politischen Angriff Chinas auf die US-Hegemonie beschleunigt. Als einzige große Volkswirtschaft befindet sich das Land auf Wachstumskurs, während die Regierungen im Westen es bislang nicht geschafft haben, die Pandemie maßgeblich einzudämmen.

Die Zusammenarbeit von Berlin und Washington wird vor diesem Hintergrund umso wichtiger. Als Land im Herzen Europas wird Deutschland eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, das Verhältnis zwischen der EU und den Supermächten China und Amerika zu prägen. In den vergangenen 70 Jahren hat sich die Beziehung zwischen Deutschland und den USA zu einer Säule des Friedens entwickelt – und die heutige Weltordnung entscheidend mitgeprägt. Daran gilt es jetzt anzuknüpfen.

Gemeinsame Initiativen und Institutionen aufbauen

Wie fragil dieses Konstrukt ist, haben die vergangenen Jahre gezeigt. Der NSA-Spionageskandal, Handelskriege und Streitigkeiten um den deutschen Verteidigungshaushalt haben die Beziehung belastet. Die nächsten Jahre halten mit dem Klimawandel und der Digitalisierung neues Potential für Unstimmigkeiten bereit. Aber eines ist sicher: All diese Themen werden schwieriger anzugehen sein, wenn die USA und Europa – vor allem aber Deutschland – dabei nicht einer Meinung sind.

Was also können beide Länder tun, um die angeschlagene Beziehung zu verbessern? Vor allem gilt es, den Austausch wieder stärker zu fördern. Die „America First“-Strategie unter Trump hat den Informationsfluss auf beiden Seiten trockengelegt. Jetzt braucht es die richtigen Rahmenbedingungen, damit es leichter wird, sich zwischen beiden Welten zu bewegen und gemeinsame Initiativen und Institutionen aufzubauen.

Ein Gegengewicht zu Peking schaffen

Dazu gehört nicht nur der Abbau von Visums-Bestimmungen für Studenten und Angestellte. Auch politische und wirtschaftliche Organisationen müssen enger aneinanderrücken und voneinander lernen. Es braucht gemeinsame Regeln, Vorschriften und Märkte. Nur so können wir ein Gegengewicht zu Peking schaffen, wenn es um die Deutungshoheit bei der Beantwortung der großen Fragen geht. Der Umgang mit dem chinesischen Telekommunikationsriesen Huawei und der Einführung der 5G-Technologie sind dabei nur zwei Beispiele.

Die Bundeskanzlerin erklärte in ihrer Stellungnahme am Montag, Europa müsse in der Zusammenarbeit mit den USA mehr Verantwortung übernehmen. Das bedeutet nicht Abschottung oder Nationalismus, sondern vor allem ein Besinnen auf die eigenen Stärken im Dialog mit Amerika. Es gilt nicht, Gelder zu investieren, um verzweifelt eigene Alternativen zu US-Tech-Unternehmen und -Produkten zu schaffen. In einem Wettrennen um die digitale Vorherrschaft können wir nicht gewinnen.

Balance und gegenseitiger Respekt

Was wir aber beisteuern können, ist ein deutsches und europäisches Wertesystem für das digitale Zeitalter, mit dem wir Fragen wie die Nutzung und der Besitz von Daten einordnen. Dafür braucht es ein tiefes Verständnis für die Chancen und Herausforderungen, die die digitale Transformation bereithält. Das heißt auch, die digitale und wirtschaftliche Infrastruktur zu schaffen, um für die nächste Runde der Digitalisierung bereit zu sein.

Aber auch die USA sind in der Verantwortung, ein westlich geprägtes Weltgefüge aufrechtzuerhalten. Denn nur so können wir unsere gemeinsamen Werte in eine digitalisierte Zukunft tragen. Dafür muss Washington Europa – und Deutschland – ernst nehmen und wieder als gleichberechtigten Partner behandeln. Berlin zur Veränderung zu drängen und die Muskeln spielen zu lassen, wird nicht funktionieren, das hat schon die Debatte um den Verteidigungsetat gezeigt.

