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Zur Muschelsaison zählen alle Monate mit einem "R" - aus gesundheitlichen und Geschmacksgründen / dpa

Am besten gedämpft - Jetzt geht‘s los: Die Muschelsaison ist eröffnet

Warum kompliziert, wenn es einfach viel besser ist, lautet eines der Küchendogmen von Genuss-Autor Rainer Balcerowiak. Er empfiehlt eine nahezu puristische Variante der Zubereitung von Miesmuscheln: Gedämpft, in einem würzigen Weißweinsud.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Hurra, wir dürfen wieder Miesmuscheln essen. Denn deren Verzehr wird nur für die kältere Jahreshälfte empfohlen. Das sind alle Monate mir einen „R“ im Namen, also die Periode von September bis April. Nun ist zwar bisher noch niemand bisher auf die Idee gekommen, den Muschelverzehr in den verbleibenden Monaten zu verbieten, nicht mal die Grünen. Doch einen gewissen Sinn hat diese freiwillige Restriktion durchaus, da Miesmuscheln in den wärmeren Monaten aufgrund der Algenblüte Giftstoffe aufnehmen können.

Bei den heute üblichen Zuchtmuscheln ist eine Vergiftung aber so gut wie ausgeschlossen, da diese nach dem Fang eine Zeitlang in sauberem Wasser aufbewahrt werden. Eventuell vorhandene Algengifte werden dabei ausgeschieden, und das wird auch kontrolliert. Es gibt jedoch noch einen weiteren, gesundheitlich unbedenklichen Grund, warum Muscheln in den Monaten ohne „R“ seltener verzehrt werden: Von Mai bis August haben die Meeresfrüchte Laichzeit. Das Muschelfleisch ist in diesen Monaten von minderer Qualität.

Finger weg von „Frutti die mare“

In verarbeiteter oder gefrorener Form werden die Schalentiere ohnehin rund um die Uhr angeboten. Das ist durch die Bank rausgeworfenes Geld und vom wunderbaren Geschmack frisch zubereiteter Muscheln meilenweit entfernt. Zu den absurdesten Tiefkühlgerichten überhaupt gehören „Frutti di mare“, eine komplett sinnfreie Mischung aus Meeresbewohnern, die nun wirklich überhaupt nichts miteinander zu tun haben, außer dass sie mal im Meer waren. Tintenfisch meets Garnelen und Miesmuscheln, alles aufgrund des Schockgefrierens ziemlich geschmacklos und mit zweifelhafter Konsistenz. Schönen Dank auch! Natürlich stehen „Frutti die mare“ längst auf der schwarzen Liste der Geschmackspolizei.

Was soll‘s. Freuen wir uns also auf die Muschelsaison. Rezepte gibt es wie Sand am Meer oder – wie Muscheln vor den Küsten. Mit Wurzelgemüse gegart („rheinische Art“), mediterran, in der Pasta oder im Risotto, überbacken, als Salat, als Suppe und so weiter. Kann man alles machen. Aber mein Muschel-Erweckungserlebnis kam – wie so häufig – aus der puristischen Abteilung. Womit ich jene Art von Zubereitungen meine, die den Eigengeschmack des jeweiligen Ausgangsproduktes zur Geltung bringen und nicht überdecken.

Einfach dämpfen: Puristisch, aber genial

Es war auf dem Markt in einer katalanischen Küstenstadt, nicht weit von Barcelona. Der Geruch von Knoblauch, Wein und Meeresgetier lockte uns an einen Imbiss. Er entströmte einem dampfenden Kessel, in den ein großes Sieb eingehängt war. Bestellte jemand Muscheln, wurde eine ordentliche Portion in das Sieb gefüllt, und einige Minuten später hatte man sie auf dem Teller. Dazu gab‘s Weißbrot. Es waren die leckersten Miesmuscheln, die ich bis dahin gegessen hatte.

Aber das können wir natürlich auch, und es ist ganz einfach. Man braucht eine Flasche trockenen Weißwein, einen Liter Wasser, einige fein gehackte Knoblauchzehen, eine gehackte Chilischote, geriebene Zitronenschale und Meersalz. Sonst nix. Ein paar Minuten kräftig aufkochen und dann nur noch köcheln lassen. In den Topf hängt man einen Dämpfeinsatz oder ein großes Sieb. Da füllt man die zuvor etwas geputzten Muscheln rein, aber so, dass sie nicht im Sud schwimmen, sondern im Dampf garen.

