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Das Haus der Wannseekonferenz ist heute eine Gedenkstätte / dpa

Gedenkstätte „Haus der Wannseekonferenz" - Die Ruhe nach dem Sturm

Im Dezember wurde bekannt, dass der langjährige Direktor Hans-Christian Jasch die Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz verlässt, im Januar löste das neue Ausstellungskonzept Entrüstung aus. Kehrt unter der Leitung von Deborah Hartmann nun endlich Ruhe ein?

Autoreninfo

Julien Reitzenstein befasst sich als Historiker in Forschung und Lehre mit NS-Verbrechen und Ideologiegeschichte. Als Autor betrachtet er aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen.

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Täterforschung ohne Tatorte ist problematisch. Doch Reichskanzlei und „Führerbunker“ wichen schon in den 1980er Jahren Plattenbauten. Hitlers Berghof ist seit dem Krieg zerstört. Die Ruinen der SS-Zentrale an der Prinz-Albrecht-Straße wurden planiert. Die Orte der Täter, die fühlbar machen, in welcher Atmosphäre aus dem Hass auf Minderheiten Massenmord werden kann, sind fast alle verschwunden. Eine der Ausnahmen ist das sogenannte „Haus der Wannseekonferenz“.

Der Ort, an dem der Holocaust geplant wurde 

Am 20. Januar 1942 trafen sich in der Villa am Wannsee fünfzehn Vertreter des nationalsozialistischen Regimes, um den beschlossenen Mord an 11 Millionen Menschen zu koordinieren. Nichts weniger als die Ausrottung aller Juden in Europa war das Ziel des Regimes. Die anwesenden Männer sollten sicherstellen, dass es mit der Gründlichkeit deutscher Ministerialbürokratie umgesetzt wird. Sie saßen an einem Konferenztisch in der prächtigen Villa, die der rechtsnationale Unternehmer Friedrich Minoux 1940 an die SS verkauft hatte. Große Fenster geben den Räumen viel Licht und einen Blick auf den Garten, dessen Ende das Ufer des Wannsees bildet.

Das wertige Parkett, die hohen Decken und der nachgebildete Tisch schufen in der 2006 eröffneten ersten Ausstellung eine einzigartige Atmosphäre. Der Besucher konnte sich in die damalige Situation versetzen. Er sah, was die Teilnehmer sahen, wenn sie auf den Wannsee blickten. Er sah deren Gesichter und ihre Funktionen museal aufbereitet. Und er sah im Zentrum der Villa auf dem Tisch die 15 Seiten des Protokolls einer nur eineinhalb Stunden dauernden Konferenz, das in nüchternem Beamtendeutsch die Organisation des Mordes an Millionen regelte. An diesem Ort, an diesem Tisch im Zentrum der Villa, in diesen eineinhalb Stunden verdichtete sich der Hass des über Jahrhunderte immer weiter geschürten Antisemitismus in rund 100 Gramm Papier. 

Einer, der die Dinge anders machte

Hans-Christian Jasch war seit 2014 der Direktor der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz, die dem Besucher diesen einzigartigen Tatort nahebringt, aber auch die Vorgeschichte und die Folgen der Konferenz. Während viele Historiker keine Neigung spüren, die Welt jenseits ihrer Zunft zu erkunden, ging Jasch einen anderen Weg. Nach dem Jurastudium arbeitete er bei der Europäischen Kommission im Bereich Terrorismusbekämpfung, bevor er auf diesem Feld ins Bundesinnenministerium wechselte.

Doch parallel befasste er sich stets mit der Geschichte des Nationalsozialismus, insbesondere der Frage, weshalb in einer klaren Rechtsordnung sozialisierte Juristen ab 1933 unzählige und oft mörderische Rechtsbrüche ermöglichten. Neben anderen Publikationen ist seine Monographie über NS-Innenstaatssekretär Wilhelm Stuckart - einem der Teilnehmer der Wannseekonferenz - ein Standardwerk.