Deutschland hat, wie Amerika, seine ganz eigene Geschichte, aus der sich andere Perspektiven, andere Herausforderungen und andere Interessen ergeben, aber eben auch Chancen, vom Anderen zu lernen. Zugleich gibt es wirtschaftliche und politische Herausforderungen, denen sich beide Länder gegenübersehen und die sich nur gemeinsam angehen lassen. Nur in der Balance aus beidem und gegenseitigem Respekt können wir die transatlantischen Beziehungen stabilisieren – und gemeinsam Lösungen für eine globale Zukunft entwickeln.

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Klaus Funke | Fr., 13. November 2020 - 09:37

Wer solche Sätze sagt wie (Zitat) "Aber auch die USA sind in der Verantwortung, ein westlich geprägtes Weltgefüge aufrechtzuerhalten. Denn nur so können wir unsere gemeinsamen Werte in eine digitalisierte Zukunft tragen..." hat offenbar nichts begriffen. Was sind "westliche Werte"? Ist es die Solidarität mit einem rechtsradikalen Provokateur wie Nawalny? Oder die inflationäre Anwendung von Sanktionen gegen jeden, der nicht ins Bild passt? Oder die unverständliche Toleranz mit jenen, die nach Europa kommen, um zu töten und sich ansonsten alimentieren zu lassen? Das "westliche Weltgefüge" (so es das überhaupt gibt?) ist ein vergängliches, ein absterbendes, ein verfaulendes. "Ex oriente lux!" (lateinisches Sprichwort) - "Aus dem Osten kommt das Licht!" Wer eine Welt ohne China und Russland, oder gar gegen sie und als Bollwerk versteht, der hat die Entwicklung auf unserem Planeten verschlafen, will sie nicht verstehen. Der Westen ist out, liebe Frau Zimmermann. Weltmacht USA? Vorbei!

Ich sehe da auch einiges anders als in dem Artikel gesagt. Allerdings ist Russland nicht Teil meiner Gleichung: außer Rohstoffe haben die nichts anzubieten.
Die Interessen bezüglich China sind einfach andere in Europa als in der USA. Deshalb hat auch der Streit mit der USA nicht die Beziehung belastet, sondern da wurden die unterschiedlichen Interessen offengelegt. Das weitere Problem ist allerdings, dass Deutschland China braucht, die Chinesen Deutschland aber nicht. Also haben wir unsere eigenen Probleme mit China. Das nächste Problem ist, dass China eine andere Wirtschaftspilitik als die USA und Europa hat. Letztlich ist das dort eine private und staatliche Wirtschaft, wobei immer die Politik das letzte Wort hat. Und das ist die kommunistische Partei, die ganz eigene Ziele hat. Im Grunde bewegt sich unsere Beziehung zu China in die Richtung die Deutschland vor der Wiedervereinigung zur USA hatte. Deshalb sehe ich keinen Grund zum Jubeln.

Ein System ist nie perfekt, vor allem wenn es Demokratisch legitimiert ist, Herr Funke.
Nur würden sie lieber unter der diktatorischen Knute der Chinesen leben?
Wo sie als Individuum nur eine Nummer sind und sich zu 100% der Staatsräson zu fügen haben.
So einen Kommentar, wie hier im CICERO, könnten sie da gar nicht schreiben weil sie dann direkt auf dem Radar der Staatsmacht wären. Wo sie dann landen täten, ist wohl nicht schwer zu erraten.
Zwei lächerliche Anekdote aus dem Reich der Mitte dazu: Da ist der Film von Q. Tarrantino auf dem Index, weil die Szene mit Bruce Lee (er wird da verprügelt)nicht ins Bild der chin. Zensurbehörde passt und weil QT diese Szene nicht rausschneiden will.
Zweitens behaupten doch die C., das durch eine Schweinshaxe (aus D.)eine Corona-Infektion in der Stadt Tianjin stattgefunden habe. Lächerlich!
Die USA sind "Weltmacht" und werden es vorerst auch bleiben!
Salute

