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Christine Lagarde: Die EZB im Kampf gegen den Klimawandel? / dpa

Die EZB und der Klimawandel - Grünes Geldhaus

Die EZB sieht sich in einer führenden Rolle, wenn es um die Bekämpfung des Klimawandels geht. Was mit einer Bevorzugung „grüner Investments“ beginnt, wird in der direkten Staatsfinanzierung enden. Denn dies ist das eigentliche Ziel.

Daniel Stelter

Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Schon bei ihrer Vorstellung im Europaparlament als Kandidatin für den Vorsitz der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte Christine Lagarde, die ehemalige französische Finanzministerin und Chefin des IWF betont, dass sie die EZB beim Kampf gegen den Klimawandel in einer entscheidenden Rolle sieht.

Heute als Präsidentin der EZB beginnen die ersten Schritte dazu. Zunächst soll die EZB bei ihren Anleihekäufen jene Schuldner bevorzugen, die mit ihren Aktivitäten die Klimaschutzbemühungen unterstützen. Damit soll versucht werden, die relativen Finanzierungskosten für „gute“ Investments besser zu stellen als für „schlechte Investments“.

Aber was ist grün?

Was theoretisch gut klingt, erweist sich bei genauerem Hinsehen allerdings als höchst problematisch. Denn wer soll beurteilen, was „grün“ ist und was nicht? Nehmen wir als Beispiel eine Anleihe von Siemens. Der Konzern ist führend bei der Herstellung von Windkraftanlagen (gut) und zugleich bei Gasturbinen (schlecht).

Wie soll man die Anleihe also beurteilen? Blickt man auf die Unternehmen, die in gängigen ESG-Rankings (ESG steht für Environment Social Governance – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) auftauchen, so stellt man fest, dass je nachdem, wer die Auswahl trifft, andere Unternehmen in der Liste vertreten sind. Der Verdacht liegt also nahe, dass die Klassifizierung durch geschickte Positionierung von den Unternehmen selbst beeinflusst werden kann.

Zwei Arten von Gefahren

Diesem Problem will die EU nun aber entgegentreten, indem sie eine einheitliche Methodik vorgibt. Auch dies klingt in der Theorie gut, wird aber in der Praxis ebenfalls zu Ungerechtigkeiten und falschen Ergebnissen führen. Zu unterschiedlich sind die Unternehmen, zu verschieden die Chancen und Risiken aus dem Klimawandel für das Geschäftsmodell. Das große Risiko besteht darin, dass ein Gütesiegel die Investoren und damit auch die EZB in die Irre führt.

Schon im Januar dieses Jahres hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) davor gewarnt, dass die Folgen des Klimawandels und vor allem der Politik der Bekämpfung des Klimawandels unzureichend in den Risikomodellen der Investoren berücksichtigt sind. Konkret sehen die Experten zwei Arten von Gefahren:

– Die „physischen Risiken“, also tatsächliche Schäden durch Sturm, Überschwemmung, Hitze. Diese reichen von Zerstörung von Vermögenswerten und Leben bis hin zu geringerer Arbeitsproduktivität und einer Verschiebung von Ressourcen von der Investition in die Zukunft zur Behebung von Schäden.

– Die „Übergangsrisiken“, zum Beispiel durch einen schneller als erwarteten Umstieg von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien, der zu einer Abwertung der Vermögen der Unternehmen führt, die fossile Brennstoffe fördern und nutzen.

Intensive Analysen als Lösung

Beide Risiken können dazu führen, dass der Wert von Unternehmen unerwartet deutlich fällt und Aktionäre und Gläubiger viel Geld verlieren mit erheblichen negativen Folgen für das Weltfinanzsystem. Die Antwort darauf ist aber nicht, dass die Notenbank die relativen Zinsen um ein paar Nach-Kommastellen ändert.

Die Lösung liegt darin, dass Unternehmen und Investoren mit Szenarien versuchen, die Risiken zu bewerten und sich entsprechend darauf vorzubereiten. Dies setzt aber eine intensive Analyse jedes einzelnen Unternehmens voraus, die eben nicht durch ein einheitliches, vereinfachendes Gütesiegel ersetzt werden kann.

Vor allem zeigen die Nachteile, dass wir es mit einem untauglichen Instrumentarium zu tun haben. Will man den Klimawandel bekämpfen, dann geht das nur, indem man die Kosten von CO2 rasch und deutlich für die Unternehmen relevant macht. Das ist das Signal, welches wirkt. Indirekte Versuche, die Kosten von Fremd- und Eigenkapital zu beeinflussen, wirken zum einen deutlich weniger und öffnen Versuchen der Manipulation Tür und Tor.

