Mark Rutte (l.), Angela Merkel, Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron beim Sondergipfel am 18. Juli / picture alliance

Next Generation EU - Worum es wirklich geht

Vor dem Hintergrund der Corona-Krise wird die europäische Finanzverfassung grundlegend überarbeitet: Die EU soll künftig Schulden aufnehmen und Steuern erheben können. Aber wer hat hier eigentlich das Sagen und was bedeutet das alles rechtlich? Eine knochentrockene juristische Analyse.

Porträt Frank Schorkopf

Autoreninfo

Frank Schorkopf ist Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Göttingen

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I. Europapolitischer Rahmen – das Beschlossene im Überblick

Der Europäische Rat hat sich auf seiner außerordentlichen Tagung vom 17. bis 21. Juli 2020 politisch auf eine komplexe Änderung der EU-Finanzverfassung geeinigt. Das Ergebnis läuft unter der Überschrift „Next Generation EU“ (NGEU), einem neuen Extra-Haushalt der EU im Umfang von 750 Milliarden Euro. 

Mit dem Geld sollen die Folgen der Corona-Pandemie in den Mitgliedstaaten bewältigt werden. Dazu werden Teilsummen den bestehende EU-Förderprogrammen zugewiesen, der Löwenanteil in Höhe von 672,5 Mrd. Euro wird jedoch in eine neu aufgelegte „Aufbau- und Resilienzfazilität“ eingebracht. Organisatorisch angesteuert werden die Programme über ein sogenanntes Aufbauinstrument, mit dem die EU die Finanzmittel zuweist und Maßnahmen identifiziert. 

Das Beschlossene ist aufgrund von Neuerungen auf der Einnahmen- wie der Ausgabenseite unübersichtlich. Denn der politische Wille des Europäischen Rates muss in Rechtsakte übersetzt werden, die eine tragfähige Ermächtigungsgrundlage in den Verträgen voraussetzen und auch im Übrigen mit dem Primärrecht vereinbar sein müssen. Teilweise muss das Europäische Parlament (EP) diesen Rechtsakten noch zustimmen, teilweise müssen die nationalen Parlamente – in Deutschland also Bundestag und Bundesrat – diese sogar ratifizieren.   

Das Instrument ist in den mehrjährigen Finanzrahmen der EU für die Jahre 2021 bis 2027 eingebettet, über den die Mitgliedstaaten bereits vor der Pandemie streitig verhandelt haben. Organisatorisch ist der NGEU gerahmt durch ein sogenanntes Aufbauinstrument (EURI-Verordnung). 
Eine der Neuheiten ist die Finanzierung des NGEU über die Begebung von EU-Anleihen, die über den EU-Haushalt abgesichert sind und von den Mitgliedstaaten zurückgezahlt werden sollen. Zur rechtlichen Umsetzung dieser Konstruktion soll deshalb der Eigenmittelbeschluss des Rates geändert werden.

Auch der Mehrjährige Finanzrahmen der EU spielt eine Rolle, der ohnehin für den Zeitraum von 2021 bis 2027 erneuert werden musste. Auf der Ausgabenseite werden die Finanzmittel zum größeren Teil als verlorene Zuschüsse und zum geringeren Teil als Kredite vergeben, allerdings nicht – wie in der Euro-Staatsschuldenkrise – durch neue zwischenstaatliche Institutionen, sondern über den EU-Haushalt. 
Mit Blick auf die ausstehende rechtliche Konkretisierung der Beschlüsse des Europäischen Rates geht es im Folgenden um eine Beurteilung der politischen Beschlüsse zu den Eigenmiteln (II.), zum mehrjährigen Finanzrahmen (III.) und zum NGEU (IV.) aus juristischer Perspektive, mit besonderer Aufmerksamkeit auf deren Primärrechtskonformität und der parlamen-tarischen Beteiligung der Mitgliedstaaten.

II. Eigenmittelbeschluss

1. Der Eigenmittelbeschluss ist ein im vertraglichen Primärrecht (Art. 311 Abs. 1 bis 4 AEUV) vorgesehener Rechtsakt der EU. Dieser Rechtsakt steht für die Ausgestaltung der Einnahmenseite des Finanzierungssystems sowie Umfang und Struktur der daraus entstehenden nationalen Finanzierungsanteile am EU-Haushalt. Er legt die Kategorien von Finanzierungsquellen und eine Obergrenze für die Einnahmen fest. 
Ausdrücklich erwähnt der Wortlaut von Art. 311 Abs. 3  des „Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ (AEUV), dass neue Kategorien von Eigenmitteln eingeführt oder aufgehoben werden können, was seit einigen Jahren in der EU bereits diskutiert wird. Der Rechtsakt wird vom Rat einstimmig – nach lediglich einer Anhörung des EP – beschlossen. 

Der Eigenmittelbeschluss ist von den Mitgliedstaaten nach den Vorgaben des jeweiligen nationalen Verfassungsrechts zu ratifizieren. Da die Bundesrepublik mit der Ratifikation Hoheitsrechte auf die EU überträgt (Steuerhoheit, Kreditaufnahme faktisch zu Lasten des Bundeshaushalts), benennt das Integrationsverantwortungsgesetz den Eigenmittelbeschluss ausdrücklich als einen zustimmungsbedürftigen Unionsrechtsakt. Das bedeutet, dass der Bundestag vor einer Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat ein Gesetz nach Artikel 23 Absatz 2 Grundgesetz, § 3 Integrationsverantwortungsgesetz (IntVG) an-nehmen muss, um den Vertreter entsprechend zu autorisieren. Der Bundesrat muss diesem Gesetz zustimmen.