Klaus Funke | Fr., 13. November 2020 - 20:08

Antwort auf von Roland Völkel

Was China betrifft, so haben Sie schon Recht. Ich meinte ja nicht, in China leben zu wollen, sondern nur die Realitäten anzuerkennen. China wird vom Westen nicht mehr aufzuhalten sein. Dieser Zug ist abgefahren. Was die USA betrifft, so sehe ich das anders. Im Grunde steht dieser Staat vor dem Ruin, nur das Militär hält da noch manches zusammen. Wenn der Dollar seine Funktion als Leitwährung verliert, sind sie am Ende. Was politisch dort für ein Chaos herrscht, sehen wir gerade. Von den USA als Mutterland der Demokratie zu sprechen, ist der blanke Hohn. Die USA sind und bleiben eine Cowboy-Republik. Auch genauso hohl und dumm. Allerdings deswegen auch gefährlich. Sollten die USA implodieren, könnten sie die ganze Welt in den Abgrund reißen wie 1932 schon mal ansatzweise geschehen.

Brigitte Simon | Fr., 13. November 2020 - 11:50

Europa und Amerika benötigen sich gegenseitig als Bollwerk gegenüber China. Es wurde sich kaum mit
dem Aufstieg Chinas zur wirtschaftlichen und politischen Weltmacht auseinandergesetzt. Für Unmut sorgen in Europa die Versuche Chinas, als Geldgeber die Wissenschaft und Kultur, um Europa zu beeinflussen.
Die Spaltung Europas besiegelte Italiens Minister-präsident Giuseppe Conte und Chinas Präsident XI Jinping mit einem am 23.03.2019 in Rom unterzeichneten Vertrag. Es geht sowohl um Investitionen in die Häfen von Triest und Genua, um Export. Das chinesische Geld an Conte müßte seine EU-Gelder überflüssig machen! Diese EU-Staaten erhalten weiterhin Geld aus Brüssel. Genau diese Staaten spalten Europa.
Der neuen Seidenstraße schlossen sich bereits EU-Staaten wie Griechenland, Polen und Ungarn an. Historische Partner wie Deutschland und Frank-reich sind nicht dabei.
Der Westen braucht ein starkes geeintes Amerika.
Einen starken Biden, ein unterstützendes Europa
und einem staken Deutschland.

Marc Schulze-Niestroy | Fr., 13. November 2020 - 13:57

...gibt es nur nach innen. Durch unsere lieberalen Verfassungen und den Rechtsstaat, auch wenn dieser gerade in rasender Geschwindigkeit durch die Gesundheitsdiktatur ersetzt wird. Nach Außen hat der Westen stets nur seine Interessen im Blick und hat Krieg in „humanitäre Intervention“ umbenannt, damit sich der satte Westler wohlig fühlen darf, wenn die Feinde und Zivilisten zerbombt werden. So sehr ich liberale Werte liebe, um so mehr ekelt mich der Altar und die Scheinheiligkeit, die darum gebaut wurde.

Gunther Freiherr von Künsberg | Fr., 13. November 2020 - 18:30

Dass Amerika first oder Germany first die Maxime des jeweiligen Präsidenten oder Kanzlers ist, ist selbstverständlich. Es kommt darauf an, welchen Inhalt man mit dieser Aussage verbindet.
Germany first kann inhaltlich nur bedeuten dazu beizutragen, dass Europa politisch, wirtschaftlich, militärisch so stark wird, dass es von China nicht überrollt wird. Nur das sichert die globalen Interessen Deutschlands ab, denn Verträge mit dem totalitären Staat werden von China nur so lange eingehalten, solange dies erforderlich ist. Ein Staat der Schwäche zeigt wird überrollt. (Siehe Hongkong) Die amerikanischen Interessen sind insoweit gleich gelagert.
Wenn somit ein vernünftiger (neuer) amerikanischer Präsident selbstverständlich die amerikanischen Interessen in den Vordergrund stellt bedeutet dies eine enge wirtschaftliche und politische wie auch militärische Abstimmung mit Europa. Die Aussagen Amerika first und Germany first haben somit gleichen Inhalt und verfolgen ein identisches Ziel.