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Autoritäre Volkspädagogik im Namen der guten Sache: Richard David Precht / dpa

Debattenkultur - Der Verrat der Philosophen an der Freiheit

Meinungsführer sprechen lieber übereinander als miteinander. In dieser polarisierten Gesellschaft bekommen Philosophen plötzlich eine neue Verantwortung. Doch statt zu vermitteln, drängen sie den Diskussionsteilnehmern ihre Sicht auf die Welt auf.

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

So erreichen Sie Alexander Grau:

Das ärgerliche an der Freiheit ist, dass jeder sie anders nutzt. Der eine fährt gerne Auto, der andere gerne Rad. Der eine liebt Schnitzel, der nächste Tofu, der eine die gemütliche Kreuzfahrt, der nächste eine Fahrradtour über die Alpen. Freiheit macht die Welt bunt und unüberschaubar. Das kann schon mal irritieren und äußerst verwirrend sein.

Insbesondere Philosophen haben daher ein zwiespältiges Verhältnis zur Freiheit. Denn wozu Freiheit, wenn es die Wahrheit gibt? Schließlich sagt einem doch die Vernunft, was zu tun und was zu lassen ist. Freiheit braucht es dann nicht mehr, sondern lediglich die Einsicht in das einzig Wahre. Freiheit ist daher aus Sicht vieler Philosophen ein Wert für die Uneinsichtigen und Degenerierten, die wählen wollen, wo es eigentlich nichts zu wählen gibt.

Selbstbild als Avantgarde des Zeitgeists  

Es ist diese kleingeistige Verliebtheit in angeblich ewige Wahrheiten, die das Totalversagen der Philosophen angesichts des immer enger werdenden Diskussions- und Meinungskorridors erklärt. Egal ob Klima-, Gender-, Migrations-, Black Lives Matter- oder Covid-19-Debatte – nie sah man die angeblichen Liebhaber der Weisheit auf der Seite der Freiheit, der freien Rede, des freien Austauschs. Im Gegenteil. Mit der Arroganz des arrivierten Denkers pocht man auf die eine als allein gültig erkannte Wahrheit, die sich – wie der Zufall so will – als identisch mit der neulinken Politagenda erweist.

Statt sich für das Recht auf Widerspruch und Gegenargumente stark zu machen und den Pluralismus der Sichtweisen zu verteidigen, wischt man mit intellektueller Selbstgefälligkeit alle Ansätze beiseite, die jenseits dessen liegen, was man in linken Akademikermilieus als unumstößliche Wahrheit ansieht. Dass man sich damit zugleich auf eine ungute Art gemein macht mit den Mächtigen in dieser Gesellschaft, den großen Kultureinrichtungen, Stiftungen und Medienhäusern, ist schon unangenehm genug. Noch schlimmer ist jedoch, dass man sich zudem als Avantgarde des herrschenden Zeitgeistes sieht und entsprechend mehr Verbote, mehr Steuerung, mehr Einschränkungen, mehr Framing und mehr Nudging fordert. Mehr intellektuelle Anmaßung war selten.

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Rainer Mrochen | Sa., 22. August 2020 - 10:04

Handelt es sich noch um Philosophen im Sinne des Typus des öffentlichen Intellektuellen, wie wir ihn seit 250 Jahren kennen oder um Claqueure der Mehrheitsmeinung? Die Intellektuellen an sich und Philosophen im Besonderen, sollten ein breites Meinungsspektrum, unabhängig von ihrer Spezialdisziplin, abbilden können. Im Jahr 2020, ein Jahr der Extreme und extremer Polarisierung wird hier ein erbärmliches Bild abgelegt, beinahe ein intellektuelles Totalversagen. Von sogenannten "vorzeige Denkern" erwarte ich deutlich mehr Gehalt.

