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Mario Ohoven * 18. Mai 1946; † 31. Oktober 2020 / dpa

Zum Tod von Mario Ohoven - Primadonna des deutschen Mittelstands

Mitten in der Corona-Wirtschaftskrise verliert der deutsche Mittelstand mit dem Tod von Mario Ohoven einen seiner stärksten Fürsprecher. Er war ein unermüdlicher wie umstrittener Antreiber mit Boss-Attitüde und immer auf Tuchfühlung mit den Großen der Politik.

Florian Hartleb

Autoreninfo

Dr. Florian Hartleb ist Politikwissenschaftler. Er lebt seit fünf Jahren in Tallinn, Estland, und ist als Politikberater und -experte zu den Themen Flüchtlinge und Digitalisierung tätig. Im Oktober 2018 erschien sein Buch „Einsame Wölfe. Der neue Terrorismus rechter Einzeltäter“ bei Hoffmann und Campe. Im Februar 2020 wurde das Buch aktualisiert und in englischer Fassung vom Springer-Verlag veröffentlicht. 

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Menschen werden oft, simplifizierend wie ignorant, auf einen Satz reduziert. „Ich muss dann mal weg.“ Diese Szene bei Stefan Raab in TV Total am 3. April 2001 machte ihn berühmt. Ebenso berühmt wurde Mario Ohoven durch seine Frau Ute, Unesco-Sonderbotschafterin, seinen Sohn Michael, der als Filmproduzent einen Oscar holte, und seine Tochter Chiara, Society-Lady mit dicken Lippen. Aber diese Oberflächlichkeiten, die in den Medien kursieren, tun ihm unrecht: Mario Ohoven war die Stimme des deutschen Mittelstands, die verstummt ist. Er lebte den Mittelstand. Der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft ist im Alter von 74 Jahren gestorben.

Mario Ohoven kam am Wochenende bei einem Verkehrsunfall ums Leben, mit seinem Bentley auf der Autobahn. Im Oktober 2001 wurde er mit dem „Oscar des deutschen Mittelstandes“ ausgezeichnet, zudem wurde er mit dem deutschen Mittelstandspreis „Kustos des mittelständischen Unternehmertums“ geehrt. Der 1946 geborene gelernte Anlageberater war seit 1998 Präsident des Mittelstandsverbandes. Als Autodidakt war er auf Tuchfühlung mit den Mächtigen. Davon zeugten die teils eingekaufte Fotogalerie in seinem Büro am Potsdamer Platz, von Bill Clinton bis zu Papst Johannes Paul II. Er, ein Narzisst mit dem Gestus des Neureichen, war nicht nur auf Augenhöhe von Donald Trump, sondern teilte auch dessen Philosophie: Verkaufen. 

Auf Tuchfühlung mit den ganz Großen 

Ohoven, ein Autodidakt, schrieb sein Buch über „Powerselling“, das in verschiedenen Sprachen übersetzt wurde. War Trump einst Präsident des Wrestling-Verbands, amtierte Ohoven als Vizepräsident des Deutschen Bundes der Berufsboxer und wäre fast Präsident geworden. Auf Tuchfühlung war er stets mit den Großen der Politik, die ihn für seine Aura bewunderten. Als Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister amtierte, war Ohoven bei Auslandsreisen dabei. Kaum jemand in der Politik kam an ihm vorbei. Selbst Gregor Gysi war im politischen Beirat des Verbandspräsidenten, ebenso Dagmar Wöhrl.

Allein Angela Merkel scheute den Kontakt. Das Handelsblatt bezeichnete ihn als „Scheinriese“, da sich sein Verband zum zentralen Organ des Mittelstands machte und dabei mit Mitgliederzahlen und Einfluss jonglierte. Immerhin amtierten als operative Chefs des Verbands scheinbare Ex-Politiker, Wolfgang Reinhart, mittlerweile CDU-Fraktionsvorsitzender in Baden-Württemberg, sowie Roland Wöller, mittlerweile Innenminister von Sachsen. 

Welterklärer 

Ohoven, der jede Woche von Düsseldorf nach Berlin einflog und die Welt bereiste, kaufte sie nebenpolitisch als Lobbyisten ein, nahm sie in jeder Sitzung auf die Hörner und bezeichnete sie als Professoren. In seinen wöchentlichen Meetings, deren Zeitpunkt nie klar war, erklärte er stundenlang die wirtschaftliche Lage Deutschlands und der Welt. Ein Familienunternehmen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kanzelte er ab, ebenso seine Verbandsvertreterinnen und -vertreter. Die Fluktuationen waren dementsprechend immens. Publikationen des Verbands, etwa die Zeitschrift „Der Mittelstand“ huldigten allein ihn. Oft lag man dabei richtig.

Mario Ohoven war ein unermüdlicher wie umstrittener Antreiber nach innen wie außen, der in Realverkörperung der Boss-Attitüde vor Ideen sprudelte und selbst die wichtigsten Events in Berlin besuchte. Er, selbst gelernter Bankkaufmann mit umstrittenen Machenschaften im Verkaufen von Versicherungen, sah die Bankenkrise ebenso voraus wie die wirtschaftlichen Folgen der Migration und nun von Corona.

Kein Professor konnte in seinen Vorlesungen mehr begeistern als der Patriarch, der sich einzigartig inszenierte. Italienische Opernstars kamen eigens eingeflogen in den großen Events. Politiker ersten Rangs standen Spalier. Menschliche Züge zeigte er bei Leistung. Die Primadonna des deutschen Mittelstands tritt ab – ein herber Verlust in diesen Zeiten. Denn der Mittelstand leidet am meisten unter der Corona-Krise. Darauf wies Mario Ohoven bis zuletzt hin. Eine solch kräftige Stimme wird es nicht mehr geben.

Florian Hartleb war von August 2015 bis Januar 2016 PR-Manager im Verband von Mario Ohoven.

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Juliana Keppelen | Di., 3. November 2020 - 14:00

triffts ziemlich genau.