Die offene Frage ist, mit welcher Mehrheit der Bundestag ein solches Gesetz beschließen müsste: mit einfacher oder sogar mit Zweidrittelmehrheit? Die Frage der parlamentarischen Mehrheitserfordernisse spielt gegenwärtig eine politische Rolle im Deutschen Bundestag, weil die Regierungskoalition für eine Zweidrittelmehrheit wenigstens die Unterstützung von zwei kleineren Fraktionen (Bündnis 90/Die Grünen, FDP) benötigt. Es werden zunehmend Kontroversen über das Mehrheitserfordernis bei europabezogenen Entscheidungen des Bundestages ausgetragen. 

Die letzte Änderung des Eigenmittelbeschlusses im Jahr 2015 ist auf der Grundlage von Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 GG, § 3 IntVG mit einfacher Mehrheit ratifiziert worden (Bundestags-Drucksache 18/4047). Interessant ist, dass die Bundesregierung den Gesetzentwurf zusätzlich auf Artikel 59 Absatz 2 GG gestützt hat. Es handelt sich um die Ratifikationskompetenz für klassisch völkerrechtliche Verträge. Diese Bezugnahme lässt darauf schließen, dass die Bundesregierung den Eigenmittelbeschluss als eine Primärrechtsänderung versteht.

Bemerkenswert ist außerdem, dass die Ratifikation im Jahr 2015 den Ratsbeschluss rückwirkend zum 1.1.2015 in Kraft gesetzt hat. Eine entsprechende Rückwirkung auf den 1.1.2021 ist auch für den neuen Eigenmittelbeschluss vorgesehen (Europäischer Rat, Schlussfolgerungen vom 21.7.2020, Rn. 141). Käme es zu einer Verzögerung bei der mitgliedstaatlichen Ratifikation, wirkte diese sich so nicht den EU-Haushalt aus – dadurch wird aber auch deutlich, dass die Regierungen die parlamentarische Ratifikation lediglich als Förmlichkeit betrachten, die nur mit einem gemeinschaftlichen „Ja“ enden kann.

2. In der Rechtswissenschaft ist umstritten, zu welcher Kategorie Unionsrecht der Eigenmittelbeschluss gehört: Eine Seite nimmt an, es handele sich um einen Sekundärrechtsakt (Hauptargument: „Beschluss“ des Rates). Die andere Seite ist der Ansicht, es handele sich um einen Akt konkretisierenden Primärrechts (Hauptargument: Ratifikationsbedürftigkeit des Eigenmittelbeschlusses). 

Bei diesem Streit handelt es sich nicht um ein Glasperlenspiel. Denn bei einer Kategorisierung als Sekundärrecht müsste ein Eigenmittelbeschluss dem geltenden Primärrecht genügen. Mit anderen Worten: Der neue Eigenmittelbeschluss könnte und müsste am geltenden Vertragsrecht geprüft werden. So ließe sich etwa prüfen, ob die geplante Aufnahme von EU-Steuern in die Kategorie der Eigenmittel mit dem weiteren Vertragsrecht übereinstimmt. Ist der Eigenmittelbeschluss hingegen selbst Primärrecht, kann er das bereits geltende Vertragsrecht ändern.

3. Die EU-Organe sind der Ansicht, dass der bisherige Kanon an Eigenmitteln um die Steuer erweitert werden kann und erweitert werden sollte. Der Kommissionsvorschlag vom 2018 (COM (2020) 325), den die Kommission im Jahr 2020 ergänzt hat (COM (2020) 445), sieht dazu unter anderem vor:

•    neue Kategorien von Eigenmitteln, d.h. (i) eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, (ii) ein Anteil der Versteigerungseinnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem, (iii) ein nationaler Beitrag, der anhand der anfallen-den nicht wiederverwerteten Verpackungsabfälle aus Kunststoff berechnet wird. 

•    einen Grundsatz, dass zukünftige Einnahmen, die sich unmittelbar aus der EU-Politik ergeben, dem EU-Haushalt zufließen sollten.
Zusätzlich ist in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juli 2020 die Rede von der Einführung einer originären EU-Finanztransaktionssteuer (Europäischer Rat, Schlussfolgerungen vom 21.7.2020, Rn. A 29). 

Der neue Eigenmittelbeschluss enthält zudem eine Ermächtigung der Kommission, Mittel an den Kapitalmärkten aufzunehmen (Verschuldungskompetenz), und erhöht die bisherige Eigenmittelobergrenze (1,23 Prozent des Bruttonationaleinkommens EU – BNE) auf permanent 1,40 Prozent BNE und bis zum Jahr 2058 befristet um weitere 0,6 Prozent BNE auf insgesamt 2,0 Prozent BNE.

4. Ob die EU sich überhaupt aus der direkten Besteuerung von Unionsbürgern und Unternehmen mit Sitz in der EU finanzieren darf, ist umstritten. Bei der rechtlichen Beurteilung spielt eine Rolle, wie der Eigenmittelbeschluss eingeordnet wird (siehe Ziff. 2).