Enka Hein | Mo., 24. August 2020 - 10:55

Antwort auf von Rainer Mrochen

kann mich Ihren Worten nur anschließen.
Er ist ein (Unter)Haltungs Philosoph des linken Mainstream
der jedem linken Stöckchen hinterherhechelt.

Holger Jürges | Sa., 22. August 2020 - 10:14

Ich bin völlig bei Ihnen, hinsichtlich der hervorragenden Analyse, Herr Grau. - Ich hatte ja diesbezüglich schon in einem meiner Kommentare
auf den Herrn auf dem Foto hingewiesen. - Der Grund für solcherlei Verhalten von Philosophen ist in vielen Fällen ganz banal:"Wes Brot ich ess des Lied ich sing."
Und der Verrat an eigenen Überzeugungen (bezüglich des Verhältnisses Freiheit und angeblicher Vernunft kann man nicht irren!) sichern dem Bankkonto schwarze Zahlen, denn mit dem Bestreben einer Perpetuierung des linken Zeitgeistes lässt sich auf der Ebene der meisten Medien prächtig Geld verdienen, wenn man sich, wie besagter Herr, erst einmal etabliert hat...
Wie ich an anderer Stelle schon schrieb: Die großen Philosophen schweigen - wegen der Angst des Verrisses - in Deutschland. - Zwar hat Peter Sloterdijk im Jahre 2018 noch einige bemerkenswerte Interviews ( z.B.CICERO) gegeben, aber seitdem schweigt auch er hinsichtlich des hypertroph kathastrophalem Galopps in den Abgrund im Lande.

Christa Wallau | So., 23. August 2020 - 11:09

Antwort auf von Holger Jürges

stimme ich voll und ganz zu.
Seit langem vermisse ich kritische Stellungnah zum Zeitgeschehen, nicht nur von Philosophen, sondern allgemein von Geisteswissenschaftlern, besonders Historikern.
Es gibt zwar gute Beiträge in Nischen-Zeitschriften, die sich kontrovers mit
aktuellen Themen auseinandersetzen, aber sie dringen nicht durch,weil sie nicht über die Ö.R.-Medien an die Öffentlichkeit gebracht werden.

Ich kann mir die Einseitigkeit bzw. das Schweigen bekannter "Namen" (z. B.
Sloterdijk) nur so erklären, daß die Damen u. Herren Angst haben, ihre gut dotierten Stellungen an Hochschulen/Instituten zu verlieren, wenn sie nicht mit den Wölfen heulen.
Dies ist ein mehr als bedenklicher Zustand. Praktisch bedeutet dies das Ende
des freien Denkens u. Forschens. Mit dieser Feigheit verrät die sog. Elite auch die
"Normalbürger" im Volk, die auf "Sprachrohre" angewiesen sind; denn viele Menschen ahnen, daß etwas grundfalsch läuft, aber sie können es nicht analysieren/ formulieren.

Gerhard Lenz | So., 23. August 2020 - 14:31

Antwort auf von Holger Jürges

Wer regelmäßig die Kolumnen des Philosophen Alexander Grau liest, kann auch dort unschwer eine politische Einstellung herauslesen.
So sind sie halt: Herr Grau ein wenig konservativer, Herr Precht eher links. Was natürlich bedeutet, dass er bei den meisten Foristen hier schon mal sowieso unten durch ist.
So what?
Leben wir nicht in einer Demokratie? Es ist jedem freigestellt, die Bücher des Herrn Precht liegenzulassen. Man muss sich den Herrn auch nicht im Fernsehen anschauen. Jeder wie er will..
Zwei Dinge sind jedoch hervorzuheben:
Zum einen die Zänkereien unter Philosophen, die, fern jeglicher Weisheit, an Kollegen wie Precht kein gutes Haar lassen.
Zum zweiten hat Herr Precht die Philosophie wieder näher an die Menschen herangebracht - über das "Wie" mag man streiten.
Währenddessen gefallen sich Sloterdijk & Co in ihren abgeschlossenen Türmen im Pinseln des eigenen, alleine dank der "Kunst des Denkens" wohlgefüllten Leibes.

