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Ein Gemälde, mit dem Robert McNeil das Grauen von Srebrenica aufgearbeitet hat / Remembering Srebrenica

25. Jahrestag von Srebrenica - Die Bilder leben fort

Robert McNeil zählte 1996 zu den ersten Gerichtsmedizinern, die das Massaker von Srebrenica untersuchen konnten. Seine Albträume aus dieser Zeit verarbeitete der Schotte mit Hilfe von Kunst und Malerei.

Autoreninfo

So erreichen Sie Robert McNeil:

Im Jahr 1996 wurde ich vom Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag in meiner Eigenschaft als Gerichtsmediziner darum gebeten, dem ersten internationalen Forensikteam beizutreten, um nach der Entdeckung von Hunderten von Massengräbern in Bosnien Beweise für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zu sammeln. Viele weitere Teams sollte später noch folgen. 

Ich wohnte damals bei einer Mutter und ihrer jugendlichen Tochter in Tuzla. Beide hatten sie während des Krieges gelitten. Eines Tages lud mich Amela, so hieß die Tochter, ein, mit ihr nach Sarajevo zu fahren, wo sie eine dreijährige Belagerung über sich hatte ergehen lassen müssen. Während eines Kaffees stellte Amela mir eine Frage, die mich damals zutiefst berührt hat: „Warum habt Ihr das zugelassen?", fragte sie und bezog sich mit dieser Anklage auf westliche Politiker. Ich fühlte mich sowohl beschämt als auch schuldig. Ich hatte damals nur wenig Ahnung davon, worum es bei dem Krieg in Bosnien eigentlich ging.

Die Welt schaute tatenlos zu

Während wir uns durch die Hunderte von Opfern aus Srebrenica sowie durch diejenigen arbeiteten, die in den Konzentrationslagern Luka und Omarska grausam gefoltert und ermordet worden waren, fühlte ich mich gezwungen, mehr darüber zu erfahren. Wie konnte es sein, dass Verbrechen gegen unschuldige Zivilisten mitten in Europa und in einem so enormen Ausmaß zugelassen wurden, während die Welt wenig oder nichts tat, um das Töten zu verhindern.

Von 1996 bis 2001 war ich viele Male in Bosnien, Kroatien und im Kosovo im Einsatz. Obwohl ich mehr und mehr über das Geschehene erfuhr und wir immer mehr Gräueltaten entdeckten, stellte ich mir immer wieder dieselbe Frage: Hätten diese Gräueltaten verhindert werden können?

Die Bilder kamen zurück

Als ich 2009 schließlich in den Ruhestand ging, machte sich meine Frau Sorgen über meinen zunehmend gestörten Schlaf. Offenbar schrie ich in der Nacht auf, während sich schemenhafte Bilder aus meiner früheren Tätigkeit als Forensiker in meinen Schlaf hinein schlichen. Für mich waren es nur schlechte Träume, aus denen ich anschließend in ein friedliches und normales Leben erwachen konnte. Ein paar schlechte Träume waren nichts im Vergleich zu der Realität der Opfer in den Gräbern. Sie konnten nie mehr erwachen. 

Später hatte ich dann begonnen zu malen. Ich fühlte mich dazu gezwungen, einige der Bilder wiederzugeben, die mich des nachts besuchen kamen. Iota, eine lokale Galerie, „entdeckte" mich und kuratierte erste Ausstellungen, die darin gipfelten, dass meine sogenannten „Zeugen"-Bilder 2016 im schottischen Parlament unter dem Banner der Wohltätigkeitsorganisation „Remembering Srebrenica“ gezeigt werden konnten. Ich hatte dadurch die einmalige Gelegenheit bekommen, mit Politikern aller Couleur zu sprechen, und ich war durchaus beeindruckt von ihrem Interesse und ihrer Unterstützung. Die Ausstellung führte auch in den Medien abermals zu einem gesteigerten Interesse an dem Völkermord in Bosnien. 