Ein Besteuerungsgrundlage könnte eine Durchführungsverordnung nach Art. 311 Abs. 4 AEUV sein, die der Rat mit Zustimmung des EP erlassen dürfte (wenn er dazu im Eigenmittelbeschluss ermächtigt werden würde). Die EU-Steuer müsste jedoch bereits im Eigenmittelbeschluss vorgesehen sein, weil es sich um einen intensiven Eingriff in die Rechte der Unionsbürger handelt, den die Mitgliedstaaten nicht den EU-Organen zur Ausführung überlassen dürfen.

Die große Bedeutung von originären EU-Steuern für die Grundrechte der Bürger vor dem Hintergrund von Besteuerung als Kern souveräner Staatlichkeit sowie die Änderung der EU-Finanzstruktur spricht dafür, dass die Zustimmung zum geänderten Eigenmittelbeschluss sogar mit einer Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden müsste (siehe Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit Artikel 79 Absatz 2 GG).

Unabhängig von der prinzipiellen Zulässigkeit einer EU-Steuer ist unstreitig, dass das Vertragsrecht eine Steuerkompetenz bislang nicht enthält. Auch die Kreditermächtigung gegenüber der Kommission ist ein neues Instrument. Zwar gibt es bislang bereits EU-Anleihen, deren Volumen jedoch stark begrenzt ist und deren Einnahmen wiederum für Kredite – und nicht für verlorene Zuschüsse – verwendet werden. Solche Kompetenzerweiterungen wären in jedem Fall „tiefgreifende Veränderungen“ des Unionsrechts.

Abschließend lässt sich noch darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil die „Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Kreditaufnahme“ zu den „wesentlichen Bereichen demokratischer Gestaltung“ zählt, die von der Verfassungsidentität geschützt und damit integrationsfest sind (BVerfGE 123, 267, 358, Rn. 249). Danach könnte eine Ermächtigung der EU zur originären Steuererhebung gegenüber dem Bürger auf eine absolute Grenze der Integration treffen, also verfassungswidrig sein.  

III. Mehrjähriger Finanzrahmen 2021-2027

1. Der mehrjährige Finanzrahmen ist eine auf sieben Jahre ausgerichtete Planung über die Ausgabenprioritäten der EU. Der Finanzrahmen ist Grundlage für den jährlichen EU-Haushalt und ist damit ein Instrument der politischen Schwerpunktsetzung.

Der Finanzrahmen konkretisiert den Eigenmittelbeschluss und muss sich, etwa in Bezug auf die Eigenmittelobergrenze, in dessen Rahmen halten. Er wird als Verordnung vom Rat einstimmig mit Zustimmung des Europäischen Parlaments beschlossen (Artikel 312 Ab-satz 2 AEUV). 

2. Die Verordnung wird vom Rat ohne weitere Beteiligung der nationalen Parlamente erlassen, eine Ratifikation wie beim Eigenmittelbeschluss ist nicht vorgesehen.

Eine Beteiligung des Bundestages und des Bundesrates erfolgt deshalb bei diesem Rechtsakt nach den allgemeinen Regeln des Artikel 23 Absätze 2 bis 7 GG in Verbindung mit dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) und dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZ-BLG). Der mehrjährige Finanzrahmen ist ein EU-Vorhaben, das beteiligungspflichtig ist (5 Prozent Abs. 1 Nr. 10 EZUBBG).

Die Bundesregierung muss rechtzeitig unterrichten und dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Eine Stellungnahme, zu deren Abgabe der Bundestag nicht verpflichtet ist, hat dann eine gewisse Direktionswirkung gegenüber der Bundesregierung (Einzelheiten: § 8 EUZBBG). Am Ende des Tages kann sich die Bundesregierung jedoch mit ihrem Standpunkt durchsetzen, zumal eine politische Einigung im Europäischen Rat bereits erfolgt ist. Dem Bundestag bleiben die allgemeinen Kontroll- und Disziplinierungsinstrumente.

IV. „Next Generation EU“ (NGEU)

1. Das vom Europäischen Rat auf Vorschlag der Kommission beschlossene NGEU soll eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, der Beschäftigung und des sozialen Zusammenhalts verhindern und eine nachhaltige und widerstandsfähige Erholung der Wirtschaftstätigkeit in der EU fördern.

Das Instrument wird unionsrechtlich – neben den bestehenden Finanzierungsprogrammen – auf zwei neuen Sekundärrechtsakten beruhen: 

•    einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung ei-ner Aufbau- und Resilienzfazilität (COM(2020) 408), einem weiteren Finanzierungsprogramm, das mit 672,5 Mrd. Euro ausgestattet werden soll und

•    einer Verordnung des Rates zur Schaffung eines Aufbauinstruments der Europäischen Union zur Unterstützung der Erholung nach der Corona-Pandemie – „EURI-Verordnung“ (COM (2020) 441), die die 750 Mrd. Euro den einzelnen Programmen zuweist.