Carola Schommer | Sa., 22. August 2020 - 10:16

Seitdem wird er über alles Mögliche befragt und seine Antworten sind zum Teil recht flach. Weiß Gott kein kritischer Denker außerhalb der eigenen Schablonen. Seine autoritäre Volkspädagogik, wie Sie es so treffend nennen, gründet sich meines Erachtens auf einen Mangel an politischer und staatstheoretischer Bildung. Und natürlich zeigt es fehlende Objektivität, die einem Philosophierenden nicht gut zu Gesicht steht.

gabriele bondzio | Sa., 22. August 2020 - 10:22

Wäre ich dabei, werter Herr Grau. Aber Freiheit und Wahrheit, sind schon sehr dehnbare Begriffe.
Lincoln hat gesagt: „Die Welt hat nie eine gute Definition für das Wort Freiheit gefunden.“ Ich finde auch, dass Freiheit eher der Mode unterliegt. Wovon ich Philosophen nicht ausnehme.Oder wie sie dankenderweise sagen, „wie der Zufall so will – als identisch mit der neulinken Politagenda erweist.“. Precht, dessen Bild sie gewählt haben, ist ja zu Hause in der Sparte. Als Philosophie -Star, egal welches Thema er aufwirft, gut besuchte Veranstaltungen und viele hängen an seinen Lippen. Was wohl auch seinem charismatisch- asketischen Aussehen zu verdanken ist.
Aber wer so weit verzweigt Themen abhandelt, wird meist auch beliebig/oberflächlich,... wäre dann meine Wahrheit. Denn Tiefe erfordert Einschränkung und Verzicht.

Brigitte Miller | Sa., 22. August 2020 - 10:50

mein schon länger dauerndes Unbehagen mit Herrn Prechts Äusserungen in einen klugen Text,herzlichen Dank dafür!

Wolfgang Jäger | Sa., 22. August 2020 - 11:01

Es ist wie bei den Comedians oder Satirikern. Hinter der satirischen wie auch nun der philosophischen Fassade verbirgt sich die blanke autoritär-totalitär gefärbte und intolerante Ideologie des linken Zeitgeistes. Natürlich bedient man sich in den ÖRR-Medien gerne dieser Zugpferde, schätzt man doch ihr enormes Potenzial, den Zeitgeist unter die Leute zu bringen. Die Philosophie bzw. die Satire sind hierfür nur die Feigenblätter, um die wahren Absichten zu verdecken.

Ernst-Günther Konrad | Sa., 22. August 2020 - 11:16

Ob Drosten als Virologe oder Precht als Philosoph, Restle als Journalist oder anonyme feige asoziale Medien nutzende Hetzer. Sie alle vereint derzeit eines. Sie werden plötzlich bekannt, haben etwas zu sagen und werden in den Mittelpunkt gezerrt oder zerren sich selber in die Mitte.
Allmachtphantasien durch "Experten" jeglicher Couleur, die natürlich im Gespräch bleiben, die nicht gegen den Strom schwimmen wollen, sondern "gehört" oder "gesehen" werden wollen. Viele Kommentatoren hier bemühten schon den Kant'schen Zweifel, die Freiheitsideale aus der französischen Revolution und noch heute geltende Aussagen griechischer Denker. Obwohl es viele kluge Köpfe gab und das Rad nicht nochmals neu erfunden werden muss, braucht auch der Philosoph "seine" Entdeckung, sein formuliertes "Denkergebnis" und bemerkt nicht, dass er sich selbst damit in ein gedankliches Hamsterrad begibt. Derzeit läuft das Rad unaufhörlich und viele wollen mitfahren, wollen dabei sein, wollen sich feiern. Auch Precht.