Als der promovierte Rechtshistoriker Hans-Christian Jasch im Jahre 2014 die Leitung der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz übernahm, war er ein erfreulich untypischer Gedenkstättenleiter. Nun musste er zeigen, dass er eine gute Besetzung war. Das tat er dann verlässlich – von der Erweiterung des Bildungsangebotes bis zur Steigerung der Besucherzahlen. Es gibt wenig an der Amtsführung von Jasch zu kritisieren, entsprechend groß war das allseitige Bedauern, als im vergangenen Dezember bekannt wurde, dass er zurückwechselt ins Bundesinnenministerium und ein Nachfolger gesucht würde. Ein Nachfolger, der sich an Jasch messen müsste.

Mit der Authentizität schwindet auch die Eindrücklichkeit

Doch dann begann das Chaos in der ehrwürdigen Gedenkstätte. Im Januar diesen Jahres wurde die neue Ausstellungskonzeption für die Öffentlichkeit geöffnet. Daraufhin brach ein selten dagewesener Kritiksturm über die Gedenkstätte herein. Im Zentrum der Kritik stand der nachgebildete Konferenztisch, der das Zentrum der vorherigen Ausstellung war. 

Heute ist der Tisch fort. Die Räume sind nun vollgestellt mit hochmoderner Museumstechnik, die viel Fensterfläche verdeckt. Der Besucher wird eher am Rande darauf hingewiesen, dass es sich um den Ort handelt, in dem der Gastgeber und SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich den Anwesenden eröffnete, er sei von Reichsmarschall Herrmann Göring zum „Beauftragten für die Vorbereitung der Endlösung der europäischen Judenfrage“ bestellt worden.

Dies war nicht nur der Auftakt der Konferenz. Es war der letzte Akt, um aus dem Gefühl des eliminatorischen Antisemitismus eine verzahnte Zuständigkeit verschiedener staatlicher Organe zu begründen. Umso wichtiger ist es gerade heute, die Authentizität des Ortes als sicht- und fühlbaren Beweis zu präsentieren, was geschehen kann, wenn gebildete Antidemokraten gewillt sind, im Interesse ihres Volkes zu handeln. 

Jüdinnen, Juden und Kinder – Design für alle

Doch der authentische Ort der Mordmaschinerie ist nicht mehr das Zentrum der im Januar eröffneten neuen Ausstellung der Gedenkstätte. Das über Gedenken an NS-Unrecht gestülpte Ausstellungsdesign versteht sich ausdrücklich als „Design für alle“ – es scheint, als sei akribisch alles vermieden worden, was als Geschlechterungerechtigkeit interpretiert werden könnte. Diese Ungerechtigkeit ist ein wichtiges Thema unserer Tage. Die in der Ausstellung dokumentierte Ungerechtigkeit millionenfachen Mordes drückt dieses allzu sichtbar gemachte Thema jedoch an die Wand dieses Tatortes. 

Vor allem aber erstaunen zwei Elemente der neuen Ausstellung. Deren Großteil schildert die Geschichte des NS-Regimes einerseits und dessen Judenverfolgung andererseits. Damit wird all das vorgestellt, was viele andere Gedenkstätten auch präsentieren – aber ohne hinreichenden Connex zwischen beiden Strängen. Zudem hat beides keinen Bezug zum Tatort Wannseevilla. Gleiches gilt für die Schilderungen der ermordeten „Jüdinnen, Juden und Kinder“.

Im englischsprachigen Ausstellungskatalog wird von „Jews“ gesprochen, ein Wort, von dem alle nur möglichen Geschlechter- und Altersgruppen umfasst sind. Übersetzen könnte man das geschlechtsneutral mit „Juden“ oder – noch besser und dudenkonform – mit „jüdische Menschen“. Wie mag die Ausstellungssprache auf Überlebende aus ganz Europa wirken? „Erst bemühen sich die Deutschen um die Ermordung von 11 Millionen Juden, dann bemühen sie sich um geschlechtergerechte Sprache bei der Aufarbeitung“, könnte man vermuten.

