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Der rechtsradikale „Flügel“ der AfD feiert den Verbleib des Brandenburg-Chef Kalbitz / dpa

Der Fall Kalbitz spaltet die AfD - Der halbe Vogel

Brandenburgs AfD-Vorsitzender Kalbitz darf vorerst in der Partei bleiben – zur Freude des rechtsradikalen „Flügels“. Für Jörg Meuthen ist das eine klare Niederlage. Die AfD muss aufpassen sich nicht selbst zu zerfleischen.

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Hartmut Palmer ist politischer Autor und Journalist. Er lebt und arbeitet in Bonn und in Berlin.

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Jörg Meuthen mag von einem Sieg sprechen. In Wahrheit ist er nur knapp einer Niederlage entronnen. Er hatte den Ausschluss des rechtsradikalen AfD-Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz aus der Partei betrieben und sollte dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Mehrheit, die ihn am Wochenende vor einer Rüge wegen „parteischädigenden und zersetzenden Verhaltens“ bewahrte, war so dünn wie das Eis, auf dem er sich jetzt bewegt: 27 stimmten für, 23 gegen ihn. Hätten nur drei seiner Unterstützer die Seite gewechselt, wäre das Votum mit 26 zu 24 gegen ihn ausgefallen. Das Ergebnis zeigt: Die AfD ist gespalten, allen gegenteiligen Beteuerungen (auch des Parteichefs Meuthen) zum Trotz. Der rechtsradikale „Flügel“ um Björn Höcke und Kalbitz ist zwar noch nicht der ganze, aber mindestens der halbe Vogel.

Meuthens Niederlage, ein Sieg der innerparteilichen Demokratie

Schon das Urteil des Landgerichts Berlin, das der Abstimmung in Sachsen vorausging, war eine Niederlage für Meuthen, aber es war, so merkwürdig es bei dieser Partei klingen mag, ein Sieg der innerparteilichen Demokratie. Die Berliner Richter sind dem brandenburgische Parteivorsitzenden Kalbitz beigesprungen, nicht weil sie dessen politische Ansichten teilen, die spielten in dem Verfahren keine Rolle, sondern weil er, wie jedes andere Parteimitglied auch, Anspruch auf ein rechtsstaatliches Parteiausschluss-Verfahren hat.

Man kann ihn nicht einfach per Vorstandsbeschluss aus der Partei werfen. Ob er Mitglied bleiben kann oder nicht, entscheiden in der Bundesrepublik Deutschland nicht die Parteioberen, sondern die dafür zuständigen Gremien der Landes- und Bundesschiedsgerichtsbarkeit.

Kalbitz bleibt Parteimitglied

Kalbitz bleibt also erst einmal Parteimitglied – und es ist mehr als fraglich, ob die Schiedskommissionen, die jetzt über Verbleib oder Rauswurf entscheiden, ihm tatsächlich die Rote Karte zeigen werden. Er wird wahrscheinlich bleiben dürfen. Auch aus diesem Grund ist das Urteil des Berliner Landgerichts zu begrüßen.

Es sorgt für Klarheit. Es zwingt die AfD, Farbe zu bekennen. Und es durchkreuzt die Absicht des Vorsitzenden Meuthen, die wahren Kräfteverhältnisse zu verschleiern. Die von ihm betriebene Entfernung des Herrn Kalbitz aus der AfD war der Versuch einer großangelegten Täuschung. Sie sollte die Illusion nähren, dass die konservativ-bürgerlichen Kräfte in dieser Partei die Oberhand haben. Sie haben es nicht, wie sich bald zeigen wird.

Das Spiel geht weiter und das Ende ist absehbar

Und noch eine Vorhersage kann man wagen: Die Tage des Co-Vorsitzenden Meuthen sind gezählt. Seine Gegner werden nichts unversucht lassen, ihn zu stürzen – und sei es über die Parteispendenaffäre, von der auch beim Konvent am Wochenende auffällig häufig die Rede war. 269.000 Euro soll die Partei für eine dubiose Spende zahlen, die Jörg Meuthen aus der Schweiz bekommen hat. Sein Versuch, dies gerichtlich abzuwehren, ist bereits gescheitert.

Es ist gut möglich, dass ihn seine parteiinternen Feinde daraus einen Strick drehen werden. Schon gibt es Stimmen, die fordern, Meuthen solle einen Teil der Strafe aus der eigenen Tasche bezahlen. Das Spiel geht weiter. Und das Ende ist absehbar.