Maria Arenz | Sa., 22. August 2020 - 11:34

Schon die Tatsache, daß ein Herr Precht hierzulande als "Philosoph" gilt, muss einen doch in's Grübeln bringen, wann und warum das "Volk der Dichter und Denker" angefangen hat, geistig den Riemen runterzuschmeißen. Eine abschließende Antwort hab ich noch nicht gefunden. Wenn ich mir aber z.B. das Geburtsdatum von Markus Gabriel anschaue und an die seit 30 Jahren immer berüblicher werdenden Berichte über dei sinkende Qualität unseres Bildungssystems denke , drängt sich mir doch der Verdacht auf, daß ständig steigende Abiturientenquoten etwas damit zu tun haben könnten. Die "Produkte" dieses Bildungssystems sitzen ja inzwischen in Medien, Universitäten und dem, was man so Kulturbetrieb nennt, an den meisten Schaltthebeln und bestätigen sich -wen wundert es ?- gegenseitig in ihrer ideologisch beschränkten Mittelmäßigkeit.

Karl-Heinz Weiß | Sa., 22. August 2020 - 12:42

Grundsätzlich halte ich es für erfreulich, dass sich Philosophen (-innen gibt es offenbar selten) verstärkt zu Wort melden. Hier besteht ein erheblicher Nachholbedarf gegenüber unserem Nachbarland Frankreich. Leider ist das deutsche Verhältnis zur Freiheit sehr ambivalent - offenbar ein Überbleibsel der preußischen Denktradition. Also: Philosophinnen aller deutschen Lande, vereinigt Euch gegen die anmaßende Attitüde des Berufskollegen Precht.

Gerhard Schwedes | Sa., 22. August 2020 - 13:14

Wenn jetzt als neues Kriterium für Politik anständiges Verhalten gegenüber einer Partei deren Entscheidungen beeinflusst, ist es armselig um Deutschland bestellt. Merkel verhält sich anständig gegenüber Migranten, die in Massen an unsere Tür klopfen, anständig gegenüber den Südeuropäern, die in eine finanzielle Notlage geraten sind, die Grünen verhalten sich anständig gegenüber der Umwelt und möglichen Klimaflüchtlingen, die Kirchen verhalten sich oberanständig beim Kirchenasyl. Bei so viel Anstand bekommt man langsam das Kotzen. Ich möchte endlich von Realitsten und nicht von so vielen Anständigen umgeben sein, deren Handlungsergebnisse meist in höchste Unanständigkeit münden. Der Ort von Anständigkeit sind Kirchentage, nicht die Politik. Außerdem ist die Kehrseite der Anständigkeit ein Bündel von allerlei Untugenden wie z. B. Heuchelei, Pharisäertum, moralische Überheblichkeit, Besserwisserei, Intoleranz, Sektiererei usw. Nein danke.

Klaus Funke | Sa., 22. August 2020 - 13:44

Ich kann ihn bei seinen unsäglichen Auftritten immer nur in ganz kleinen Dosen genießen. Höchstens zwei Minuten. Einer, der zu allem, etwa zu sagen hat, hat am Ende nichts zu sagen. Precht ist der Philosoph für die deutsche Hausfrau, möglichst begütert und über die Mitte des Lebens, und ich erkenne bei ihm, er redet den Herrschenden letzten Endes nach dem Mund, bedient den Zeitgeist. Es gibt weiß Gott kein Thema, zu dem er nichts zu sagen hätte, auch zu ganz banalem Alltagskram. Ich glaube selbst zum richtigen Fahrradputzen könnte er Ratschläge geben. Nee, der Typ ist nicht wirklich ernst zu nehmen. Und er nennt sich selber Philosoph. Ist das eigentlich eine geschützte Berufsbezeichnung? Oder kann sich jeder Philosoph nennen so wie sich jeder als Naturheiler bezeichnen kann? Gut. Soll jeder machen wie er will. Wer sich seinen Kopf mit Precht "vollmüllen" will, soll es machen. Da bleibt wenigsten anderer Blödsinn draußen. Eines allerdings beherrscht Precht gut: Die Selbstvermarktung!