Sprache wichtiger als Ausstellungstechnik

Die Ausstellung zeigt, auf welcher Route Juden in entwürdigender Weise durch Baden-Baden getrieben wurden. Dies wird mit „Spießroutenlauf“ bezeichnet. Es ist zu hoffen, dass es sich nicht um ein gleich auf mehreren Ebenen makabres Wortspiel handelt, sondern um einen übersehenen Fehler, der berichtigt wird.

Denn die Objektifizierung der Juden durch die NS-Täter begann mit Sprache. Mit Sprache, die sie bezeichnete und mit der über sie gesprochen wurde. Gerade in einer so wichtigen Gedenkstätte wie dem Haus der Wannseekonferenz ist Sprache wichtiger als Museumstechnik. Denn durch die Konferenz an diesem Ort wurden Millionen Menschen aus ihrem normalen Leben gerissen – durch Sprache: Kultivierte Diskussionen unter Kameraden am Tisch, kalte, sachliche Sprache im Protokoll.

Schauspieler statt Stimmen Überlebender 

Der Ausstellungseindruck, dass die Shoa praktisch zwangsläufige Folge des Antisemitismus war, dass man sich eine Zwangsläufigkeit nicht wehren kann oder muss, mag subjektiv sein. Ebenso, dass nicht allen Besuchern klar werden dürfte, aus welchen Quellen sich Antisemitismus speist – nicht erst jener, den sich die Ideologien zu eigen machten, aus denen der Nationalsozialismus entstand.

Allerdings erstaunt, wie begrenzt die Ausstellung die jüdische Perspektive vermittelt. Wie sehen diese Konferenz und ihre Folgen aus der Sicht der Opfer und deren überlebender Angehöriger aus? Zu oft ersetzt die Ausstellung das Gesamtbild durch Einzelstimmen. Es ist zweifelsfrei wichtig, die Erlebnisse einzelner Betroffener hörbar zu machen. Aber müssen Schauspieler in Tonaufzeichnungen die möglichen Gedanken der jüdischen Opfer vorlesen? Kann sich ein Schauspieler besser mit einem Individualgefühl identifizieren, als einer der zehntausenden Überlebenden? Möglicherweise hätten diese gern zu dieser Ausstellung beigetragen. Wenn sich dafür tatsächlich niemand gefunden hätte, wäre es ein Leichtes gewesen, auf die unzähligen Tonaufnahmen von Überlebenden in zahlreichen Einrichtungen zurückzugreifen. 

Zentrale Fragen bleiben unbeantwortet

Es ist unklar, was zu größerer Fassungslosigkeit beim Betrachten der Tafel „Wer ist eigentlich Jude?“ führt: Das Bemühen um einfache Sprache oder die Objektifizierung der Opfer? Derartige Installationen können nicht die Erklärung großer Zusammenhänge ersetzen. Denn vor allem aus diesen erschließt sich dem Ausstellungsbesucher die Beurteilung des mörderischen Handelns damals und politischer Entwicklungen heute. Stattdessen wird in ebenso einfacher wie distanzierter Sprache dem Besucher moralisierend erklärt, welche Lehren man heute ziehen muss.

All das ersetzt nicht die Klärung zentraler Fragen: Wie gestalteten sich die Zusammenhänge zwischen Antisemitismus – in Deutschland, der westlichen und der arabischen Welt – und der Shoa? Die andere Frage scheint noch elementarer: Die Teilnehmer der Konferenz waren keine tumben, gescheiterten Existenzen, die auf Aufmärschen rassistische Parolen grölten. Nur wenige Teilnehmer wurden erst vom NS-Regime in hohe Positionen gespült. Die meisten waren hingegen promoviert, viele schon vor 1933 in wichtigen Positionen des Staatsapparates.

Das Verstörende ist, dass die 15 Männer, die am 20. Januar 1942 am Tisch in der Wannseevilla den größten Massenmord der Menschheitsgeschichte organisierten, eben keine mordlüsternen Schergen waren, sondern aus der Mitte der Gesellschaft kamen. Sie waren beinahe alle in Milieus zuhause, in denen in der dienstfreien Zeit im Tweedsakko, mit Hundemotiven auf der Krawatte und einem guten Rotwein in der Hand über kluge Gedanken elegant parliert wurde. Der Massenmord kam aus der kultivierten Mitte der Gesellschaft, nicht von deren Rändern: Wie? Konnte? Das? Geschehen?