Eine bohrende Frage

2016 dann jährte sich der Jahrestag der ersten Einsätze des Internationalen Kriegsverbrechertribunals zum zwanzigsten Mal. Ich arrangierte eine Veranstaltung im Gedenken an den Völkermord, an der auch herausragende internationale Gerichtsmediziner teilnahmen, die in Bosnien gearbeitet hatten. Ich wusste, dass mich diese Veranstaltung berühren würde. Ich hatte dazu beigetragen, dass die Erinnerung an Srebrenica weiterleben konnte. Obwohl ich mich zusammen mit meinen Kollegen sehr privilegiert fühle, eine winzige Rolle bei der strafrechtlichen Verfolgung der Täter dieser Gräuel gespielt zu haben, habe ich das Gefühl, dass ich jetzt endlich versuchen kann, die Frage zu beantworten, die Amela mir vor zwanzig Jahren in Sarajevo gestellt hat: Warum haben wir das zugelassen?

„Wir als Individuen haben von unseren Politikern damals nicht verlangt, dass sie sich mit Nachdruck gegen die Zeichen der Intoleranz aussprechen, die zu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen geführt haben. Selbst als die Verfolgten uns anflehten, das Töten zu beenden, wurden ihre Stimmen weitgehend ignoriert. Dafür sollten wir uns schämen. Die Zeichen waren schon lange vor den schrecklichen Ereignissen da, wir haben erst gehandelt, als es zu spät war. Wir müssen daraus lernen und dafür sorgen, dass die jüngeren Generationen lernen, nicht nur über die Geschichte des Völkermords in Bosnien, sondern auch darüber, wie sie die Zeichen der Intoleranz und die Gewalt, die sie überall auf der Welt erzeugt, erkennen und Maßnahmen ergreifen können, um die Machthaber davon zu überzeugen, den Völkermord zu beenden".

 

Von 1996 bis 2009 war Robert McNeil Teil internationaler Forensikteams, deren Aufgabe es war, physische und wissenschaftliche Beweise für Terroranschläge, Kriegsverbrechen und Völkermord in Kriegsgebieten zu erbringen. Seit 2009 ist er im Ruhestand. Der Text ist eine Übersetzung eines Artikels auf der Website von "Remembering Srebrenica".

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H. Stellbruch | Sa., 11. Juli 2020 - 13:07

Das Problem ist, dass wir, um das Töten zu beenden, bereit sein müssen zu töten, und zwar bevor das volle Ausmaß der Entmenschlichung der Öffentlichkeit bekannt ist. Es istvimmee erst hinterher klar, dass es richtig gewesen wäre. Verantwortlich ist und bleibt der Täter, auch wenn die UN hier ein jämmerliches Bild abgegeben haben und der Vorwurf somit an die Staatengemeinschaft und nicht an die westlichen Länder gehen muss. Letztlich ist das Morden ja vom Westen mit Gewalt beendet worden - unter Inkaufnahme ziviler, in diesem Fall serbischer Toter. Wird der NATO das jetzt auch gedankt?

Wer Töten beenden will, ist gezwungen, selber zu töten.

Das ist die brutale Realität, der sich viele Menschen nicht stellen wollen.
Zum Töten entschlossene, (aus welchen Gründen auch immer) entfesselte Mörder werden nie mit Worten gestoppt, sondern nur dadurch, daß andere sie ihrerseits töten. Immer besteht dabei das Risiko, daß diese dabei selbst wiederum die Kontrolle über das rechte Maß verlieren.
"Verantwortlich ist und bleibt der Täter."
Ja, auch das ist richtig. Insofern trifft die Verantwortung für Srebrenica die Mörder selbst u. niemand anderen. Dennoch bleibt die Frage der Mitschuld derer, welche die Untaten sahen und nicht eingriffen, o b w o h l sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten.
Wer darf bei derart schwierigen Entscheidungen den Richter spielen?
Eine wirklich neutrale u. gerechte Instanz wird es dafür nie geben.
Hier kommen andere, ewig gültige Realitäten ins Spiel: "Jeder ist sich selbst der Nächste."
Und: "Die Kleinen fängt man, die Großen läßt man laufen."