Precht ist kein Philosoph und genau deshalb läuft seine Vermarktung auch so gut. An ihm ersehe und empfinde ich wie es wohl ist, kein Philosoph zu sein.
Anscheinend lese ich mehr als Precht in Wikipedia um ihm so, wie er sich sieht, den Status "Philosoph" abzusprechen. Ich befasse mich nur etwas mit Sprachphi-losophie - instrumentalisiert aus meiner gemeinsamen Schulzeit mit Sokrates und Platon. Prechts argumentationslose Polemik, wäre ein Horrorszenario für Beide. Oder eine Lachnummer.

Meine Erinnerung an Precht ist, daß er offentsichlich wesentliche Teile der von ihm zitierten Literatur entweder nicht verstand, oder sogar das Gegenteil von dem behauptet, was darin steht und sich in seiner hochangesiedelten, albernen Selbstverherrlichung anmaßt, sich über die "dummen" Autoren lustig zu ma-chen. Das ist nicht nur in der Philosophie anzutreffen, auch in anderen Geistes-wissenschaften. Aber die richten, im Unterschied zum TV-Philosophen Precht, kaum Schaden in den Köpfen anderer an.

Markus Michaelis | Sa., 22. August 2020 - 15:17

Der Artikel spricht denke ich einen wichtigen Punkt an: der starke Wahrheitsglaube in der "führenden bürgerlichen Gesellschaft". Einerseits scheint es mir fast denknotwendig, dass eine Gesellschaft gewisse Regeln und Denkmuster hat, die nicht oder nur sehr langsam in Frage gestellt werden.

Was mich die letzten Jahre irritiert hat, ist andererseits, dass die Regeln in einem höheren Maße für absolut geahlten werden aber gleichzeitig im Widerspruch dazu zu stehen scheinen, wie verschieden in der Welt gedacht wird.

Sozusagen der Gegensatz zwischen "Weltoffenheit" als einem höchsten Gut und der Welt, die den festen Regeln der weltoffenen Wahrheit nicht so recht folgen will.

Zumindest ich bekomme das für mich auch nicht ganz aufgelöst und empfinde die Atmosphäre im Moment als moralisch festgefahren in der Sackgasse. Bei vielen Dingen hätte ich kein Problem, wenn es hieße, dass "Wir" das so machen wollen. Dass aber notwendig alle das so machen und sehen, scheint mir bizarr.

Helmut Bachmann | Sa., 22. August 2020 - 15:51

zu erfahren, was da mit der Philosophie los ist. Oder ist es so, dass sich der Zeitgeist, verkörpert durch die Mächtigen aus Politik und vor allem MSM die zugehörigen "Denker" sucht und aufs Schild hebt? Oder sind es heutige Studenten, die nicht mehr gewillt sind selber zu denken, sondern endlich mit der Macht schwimmen wollen, um schnell an Punkte zu kommen? Mit Sehnsucht nach Identität, die man im neuen universitären Klima vor allem durch Konformität erhält?

Johannes Rausch | Sa., 22. August 2020 - 16:18

Hallo Herr Dr. Grau,
es gibt auch noch Philosophen, die sich nicht im Hinterteil des Zeitgeistes aufhalten (Herr Sloterdijk z.B.). Aber, es sind nur noch sehr wenige. Die Mehrzahl der (für mich) sogenannten Philosophen, sind keine Freunde der Weisheit, was ja Phil-o-soph eigentlich heißt, sondern willfährige und unreflektierte Anbeter der politisch korrekten Medienmeinung. Sie befinden sich damit in der für sie richtigen Gesellschaft mit der überwiegenden Mehrheit der "Kulturschaffenden" in diesem Lande, die die Reste unserer Freiheitskultur schon noch (ab)schaffen werden. Der einzige nichtwiderlegbare phil. Satz lautet: "Ich zweifle, also bin ich!". Da sie aber unfähig sind zu zweifeln, sind sie als Philosophen demzufolge nicht existent.