Der rote Faden bleibt aus

Zu noch mehr Fassungslosigkeit führt die Frage, weshalb eine juristische Aufarbeitung und eine Bestrafung der überlebenden Täter ausblieben. Wo, wenn nicht am Tatort müssten Erklärungsansätze präsentiert werden? Lag es an anhaltendem Antisemitismus? War es Politik und Gesellschaft schlicht gleichgültig, wer den größten Massenmord der Geschichte organisierte? Weshalb gelang es nicht, diese Ansätze erfolgreich im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern?

Wo ist der rote Faden zwischen dem eliminatorischen Antisemitismus der Nationalsozialisten und dem muslimischen, rechtsradikalen, linksradikalen und bürgerlich-israelkritischen Antisemitismus? Mit diesen Fragen lässt die Ausstellung den Besucher zu oft allein. 

Verschenktes Aufklärungspotential der Wannseevilla 

Vor allem aber muss aber die Frage gestellt werden: Weshalb diese neue Ausstellung in dieser Villa? Sie könnte auch überall sonst stehen. Im Jüdischen Museum Berlin, an der Holocaust-Gedenkstätte am Brandenburger Tor, in der Topographie des Terrors auf dem vormaligen Areal der SS-Zentrale, im Verwaltungsbau der NSDAP am Königplatz in München und soviel mehr Plätzen in Deutschland.

Die Gedenkstätte informiert auf ihrer Website: „Nach einem Beschluss des Abgeordnetenhauses von Berlin (Drucksache 12/236 vom 22.04.1991) wurde die Gedenk- und Bildungsstätte ‚Haus der Wannsee-Konferenz‘ errichtet, da es in Deutschland noch keine zentrale Gedenkstätte zur Erinnerung an die Opfer des Holocaust gab.“ Zwischenzeitlich gibt es allerdings bereits erfreulich viele Gedenkstätten, sogar eine Zentrale in der Mitte der Hauptstadt.

Insofern wäre die neue Ausstellung eine Chance gewesen, sich weiter auf den Kern der 2006 eröffneten Ausstellung zu konzentrieren: Den Konferenzort und die Konferenzteilnehmer, die jenes Grauen organisierten, woran die zentrale Gedenkstätte zur Erinnerung an die Opfer des Holocaust am Brandenburger Tor erinnert. Denn der authentische Ort macht das Grauen spürbar. Das macht überflüssig den Besucher mit allem, was moderne Museumstechnik zu bieten hat, auf dem neuestem Stand der Geisteswissenschaften in geschlechtergerechter Sprache betreutes Fühlen aufzudrängen. 

Ausstellung muss Historie des Hauses gerecht werden

Mit Spannung wurde daher erwartet, wer als Nachfolger von Hans-Christian Jasch neuer Direktor werden würde. Idealerweise würde es sich um jemanden handeln, der an dessen jahrelange erfolgreiche Arbeit anknüpft und dazu die guten Impulse in der verunglückten Ausstellung mit den bewährten Elementen der vorherigen verknüpft.

Eine abgewogene Synthese aus beidem würde die Empörung über die aktuelle Ausstellung gewiss bald beruhigen, so dass die Gedenkstätte sich wieder in bewährter Weise ihrer Hauptaufgabe widmen kann. Einer Ausstellung, die das hält, was der Name der Einrichtung verspricht: Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz. Denn die eineinhalb Stunden Konferenz von 15 Männern in diesem Haus machen jenes Böse fühlbar, von dem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Yad Vashem sprach. Dieses Böse spürt man auch ganz ohne betreutes Fühlen und Inklusion. 