Hinzu kommt die Änderung des Eigenmittelbeschlusses (siehe Ziff. II.3). Diese ist notwendig, damit das Gesamtfinanzvolumen von 1.824 Mrd. Euro (NGEU in Höhe von 750 Mrd. Euro plus Mehrjähriger Finanzrahmen 2021-27 in Höhe von 1.074 Mrd. Euro) von der Eigenmittelobergrenze gedeckt ist und Refinanzierungsinstrumente (EU-Steuern) eingeführt werden können. Die technische Einrichtung des Programms und die Abwicklung der Auszahlungen erfolgt aufgrund der beiden Verordnungen.

2. Wenn die EU Sekundärrechtsakte erlässt, benötigt sie nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Artikel 5 Absatz 1 und 2 EUV) eine Rechtsgrundlage im Primärrecht, die im Rechtsetzungsverfahren auch ausdrücklich genannt werden muss.

Die Rechtsgrundlage für die Errichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität ist Art. 175 AEUV. Dieser Vertragsartikel sieht den Betrieb der bekannten Strukturfonds vor und ermöglicht in Absatz 3 eine Neuregelung von „spezifischen Aktionen außerhalb der Fonds“. Rat und Parlament würden im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen, das heißt der Rat mit qualifizierter Mehrheit, das Europäische Parlament ohnehin mit einfacher Mehrheit. Die Rechtsfragen dieses Bausteins spielen in der öffentlichen Debatte keine größere Rolle.

3. Interessanter ist die Verordnung, mit der das Aufbauinstrument zur Unterstützung der Erholung nach der Corona-Pandemie („EURI-Verordnung“) geschaffen werden soll.

Die Kommission nennt in ihrem Rechtsetzungsvorschlag als Rechtsgrundlage Artikel 122 AEUV (ohne Nennung eines der beiden Absätze). Der Juristische Dienst des Rates ist der Ansicht, dass Artikel 122 Absatz 1 AEUV einschlägig ist, der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat Artikel 122 Absatz 2 AEUV als passende Rechtsgrundlage identifiziert (soweit die Maßnahmen auf die Corona-Epidemie gerichtet sind). Ob Artikel „122 AEUV“ als Rechtsgrundlage ausreicht, ist in der bisherigen Diskussion umstritten.

Der Wortlaut des Vertragsartikels zeigt, dass für finanzielle Hilfen der Absatz 2 gegenüber dem Absatz 1 spezieller ist. Absatz 2 jedoch bezieht sich nur auf „einen“ Mitgliedstaat (Singular, nicht alle 27 Mitgliedstaaten) und will die Hilfen auf den Krisenfall bezogen sehen. Das letztgenannte Kriterium wirft Fragen auf, ob die mögliche Ausschüttung der NGEU-Mittel mit der „Gießkanne“ erfolgen kann oder nicht ein sehr spezifisches Ausgabenprogramm vorliegen muss. Dass zwischen die Finanzhilfen und den NGEU weiteres Sekundärrecht geschaltet ist, das solche Bedingungen und Verfahren definiert, wird ebenfalls als Argument gegen die Rechtsgrundlage verwendet. Denn wenn ein Mitgliedstaat ausnahmsweise und dringend Finanzhilfe benötigt, dann kann diese doch nicht von (politischen) Bedingungen abhängig gemacht werden.

Artikel 122 AEUV ermöglicht ein verbindliches Handeln des Rates ohne Beteiligung des EP. Bei Absatz 1 käme es noch nicht einmal zu dessen Anhörung, bei Absatz 2 wird das EP immerhin über den Ratsbeschluss unterrichtet. Sicherlich sind die Mitwirkungsrechte des EP in einer Gesamtschau zu beurteilen – es wäre dem EP ein Leichtes, seine Zustimmung zur Aufbau- und Resilienzfazilität (Ziff. 2) politisch mit der Mitsprache bei der EURI-Verordnung zu verknüpfen.

4. Die Beteiligung des Bundestages an dem Verfahren zum Erlass der beiden Verordnungen ist auf den ersten Blick einfach: Artikel 23 Absatz 2 bis 7 GG sehen die Beteiligung im Wege der Unterrichtung und Stellungnahme vor. Allerdings handelt es sich bei den Verordnungen um Maßnahmen der EU, die den Bundeshaushalt belasten. Es werden nämlich erhebliche Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt und außerdem Kreditzusagen gemacht. In diesem Fall ist Art. 115 GG einschlägig, der solche Schritte der Zustimmung mit einfacher Mehrheit des Bundestages unterwirft. Die finanziellen Beiträge der Bundesrepublik müs-sen haushaltsrechtlich abgesichert werden.

Die rechtliche Würdigung der Beteiligung des Bundestages kann hier nur skizzenhaft erfolgen. Allerdings zeigt sich schon jetzt, dass die Grundverpflichtung der Bundesrepublik zu deutlich erhöhten EU-Beiträgen abstrakt bereits im Eigenmittelbeschluss erfolgt. So könnte es sein, dass dieser aufgrund der deutlichen Steigerung der Eigenmittelobergrenze (Ziff. II.1) auch nach Art. 115 GG zustimmungspflichtig wird.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Bundestag im Rahmen der „Euro-Rettung“ eine Reihe von speziellen Beteiligungsrechten gegenüber der Bundesregierung erhalten hat, die funktional auch auf den NGEU passen würden. So unterrichtet die Bundesregierung den Bundestag über die Übernahme von Gewährleistungen nach dem Stabilisierungsmechanismusgesetz (StabMechG) und quartalsweise über die aktuelle Inanspruchnahme des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM).