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Klaus Funke | Di., 23. Juni 2020 - 17:19

Schaut ihn euch an. Will er so aussehen? Dass jeder sofort sehen kann - Heinrich Himmler reloaded. Es fehlen nur der knappe Fasson-Schnitt und der Mittelscheitel. Quatsch! Er wäre ja trotzallem nur ein "Himmler-Verschnitt"... Ja, der Professor hat einen Phyrrus-Sieg errungen. Ich denke, er wird am Ende der Verlierer sein. Professoren scheinen der AfD nicht gut zu tun. Ich bin gegen einen Harakiri der AfD. Und weil das sicher die Mehrheit der AfD-Mitglieder ähnlich sieht, wird Meuthen als aufrechter Don Quichotte abtreten. Wenn er wirklich klug wäre, hätte er das bedenken können. Aber wahrscheinlich ist er zu weit weg - in Brüssel. Dennoch glaube ich nicht, dass die AfD bei kommenden Wahlern merklich Stimmen einbüßen wird. Zu groß ist der Frust im Lande, die Wut auf die Altparteien, auf die GroKo, auf Merkel & Co. - und es mangelt an wirklicher und echter Alternative. Die LINKE ist es nicht, die Grünen sind es erst recht nicht, auch nicht die FDP - also bleibt nur die AfD.

Ja, lieber Herr Funke: Professoren sind keine guten Politiker, jedenfalls nicht in Kampf-Zeiten "David gegen Goliath". Weder Lucke noch Meuthen haben erkannt, was für D auf dem Spiel steht bzw. sie weigern sich, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, wenn sie sich dabei auch selbst schmutzig machen müssen. Gauland hat begriffen, daß es auf j e d e n Wähler ankommt, d.h.daß man sich keine Aussortier-Mentalität erlauben kann, wenn man eine Kehrtwende in Deutschland anstrebt.
EINIGKEIT MACHT STARK./ MEHRHEIT ZÄHLT IN DER DEMOKRATIE.
Auch dann, wenn man sich persönlich nicht "riechen" kann bzw. den Partei-Genossen in seiner Eigen-Art verachtet - einzig das g e m e i n s a m e politische Ziel zählt! Das kann man von den Linken lernen!
K. Adam (ehem. F.A.Z.-Mitarbeiter u.Mitbegründer der AfD) hat neulich in der WELT bitter beklagt, daß zu viele menschlich "minderwertige" Personen für die AfD in den Parlamenten sitzen. Ich verstehe ihn, aber in der Außenwirkung ist so etwas nicht hilfreich.

Wen will die AfD denn mit Typen wie Kalbitz oder Hoecke erreichen? Die paar Ewiggestrigen, neue und alte Glatzen, verbohrte Rechte und die üblichen Dauernörgler, die die AfD sowieso schon wählen.
Zur wirklichen "Alternative" taugt die AfD nichts. Programmatisch hat sie fast nichts zu bieten. Hier und da hängt sie sich an Proteste, in der Hoffnung diese als politische Kraft nutzen zu können. Konstruktive Oppositionspolitik, mit wirklichen politischen Vorschlägen? Null. Stattdessen: Provokation, und das massenhaft.
Andererseits: Gut für die Demokratie, dass Kalbitz bleibt. Die AfD bleibt damit offen extremistisch. Ganz Schlaue (auch hier) meinen, man müsse nur Hoecke und Kalibitz rauswerfen, und schon wäre die AfD eine demokratische Partei. So als habe niemand die beiden (oder ähnliche Charaktere) gewählt. Dabei hat man einen Flügel-Lautsprecher schon als Vorsitzenden installiert.
Aber solche Traditionen kennt man ja. Nachher war es wieder keiner. Konnte man ja alles nicht wissen.

Radikale Trittbrettfahrer wie Kalbitz ruinieren sie. Deren Ansatz findet in Deutschland nämlich keine Mehrheit, das haben die letzten Jahrzehnt längst bewiesen.
Wenn der Flügel nicht gestutzt wird, dann geht die AfD den Weg der Republikaner und endet auf dem rechtsradikalen Parteienfriedhof, neben all den Versuchen der Kalbitzes und Konsorten.
Was heißt denn hier, der Rauswurf dieses Herren sei der "Versuch einer großangelegten Täuschung"?
Es ist der Versuch, den Flügel zu schwächen, indem man den Hauptstrippenzieher entfernt. Und so wie Herakles mit der Hydra hält man sich da sinnvollerweise an die Köpfe. Anders geht es doch gar nicht !
Soll man alle Flügelanhänger rausschmeißen? 1) Man hat keine Mitgliederliste 2) Selbst der Verfassungsschutz hätte nicht zu jedem juristisch belastbares Material 3) Wie sollten die Schiedsgerichte all diese Verfahren bewältigen?
Es geht nur über die Köpfe. Meuthens Schachzug war daher sinnvoll.
Gerade wer die AfD kritisiert, sollte ihn unterstützen.