Jürgen Keil | Sa., 22. August 2020 - 16:43

1. Feststellung: Auch in der DDR gab es Philosophen. In meinem Ingenieurstudium musste ich lernen, dass Marx die idealistische Philosophie Hegels vom Kopf auf die Füße gestellt hätte; heißt, jetzt hatte Philosophie materialistisch zu sein, kein Widerspruch! Die Diktatur des Proletariats war zwangsläufig, da philosophisch und politökonomisch begründet. Irgendwann muss diese Fußphilosophie allerdings in etwas Spitzes getreten sein, den sie verabschiedete sich erfolglos und unter Schmerzen.
2. Feststellung: Auch Fußwunden heilen. Vom Schmerze befreit machen sich die nun wieder gestärkten Philosophen daran, den Gestrauchelten wieder aufzurichten. Nicht mehr ganz so marxistisch, aber immer noch voll alternativloser Überzeugung und der erforderlichen Zwangsläufigkeit. Jetzt steht die Diktatur der Weltretter auf der Agenda; philosophisch und klimawissenschaftlich begründet.
3. Feststellung: Ich kann selber denken, verlange kein Geld dafür und ich zwinge meine Meinung niemanden auf.

Ein vortrefflicher Kommentar, Herr Keil. Pragmatisch, prägnant, praktisch (auf die Wirklichkeit bezogen). Hier schreibt der realitätsbezogene Ingenieur, wohltuend präzis und komprimiert.

Fritz Elvers | Sa., 22. August 2020 - 16:49

sondern einfach nur den intensiven Hinweis auf voraussehbare Entwicklungen.

So gesehen könnte man auch jede Verkehrsregel als paternalistischen Eingriff in die persönliche Freiheit ansehen.

Andererseits waren Weltuntergangs-prophezeihungen und Religionen jeder Art natürlich auch schon immer ein probates Mittel zur Machtaneignung.

Hier gilt es zu unterscheiden.

Tomas Poth | Sa., 22. August 2020 - 18:44

... oder - wie der Zufall es will - sich als identisch mit der neulinken Propaganda erweist...
Weiter so in diese Kerbe, es gibt nicht die eine Wahrheit. Wer das inszeniert erdrosselt die Freiheit, und das kennen wir zur Genüge aus NS-Zeit und DDR. Sozialismus/Kommunismus Faschismus haben sich als Menschenfeinde präsentiert.
Jede Alternative muss erwähnt/erwogen werden und nicht erstickt.
Die gesamte Politik der letzten Dekade gehört öffentlich auf den Prüfstand.

Kai-Oliver Hügle | So., 23. August 2020 - 07:21

Sie vermeiden eine inhaltliche Aussage zu den von Ihnen erwähnten Debatten und bleiben auf der Meta-Ebene. Im Grunde lässt sich ihre Position (die Sie doch sicher auch für vernünftig bzw. "wahr" halten) so zusammenfassen: Es gibt unterschiedliche Auffassungen über den Klimawandel, Polizeigewalt und Corona. Deshalb muss - in der Konsequenz Ihrer Logik - alles bleiben, wie es ist; und zwar so lange, bis ALLE kapiert haben, dass menschliches Verhalten Klima und Umwelt beeinflusst, auch dunkelhäutige Tatverdächtige nicht einfach so abgemurkst werden dürfen, Covid-19 real ist und Masken helfen, eine Pandemie einzudämmen.
Wer wie Precht oder Gabriel anderer Meinung ist als Sie, der maßt sich, im Besitz der Wahrheit zu sein, und muss sich mal "Kleingeistigkeit" vorwerfen lassen, mal "Arroganz", mal "Inquisition", mal "Jakobinertum" (oder war das Kissler?). Dabei hatten Schwennicke und Marguier doch erst vor wenigen Tagen appelliert, sachlich zu diskutieren. ;-)