Aufgrund Interessenparallelen und der in Rede stehenden Haushaltsautonomie wäre es deshalb angezeigt, dass die Bundesregierung den Bundestag auch über die im Rahmen von NGEU vergebenen Darlehen (inklusive Rückzahlungsrisiken) strukturiert unterrichtet. Denkbar wäre, dass der Bundestag – wie bereits beim StabMechG und dem ESM – einfachgesetzliche Konkretisierungen seiner Beteiligungsrechte schafft. Das würde die demokratische Legitimation und die Öffentlichkeit der Vorgänge „in Brüssel“ verbessern. Zudem ließe sich in einem solchen „NGEU-Beteiligungsgesetz“ auch die konkrete Ausübung des von den Niederlanden durchgesetzten Notbremsemechanismus für die Finanzhilfe (Europäischer Rat, Schlussfolgerungen vom 21.7.2020, Rn. A 19) regeln. Die Ausgangslage ist klar vergleichbar mit den bestehenden Beteiligungsgesetzen.

V. Schluss

Für die juristische Beurteilung des Projekts „Next Generation EU“ ist es wichtig, nicht auf das Instrument, sondern auf die einzelnen EU-Rechtsakte zu blicken, mit denen es ins Werk gesetzt werden wird. Die Kurzanalyse zeigt, dass das Projekt aus mehreren Einzelschritten besteht, die in komplexer Weise miteinander verzahnt sind.

Durch die Beschlüsse des Europäischen Rats vom Juli 2020 wird die Finanzverfassung der EU grundlegend verändert. Die Nettotransfers einzelner EU-Mitgliedstaaten werden – sicherlich auch wegen des Brexit – deutlich steigen, und die Zahl der Nettoempfänger wird zunehmen (bislang ist Italien etwa ein Nettozahler). Die deutlich erhöhte Eigenmittelobergrenze für den EU-Haushalt zeigt, dass die EU/Mitgliedstaaten Geld als europäische Steuerungsressource nunmehr stärker operationalisieren wollen.

Der Einstieg in eine direkte EU-Besteuerung von Unionsbürgern und Unternehmen betont, dass wir uns in einer verfassungsrechtlichen Schwebelage befinden, in der die Ableitungszusammenhänge europäischer politischer Herrschaft nicht mehr eindeutig sind und die Ämter und Organe der Mitgliedstaaten und der Union um Legitimität im Sinne sozialer Anerkennungswürdigkeit normativer Gebundenheit werben.

Besorgnis kann in diesem Zusammenhang erregen, dass es in Zukunft zwar eine Parallelität der Steuerhoheit geben wird (EU und Mitgliedstaaten), diese Ansprüche jedoch in keiner Weise koordiniert und ebensowenig in ihrer tatsächlichen Gesamtbelastung für den Bürger begrenzt sein werden. Vieles wird davon abhängen, wie konkret der Eigenmittelbeschluss die neuen Eigenmittelkategorien definiert und den Konkretisierungsspielraum von Rat und EP begrenzt (Artikel 311 Absatz 4 AEUV). Da die Rückzahlung der NGEU-Kredite bis zum Jahr 2058 über die Beiträge der Mitgliedstaaten an den EU-Haushalt erfolgt, zahlen die Unionsbürger indirekt durch ihre nationalen Steuern und Abgaben diese europäischen Ausgaben.

Die NGEU-Elemente des Projekts sind auf Befristung angelegt. Die Aussage, dass durch NGEU die Finanzstruktur der EU auf Dauer zu der einer Fiskalunion gemacht werden wird, ist eine europapolitische Prognose, die allerdings von der Erfahrung getragen wird. Politökonomisch betrachtet liegt die Schlussfolgerung nahe, dass sich die Mitgliedstaaten bei zukünftigen Verhandlungen über einen mittelfristigen Finanzrahmen des verfügbaren und bewährten Instrumentariums bedienen werden, um ihre sehr gegensätzlichen Interessen beim EU-Haushalt auszugleichen. Dazu gehören in Zukunft auch EU-Kredite und EU-Steuern.

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Urban Will | Do., 27. August 2020 - 14:00

dass wir von Merkel und ihren Regierungen nach Strich und Faden belogen und betrogen wurden.

Nun also ist der Geldhahn geöffnet.
Ob eine einfache oder eine Zweidrittel – Mehrheit für den einen oder andere Ratifikation notwendig ist, spielt keine Rolle, bis auf die Blauen werden alle brav mit dem Kopf nicken.

Und wenn ich das richtig verstehe, darf die EU dann Anleihen für „verlorene Zuschüsse“ aufnehmen.
Was das heißt, angesichts der Zustände in vielen Mitgliedstaaten, kann sich jeder selbst ausmalen.