Heidemarie Heim | Di., 23. Juni 2020 - 17:51

Das die AFD keine Partei wie jede andere ist und man seitens der Medien sich gern an unangenehmen Personen und Mitgliedern in Partei und Vorstand abarbeitet bzw. von diesen auf die gesamte Mitgliederschaft schließt und orakelt welche Tontaube als nächstes vom Himmel geholt wird, ist nicht weiter überraschend.
Denn im Gegensatz zu den in den Werten abfallenden oder stagnierenden Parteien wie die SPD sollen sich die blauen Oppositionsfaulenzer bitte schön selbst zerfleischen. Dabei sollte man aber nicht außer acht lassen, das diese als EU-kritisch gestartete Partei mal bei unter 5% lag bis ein Problem am politischen Horizont auftauchte, was bis heute weder europäisch noch national gelöst ist. Zusammen mit den sich nunmehr abzeichnenden Problemen, seien es die abermalige Rettung der EU im Kern sowie die Verwerfungen in Ökonomie,Ökologie und Sozialem im Inland, EU-weit und auch die Abhängigkeit von Erdogan (EU-Außengrenzschutz), könnte jede halbwegs funktionale Opposition für sich nutzen.

Reinhard Oldemeier | Di., 23. Juni 2020 - 19:04

Die AFD gibt ein eher trauriges Bild ab. Ob nun Herr Meuthen oder Herr Kalbitz oder unter dem nächsten Hütchen steckt ist eigentlich egal. Nur eins ist klar, der große Verlierer, wird nicht mehr in der AFD bleiben können. Wie sagte Herr Höcke in einer Sitzung "Wir werden unseren inneren Feinde ausschwitzen". Bewahre uns der Herr Gott davor, dass diese Partei, dann jemals an die Macht kommt. Denn irgendwas mit ausschwitzen hatten wir schon mal !!
Für den Verfassungsschutz steht fest, es bleibt ein Verdachtsfall. Dieser Makel wird bleiben. Wieviel Wählern dieses egal ist, wird man bei der nächsten Wahl erleben.

Eugen Renz | Di., 23. Juni 2020 - 19:21

Die konservativ-bürgerlichen Kräfte in der AfD sollten sich vom rechtsradikalen Flügel abspalten und ggf. eine „neue“ AfD gründen. Eine solche „neue“ konservative AfD hätte sicherlich viel Erfolg und würde vielen noch CDU/CSU - Wählern eine „neue Heimat“ bieten. Die „Alt AfD“ könnte dann weiter ihr Glück bei den Wählern mit ihren rechtspopulistischen Ansichten versuchen. Mittelfristig würde die „Alt AfD“den Weg der Bedeutungslosigkeit wie die NPD oder die Republikaner gehen.

trenelt | Mi., 24. Juni 2020 - 10:10

Antwort auf von Eugen Renz

Das haben schon Bernd Lucke und Frauke Petry versucht - mit dem mittlerweile bekannten Erfolg. Nicht mal das seinerzeit von Jörg Haider aus der FPÖ ausgegründete BZÖ hatte in Österreich überregional und langfristig Erfolg.
Ich fürchte, die einmal etablierte Marke dominiert - wer diese behält, hat gewonnen.

Übrigens ist natürlich die Sichtweise falsch, die relativ knapp zugunsten Meuthens ausgegangenen Abstimmungen im Bundesvorstand und Konvent seien ein Hinweis darauf, daß der "Flügel" bereits der halbe Vogel sei.
Sicher ist nur, daß die auf seiten Meuthens abstimmenden Protagonisten knallharte Gegner des Flügels sind. Auf der anderen Seite finden sich Flügelianer und an Ausgleich Interessierte. zu letzteren darf man bspw. sicher auch Gauland und Weidel zählen.

Kerstin Walczyk | Mi., 24. Juni 2020 - 10:33

Antwort auf von Eugen Renz

benötigt keine CDU light mit einer "NeuAfD", sondern wirkliche Opposition gegen den Irrsinn der gegenwärtigen Politik und die ist heute nur mit AfD möglich. Andere Alternativen sind weit und breit nicht in Sicht.