Eine geeignete Kandidatin 

Es scheint kaum nachvollziehbar, weshalb die Entscheider in Zeiten von Internet und Videokonferenzen erst ein Dreivierteljahr nach der Stellenausschreibung eine neue Direktorin präsentierten. Sind die anstehenden Aufgaben noch größer als gedacht? Gibt es Gründe, weshalb das vor langer Zeit geplante Seminarzentrum bis heute nicht fertiggestellt ist? 

Doch die Wahl der Entscheider scheint nachvollziehbar: Deborah Hartmann wird neue Direktorin. Die österreichisch-israelische Politologin arbeitete seit 2007 in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, zuletzt als Leiterin der deutschsprachigen Bildungsprogramme. Unter Fachleuten genießt sie einen guten Ruf, nicht zuletzt weil sie über fachliche Qualität hinaus einen regen Austausch mit Politik, Justiz, Wissenschaft und vielen weiteren Multiplikatoren pflegt. Zudem war sie für auch für viele wichtige Einrichtungen tätig, wie dem American Jewish Committee oder das Projekt „Zeugen der Shoa“. 

Dieses breite Netzwerk wird nicht nutzlos sein bei den nun anstehenden Herausforderungen: Nach dem Sturm der Entrüstung über die neue Ausstellung müssen die Wogen geglättet werden. Gleichzeitig bedarf es einer Einbeziehung der zahlreichen Mitarbeiter und Partner in eine neue Ausrichtung des Hauses. Zudem dürfte es nicht schaden, über eine Überarbeitung der Ausstellung nachzudenken. Schließlich sollte auch das lang erwartete Seminarzentrum in absehbarer Zeit Realität werden – und mit ihm die dringend benötigten Erweiterungsflächen für Bibliothek und Archiv. 

Was lange währt 

Nun ist es aber wichtig, zunächst ihr und dann auch den Mitarbeitern der Gedenkstätte genug Zeit zu geben, den Neustart auf verschiedenen Ebenen zu konzipieren und umzusetzen.

Kurzfristige Ergebnisse zu fordern wäre weder den Herausforderungen, noch der Gedenkstätte gegenüber angemessen. Bei aller Kritik am betreuten Fühlen in der gegenwärtigen Ausstellung muss auch für Deborah Hartmann gelten: Am Ende zählen konkrete Ergebnisse und das bekannte Wort „gut Ding will Weile haben“.

 

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Yvonne Stange | Do., 27. August 2020 - 12:06

WAS genau soll hier unterstellt werden?! "im Tweedsakko, mit Hundemotiven auf der Krawatte"? Das ist ungeheuerlich!

Paul Hulot | Do., 27. August 2020 - 14:58

Antwort auf von Yvonne Stange

Ohne Seitenhieb auf die AfD scheint es nicht zu gehen, obwohl mir nicht bekannt ist , dass die einen Völkermord plant...Schade um den ansonsten guten Artikel.

Helmut Bachmann | Do., 27. August 2020 - 15:35

Antwort auf von Yvonne Stange

Leider widerspricht sich der Artikel nicht zuletzt durch diese Peinlichkeit. Er verbraucht enorm viel Lesezeit für die Hauptaussage, dass man die Ausstellung im Wannseehaus lieber schlichter gelassen hätte. Da stimme ich vollkommen zu. Volkspädagogik und "erfreulich viele"(!) Gedenkstätten verändern das Bewusstsein nicht. Die Sache ist zu ernst für zuviel Gerede und dumme Witze.

... "dummer Witz"! Das ist infam! Einen Völkermord mit noch lebenden Personen in Zusammenhang zu bringen ist abartig! Das ist an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten. Überhaupt hat die inflationäre Nazi-Bezeichnerei mittlerweile Ausmaße angenommen, die die Barbarei von damals einfach nur runterspielen und als PillePalle erscheinen lassen! DAS ist das Schlimme an der Sache!

Kai-Oliver Hügle | Sa., 29. August 2020 - 09:42

Antwort auf von Yvonne Stange

Mir hat diese Anspielung auch nicht gefallen, denn Gauland scheint wenig mit solchen Gedenkstätten anfangen zu können:

"Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Und das sprechen wir auch aus. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.“

Und da Sie von "herunterspielen"
und "PillePalle" sprechen:

"Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte."