Sie müssen geschlossen sein, sonst sind sie möglicherweise verdorben. Deckel rauf und ein paar Minuten warten. Aber nicht zu lange, sonst wird das Muschelfleisch zäh. Wenn sich die Muscheln geöffnet und ein wenig Farbe angenommen haben, sind sie fertig. Vor dem Servieren ruhig eine Testmuschel essen, sie sollte noch weich, aber nicht mehr glibbrig sein. Dazu natürlich Weißbrot und genau den Wein, der auch für den Sud verwendet wurde. Mehr brauchen Miesmuscheln nicht, um zu einem unvergesslichen Geschmackserlebnis zu werden.

Gedämpfte Miesmuscheln

Zutaten für vier Personen

1 Kilo frische Miesmuscheln
1 Flasche sehr trockener Weißwein
1 Liter Wasser
4 Knoblauchzehen
1 große, scharfe  Chilischote
1 Esslöffel geriebene Zitronenschale
Meersalz

 

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gabriele bondzio | Sa., 5. September 2020 - 10:16

Schon die Abbildung lässt mich schaudern. Mein Hurra haben Sie da nicht, Herr Balcerowiak
Untergemischt oder frisch, kein Bedarf! Alles was sonst im Wasser rumschwimmt (außer Kaulquappen/ Würmern oder Insekten) gerne!
Aber sicher haben die Glitschis auch ihre Abnehmer. Könnte man sagen: "Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. Würde der Städter kennen, was er frisst, er würde umgehend Bauer werden."

Karsten Paulsen | Sa., 5. September 2020 - 11:34

Dazu möcht ich ein weiteres Rezept vorstellen, so wie wir es auf der Insel Baltrum zubereiteten:
- Miesmuscheln, jede Menge
- 1/4 liter Wein, ganz wenig Wasser! Das kommt aus den Muscheln genug heraus
- Lorbeerblätter
- 1 bis 2 Zwiebeln, in Hälften
- Knoblauchzehe kleingehackt
- 1 Esslöffel Senfkörner
- ggf. etwas Nachsalzen, bei frischen Muscheln aus dem Meer (Nordsee) nicht nötig.

Muscheln kochen bis die letzte geöffnet ist.
PS: In Frankreich isst man Miesmuschel übers ganze Jahr und heissen an der Küste Moules-frites.

Achim Koester | Sa., 5. September 2020 - 17:12

einfach hervorragend. Wer möchte, kann noch eine Zwiebel, glasig angedünstet, hinzufügen, evtl. ein Lorbeerblatt und ein paar Wacholderbeeren, das macht den Geschmack noch runder.

Bernd Muhlack | Sa., 5. September 2020 - 18:34

Dazu fiel mir spontan Alfred Biolek ein, seine Kochsendung Alfredissimo.
Je nach Gast* schaute ich mir das an, meist sehr amüsant.
"Ich kaufe Gewürze ja nur auf den Ramblas in Barcelona."
Na klar, Bio eben - mal rüberjetten.

Egal was der Gast* köchelte:
"Mmmmhhh!" und bedeutungsschwer mit dem Kopf nicken.

Rolf Zacher war einmal dabei, leider viel zu früh verstorben. Er zelebrierte einen Auflauf mit Hackfleisch, Zwiebeln, Blattspinat etc.
Er knetete das alles mit den bloßen Händen und fuhr sich dabei oft beidhändig durch das bereits gegelte Haar => Bon Appetit!

Ja, es gab sehr viele Highlights.

Muscheln?
Okay, aber keine Austern.
Und niemals abgepackt!
Tintenfischringe im TK-Beutel sind die Krönung:
Tintenfisch etwa 130 gr
Panade etwa 280 gr
Mahlzeit!

Muscheln sind bestens für einen Abend mit Freunden* geeignet, dazu Getränke nach Wahl.

Barcelona nochmals.

Heute würde Freddy Mercury 74 Jahre alt.
In 1988 das Duo mit der kongenialen Montserrat Caballe - die Olympiade in Barca.