Christa Wallau | Mi., 24. Juni 2020 - 14:44

Antwort auf von Kerstin Walczyk

Nein, Frau Walczyk, sie sind nicht in Sicht u. werden auch in Zukunft wohl
kaum erscheinen. Wer - wie ich - slebt miterlebt hat, welche Mühe und wieviel Idealismus es kostet, eine neue Partei aufzubauen, der weiß, daß die feste Installierung der AfD in der deutschen Parteienlandschaft ein seltener Glücksfall ist, der sich so leicht nicht wiederholen läßt.
Daß die meisten unserer deutschen Mitbürger 2013, als die AfD zum ersten Mal zur Bundestags-Wahl anstand (Damals noch mit der untadeligen "Spitze" um Lucke herum!), die Chance zum a n d e r s Wählen n i c h t ergriffen haben, war ihr größter
Fehler in der Nachkriegsgeschichte. Die letzten sieben Jahre wären für unser Land
besser verlaufen, wenn die AfD 2013 in den Bundestag eingezogen wäre.
Inzwischen ist sie immer noch die einzige echte Oppositionspartei, wenn auch mit etwas anderem Personal. Wer wirklich Verbesserungen in der deutschen Politik will, kommt um die AfD nicht herum - mögen ihm auch Einzelne darin nicht gefallen.

als die AfD... (...nicht wählten....) war ihr größter Fehler in der Nachkriegsgeschichte.

Zitat: "Die letzten sieben Jahre wären für unser Land besser verlaufen..."

Zitat: "sie (ist) immer noch die einzige echte Oppositionspartei.."

Wer so für die AfD wirbt, ist selbst dort Mitglied, sowie

(bekennende) Unterstützerin des Flügels, Sympathisantin von Pegida und den Identiären.,

alle in Teilen oder vollständig Gegenstand verfassunsrechtlicher Überwachung wegen eindeutiger rechtsextremistischer Tendenzen.

Für die, die es noch nicht wissen.

Und sich darüber wundern, wie offen hier Werbung für die AfD stattfindet. Und das beinahe täglich.

Warum beißen Sie sich jedes Mal an mir fest? Ich bin nur eine unter den vielen Forum-Schreibern. Jeder darf hier seine Ansichten kundtun - so lange er sich an die vom CICERO vorgegebenen Regeln hält. Glauben Sie mir: Die Mitkommentatoren haben ihre Botschaft längst verstanden: Warnung vor Frau Wallau! Sie ist ein AfD-Wolf im Schafspelz - gefährlich, da den "Identitären", dem "Flügel" u. ä. Ungeheuern nahestehend!
Ein letztes Mal zur Klarstellung:
Ich bin seit 2013 Mitglied der AfD, mein Mann auch. Wir haben diese Partei mit Engagement u. Herzblut mit aufgebaut, weil sie u. E. bitter nötig war!
Parteifunktionen hatten wir aus Altersgründen nie inne, obwohl wir gebeten wurden zu kandidieren. Mir passen so manche AfD-Leute nicht, aber ich halte nichts von Parteiausschlüssen, weil sie oft mißbraucht werden. Mein Ideal sind tabu-freie, sachliche Auseinandersetzungen so lange eben möglich - innerhalb der AfD u. mit anderen Parteien.Die Ansichten des VS sind dabei kein Maßstab mehr für mich.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 24. Juni 2020 - 12:48

ich habe den voreiligen Rauswurfsversuch nicht verstanden. Der VS behauptet, Herr Kalbitz wäre Mitglied in einer rechtsradikalen Vereinigung gewesen, es gäbe gar einen Mitgliedsantrag und überhaupt sei er mehrfach irgendwo vor Jahren dabei gewesen. Nun, die Haldenwangtruppe behauptet viel, so wie ein gewisser Forist hier auch. Nur die Beweise für ihre Behauptungen, die bleiben sie schuldig. Und genau da sehe ich das Problem. Herr Meuthen hätte doch einfach das Schiedsgericht abwarten können. Wer hat ihn da juristisch so schlecht beraten. Stattdessen hat sich der Vorstand von den anderen Parteienforderungen treiben lassen. Die anderen Parteien und Medien fordern und Meuthen springt. Kein gutes Credo, wenn sich ein Parteivorsitzender von der meinungsmachenden Presse und den Linken so "lenken" lässt. Nach und nach will der VS die Landesverbände der AFD unter Beobachtungen stellen. Angeblich nur Teile, meinen aber alle. Geht den ordentlichen Rechtsweg und keine Sonderwege. Wehrt Euch.

Meuthen lässt sich also von den Linken lenken.

Langsam wird es Zeit für eine Sammlung.

"Ufpasse! Erbauliches aus der hessischen Provinz. - Es darf gelacht werden1"

Herausgeber: Ein Flügel-Anhänger.

Fritz Elvers | Do., 25. Juni 2020 - 01:50

"Die AfD muss aufpassen sich nicht selbst zu zerfleischen..."

Warum? Von mir aus gerne, Herr Palmer.