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30 Jahre deutsche Einheit am Brandenburger Tor in Berlin / dpa

Tag der Deutschen Einheit - Der 3. Oktober jenseits von Weihrauch und Problemlust

Der 3. Oktober ist zu Recht ein Feiertag geworden. Aber feiern sollten wir vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der sich Ost- und Westdeutsche inzwischen begegnen. Ein persönlicher Blick auf den Tag der Deutschen Einheit von Christoph Schwennicke.

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Mit Feiertagen ist es wie mit Familienfesten. Ein bisschen freut man sich drauf und ein wenig graut einem auch davor. Mit viel Alkohol ist es dann meistens doch ganz nett. Oder aus demselben Grund eben auch nicht.

Zum 30. Mal begehen wir heute das ganz große Familienfest der Deutschen Einheit. Wie jedes Jahr werden an diesem Tag und vor allem aber an den Tagen zuvor Weihrauchkübel geschwenkt oder Probleme gewälzt.

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Dr. Oliver Strebel | Sa., 3. Oktober 2020 - 11:39

Danke für den interessanten Artikel.

2008 war ich auf einem Wochenendtreffen bei Nordhausen. Ich bin bewusst einen Tag früher gefahren, weil ich mal eine Ex-DDR-Stadt wie Nordhausen anschauen wollte. Nh war toll hergerichtet, hatte Athmosphäre und freundliche Menschen liefen emisg durch die schöne Stadt.

Die Tagungsstätte war allerdings noch im DDR-Stil gehalten. Dort lernte ich eine junge Frau aus Naila kennen. Sofort fiel sie bei mir in die Schublade "typisches Zonen-Fräulein". Da blieb sie lange, bis ich durch Zufall erkannte, dass Naila gar nicht in der Ex-Zone liegt, sondern in Oberfranken.

Wir sollten das Land unverstellt von Stereotypen anschauen. Dann gibt es viel zu entdecken.

Und den "Wutbürger" haben wir Schwaben bei Stuttgart21 erfunden und nicht die Sachsen ;).

Christa Wallau | Sa., 3. Oktober 2020 - 12:13

daß Sie uns von Ihren persönlichen Erfahrungen während der deutschen Teilung u. der neuen Einheit so offen u. anrührend erzählen - eine von Millionen Familien-Geschichten.

Ja, für junge Deutsche ist unser wiedervereinigtes Land nichts Besonderes mehr, sondern eine Selbstverständlichkeit. Das ist nachvollziehbar, aber für mich kein Grund zur Freude, wie Sie ihn offenbar darin erkennen.

Denn: Das Normale, Selbstverständlche verliert den Status des Schützenswerten, Kostbaren.
Wenn man kein Bewußtsein mehr davon hat, wie leicht ein Land zerfallen kann u. wie man dann buchstäblich den Boden unter den Füßen verliert, denkt man nicht darüber nach, welchen Bedrohungen jede Gesellschaft bzw. staatliche Gemeinschaft immer ausgesetzt ist - durch Angriffe von außen u. Zersetzung von innen heraus.

Ich wünsche mir an diesem 30. "Tag der deutschen Einheit", daß DEUTSCHLAND in den Köpfen der
Deutschen als ein Schatz angesehen wird, den es zu hüten gilt.

Ihnen u. allen einen schönen Feiertag!

Werte Frau Wallau,
auch ich empfinde keine Freude. Es gibt in unserem Heimatland nicht den geringsten Grund, etwas zu feiern. Was sollte das sein?
Ich kenne kein Land weit und breit, welches so "zerstört", verkommen, desolat, ruiniert, ver****** und zu tiefst gespalten ist, wie Deutschschland. Zieht die Mauer wieder hoch. Deutschland gleicht einer gescheiterten Ehe. Da helfen weder Beratungen, Psychologen, gute Vorsätze oder ein neues Kind. Trennung ist die einzige alternativlose Alternative. Hoffentlich habe ich jetzt die Feiertagsstimmung nicht verdorben :-(!

Urban Will | Sa., 3. Oktober 2020 - 12:19

eben auch das Diskutieren, man kann für viele Dinge eine Leidenschaft haben.

Und genau bei letzterem, dem Diskutieren, dem Streiten, haben wir in diesen Nachwendejahren schwer nachgelassen.
Nach 30 Jahren scheint es gar verlernt worden zu sein.
Sie konnten, Herr Schwennicke, sich nächtelang im „Roten Kloster“ mit den Studenten dort verbal die Köpfe einschlagen, niemand wäre wohl auf die Idee gekommen, Sie rauszuwerfen.
Heute herrscht die „Ausschließeritis“ gegenüber denjenigen, die von der Mehrheitsmeinung abweichen.
Es ist legitim, sich über gewisse Dinge Sorgen zu machen und dafür auf die Straße zu gehen. Dazu gehört auch bspw. PEGIDA oder die Corona – Demos, ob man deren Meinung nun teilt oder nicht. Eine ernsthafte „Gefahr“ stellt dies nicht da, die wird bewusst herauf beschworen.

Als „klassischer Wessi“ bewundere ich die Menschen im Osten und ihren kritischen Blick auf die „Beweihräucherer“ und Phrasendrescher, die sich alljährlich am Einheitstag zu Wort melden.