Lieber Herr Lenz, der Hinweis auf Tweetsakko und Hundekravatte hat auch mich irritiert. Ich schätze beides, käme aber nie auf die Idee, der AfD meine Stimme zu geben. Dennoch, Herr Reitzenstein liegt keineswegs falsch. Die AfD steht für ein von ethnischer Homogenität geprägtes Gesellschaftsmodell, die Querbezüge zur Identitären Bewegung, damit zum sog. Ethnopluralismus sind offensichtlich, und zwar nicht nur im zum Schein aufgelösten "Flügel". Mir hat noch niemand erklären können, wie die AfD, sollte sie jemals an die Macht kommen, ihr Gesellschaftsmodell ohne ethnische Säuberungen verwirklichen will.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 28. August 2020 - 07:46

Antwort auf von Yvonne Stange

Da kam mal einer schnell, hat dieser Ausstellung seinen gendergerechten Stempel aufgedrückt und wechselt dann, obwohl "erfolgreich" ohne Angabe von Gründen ins Ministerium zurück und überlässt es der "Nachwelt" sich mit seinem "Werk" auseinanderzusetzen? War das nicht so gewollt? Herr Reitzenstein, leider haben Sie mit diesem Satz über Sakko und Hundemuster Ihren ganzen Artikel entwertet und freundlicher Weise Ihre Gesinnung mehr als deutlich offenbart. Die Reaktionen meiner Mitforisten spricht Bände. Ihr Artikel leider auch. Schade.

Jürgen Keil | Do., 27. August 2020 - 16:35

Wie konnte das geschehen? Fragwürdige, letztendlich menschenverachtende ideologische Ziele sollten schon mehrfach in der Geschichte unter Nutzung staatlicher Macht und ministerialer Bürokratie umgesetzt werden. Nicht mit dieser in Form und Umfang erfolgten Unvergleichlichkeit, wie das in Wannsee Beschlossene, aber es gab sie an anderen Orten auch. Ich denke da u.a. an das gezielte Aushungern von Millionen Bauern und Kulaken in Sowjetrußland, an die Millionen Opfer in Kambodscha und China, an das Massaker an den Armeniern. Geschehen kann das, wenn eine Ideologie oder eine Religion als die absolute, alternativlose Wahrheit, mit geschickten propagandistischen Mitteln, subtil und schleichend, aber notfalls auch mit physischen Druck in den Köpfen der Menschen platziert wird. Ein sehr wichtiges Thema, welches im Text behandelt wird! Das Insinuieren des Autors (Tweedsakko und Krawatte mit Hundemotiv) ist allerdings sehr befremdlich und weist auf einen Mangel an Objektivität hin.

nicht in Kambotscha, nicht in der SU, nicht in China. Und es geschah nicht in den Wirren von Bürgerkriegrn und Revolutionen, sondern ganz bürokratsch-pragmatisch, auf der Basis einer Hochkultur.

Und es geschah unter Mitwirkung und Beihilfe des Volkes und für alle sichtbaren Verbrechen, Enteignungen, Entwüdigungen, Deportationen der Nachbarn.

Gerhard Schwedes | Do., 27. August 2020 - 19:09

Der Artikel hat mich sehr angerührt und im tiefsten Innern getroffen. Er ist überzeugend, mutig und von großer Wahrhaftigkeit. Deshalb allergrößten Respekt für den Autor, seine Sensibilität und sein großes empathisches Vermögen. Das war der erste Stich, der mich in eine melancholische, ja depressive Stimmung versetzte. Es gibt aber noch einen zweiten Stich, der für meine Verstörung mitverantwortlich ist. Wie kann ein solch respektabler Autor mit seiner Krawattenanspielung seinen eigenen Text dermaßen konterkarieren? Als AfD-Wähler und einer, der Gauland ob seines Vogelschiss-Vergleichs per E-Mail zum Rücktritt aufforderte, sage ich dennoch, dass die Krawattenanspielung zu weit geht. Für mich gäbe es dafür nur eine Entschuldigung: Sollte der Schreiber selbst jüdische Wurzeln haben, könnte ich ihm diese Anspielung von ganzem Herzen verzeihen und ihn sogar verstehen, falls aber nicht, wäre es einmal wieder nur ein Beispiel für eine billige Anbiederung am Zeitgeist. Antworten Sie mir bitte

Fritz Elvers | Do., 27. August 2020 - 20:08

hat den Massenmord nicht geplant, sondern lediglich Ausführungsmodalitäten festgelegt.