Es ist nur der Testballon

Dies alles wissen die Verantwortlichen der EZB natürlich auch. Sie wissen, dass in einem Umfeld von Nullzins die Tatsache, dass die Notenbank bestimmte Anleihen bevorzugt, letztlich an den Finanzierungskosten nichts ändert. Kein Unternehmen wird eine Investition tätigen, weil Geld 0,5 Prozent weniger kostet, kein Unternehmen eine Investition unterlassen, weil es 0,5 Prozent mehr kostet.

Was vorbereitet werden soll ist im Grunde etwas ganz anderes: Es soll die gesellschaftliche Akzeptanz geschaffen werden für eine andere Rolle der Geldpolitik. So hat die EZB zwar schon heute die Aufgabe, die Europäische Union bei ihren Aktivitäten zu unterstützen, aber nur nachrangig nach dem Ziel der Geldwertstabilität.

Wenn nun also die EU als globaler Vorreiter glaubt, das Weltklima faktisch im Alleingang retten zu können und dazu mehrere Billionen Euro mobilisieren will, stellt sich die Frage, woher diese kommen sollen. Offensichtliche Lösung: diese unzweifelhaft „grün“ eingestuften Anleihen, werden von der EZB gekauft. Wer kann schon gegen diese direkte Staatsfinanzierung sein, geht es doch um einen „guten Zweck“. Auch in Deutschland, ohnehin übereifrig im Bereich des Klimaschutzes, dürfte die Zustimmung breit sein. Die paar ewig gestrigen Kritiker, die an die Risiken einer direkten Staatsfinanzierung erinnern werden, nimmt dann niemand mehr so richtig wahr.

Legitimierung der monetären Staatsfinanzierung

Der Clou daran: die hoch verschuldeten Staaten der Eurozone arbeiten schon seit langem auf die Lösung ihrer Probleme durch die EZB hin. Die solideren Staaten haben bisher immer dagegengehalten. Dann brachte Corona den Dammbruch zur Schulden- und Transferunion. Die Klimapolitik vollendet den Umbau durch die Legitimierung der monetären Staatsfinanzierung. Wie ich schon vor Jahren schrieb: Gäbe es den Klimawandel nicht, man müsste ihn erfinden.

Auf Deutschland bezogen bleibt nur festzuhalten: angesichts der absehbaren Monetarisierung von Staatsschulden und Ausgabenprogrammen in Billionen-Höhe lautet die Devise: Mitmachen, nicht Geisterfahrer spielen. Höchste Zeit, dass auch wir mehr ins Inland investieren und Steuern und Abgaben senken. Denn jeder neue Euro der für Frankreich, Italien, Spanien und Co. geschaffen wird, gilt auch bei uns!

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Holger Jürges | Fr., 16. Oktober 2020 - 11:20

...also der perfide Todesstoß für Unternehmen, die fossile Brennstoffe fördern und nutzen ! - Geht´s noch?: So wirklichkeitsfern und volkswirtschafts-tötend fungiert die EZB-Lobbygruppe der Umweltfanaten.
Kein vernünftiger Mensch leugnet den Klimawandel ! - Es gibt dennoch keine valide respektive empirische Studie, die eindeutig den menschlichen Anteil an der Erderwärmung beweist ! - Was wäre denn, wenn der Planet selbst "sich die Ehre gäbe" ?
Wären die Abermilliarden nicht in großen Teilen sinnvoller in die Vorbeugung hinsichtlich möglicher (hypothetischer) Folgen der Erwärmung investiert, um risikobehaftete Gebiete zu schützen ?

Klaus Decker | Fr., 16. Oktober 2020 - 11:47

Nach der monetären Staatsfinanzierung kommt das Helikoptergeld. Kredite werden über bestimmte Stellgrößen (etwa Laufzeit) zu unentgeltlichen Zuwendung. Steuern und Abgaben können beliebig gesenkt werden, grenzenloser Konsum ist garantiert.
Endlich ist es soweit: Schlaraffenland welcome!

Tomas Poth | Fr., 16. Oktober 2020 - 12:32

Klimawandel nicht, man müßte ihn erfinden.
Gleiches gilt auch für Covid-19, er hat den Durchbruch zur Schulden- und Transferunion gebracht!
Der EU-Sozialismus steht in der Tür und geht seinen Weg. Dem Michel scheint es zu gefallen.