Klaus-Dieter Kaiser | So., 23. August 2020 - 20:08

Antwort auf von Kai-Oliver Hügle

Herr Hügle, ich stimme ihnen zu. Es kommt eben darauf an was jemand sagt,
nicht wer es sagt.
So haben in diesen Monaten, Politiker mit denen ich vorher niemals einer
Meinung war, sehr richtige Sachen gesagt.
So etwas anzuerkennen fällt vielen Zeitgenossen scheinbar schwer.

Stefan Jurisch | So., 23. August 2020 - 08:46

Treffender kann man es nun wirklich nicht mehr zusammenfassen.

Christoph Kuhlmann | So., 23. August 2020 - 08:53

Doch lehrte einst Hegel den Weltgeist mit seinen "Willens Wollungen" der bürgerlichen Aufklärung direkt neben Schopenhauers Nihilismus, der den natürlichen Verstand bevorzugte: "Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand." Hiermit kommen wir aber zum "Pudels Kern" des Dr. Faust, dem bekanntlich der Teufel entsprang. Wir erleben die Ventilation bestenfalls beispielhaft erklärter Werte und Normen unter Berufung auf eine philosophische Autorität, deren Grundlage, das kritische, systematische Denken im Rahmen eines abstrakten Regelwerkes geflissentlich ignoriert wird. Was bleibt sind Meinungsäußerungen, unterkomplexe Abstraktionen über Jahrhunderte sozialer Evolution, die eben nicht als ergebnisoffen und kontingent dargestellt werden. Genau damit aber, wird die vermeintlich erkannte Tendenz zur gesteigerten Komplexität des ethischen Niveaus ihrer Grundlage, der kritischen Reflexion beraubt, deren Feind der Oktroy ist.

Es reicht heute nicht mehr sich darauf zu beschränken, von einer einheitlichen Weltanschauung, oder vom „Zeitgeist“ zu reden und so als Erklärung auszugeben, was doch selbst der Erklärung bedarf.

In jedem Jahrhundert hat sich der Schwerpunkt des Wissens verlagert, denn wenn man bestimmte Ergebnisse nicht mehr wollte, wurde auch mit bestimmten Theorien gebrochen. Dem korrespondierte auch ein gleichzeitiger Wandel der Denk-Schulen und Lehrmeinungen.

Mit der Pluralisierung von Wirklichkeitskonstruktionen, haben viele den Eindruck wir würden in einen Relativismus abgleiten, in einen grellen Pluralismus, in haltlose Komplexität. Die Frage für Herrn Grau sollte daher lauten, liefert die Philosophie überhaupt noch gehaltvolles Wissen in einer funktional differenzierten Gesellschaft?

Ja, wenn man damit beginnen würde wieder zu „entdecken“, um überhaupt einen Ansatz einer aktuellen Gesellschaftstheorie entwickeln zu können.

Johan Odeson | So., 23. August 2020 - 11:45

Letztlich handelt es sich um Popagandisten eines epigonischen Zeitalters. Ohne wesentliche eigene Ideen wird das wortwörtliche Heil in der Verabsolutierung vermeintlich ewiger Wahrheiten gesucht. Mit einem Absolutheitsanspruch den normalerweise nur Religionen und Sekten für sich beanspruchen, wird die Wahrheit verabsolutiert und dabei, im Streben nach dem „Anständigen“, oder was man dafür hält, Gegenpositionen nicht mehr akzeptiert. Notfalls kommen halt die Schlägertrupps und Brandstifter der Antifa. Mit dem Strom schwimmt sich auch bedeutend leichter und angenehmer. Man badet halt gerne „lau“. Heraus kommen Pharisäer und Bigottisten, allerdings mit Anspruch auf Vollalimentation und Staatsversorgung. Die waren bekanntlich Jesus von Nazareth bereits ein Greuel. Aber keine Angst, man kann der Realität ja Vieles vorwerfen, nur nicht, dass sie wirkt. Tut dann nur sehr weh.