Liebe Frau Wallau, dieses rätselhafte GLEICHNIS aus dem ALTEN TESTAMENT war mir stets so "suspekt", daß ich mich fragte, kann ein GOTT so sein, daß er einen Bruder seinen anderen töten läßt?

Im NEUEN TESTAMENT erneut die Frage. Die einzige mir glaubhafte Antwort blieb bis heute:

Das Leiden des Jesus Christus am KREUZ ist möglicherweise zwar symbolisch, doch auch echt erlitten. Was der MENSCH dem MENSCHEN antut, wird sich wenig ändern lassen. Das "KAINSMAL" bleibt ein SYMBOL.

Und ob Frauen "bessere" Menschen sind oder wären, weiß ich zwar etwas aus meinem Leben, bin gottseidank keiner Dschihad-Kriegerin begnet, der Allah näher stünde als MISERERE,

"HERR, erbarme Dich unser!" aus dem Lateinischen ...

Herr Stellbruch ich kann ihre Worte nur unterstreichen.
Aber es wird wieder geschehen. Um es zu verhindern muss man gleichfalls Gewalt anwenden und töten müssen. Wer aber soll es tun? Deutschland ist dazu nicht in der Lage. Bundeswehr. Ein Schrotthaufen. Von Quotenfrauen zu Grunde gerichtet. Die letzte Speerspitze KSK wird den linken Irrsinn geopfert. Die Polizei nicht in der Lage, weil gleichfalls politisch gewollt, sauer gefahren.
Sobald die mal durchgreifen müssten, siehe Stuttgart, werden linke importierte Probleme relativiert. (s. NZZ von gestern)
Man kriegt noch nicht mal die raus, die hier nichts zu suchen. IS Kämpfer können ohne Probleme nach Deutschland, aber linksgrün verhindert das man diese Mordgesellen auch ohne Probleme wieder abschiebt bzw. gar nicht erst reinlässt. Und da will man anderswo...? Mir bleibt das Lachen im Halse stecken ob der ganzen Heuchelei aus Berlin oder Brüssel.
Aber vielleicht hilft ja ein Stuhlkreis und man redet das Problem einfach tot.

Bernd Muhlack | Sa., 11. Juli 2020 - 17:03

"Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor"

Ja, ich habe diese Zeit noch sehr gut in Erinnerung.
Es gab bei Phönix im nach hinein sehr gute Dokus, sachlich und wertfrei kommentiert; so soll es sein, nicht wahr?

Bruch des Völkerrechts?
Die UNO/EU laberten sich wie immer zu Tode und irgendwann hatte Bill Clinton "die Schnauze voll".
Zugriff!
Diese Bilder waren grausam, also eher die Taten.

Solche Massaker, Genozide wird es immer geben, das ändern auch diese frohlockenden selbst ernannten Weltretter nicht.

Ich möchte zum Thema ein Buch empfehlen:

Die Knochenfrau:
Meine Arbeit in den Massengräbern für das UN-Kriegsverbrechertribunal
Clea Koff
Verlag Malik, 2004

Die junge forensische Anthropologin berichtet über ihre Arbeit in Ruanda, Bosnien, Kroatien und im Kosovo, wo sie im Auftrag der UNO versucht, die Toten zu identifizieren.

Das ist hammerhart, nichts für zart besaitete Zeitgenossen.

"Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein!"

Zwei deutschsprachige JUDEN im Auftrag des "Völkerbundes" nach Weltkrieg 1 (Albert Einstein & Sigmund Freud) über "WARUM KRIEG" ?

sollten sich austauschen. ...

Dieser BRIEFWECHSEL ist dermaßen weltkulturwürdig, dass es nur scheinbar überrascht, daß er immer noch nicht zum "Weltkulturerbe" zählt.

Rein blöde Nebenfrage: zu jüdisch, zu deutsch?

