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Ein sogenannte MQ-9A Drohne der US-Luftwaffe / dpa, U.S. Air Force, Brian Ferguson

Bewaffnete Drohnen - Höhenkoller

Ein Bericht des Verteidigungsministeriums empfiehlt, die Bundeswehr mit Drohnen auszustatten, die im Notfall auch schießen können. Ein Perspektivwechsel, der auch kulturelle Folgen nach sich ziehen könnte.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Perspektive verändert. Wie öde wäre doch das Quattrocento des Michelangelo verlaufen, hätte es nicht all die schönen neuen Fluchten und die Vermessung der Weltanschauungen gegeben. Die Realität, so haben es die Künstler an der Schwelle zur Neuzeit bewiesen, verändert sich fortwährend unter unseren Blicken.

Da muss man von Unschärferelationen noch gar nichts wissen, es reicht ein Spaziergang durch ein Museum: In der Alten Pinakothek in Schwabing etwa hängt ein großformatiges Gemälde, das über Jahrhunderte unsere Wahrnehmung auf den Krieg verändert hat: Albrecht Altdorfers „Alexanderschlacht“. Ein gigantischer Schinken von Anno 1529. Bis in den kleinsten Pinselstrich hinein zeigt der nichts anderes, als einen alten Schülerreim : „Drei-drei-drei bei Issos Keilerei“. 

Aus sicherer Ferne

Die Art aber, wie der Meister aus dem niederbayrischem Landshut damals den Clash der Truppen Alexanders mit denen des Perserkönigs Dareios dargestellt hat, war für seine Zeit etwas vollkommen Neues. Unter einer aufgehenden Morgensonne dringt hier der große Alexander auf dem Rücken seines erfahrenen Schlachtrosses Bukephaldos in das zur Flucht bereite persische Heer ein. Es wimmelt vor Farben und kämpfenden Winzlingen. Jeder Klecks ein Bauernopfer. Geradewegs hörbar scheint das Scheppern und Klirren der Rüstungen sowie die lauten Schreie der anstürmenden Soldateska zu sein.

Und das alles – dieses große Welttheater zweier Kriegsherren, die ihre Massenpanzer wie Marionetten an seidenen Fäden bewegen – betrachtet der Kunstliebhaber aus sicherer Ferne. Wie ein Feldherr auf einem imaginierten Hügel steht er da im klimatisierten Münchner Museum und blickt hinab in die Tiefe des Raumes. Vor ihm nur ein Tal der Tränen. Und wohin er schaut: Kanonenfutter. 

Drohnen erhöhen die Sicherheit der Streitkräfte

Sie ahnen schon, worauf es hinausläuft: In Deutschland wird seit einigen Tagen über Perspektiven diskutiert; und dies so gelangweilt und en passant, dass einem Piero della Francesca, dem großen Theoretiker des neuzeitlichen Sehens, sicherlich der Mund offen geblieben wäre. Ginge es nach dem Willen des Verteidigungsministeriums – und nichts spricht derzeit dafür, dass es nicht danach ginge – dann soll die Bundeswehr sich im Ernstfall mit bewaffneten Drohnen verteidigen dürfen.

Die nämlich, so heißt es in einem Bericht der Hardthöhe, „erhöhen die Sicherheit und Reaktionsfähigkeit unserer eigenen Kräfte und die unserer Partner im Einsatz.“ Klingt ziemlich logisch. Indes, es fehlt das kunsthistorische Knowhow. Denn wie einst bei Althofer müssen wir von nun an wohl von einer erneut veränderten Aufsicht auf Tod und Sterben ausgehen. Man mag es mögen, oder nicht: Perspektive schafft immer auch Weltsicht! Und so kann die fortschreitende Totale auf den Krieg den nicht kaltlassen, der noch hinschauen mag. 

„Organisation eines Wahrnehmungsfeldes“

Doch meistenteils gucken wir ohnehin weg; und das hat gute Gründe: Während die Menschen der Renaissance noch geahnt haben dürften, dass ein Shift in der Perspektive ganze Weltanschauungen ins Wanken bringen und Bildfluchten aus dem Dunkel des Mittelalters schlagen kann, da spielt eine weitestgehend desinteressierte Öffentlichkeit derzeit „Blinde Kuh“.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann etwa, Verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, beschrieb jüngst in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, wie begeistert sie von der neuen Semiotik des Krieges sei: Es sei unglaublich, so Strack-Zimmermann; mit einer Drohne könne man genau runterschauen und sehen, was am Boden vor sich ginge: „Da ist ein Drohnenführer und da sitzt jemand daneben, tausend Kilometer weg von der Drohne“. Sie selbst habe es bei einem Besuch der Truppen erleben dürfen, das, was sie leicht auch bei Paul Virilio hätte nachschlagen können: „Der Krieg“, so hatte der vor zwei Jahren verstorbene Philosoph stets behauptet, „ist zuallererst die Organisation eines Wahrnehmungsfeldes.“

Unterkühlte Distanz

Das ewige Runterschauen hat demnach Folgen. Die Kulturgeschichte weiß von manch einem Höhenkoller zu berichten: Da war zum Beispiel der deutsche Weltkriegsveteran Ernst Jünger. Der hatte 1934 in seinem Essay „Über den Schmerz“ davon berichtet, wie sehr zu viel Vogelperspektive die Herzen von Kampfpiloten erkalten lässt: „Der hohe Blick des Feldherrn erblickt die Dinge unberührt von der Ausstrahlung des Schmerzes und der Leidenschaft“, so der Dandy der unterkühlten Distanz.