Der Genozid selbst war längst im Gange und hat tausende bereitwillige Helfer und Helfershelfer benötigt. Bis zum Schluß wurde diese Maschenerie erst durch die Allierten gestoppt.
Millionen, insbesondere junger Soldaten, mussten auch dafür geopfert werden.

Deshalb darf es in Deutschland nie wieder Faschismus geben. Auch nicht als Biedermänner verkleidete Brandstifter.

Ich möchte mir nur zu Ihrem Schlusssatz eine Bemerkung erlauben. Nie wieder Faschismus! Ja natürlich. Nur ist dies inzwischen eine abgedroschene Moralformel, die rein gar nichts bewirkt und die von Linken und Grünen nur dazu instrumentalisiert wird, ihre eigenen Totalitarismen aufzutischen und diese damit zu rechtfertigen. Gauland - ein Biedermann als Brandstifter? Sagen Sie mir bitte, wo will er denn einen Brand legen? Der will ebensowenig die Nazis verteidigen wie Sie, ich und der Artikelschreiber selber. Mit seiner üblen Metapher ging es ihm im Kern nur darum, die masochist. Fixierung der Deutschen auf die verbrecherischen 12 Jahre Nazidiktatur in Frage zu stellen. So viel Ehrlichkeit muss einfach sein. Er hat sich für seine Worte auch schon zum 100 000. mal entschuldigt und wird doch immer wieder damit konfrontiert. So etwas ist einfach unredlich. Mittels dem rhetorischen Trick des pars pro toto verurteilt man eine ganze Partei, um sich aller Kritik entledigen zu können.

Ja, würde ich unterschreiben. Lesen Sie mal wieder Max Frisch. Gauland, einer, der sich in der hessischen CDU offenbar übergangen fühlte, der Partei Wallmanns, Dreggers etc. gründet dann eben eine NPD 2.0 mit Gebildeten, so wie er selbst, er kennt das Potenzial. Gelegentlich kommen dann Bemerkungen, wie nur 12 Promille einer tausendjährigen Geschichte, als wäre diese so toll gewesen. Die Deutschen begeistern sich für Jérôme Boateng, aber keiner will neben dem Neger wohnen, (was für die meisten auch zu teuer wäre), Höcke in die Mitte der Partei, Pegida natürlicher Partner usw.usf.

Es ist kein Masochismus, sich diesen 12 Jahren +-x zu stellen. Diese 12 Jahre waren nur das Ergebnis einer langen Geschichte des deutschen Nationalismus, sie ist hierin aufgegangen. Wäre die AfD einfach nur national-konservativ, hätte sie ihre Gaulands, Höckes, Kablitze etc. längst rausgeschmissen, stattdessen haben die bereits das Sagen.
Angriffskriege sind Deutschland allerdings nicht mehr möglich.

Jann-Patrick Pelz | Fr., 28. August 2020 - 13:15

Vielen Dank für diesen Artikel. Ich kenne weder das alte noch neue Konzept aus persönlicher Erfahrung und muss mich fragen: Warum, denn ich war bereits mehrfach in Berlin und die Stelen habe ich sofort in echt betrachtet.

Ich mache mir schon lange Sorgen um die neue Sprache und Ideale wie Gender etc. Man verliert dabei einerseits durch ein verzetteln in unwichtigen Details die echten Probleme aus den Augen und dabei auch noch die Sprache, die es ermöglicht Probleme in emotionaler Weise zu beschreiben... schade, dass dies an einem Ort passiert, der aus sich heraus eindrucksvoll schildert.