Man kann den Briten immer und immer wieder gratulieren, dass sie diesen Saftladen verlassen haben.

helmut armbruster | Do., 27. August 2020 - 14:03

es geht um die deutsche Finanzkraft, um deutsches Geld und den Zugriff der EU darauf.
Denn ohne gäbe es schon längst keinen Euro mehr und auch keine EU.
Weil etliche EU-Mitglieder ohne die tragenden deutschen Korsettstangen, schon längst einen Staatsbankrott hätten hinlegen müssen.
Da die Gesetzeslage für einen derartigen Zugriff der EU aber nicht eindeutig ist, wird jetzt zweierlei versucht:
Entweder es gelingt eindeutige Rechtsgrundlagen zu schaffen, dann wäre alles ok.
Oder, falls das nicht gelingt, muss wenigstens die Rechtslage so vernebelt und unklar erscheinen, dass man mit ihrer Hilfe alles rechtfertigen können wird.
Unser BT und BR tun mir leid. Denn in ihrer Willfährigkeit und Harmlosigkeit werden sie nicht begreifen, dass jetzt der Moment gekommen ist, wo wirklich ernsthaft Widerstand geleistet werden müsste. Sie werden über den Tisch gezogen werden und sich hinterher wundern wie das geschehen konnte u. warum sie keinen Widerstand geleistet haben.

Die deutsche Finanzkraft soll dazu beitragen diese zu eröffnen, wesentlich durch Mithaftung, aber im Vordergrund steht der EU-Geldhahn um die zukünftigen Ansprüche an die jeweiligen Sozialstaaten zu finanzieren. Neben den Möglichkeiten der EZB soll die EU Anleihen auflegen, an denen dann alle anteilig mithaften, aber ohne dass die Mithaftenden darüber bestimmen können was damit bezahlt wird. Die Mittelverwendung wird in der nationalen Souveränität bleiben. Immerhin gehen italienische Parlamentsboten (Saaldiener) ab 60 mit Staatspensionen von über € 80,000.-- im Jahr nach Hause. Dies soll nicht von Italienern erarbeitet werden. Es soll über die EU kreditfinanziert werden.

und auch keine EU."...das können Sie laut verkünden , werter Herr Armbruster!
Und das ist auch kein subjektives Gefühl der Forenteilnehmer, sonder ein ganz Reales.
Die vorgeschobene Gleichmacherei sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Grunde nur ein Selbstbedienungsladen der Eliten ist. Mit der Eurorettungspolitik wird das Konfliktpotential immer größer. Dieses Konfliktpotential ist der Spaltpilz in der Eurozone. Ich nehme an der Euro trägt auch zu einer enormen Wettbewerbsverzerrung bei. Das Spiel der lockeren Geld- und Schuldenpolitik ist auch schuld, dass Banken wanken.
"Zuerst verwirren sich die Worte, dann verwirren sich die Begriffe, und schließlich verwirren sich die Sachen." (chines. Sprichwort)

Manfred Sonntag | Do., 27. August 2020 - 15:08

Ich lese schon wieder "Ermächtigung". Am 24.03.1933 gab es schon einmal ein Ermächtigungsgesetz. Jetzt ist es eben die EU. Und da läuft auch wieder alles undemokratisch:"Der Rechtsakt wird vom Rat einstimmig – nach lediglich einer Anhörung des EP – beschlossen.". Das kannten wir schon. Wozu die Wahl des EP? Wenn die Parteien ehrlich wären, müssten sie den Bundestag auflösen. Es wird ja sowieso jegliche nationale Entscheidung mittels Ermächtigung von der EU abgeräumt.

Peter Schulmeister | Do., 27. August 2020 - 16:06

Antwort auf von Manfred Sonntag

Sie wissen aber auch,das der Deutsche Bund von 1815-1866,das Deutsche Reich von 1871-1918,das Dritte Reich von1933-1945,die DDR von 1949-1990 und die alte Bonner Republik von 1949-1999 dauerte.Nichts unter der Sonne hat Bestand.Vor allen Dingen dann nicht,wenn deutsche Doktrinäre daran beteiligt sind. (In diesem Falle linke und merkellistische Doktrinäre(was ein und dasselbe ist.Denn kritisieren sie die Merkellisten,sind sie rechts-bis rechtsextrem.Also ist Merkel linksradikal.).Außerdem redet dann niemand mehr mit "Denen".

Enka Hein | Fr., 28. August 2020 - 08:51

Antwort auf von Peter Schulmeister

Herr Schulmeister. Danke.

wer wird die Flinte denn so schnell ins Korn werfen. Der Artikel liest sich nicht einfach, wovor im Lead vorsorglich gewarnt wird, doch steht das Entscheidende m.E. am Schluss, in verständlichen Worten. Neu gegenüber der Situation von vor Juli 2020 ist, dass a) die EU nun Kredite als EU aufnimmt und b) die EU als EU Steuern erhebt, wenn einstweilen auch nur indirekt und faktisch. Kredite müssen im Regelfall zurückbezahlt werden, was in concreto auch vorgesehen ist, nur ist offen, ob auch alle EU-Mitgliedstaaten ihren Anteil daran effektiv leisten werden. Wenn nicht, haften dafür faktisch die zahlungskräftigen unter ihnen. Und was (künftige) EU-Steuern angeht, so fischt die EU da letztlich im selben Teich wie die EU-Mitgliedstaaten insgesamt, gräbt ihnen m.a.W. Steuersubstrat ab. Ob das eine wie das andere im Lichte der jeweiligen nationalen Verfassungen noch dem Konzept der EU von vor Juli 2020 entspricht, dürfte die juristische Gretchenfrage sein. Noch ist Polen nicht verloren ...

als einzige Partei stimmte sie gegen das Ermächtigungsgesetz.
Leider ist die SPD von heute damit nicht mehr zu vergleichen, obwohl es heute gefahrlos wäre Standfestigkeit zu zeigen (1933 war es das nicht, viele sind im KZ gelandet).
Meine Hochachtung nachträglich für der SPD von 1933.