Yvonne Stange | Fr., 16. Oktober 2020 - 16:04

Antwort auf von Tomas Poth

.... des Bargeldes, so still und heimlich durch die Hintertür. Jeder ist jetzt gläsern, alles nachvollziehbar.

Markus Michaelis | Fr., 16. Oktober 2020 - 12:51

Ich denke, dass ist eine wichtige und richtige Erkenntnis, die mehr unter die Leute muss: ein solider Finanzkurs bringt nur etwas, wenn man auch genügend abgeschottet ist. Mit einer vernetzten Wirtschaft, gemeinsamen Währung und gemeinsamen Schulden muss man mitmachen ... bis es kracht.

Das Leben auf Kosten von Morgen heißt ja nicht, dass wir Dinge heute verbrauchen, die erst morgen hergestellt werden müssen - das geht nicht. Es heißt, dass wir zur Aufrechterhaltung unseres Systems heute an bestimmte Gruppen Renten-, Wohstands-, Zins-, Vermögens-, Rendite-Versprechen machen, die nicht zu halten sind. Irgendwann wird es klar, dass das nicht zu halten ist, und dann gibt es wahrscheinlich keinen Konsensweg mehr, wer von den vielen virtuellen Wohlstandsversprechen und Illusionen abstand nehmen muss und wer nicht. Ohne Konsens lässt sich das dann nur noch im Krach und Crash regeln. Bis dahin sollte man aber so gut wie es geht mitmachen - oder sich ganz abschotten (wenn man das kann).

Manfred Bühring | Fr., 16. Oktober 2020 - 16:22

Antwort auf von Markus Michaelis

Der Euro war und ist eine Fehlkonstruktion und die Maastricht-Kriterien sollten die Kritiker nur einlullen und diese monströse Kopfgeburt politisch durchpauken. Wenn Politikerversprechen und Gesetze/Vereinbahrungen nur noch für die Kulisse sind, window-dressing für die nächste Wahl, um nun die Wähler einzulullen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich irgendwann frustbefördertes autoritäres Gedankengut breit macht in den Parlamenten wiederfindet.

Romuald Veselic | Fr., 16. Oktober 2020 - 13:11

bei ihrem Metier bleiben. Es ist so unaufrichtig, wie bei einem Straßenpflasterer, der behauptet, sich zum Uhrenmacher ausbilden lassen. Wie Pfeifen im Walde, statt Pfeifen in Ohren...
Die alte Autowerbung mit dem Slogan "Nichts ist unmöglich..." Sollte man neu lancieren; mit: "Alles ist möglich, besonders wenn es falsch/verlogen ist."
Lagarde sollte sich darum kümmern, um Negativzinsen (legalisiertes Raubrittertums), in Positivzinsen zu verwandeln, anstatt aus dem EZB Abzocke Institut, pseudo-vegane Biolandschaft zu kreieren.
Eindeutig: Gesellschaft, die zu viele Bankiers und Anwälte/Juristen hat, hat keine Zukunft.
Und wer hat's gesagt?
Hab's vergessen...
MfG Nevergreen ✔

helmut armbruster | Fr., 16. Oktober 2020 - 14:19

Ist man in einen Club geraten, in welchem diejenigen Mitglieder, die am schnellsten in die Kasse greifen, am besten fahren, dann muss man dasselbe tun.
Auf richtig oder falsch, auf fatale Konsequenzen kommt es dann nicht mehr an.
Die Devise heißt, ran so lange was zu holen ist, denn ewig werden sie dich nicht an die Kasse lassen. Was kümmert dich Nachhaltigkeit und Solidität. Nach uns kommt sowieso die Sintflut. Bis dahin lasst uns leben und zwar so gut wie möglich.

Manfred Schmidt | Fr., 16. Oktober 2020 - 14:53

In Einer Zeit wo es beim ev. Kirchentag einen Workshop über Vulvenmalen geben konnte, müsste man auch den als Überschrift besser passenden Begriff "Grünes Laufhaus" verwenden dürfen, ohne dass er der Netiquette zum Opfer fällt.