Hanno Woitek | So., 23. August 2020 - 17:48

Geben uns diese Philosophen nicht lediglich Anregungen darüber, dass wir unsere Freiheit zum nachdenken nutzen und finden eigener Wahrheiten suchen sollen?
Gerade Markus Gabriel in seinem Buch "Warum es die Welt nicht gibt" betont doch, das die Frage der Wahrheit eine Frage der Sichtweise und des Blickwinkels ist und sagt uns: " Philosophie
ist doch nur die Frage - Des woher kommen wir? Worin befinden wir uns? und was soll das Ganze eigentlich? Und überlässt mit Anregungen dem LeserIn selbst die Antwort.
Engt nicht vielmehr ihr Journalisten mit eurem Dauerbesserwisser um die Zukunft unsere Sichtweise Freiheit des Denkens ein?

Charlotte Basler | So., 23. August 2020 - 17:59

Sie schreiben: "der zum Starphilosophen erkorene", "der Bonner Vorzeigedenker", "der Lieblingsdenker der Deutschen"..... Wer weist ihnen denn diesen Status zu? Sind es etwa die, mit der neulinken Politagenda? Die Gleichen, die die Melodie zu den Liedchen dieser Philosophen vorgeben? Na dann, wird's halt alles immer koboldiger.

Rüdiger Will | So., 23. August 2020 - 19:31

Die meisten berühmten Philosophen sind Staatsphilosophen - wie Platon oder Thomas Hobbes. Von daher ist deren Argumentation meist zweischneidig, denn Staatsbau ist nötig, aber der Staat macht sich dann auch als Körper gerne sehr breit und wird gerne übermächtig und übergriffig - bis heute. Letztlich vertreten die Phil. in ihrer Metaphysik (Grundlagenposition) immer nur die eine Seite, denn das macht phil. Grundlegung aus: etwas aufbauen. Und wo Ideen- Körper gedeihen und sich mit aktuellen polit. Machtfiguren arrangieren, verschwindet mein Freiraum - und leider auch der Denkerische dabei, denn Philosophien besetzen ggf. über ihre Diener fast das ganze Lebensfeld! Zum Glück gibt es dehalb auch keine Ordnung (d.h. Platz brauchende Denkkörper) schaffenden Großphilosophen mehr - die letzten Versuche dazu gab es in den 1920ern mit Heidegger, Cassirer usw..

Rene Macon | Mo., 24. August 2020 - 09:59

Man sollte den Begriff "Nachhaltigkeit" soweit es geht meiden. Es gibt nämlich nicht "die" Nachhaltigkeit. Es gibt lediglich eine unendlich große Zahl von sozial- und umweltpolitischen Positionen, die nicht wissenschaftlich bewiesen werden können. Und deshalb haben wird Parlamente, die in Vertretung des Volkes nach einer öffentlichen Debatte eine Entscheidung treffen, die bei Bedarf wieder revidiert werden kann. Dieses System nennt man demokratischer Rechtsstaat.

Schaut man in die Literatur zum Thema "Nachhaltigkeit" stellte eine große Vielfalt von Meinungen und Konzepten fest. Die Debatte zwischen William Nordhaus und Nicholas Stern über die richtige Zeitpräferenzrate zur Berechnung eines CO2-Preises hat auch gezeigt, dass die Wissenschaft keine Verfahren hat, mit dem solche normativen Entscheidungen allgemeinverbindlich begründet werden können.

Was Frau Merkel und ihre diversen Nachhaltigkeitgremien hier veranstalten, ist nichts als steuerfinanzierte Werbung für die Grünen.