Constantin Bögner | Do., 27. August 2020 - 15:57

aber was ich davon gelesen und verstanden habe reicht mir, um zu schaudern:

Zitat: "Besorgnis kann in diesem Zusammenhang erregen, dass es in Zukunft zwar eine Parallelität der Steuerhoheit geben wird (EU und Mitgliedstaaten), diese Ansprüche jedoch in keiner Weise koordiniert und ebensowenig in ihrer tatsächlichen Gesamtbelastung für den Bürger begrenzt sein werden."
Wundert sich da noch Irgendwer, dass sich die Menschen und die Zeiten radikalisieren?

H. Stellbruch | Do., 27. August 2020 - 16:49

Es kann einem als Bürger angst und bange werden, wie anmaßend und verächtlich gegenüber den Interessen des deutschen Staatsvolks diese Regierung mit Hilfe der Coronavirus-Epidemie den Bundesstaat Europa einrichtet. Das funktioniert nur, weil in allen Parteien außer der geschmähten AfD die Fahne nach dem Wind gehängt wird - und der wird von den Medien und der von ihnen großgeschriebenen Kanzlerin gemacht.
Die Rolle unseres überblähten Parlaments ist in diesem Zusammenhang die des chinesischen Volkskongresses, der die Entscheidungen der Führung nur noch beklatscht. Es ist beschämend.

Tomas Poth | Do., 27. August 2020 - 17:14

Raus aus diesem Club in dieser Form, zurück in eine EWG/EG.
Abschaffung von §23GG.

Klaus Damert | Do., 27. August 2020 - 17:46

Kurz zusammengefasst: es geht um die Auflösung der BRD, möglicherweise sogar mit einfacher Mehrheit. Wille des Volkes? völlig egal.

Gerhard Schwedes | Do., 27. August 2020 - 17:58

Das liest sich ja wie Kleingedrucktes bei Versicherungsverträgen. Mit solchen Artikeln überfordert man den Leser. Das Ganze könnte man auch auf den normalen Rezipienten herunterbrechen und damit verständlich machen. Mir fehlt einfach die Zeit, Lust und Laune, mich akribisch in diese Zeilen einzuarbeiten. Mit einem solchen Artikel, dessen Fleißarbeit ja gar nicht bestritten werden soll, schafft man es, den Bürger in die Frustration zu treiben und ihn resignierend zurückzulassen. Damit hat der Autor zusammen mit der Redaktion seine eigentliche Informationspflicht verfehlt. Es ist, wie wenn ein Lehrer seine Schüler mit seinen vergilbten Vorlesungen aus einstigen Uni-Tagen überfordert und damit erreichen will, dass diese aus lauter Ehrfurcht vor dem geballten Wissen die Ohren anlegen. Ich frage mich bei vielen Artikeln, was steckt als kryptisches Motiv noch dahinter? Meine Frage hier: Ist es nur Bequemlichkeit oder die Absicht, sich als Prof. links-grüne Studenten vom Hals zu halten?

Maria Arenz | Do., 27. August 2020 - 18:24

Ich warne davor, dieses Bub*innenstück wieder als eine Verschwörung gegen das europäische und insbesondere deutsche Volk mißzuverstehen. Es ist vielmehr die bewährte Mischung aus Dummheit und Bequemlichkeit (=Faulheit), die uns auch dieses Meisterstück beschert hat. Kein Herkules, schon gar kein Bundestag und kein Bundesrat kann den Saustall aufräumen, den die spätestens seit 2010 Wortlaut und Geist der Maastrich-Verträge Hohn- sprechende "Euro-Rettung" angerichtet hat. Also machen wir halt eine neue Kasse auf und nach uns die Sintflut. Auf längere Sicht gesehn werden Währungen eh überbewertet.

Walter Müller | Do., 27. August 2020 - 19:31

Schwere Kost für die meisten Leser, aber sehr gut analysiert. Die Komplexität der Materie darf keine Ausrede dafür sein, dass Millionen von Bürgern einfach im Dunklen gelassen werden. Dieser NGEU-Themenkomplex sollte wegen seiner Tragweite verständlich aufbereitet und breit diskutiert werden: Was haben unsere gewählten Volksvertreter vor und wo wollen diese aus welchen (ideologischen) Gründen hin? Welche Konsequenzen hat dies für den Einzelnen? Ich bin erschüttert, zu lesen, dass sogar der Bundestag nicht in jedem Fall adäquat informiert wird und mitreden kann. Es entsteht der Eindruck, dass ein recht kleiner Club von Auserwählten abgeschirmt sein NGEU-Süppchen kocht und anschließend wohlwollend die anderen zu Tisch ruft. Wo ist die demokratische Kontrolle?