Manfred Sonntag | Fr., 16. Oktober 2020 - 14:54

Prima Beitrag. Wenn es so wie im Artikel beschrieben, geschehen soll, muss die Bevölkerung ruhiggestellt und in Angst versetzt werden. Das fing an mit dem Klimawandel (keine Zukunft mehr) und ging weiter mit Corona (Todesangst wird medial verbreitet). Und dann die Zusammenarbeit linker/ linksliberaler Politiker und Regierungen mit faschistisch muslimischen Organisationen (z.B.: Maas`s Ministerium). Die haben schon Erfahrungen mit Einschüchterung, Denunziation und Blockwarts, so dass ein intensiver Lernprozess zu erwarten ist. Den Beginn erlebt man schon jetzt auf den Straßen und Wegen unseres Landes. Mit der "grünen" Ökonomie wird die Freiheit begraben. Dann wird es reichen wenn der Bürger oder die Firma als "Ökoschreck" denunziert werden um die Lebensgrundlagen Missliebiger zu vernichten. Das Nächste sind dann Jobangebote, Kredite, Genehmigungen etc. welche nur nach ökologischer Unbedenklichkeit des Bewerbers bewilligt werden. Anschwärzen regelt dann das Angebot.

Allen vorstehenden Zuschriften muß ohne wenn und aber zugestimmt werden.
Leider vielleicht auch Gott sei Dank trifft mich (80 Jahre) das nicht sehr viel, vielleicht noch 10 Jahre, das wäre trotzdem "toll" (Toll: ein scheußliches inflationäres Unwort).

Klaus Peitzmeier | Fr., 16. Oktober 2020 - 18:01

Ihre Conclusio bedeutet doch nichts anderes, als daß die EZB u Madame Lagarde den seriös wirtschaftenden Volkswirtschaften das Geld eiskalt absaugt und den weniger seriös wirtschaftenden u im Zentrum unter der warmen Gelddusche stehenden nackten Volkswirtschaften den Säckel füllt. Wir sollten also Ihres Erachtens zusehen mit einem möglichst großen Sack weiter ins warme Duschzentrum zu gelangen. Aber irgendwann wird doch der Saugrüssel ins Leere saugen. Was passiert denn dann? Dann stehen wir alle nackt da. Als Trockenduscher aber CO2 neutral!

Werner Kistritz | Sa., 17. Oktober 2020 - 08:01

Ach gottchen! Ein paar Milliardäre könnten ein paar Millionen weniger haben!
Das ist für "Otto Normalverbraucher" eher uninteressant. Und Lagarde ist bestimmt keine Greta! Die schaut schon auf ihre Klientel. Mich stört viel mehr, daß ich die Machenschaften von Victor Orban indirekt unterstütze. Das wiederum stört die Milliardäre überhaupt nicht, denn "Geld stinkt nicht", man ist Geschäftspartner.

gabriele bondzio | Sa., 17. Oktober 2020 - 08:38

ja und dann ist man dem Sozialismus ein gutes Stück näher. Denn es ist keinesfalls klar, dass sich der Staat aus den betroffenen Unternehmen wieder zurückzieht. Wenn man geschichtlich recherchiert, kommt man automatisch in der DDR an, wo nach 1972 (vordem gab es noch 11.000 private Betriebe) Schluss mit dem Privatunternehmertum gemacht hat. Honecker hat den wirtschaftlichen Kahlschlag eingeleitet. Der SED-Staat hatte sich vordem schon, in den 1950er- und 1960er-Jahren mit Beteiligungen in gut laufende Privatunternehmen eingekauft.
Kevin Kühnert provozierte ja auch schon 2019, mit seinen Ideen zur Kollektivierung. Schaut man sich jedoch das Ende der DDR an, sieht man auch, dass die Kollektivierung von Unternehmen und andere planwirtschaftliche Methoden, die Triebkräfte erfolgreichen Wirtschaftens, abgewürgt haben.

Gisela Fimiani | Sa., 17. Oktober 2020 - 14:39

Eine (rechtmäßig verurteilte) Frau Lagarde, die von Ökönomie nichts versteht, im Verbund mit einer deutschen Kommissionspräsidentin, im Verbund mit einer überaus ignoranten „neuen politischen Klasse“ sorgen in atemberaubender, beängstigender Großmanns(fraus)sucht, in „gottgleicher“ Selbstermächtigung und Selbstüberschätzung dafür, Bürger und Land ihrer Freiheit und jeden sozialen Gemeinsinns zu berauben. Ihre zutreffendenden Argumente zu Ende denkend bedeutet, dass Staatsfinanzierung letztlich den Weg in die Despotie vorzeichnet. Eine seit Langem übergriffige deutsche Regierung, eine demokratisch nicht legitimierte EU Kommission, eine EZB, die ohne jede Kontrolle ihrer vornehmsten Aufgabe (Geldstabilität) nicht mehr nachkommt und sich politische Kompetenzen anmaßt, sorgen für wenig Kritik, obwohl obwohl die Lage alarmieren sollte.