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Von Merkel wie ein Staatsgast empfangen: Aus dem Exil hat Svetlana Tichanowskaja die Arbeiter zum Streik aufgerufen / dpa

Streikaufruf in Belarus - Voller Kühlschrank statt Revolution

Die belarussische Protestführerin Swetlana Tichanowskaja hat für diese Woche zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen. Doch zum großen Showdown ist es bisher nicht gekommen. Ein Schlag für die Protestbewegung? 

Autoreninfo

Simone Brunner lebt und arbeitet als freie Journalistin in Wien. Sie hat in Sankt Petersburg und in Wien Slawistik und Germanistik studiert und arbeitet seit 2009 als Journalistin mit Fokus auf Osteuropa-Themen.

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Pioniere haben es manchmal besonders schwer, sagt Sergej Poljakow, „aber irgendwer muss nun mal der erste sein.“ Und die Chance, eine blutige Diktatur zu Fall zu bringen, habe man auch nicht jeden Tag, sagt er. So ist es Montagfrüh diese Woche, als sich Poljakow mit fünf Arbeitskollegen vor dem Firmenschild des staatlichen Ölunternehmens Belorusneft aufstellt, ein weiterer Kollege filmt die Gruppe mit seinem Handy. „Wir sind gegen die Gewalt und die Gesetzlosigkeit, die in unserem Land herrscht“, sagt Poljakow in die Kamera, seinen Arbeitsausweis in den Händen. „Wir schließen uns dem landesweiten Streik an.“  

Das Video dauert nur 19 Sekunden, aber es macht Poljakow und seine Kollegen in ganz Belarus berühmt. Seit Montag klingelt sein Telefon pausenlos. Nicht etwa, um ihm zu seinem 36. Geburtstag zu gratulieren. Sondern zum Streik. Mit Cicero spricht er über Videochat, es ist Dienstag Nachmittag, er sitzt am Steuer seines Autos, geparkt in einer ruhigen Seitenstraße in der Stadt Retschyza im Südosten des Landes, eine Autostunde westlich von Gomel.

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gabriele bondzio | Do., 29. Oktober 2020 - 09:33

„Hinter vorgehaltener Hand und über verschlüsselte Messenger-Dienste „...die Revolution sollen mal gefälligst die anderen Bürger machen. In die Nesseln zu setzen bzw. sich mit dem Staat anzulegen, ist nicht jeder man Ding.
Zu rechnen ist da mit vielen offenen und versteckten Sanktionen seitens der Machthaber incl. Jobverlust als erste Repression. Und ehrlicherweise muss ich sagen „ohne Moos nichts los“. Da brauch es schon eine sehr starke Überzeugung in einem selbst. Um der Revolution treu zu bleiben.

Wenn die anderen glauben, man ist am Ende, so muss man erst richtig anfangen (K.Adenauer)

Ernst-Günther Konrad | Do., 29. Oktober 2020 - 10:59

"Eine Geschichte der Politisierung, wie man sie dieser Tage in Belarus zu hunderten, zu tausenden hören kann." Und wo waren diese politisierten und unzufriedenen Bürger? Auch wenn Lukaschenko mit Rauswurf droht, das mag bei ein paar 100 noch funktionieren, wenn aber alle die Arbeit niederlegen, dann klappt das auch nicht mehr. Ist das alles nur Opportunismus, Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes oder sind gar nicht alle so unzufrieden?
Wir lesen hier öfter Artikel von den "Revoluzzern" in Belarus. Es mag ja auch vieles stimmen, was da geschrieben und in Videos im Netz gezeigt wird. Nur Gegenstimmen hören wir keine. Ich halte jemand nach 26 Jahren im Amt für grundsätzlich gefährdet in Hinblick auf den Verlust von demokratischen Prinzipien, wenn man wieder von der Macht lassen soll. Das Merkel sie empfangen hat ist nichts Besonderes. Das war für die Galerie. Echte Hilfe wird nicht kommen und wenn es drauf ankommt, duckt die sich weg. Sie fährt halt auf Sicht und wartet ab.

Christa Wallau | Do., 29. Oktober 2020 - 11:02

... manche Menschen sich nicht mehr zu sagen trauen, was sie wirklich denken, wie kann man dann von den Bürgern in Weißrußland erwarten, daß diese angesichts von drohenden Verhaftungen alle den Mund auftun und sich offen gegen die Staatsgewalt stellen?
Daraus zu schließen, daß Lukaschenka wohl doch über eine Mehrheit an Befürwortern verfüge, wäre
ein absoluter Kurzschluß.
N a t ü r l i c h haben die allermeisten Leute Angst um ihren Arbeitsplatz und um ihre bloße Existenz!
Einen Diktator loszuwerden, ist wahrhaftig kein Kinderspiel.
Umso höher ist meine Achtung für diejenigen, die
Leib und Leben auf's Spiel setzen, um mehr Freiheitsrechte für das Volk zu erkämpfen.
ich wünsche ihnen Glück und einen langen Atem.

Gegen den Diktator zu sein ist verständlich. Eine große Zahl von Bürgern müsste sich aber für eine politisch und wirtschaftlich plausible Alternative begeistern um die Diktatur hinwegzufegen. Nur ein bisschen weniger Repression, ein bisschen mehr Freiheit, sonst aber alles wie gehabt, damit der Kühlschrank voll bleibt, ist " wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass ". Für die Menschen in Belarus ( Belo-Russia=Weißrussland) ist es besser eine Art autonome Provinz der Russischen Föderation zu bleiben, und sich nicht in Chaos und bittere Verarmung für mindestens eine Generation zu stürzen.

Petra Horn | Do., 29. Oktober 2020 - 11:23

der wievielte vom Westen getriggerte Regierungswechsel soll das werden?
Ich weiß nicht, was man sich davon realistischerweise verspricht.
Ich denke, das wird nicht erfolgreicher als in der Ukraine, Ägypten, Tunesien, Libyen usw.

Juliana Keppelen | Fr., 30. Oktober 2020 - 13:36

Antwort auf von Petra Horn

kleiner Hinweis, schauen sie sich die Natokarte von Europa an und sie werden sehen da sind noch weisse Flecken ganz besonders zur direkten Grenze zu Rußland. Und noch ein kleiner Hinweis, Herr Pompeo war vor eingen Wochen gerade mit dem Honigtopf in Serbien unterwegs. Dass es weder um Menschenrechte und Demokratie geht das wissen sie und ich.