die den "Paragraphen-Dschungel" fachlich detailliert ausleuchtet, in dem durch Sie angeregten Sinn wäre im Blick auf breite Diskussion, wohin die Reise der EU gehen oder auch nicht gehen soll, in der Tat wichtig. Auszuleuchten wäre dabei zum einen die durch die jeweilige Verfassung (in DE "Grundgesetz") vorgegebene nationale Zuständigkeitsordnung im Blick auf Änderungen des EU-Rechtes, die dazu führen, dass die EU-Mitgliedstaaten einen Teil ihrer heutigen hoheitlichen Rechte an die EU abtreten, sei es faktisch oder förmlich. Und zum andern die bis dato geltende Zuständigkeitsordnung der EU, die bestimmt, wie entsprechende Änderungsvorschläge zuhanden der EU-Mitgliedstaaten zustande zu kommen haben. Unter Garantie ist es nicht so, dass die jeweils amtierenden Häupter der Regierungen dieser Staaten hoheitliche Rechte ihres jeweiligen Staates in eigener Machtfülle gültig an die EU abtreten könnten, das hätte mit demokratisch konstituierten Rechtsstaaten rein gar nichts mehr zu tun.

Ekkehard Windrich | Do., 27. August 2020 - 22:05

Sehr geehrter Herr Professor Schorkopf,

herzlichen Dank für diese faktenreiche Zumutung. Sie hat mir geholfen, meine diffusen Ahnungen dessen zu fundieren, was sich gerade im Verhältnis zwischen EU und ihren Mitgliedsstaaten verschiebt.

Danke auch an die Redaktion des Cicero für den Mut, mich als Nicht-Juristen mit einem solchen Text zu konfrontieren.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 28. August 2020 - 07:22

die Sie uns im Artikel näher bringen wollen. Ich sage Ihnen was. Mir ist es, genauso wie der Kanzlerin völlig egal, welcher rechtliche Dreh, jursitische Scharmützel und Framing, wann und wie zu den volksfeindlichen Zielen einer Fiskalunion führen werden. Das mögen die Juristen klären.
Für mich als Bürger ist es wesentlich einfacher zu bewerten. Die EU ist eine kriminelle Vereinigung geworden, welche ihre "Opfer" immer mehr auspressen will. Unter dem Strich steht, gerade DE und die wenigen Nettozahler, sollen zum zaheln "verpflichtet" werden. Die deutsche Politik ist doch fein raus, wenn neue Steuern auf die EU geschoben werden können. Niemand hat die Bevölkerung gefragt, ob sie ihre Herrschaft über ihr Geld aufgeben wollen. Macht nur so weiter, es grummelt in den Völkern und besonders in DE. Noch klingelt bei einigen der Wecker, sie sind müde und wollen nicht aufstehen. Noch. Wenn es mehr Menschen begreifen, hat diese EU keine Chance. Sie zerlegt sich selbst, weil uneinig im Detail.

Ronald Lehmann | Fr., 28. August 2020 - 09:30

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Für mich die neuen Mittel der Kriegsführung (wirtschaftlich & politisch) gegen ein Volk.
Was man im ersten & zweiten Weltkrieg nicht bzw. nur zum Teil erreicht hatte, das schafft man jetzt ohne Krieg (Waffen, Bomben & Vertreibung)mit neuen Mitteln.
Und mit Außenanstrich: Friedlich, Sozial, Hilfsbereit
Der neue kommunistisch-christliche Weg & Anstrich, wo es nur "Weißwesten" & Böse Rechte sowie "Wahrheitsleugner" gibt.
Die Maßnahmen bzw. Auswirkungen auf das nationale sind so gravierend, dass unüberwindbar ....
Und hier sind man die Kinder des "Unreinen".
Nein, nicht im Licht sondern im Schutz Corona, Klima, Rinderwahn, Vogelseuche, Schweinepest, wichtige Fußballspielen u.s.w. verbringen die Weichenwärter & Beamte ihr ausschließliches Tageswerk zum Wohle des.....

Bernhard Jasper | Fr., 28. August 2020 - 10:04

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Ja, das setzt neue Maßstäbe und ist sicher auch eine juristische Herausforderung. Es wird großen Beratungsbedarf geben, der sicher nur durch eine juristische Elite zu leisten ist. Es gibt ja viele hochkomplexe juristische Fragestellungen, jedoch auch das Steuerrecht scheint eine Königsdisziplin im Recht zu bleiben.

Stefan Jurisch | Fr., 28. August 2020 - 09:12

verpacken möge, so läuft es doch nur auf eines hinaus: die EU kann uns demnächst unbegrenzt melken bis uns die Tränen, die uns kommen werden, wieder eintrocknen. Großbritannien hatte schon ganz Recht, sich aus dem Verbund zu verabschieden. Wenn ich auch nur den Hauch einer Chance sähe, dort Fuß zu fassen, würde ich umgehend mein Englisch aufbessern und mir dort einen Job suchen. Leider ist das nicht wirklich so einfach.
Aber vielleicht geschieht ja noch ein Wunder und breite Teile der Bevölkerung gehen endlich mal auf die Straße. Wobei ich mir gut vorstellen kann, dass solche Demos dann auch sehr schnell unter fadenscheinigen Gründen verboten werden würden.

Christoph Wirtz | Fr., 28. August 2020 - 23:36

... ohne dass die gravierenden Veränderungen, die damit verbunden sind, von den Menschen in den jeweiligen Ländern, debattiert und legitimiert worden wären. Aber da ist auch so gut wie niemand der das kritisiert und zum Thema macht. Politik und Leitmedien marschieren Hand in Hand.