Klaus Peitzmeier | Sa., 11. Juli 2020 - 18:57

Die Lehre aus Srebrenica kann doch nur lauten: jede Art von Armee muß Abschreckungspotential haben, oder sie macht sich lächerlich.
Die Holländer hatten kein Abschreckungspotential, weil sie nur leicht beschürzt einem schwerbewaffneten Feind gegenüberstanden. Die UN war noch am Palavern, als die Serben schon die Menschen umbrachten.
Wir sollten schleunigst zusehen, daß wir als Europäer nicht in eine ähnliche Situation kommen können. Bisher kann Europa sich jedenfalls nicht verteidigen u ob sich die NATO im Zweifelsfall als mehr als ein Palaverclub erweisen würde, ist doch sehr zweifelhaft. Um nicht wie die Männer in Srebrenica zu enden, wäre ich jedenfalls gern bereit, mehr als 2 % vom BIP für die Verteidigung zu finanzieren.

Helmut Bachmann | Sa., 11. Juli 2020 - 19:49

mit dem völlig unsinnigen Auftrag, den die Niederländer bekamen. Wenn man sich der Gewalt nicht mit Gewalt entgegen stellen will, dann muss man Massaker hinnehmen. Moralisches Gejammer danach, inkl. kluger Sprüche darüber, was wir alle zu lernen hätten: sinnloses Geschwätz.

Roland Richter | Sa., 11. Juli 2020 - 23:01

der niederländische UN-Kommandeur Thomas Karremans und Mladic haben danach miteinander Schnaps gesoffen aus Wassergläsern, da gibts Bilder von!

gabriele bondzio | So., 12. Juli 2020 - 14:09

Die einstige VR Jugoslawien bestand aus 6 Teilrepubliken, Serbien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Slowenien und Montenegro. Unter dem kommunistischen Führer Tito mit harter Hand verwaltet und auf einem eigenen Weg zum Sozialismus. Nach seinem Tod und Wirtschaftskrise, waren es führende Politiker, die bewusst gewaltbereite Nationalisten Angst und Hass schüren ließen und so einen Krieg in Kauf nahmen.
„Wir als Individuen haben von unseren Politikern damals nicht verlangt,...“...ich verstehe ihren Satz, Herr McNeil, unter dem Eindruck der Gräueltaten, die Ihnen vor Augen gekommen sind. Aber wie konnten Individuen, welche als Nachbarn, Freunde, Ehepartner. Über so lange Zeit zusammengelebt haben, sich das gegenseitig antun?

Das ist eine sehr wichtige Frage, die wir uns leider nicht nur angesichts der Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien stellen müssen. Ein kleiner "Trost" ist es, dass nur eine Minderheit der Serben, Kroaten und Bosnier Täter waren, häufig ein bestimmter Persönlichkeitstyp. Hierzu empfehle ich folgende Bücher:

Slavenka Drakulic (2003). Keiner war dabei: Kriegsverbrecher auf dem Balkan vor Gericht

Sead Husić (2007). Psychopathologie der Macht: Die Zerstörung Jugoslawiens im Spiegel der Biografien von Milošević, Tudjman und Izetbegović.

Sehr erhellend, fand ich, wenn auch bedrückend...

gabriele bondzio | Mo., 13. Juli 2020 - 10:40

Antwort auf von Kai-Oliver Hügle

für ihre Buchtipps. Habe aber nicht aus dem Stegreif „ Nachbarn, Freunde, Ehepartner herangezogen. Die Geschichte, welche ich verfolgt habe (Kriegsverbrechertribunal Den Haag), hat mir die Worte in den Mund gelegt.
Aus ihrer Antwort ergeben sich natürlich neue Fragen. Beispielsweise..., lernen die Menschen aus Geschehenen? Denn sie haben recht, Gleiches passiert jeden Tag überall auf der Welt. Oder, ist es eine Voraussetzung für große Staatengebilde, dass „Jemand“ mit harter Hand regiert?
Um nur zwei zu nennen.