Ich habe höchsten Respekt vor den Menschen, die 1989 auf der Strasse Freiheit, Kopf und Kragen gegen das SED-Regime riskierten.
Ich habe jedoch NULL Respekt vor Leuten, die in ihrem Denken das alte Feindbild des DDR-Terrorregimes einfach durch die demokratische gewählte und abwählbare Regierung der BRD ersetzen, irgendwelchen Unsinn von DDR 2.0 faseln, sich als ewige Widerstandskämpfer begreifen und ausgerechnet für die rechtsextremistische AfD werben.
Wenn 20% und mehr der ostdeutschen Bevölkerung heute trotz Parteiführern wie Kalbitz oder Hoecke die AfD wählen - und vorher in grossen Teilen schon die NPD als ganz normale Partei bezeichneten - wird deutlich: Da ist ein Teil der Bevölkerung nicht in der Demokratie angekommen. Dass da so manche Besserwessis die Geduld verlieren und von Dunkeldeutschland reden, ist nachvollziehbar.
Allerdings ist das auch nur bedingt ehrlich: Auch in BW (15%) und Bayern (11%) waren die Rechtsextremen durchaus erfolgreich.

Holger Jürges | Sa., 3. Oktober 2020 - 15:15

Verschüttet unter all den Plattitüden zur deutschen Einheit, leuchtet noch immer der Glanz der tapferen Menschen, die sich wehrlos gegen ein kaputte System gestellt haben, während das westliche Deutschland gebannt zugeschaut hat.

Das Land gerät nun zusehends unter den Einfluss einer rot gefärbten Gesinnung, ob nun CDU/CSU, Grün, Rot oder SED Dunkelrot gefärbt. - Habermas Kalkül scheint aufzugehen.
Jedoch, die feinen Antennen vieler Ostdeutschen spüren die Agitation des Zeitgeistes contra der Vernunft noch recht deutlich, im Erinnerungsfokus der damaligen Beschallungsmedien "Aktuellen Kamera" und Co. Diese Klarsichtigkeit hat durchaus Auswirkungen auf die Republik: Und so ist und wird der in manchen Kreisen verachtete Osten womöglich zu einer wichtigen Facette der deutschen Meinungsbildung.

Gerhard Fiedler | Sa., 3. Oktober 2020 - 16:58

Ich kenne das gut mit dem Weihrauchschwenken, lieber Herr Schwennicke. War schließlich eifriger Messdiener in Erfurt. Auch deshalb durfte ich trotz eines guten Zeugnisses kein Gymnasium besuchen. Dass ich nicht den Jungen Pionieren, der FDJ, der GST und der Vater nicht der SED beitreten wollten, war der Hauptgrund dafür. "Nicht staatstragend" lautete die Begründung der Schulbehörde. Mit 18 Jahren, noch vor dem Mauerbau, allein in den Westen fliehen zu müssen, war die Konsequenz für mich. Dort wurde ich nicht gefeiert, sondern anfangs als "Russ" aus der Ostzone gesehen. Das hatte mich stets geärgert. Dass ich mich über die Wiedervereinigung riesig gefreut habe, war natürlich klar. Für nicht wenige Menschen der ehemaligen DDR war sie nur ein Beitritt zur BRD. Heute macht mich dies nachdenklich. Angesichts der linken Ausrichtung von Politik, Medien und Gesellschaft des heutigen Deutschland, könnte man fast vom Umgekehrten sprechen, vom Beitritt der BRD zum Geist der ehemaligen DDR.

Maria Fischer | Sa., 3. Oktober 2020 - 19:38

Unter Angler.
Ich habe einen Migrationshintergrund, wie man unschwer an meinen Grammatikfehlern erkennen kann.
Vor ca. 6 Jahren, nach einer Präsentation in einem Museum, sagte eine ältere Dame zu mir:
„Sie kommen nicht aus dem Rheinland.“
Ich antwortete: „Nein" und fragte: "Woher komme ich?“
Sie antwortete: „Ich würde wetten, Sie kommen aus Thüringen“.
Ich glaube, das war eines der schönsten Komplimente in meinem Leben.
Es hat mich sehr glücklich gemacht. Weimar, Jena, Dichter, Denker, das Bauhaus…. Alles was ich Liebe. Unweit davon in Leipzig, Barthels „Sächsischer Sauerbraten vom Rind in Rotweinsoße“.
Danke Deutschland.

Bernd Muhlack | So., 4. Oktober 2020 - 21:32

Dieter Thomas Heck sagte ZETT DE EFF

Nein, ich war niemals "drüben, inner Zone".
Jedoch sind mir diese Grenzstationen bekannt; damals in 1980 unsere Geschichte-LK-Polenfahrt.
Die Grenzer kontrollierten den Bus, die Insassen inquisitorisch.
Jedes Creme-Döschen musste geöffnet werden!
Biggi: "Behalten Sie´s, stimmt so!"
Nun ja, acta est fabula.

Diese 30er-Feier war grausam!
Der tröge BP, acting like Bedford-Strohm u furchtbare Musik!
Warum nicht Puhdys, City, Karat, Udo L. oder Nina Hagen?
Stimmung, gute Laune!
Aber nein, wir tragen die ewige Schuld, Erblast!
Asche aufs Haupt - wir brauchen ein Ashura-Fest für D!
Biggi: "Es reicht, behalten Sie´s!"

Am 9.11.89 renovierte ich mit einem Kumpel meine Bude. Plötzlich Schabowski im TV/Radio.
"Wenn ich das richtig sehe, dann.."
Es folgte der "Wahnsinn!"
Renovieren vertagt - Pizza bestellen und zugucken!
Bier war hinreichend vor Ort.
Weder HM noch ich hatten einen Bezug zur Zone.
Und dann diese strahlenden, weinenden Menschen!
Unvergesslich!