Denn es war eine bewusste Empathielosigkeit, die Jünger besonders unter den Fliegern des Ersten Weltkriegs ausgemacht haben wollte; ein einstudiertes Fern-Sehen, das die Welt zunehmend in kalte Objekte verwandelt hatte. Ausgestattet mit immer mehr nüchternen Kameraaugen und entrückt wie sonst nur Rilkes Falke zogen sie ihre wachsenden Ringe über die verdinglichte Welt.

Vielleicht geht es also auch bei dem aktuellen Streit um neue Waffensysteme gar nicht so sehr um den Tod per Knopfdruck; es geht nicht um „WarGames“ oder um den kalten Krieg aus der Konsole. Was irritiert, liegt im Unbewussten dieses neuen Sichtfelds: Es ist die fortwährend technische Beschwörung des Schmerzes, die Distanz der modernen Feldherrenhügel – all die fernen Satelliten, Kampfjets und bewaffneten Drohnen, die kontrollierten Blicke in eine eher zweidimensionale Tiefe. Krieg ist am Ende eben immer auch eine Frage der Kultur: Und wo wir den Tod nur fern an Monitoren vorbeiflimmern lassen, steht zu befürchten, dass wir das Leben nicht anders betrachten.
 

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Tomas Poth | Do., 9. Juli 2020 - 11:50

Das Virtuelle greift punktgenau auf das Reale zu und zerstört es.
Was der Mensch sich ausdenken kann versucht er auch umzusetzen. Eines Tages wird der Mensch sich selbst robotisieren, weil nur so ausschließlich das "Gute" möglich ist. Dann braucht es auch keine Drohnen mehr. Alle werden ferngelenkt nur das "Gute" tun. Schmerzfrei und ohne Nebenwirkungen konsumieren und kopulieren.

Alexander Mazurek | Do., 9. Juli 2020 - 19:06

... nach "der guten alten Zeit" sehnen, wo das Töten mühevoll, ermüdend und schmutzig war. Wo der Täter dem Opfer ins Auge blickte und ...
Der wirkliche Fortschritt, wie er seit dem XVI. Jh. fortschreitet, besteht tatsächlich in der zunehmenden Leichtigkeit des (Massen-)Tötens.
So die "vertikalen Deportationen" durch die Höllenkolonnen der Französischen Revolution eines Marquis de Sade, das Maschinengewehr, die Artillerie, die Teppichbomber, die Gaskammern, die Nuklearwaffen. Der Abstand des Täters zum Opfer wächst und proportional dazu sinkt die Hemmschwelle.
Insbesondere, wenn das moderne Töten arbeitsteilig gestaltet wird: Einer wählt aus, ein anderer steuert, ein dritter drückt den Knopf: Immer für einen "guten Zweck" und gesetzestreu.
Der Dreck bleibt unsichtbar, "cut!". Wahrlich kein zivilisatorischer Fortschritt, es sei denn, der gewöhnliche Sterbliche wird frei nach Malthus als Plage, Krankheit, Ungeziefer, Pest gesehen.
Hatten wir schon - und offenbar nichts daraus gelernt.

Andreas Oltmann | Do., 9. Juli 2020 - 22:28

Leider verstehe ich nicht, was der Autor mir für eine Botschaft übermitteln will.

Enka Hein | Fr., 10. Juli 2020 - 12:21

Antwort auf von Andreas Oltmann

"unsaubere" Waffen sind. Was Obama da so in grossem Stil eingeführt ist eines Kriegers nicht würdig.
Besser so wie die IS. Kapuze drüber und ....sie wissen schon.
War so meine Erklärung für mich.
Vielleicht hilft es Ihnen.
Wünsche Ihnen noch ein drohnenfreies Wochenende.

Heidemarie Heim | Fr., 10. Juli 2020 - 16:53

So gesehen ist jede Aggression bzw. Handeln eine Frage der Kultur? Und je nach Kultur geht der Feldherr früher und heute noch mit seinem Kanonenfutter, dem eigenen menschlichen Material bzw. dessen Verlusten um. Denn dazu dienen und taugen diese neuen Waffen, weswegen man sie auch als Distanzwaffen bezeichnet. Selbst im heute hoch computergesteuerten Kampfjet sitzt immer noch ein Pilot im Zweifel näher am Geschehen, der noch einen Rest an Entscheidungsmöglichkeit hat hinsichtlich seines Einsatzes und der von ihm gewählten Mittel. Muss er Kameraden am Boden schützen und unterstützen oder löscht er ein zuvor bestimmtes Ziel auf direkten Befehl ohne Rücksicht auf Kollateralschäden z.B.(Zivilisten) aus. Mit einer Drohne hat man als Kommandeur derlei Anflüge eines eventuell vorhandenen Gewissenskonfliktes oder eines Distanzmangels praktisch nicht mehr. Der Tod kommt spielerisch mit einem Joystick,einem Spieler und sehr effizient daher. Statt alter Gemälde mit hochauflösenden Bildern. MfG